Der Wasserfloh und seine rekordverdächtigen inneren Werte

Folgender Bericht erschien heute auf wissenschaft.de – hab gar nicht gewusst, dass man Wasserflöhe als „Versuchstiere“ nutzt. Aber wie passt das mit den Genen in die Evolutions-Märchenstunde?

Der Wasserfloh und seine rekordverdächtigen inneren Werte

Das winzige Krebstier hat mehr Gene als Homo sapiens

Der Gemeine Wasserfloh Daphnia pulex hat mehr Gene als der Mensch, hat ein internationales Forscherteam entdeckt. Insgesamt ist das Genom des kleinen Krustentiers ist zwar sehr viel kleiner, darin reiht sich jedoch nahezu Gen an Gen. Beim Menschen machen diese Funktionseinheiten dagegen nur einen geringen Teil des gesamten Erbguts aus, der Rest besteht aus Bereichen, deren Aufgabe bislang unbekannt ist. Mit 31.000 Genen übertrifft der winzige Wasserfloh aber nicht nur den Menschen, sondern auch alle anderen Tiere, deren DNA-Sequenzen bisher bekannt sind. Viele der Gene entstanden dabei durch Verdopplungen vorhandener Erbgutabschnitte. Sie sind wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass das im Wasser lebende Krustentier sich schneller und besser als die meisten anderen Lebewesen an Veränderungen in seiner Umwelt anpassen kann. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ihre Ergebnisse das Verständnis darüber, wie Organismen auf veränderte Umweltbedingungen reagieren, vertiefen werden.

Der Wasserfloh ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Forschungsobjekt von Wissenschaftlern. Das liegt zum einen daran, dass er eine wichtige Rolle in der Nahrungskette der Wasserlebewesen spielt. Zum anderen verblüfft er immer wieder mit einer einzigartigen Anpassungsfähigkeit: Wird das nur wenige Millimeter große Krebstier beispielsweise von Räubern angegriffen, wachsen ihm in Windeseile eine Art Helm, ein langer Schwanz und Nackenzähne. Damit ist der Überlebenskünstler zu groß, um gefressen zu werden. Auslöser für diese Reaktion sind chemische Signalstoffe, die die feindlichen Tiere beim Fressen absondern. Die Forscher um John Colbourne von der Indiana University haben nun das Erbgut des Wasserflohs analysiert, um herauszufinden, wie das kleine Tier diese Tricks zustande bringt.

Der Floh besitzt überraschend viele Gene, zeigte die Sequenzierung: Bei einer Größe von gerade einmal 200 Millionen Bausteinpaaren enthält das Wasserfloh-Erbgut über 31.000 Gene. Damit übertrifft der Wasserfloh locker den Menschen: Dessen Erbgut besteht zwar insgesamt aus etwa drei Milliarden Buchstabenpaaren, es umfasst aber nur 23.000 Gene. Der Unterschied ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Wasserfloh-Erbgut im Gegensatz zu dem des Menschen fast ausschließlich DNA-Regionen enthält, die einen Bauplan für ein Protein oder ein regulierendes RNA-Molekül tragen. Die meisten davon waren bisher völlig unbekannt: Mehr als ein Drittel der entzifferten Gene wurde bislang bei keiner anderen Spezies gefunden, und die Funktion der meisten der Gene ist komplett unbekannt.

Allerdings sind viele der Wasserfloh-Gene einander sehr ähnlich und daher vermutlich durch Verdopplungen entstanden. Die Analyse zeigte, dass das Krustentier 30 Prozent mehr Gen-Duplikate besitzt als der Mensch. Vermutlich können diese Gen-Kopien sehr schnell neue Funktionen annehmen und haben prinzipiell ähnliche Aufgaben, spekulieren die Forscher. Sie vermuten auch, dass Gene maßgeblich an der Anpassungsfähigkeit des Wasserflohs beteiligt sind.

Sein einzigartiges Genom könnte den Wasserfloh nach Ansicht der Wissenschaftler in Zukunft zu einem Modellorganismus eines völlig neuen Wissenschaftsgebiets avancieren lassen, dessen Ziel es ist, das Zusammenspiel von Umwelt und Genen besser zu verstehen. Zudem wäre es denkbar, den Floh dafür einzusetzen, die Wirkung von Umweltgiften auf die Gesundheit und die Wasserqualität zu untersuchen. „Es passiert in der Wissenschaft nicht oft, dass ein neues Modellsystem auf den Plan tritt, das eine so wichtige Rolle bei der Entwicklung eines neuen Wissenschaftsgebiets spielt“, bemerkt Colbourne.

John Colbourne (Indiana University in Bloomington) et al: Science, doi: 10.1126/science.1197761

dapd/wissenschaft.de – Peggy Freede

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