„Hier, für dich, mein Zeugnis ….“

„Hier, für dich, mein Zeugnis“, sagte er und drückte mir mit einem verschmitzten Lächeln einen kleinen weißen Zettel in die Hand. Das erste, was er nach gut einem Jahr zu mir sagte, als er mich vor wenigen Tagen im Hauskreis begrüßte. „Mein Zeugnis“, was sollte das sein? Und wer ist Gene?

Gene und seine Frau Kathy sind vor vielen Jahren von GCE – Great Commission Europe – aus Amerika nach Berlin geschickt worden, um unsere kleine Hausgemeinde zu unterstützen. Leider mußten sie nach einigen Jahren wieder zurück, da Gene Probleme mit der Gesundheit hatte und seitdem sind Dieter und Lucy hier, immerhin auch schon über 7 Jahre. Im vergangenen Spätsommer war Gene für einige Wochen zu Besuch und so lernten wir ihn kennen. Thom und er freundeten sich schnell an, denn beide Männer verbindet nicht nur die tiefe Liebe zu Gott und seinem Wort, sondern auch dazu, mit Menschen über das Evangelium zu sprechen.

Schnell verabredeten sie sich, um mit den Menschen hier am See zu sprechen und beide waren fasziniert von der Art, wie der andere das tat. Thom als ehemaliger Zeuge Jehovas und jahrelanger Allgemeiner Pionier war da nicht nur von der Gesellschaft gut geschult worden, sondern hatte auch da schon seine besondere Art. Da Thom und ich die Natur lieben und seit fast jeden Tag am See spazieren gingen, kennen die Menschen uns eh von Gesprächen über die Schwäne und andere Tiere am See, so begann er jeweils mit der Schönheit der uns umgebenden Natur und war schnell im Gespräch. Gene hingegen ging auf die Leute zu und erzählte, wie Jesus sein Leben verändert hatte. Er war es gewohnt, den Leuten hinterher wenigstens etwas Kleines zu Lesen zu überreichen und fand die Traktate, die wir über VdHS besorgt hatten, zwar auch sehr schön, aber das war es noch nicht. Aber teilweise verschenkte er eine DVD mit dem Film „Jesus“. Es gab eine lustige Anekdote, wie er sie einem Mann geschenkt hatte und wir hinterher von einer jungen Schwester, die nach Amerika geheiratet hatte, erfuhren, dass dieser sie in den Papierkorb geworfen hatte, als Thom und Gene weg waren. Zufällig saß ihr Vater, der kein Christ ist, auf der Nebenbank und beobachtete das alles und nahm die DVD an sich und erzählte es ihr. Gottes Wege sind oft seltsam 😉

Anfang diesen Jahres erzählte Toby, der junge Bruder, zu dessen Hochzeit er und Kathy jetzt angereist waren, dass er und seine Verlobte eigene Traktate gemacht hatten. Auf Nachfrage kam die Info: „wie Jesus unser Leben verändert hat“. Das hatte Gene wohl gefallen und er hat sich daran gesetzt, sowas auch mit seinem Zeugnis zu tun. Toby hatte ihm dann bei der Übersetzung ins richtige Deutsch geholfen und hier war er nun – er und sein Zeugnis 😉

Erst mal gab es viele andere Dinge zu tun, wie den Jetlag in den Griff zu bekommen und die vielen alten Freunde zu besuchen. Als er im letzten Jahr hier war, hatte er sich z.B. regelmäßig mit einem moslemischen Mann über Jesus unterhalten und sie waren per Mail im Gespräch geblieben. Es war nicht so einfach, einen geeigneten Termin zu finden, denn Thoms Arbeitszeiten hatten sich geändert, er arbeitet nun viel tagsüber (wo es letztes Jahr eigentlich nur Nachts war). Die Zeit wurde knapp, denn am Freitag sollte es per Flieger zur Hochzeit nach Spanien weiter gehen. Mittwoch rief er dann an und sie verabredeten sich für Donnerstag. In der Nacht erhielt Thom eine Mail von Dieter, er solle für Gene beten, ihm ginge es nicht gut. Donnerstag rief mich Kathy an, um zu sagen, dass Gene nicht kommen könne und ich sagte noch: „nicht schlimm, soll er sich auskurieren, damit er für die Hochzeit fit ist“. Ich hatte den Ernst der Lage nicht erkannt, denn wir Frauen bitten öfters andere, für uns zu beten. Männer nicht, das war mir allerdings nicht klar. Nachmittags erzählte mir Stephi, dass Kathy ihren Termin mit ihr abgesagt hätte, weil sie Gene nicht allein lassen könne. Nun kam auch mein Gehirn auf Trab, dass durch tagelanges hohes Fieber etwas langsam arbeitete. Es musste wohl ernster sein.

Nun ging alles ganz schnell: Donnerstag kam er ins Krankenhaus auf Intensiv, Freitag wurde er ins künstliche Koma versetzt, Organversagen und – gestern Nacht um 23 Uhr ist Gene gestorben 🙁

Unfassbar für uns alle: angereist zur Hochzeit eines Freundes, sie wollten noch einige Tage Urlaub in Spanien dran hängen und nun das! Gene Shafer ist tot. Er war ein wunderbarer Mann gewesen und ich danke Gott, dass wir das Vorrecht hatten, ihn kennenzulernen und auch, dass wir ihn kurz vorher noch sehen durften.

Gestern nach dem Gottesdienst hier bei uns hatten wir uns noch über ihn unterhalten und auch über das Traktat, das er mir gegeben hatte. Ich hatte es noch nicht einmal gelesen gehabt. Zara hat es dann für uns alle vorgelesen und irgendwie klang es in Anbetracht der Situation wie ein Nachruf. Aber es sollte kein Nachruf sein, Gene hatte etwas damit vorgehabt, was er leider nicht mehr ausführen konnte – deshalb hänge ich es für alle hier dran

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2 Kommentare

  1. Jule sagt:

    Astrid, unsere Nachbarin, die die letzten Tage mit uns um Gene gefiebert und für ihn gebetet hatte, hatte Tränen in den Augen, als ich ihr heute morgen erzählte, das Gene gestern Nacht gestorben ist.

    Vorhin kam sie auf einen Kaffe und ich gab ihr „das Zeugnis“ von Gene zu lesen. Sie war zutiefst gerührt – und so hatte der Zettel, den er mir gegeben hatte, wenigstens einen von den Menschen erreicht, denen er ihn so gern selbst in die Hand gedrückt hätte.

    Astrid hatte Gene nicht einmal persönlich gekannt …

    Gene, wir werden dich schmerzlich vermissen ;-(

  2. Jule sagt:

    hier das Zeugnis von Gene als Datei zum Verlinken 🙂

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