Tag: 13. September 2021

„nur unsere Pflicht“

So auch ihr: Wenn ihr alles getan habt, was euch verordnet war, sprechet: Wir sind unnütze Knechte. Wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren. Mt 25,37.44; Hi 22,2.3; Sir 18,5.6; Röm 11,35.
Tafelbibel mit hinzugefügten Sachparallelstellen – Lukas 17,10

So soll es auch bei euch sein:
Wenn ihr alles getan habt,
womit euch Gott beauftragt hat,
dann sagt:
›Wir sind Knechte, weiter nichts.
Wir haben nur unsere Pflicht getan.‹«
BasisBibel – 2012 – Lukas 17:10

Auf dieselbe Weise stellt auch ihr, wann immer ihr einmal all das Festgelegte zur Ausführung gebracht habt, fest: »Wir stehen als unbrauchbare Sklaven da, weil wir bereits ausgeführt haben, was zu bewerkstelligen wir verpflichtet waren.»“
Gottes Agenda – Das Neue Testament urtextnah ins heutige Deutsch übersetzt von Andreas Eichberger – Lukas 17,10

Diesen Vers hatten wir ja schon vor wenigen Monaten.

Die meisten Sklavenhalter hatten nur wenige Sklaven, die deshalb sowohl auf dem Feld als auch im Haus arbeiteten. Für die Herren erfüllten sie damit lediglich ihre Pflicht, es war keine freiwillig getroffene Entscheidung. Ebenso wenig galt es als ehrenvoll, wenn ein Herr mit seinen Sklaven aß, was denn auch praktisch so gut wie nie vorkam. Die Kernaussage dieser Beispiele scheint zu sein, dass der Glaube eines Menschen wächst, wenn jemand sich als ein Knecht versteht. Glaube ist kein Selbstzweck, sein Ziel ist das Dienen.

Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

Damit hat Jesus in den Seinen die Selbstlosigkeit der echten, reinen Liebe gepflanzt. Er macht sie nicht nur dadurch von sich selbst los, dass er sie unter das Bußwort stellt und ihnen ihre Bosheit und Untreue sichtbar macht. Diese macht sie schamrot und schließt ihnen den Mund. Aber nicht dieser bittere Weg allein führt sie weg von der Bewunderung, mit der sie sich selbst preisen, und von dem Vertrauen, das sie auf sich selbst gründen. Auch die Liebe macht sie selbstlos und dies gerade dann, wenn sie den Willen Jesu erfüllen, was ihnen aufgetragen ist, tun, sein Wort sagen und sein Werk ausrichten. Dann sprechen sie: „Unnütze Knechte sind wir!“ Denn sie haben nichts anderes für ihn getan, als was ihnen befohlen war. Was sie tun, müssen sie tun. Sünde, Untreue wäre es für sie, Schande und Fall, hätten sie sich geweigert, das Gebot Jesu zu halten. {1 Korinther 9,16} Dazu hat er sie mit sich verbunden und ihnen seine Gemeinschaft geschenkt, dass sie ihm dienen. Über das, was sie für ihn zu tun vermochten, geht aber der Wille der Liebe immer hinaus. Immer schätzt sie das, was sie vollbringt, als unzulänglich und dürftig. Ihre Gabe und Arbeit bleibt weit hinter dem zurück, was sie dem Herrn gern gäbe, worin sie einen seiner würdigen Dienst erkennt. Dieser Schmerz bleibt der echten Liebe immer eingepflanzt und gibt ihr ihre Unermüdlichkeit. Nicht dazu sagt Jesus den Seinen dieses Wort, damit sie etwas anderes zu tun begehren, als was er sie heißt. Ihm ist nichts anderes erwünscht, als was er ihnen befohlen hat, und ihnen ist nichts Höheres möglich als die Befolgung seines Gebots. Vielmehr sagt er den Jüngern dieses Wort gerade dazu, damit sie rüstig bei seinem Gebot bleiben und sich nicht selbstzufrieden davon abwenden, als wäre es nun des Dienstes genug; sie sollen an ihn ihre volle Liebe setzen, sich nicht wegen ihrer vollbrachten Taten bewundern, vielmehr alles, was sie leisten und opfern, als viel zu gering empfinden und darum mit immer neuer Willigkeit an den Auftrag Jesu gehen.

Schlatter – Erläuterungen zum Neuen Testament

»Bedankt er sich etwa bei dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war?« (V. 10) fragt Jesus weiter. Die Antwort heißt wieder: Nein. Aber wichtig ist die Begründung: Warum »bedankt er sich« nicht? Weil, so muss man antworten, der »Knecht« nur seine Schuldigkeit getan hat. Es besteht hier überhaupt kein Anlass zu einem besonderen Dank! Englische Ausleger sind sehr darum bemüht, die Höflichkeit zu wahren. Deshalb weisen sie gerne darauf hin, dass Jesus hier keineswegs gegen ein freundliches Dankeschön argumentiert. Das tut er auch nicht. Wir könnten in der Tat viel mehr Danke sagen, auch wenn wir etwas als selbstverständlich betrachten. Dennoch bleibt es dabei: Was aus Pflicht »getan« wird, darf keinen besonderen Dank erwarten.

Am Ende gibt Jesus, wie schon öfter (z. B. Lk 14,33; 15,7.10; 16,8ff.), eine Deutung seines Gleichnisses. Dies geschieht in Vers 10: »So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen war, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte. Wir haben nur getan, was wir zu tun schuldig waren«. Ganz eindeutig geht das Gleichnis auf die Jünger (»ihr«). Sie sind Gottes »Knechte«. Jesus setzt hier den Fall voraus, dass sie »alles getan« haben, »was« ihnen von Gott »befohlen war«. Das gibt es also! Wir finden bei Jesus kein weinerliches Christentum, das alle Augenblicke sagt: »Ich kann nicht, ich kann nicht!« Aber selbst gesetzt den Fall, dass sie wirklich »alles getan« haben, sollen sie von Gott keinen besonderen Dank erwarten. Sie sollen auch keine besondere Verwöhnung erwarten (vgl. V. 7-8) – und schon gar nicht mit Verdiensten rechnen.

An dieser Stelle sollten wir auf die Gleichnisse der Rabbinen hören. So sagte der berühmte Antigonos von Socho (ca. 250 v. Chr.): »Seid nicht wie Knechte, die dem Meister dienen mit der Bedingung, Lohn zu empfangen, sondern seid wie Knechte, die dem Meister dienen ohne die Bedingung, Lohn zu empfangen!« (nach Mischna Aboth I, 3). Ein anderer, Jochanan ben Sakkai (um 70 n. Chr.), sagte: »Wenn du viel Weisung gelernt hast, so halte es dir nicht selber zugute, denn dazu wurdest du gebildet« (Mischna Aboth II, 8). Jesus konnte also bei diesem Gleichnis auf ein schnelles Verständnis rechnen. Außerdem zeigen die Rabbinen, dass Lk 17,7-10 keineswegs auf die Verdienstfrömmigkeit der Pharisäer zielt, sondern eine Verdienstfrömmigkeit bei den Christen ausschließen will.

Aber warum sollen die Jünger »sagen: Wir sind unnütze Knechte«? Wenn sie »getan haben, was wir zu tun schuldig waren«, sind sie doch ganz anders als der unnütze Knecht von Mt 25,30 ! Manche Ausleger schlagen vor, das griechische Wort für unnütz hier mit »armselig« oder »unwürdig« zu übersetzen, was tatsächlich gut passen würde. Dennoch verliert die Übersetzung »armselig« das Profil. »Unnütz« heißt vielmehr: Ich bin ein Knecht, der jederzeit ersetzbar ist. Gott braucht mich nicht. Er ist nicht abhängig von mir. Deshalb braucht er sich weder zu bedanken noch zu belohnen. Wir erkennen im Spiegel von Lk 17,10, wie unbiblisch und töricht der Satz ist: »Gott hat keine anderen Hände/Füße als die unsrigen«. Er hat sehr wohl andere – zumindest seine eigenen!

Gerhard Maier – Edition C

Mit dem Schlusssatz des Gleichnisses: „Wir sind entbehrliche Knechte, denn wir haben nur getan, was wir zu tun schuldig sind“, wird jeder Wahn des Verdienstes für das Tun des Knechtes zermalmt. Es ist zu beachten, dass nicht Jesus oder der Herr im Gleichnis die Knechte als wertlose Knechte beurteilt, sondern dass diese Worte ein Selbstbekenntnis der Knechte selbst sind. Wenn Jesus Seine Jünger sonst auch „Freunde“ nennt (Joh 15,14.15), so bleiben sie doch in der demütigen Knechtshaltung ihrem Herrn gegenüber. Knechte Gottes oder Jesu Christi ist bis in die Offenbarung der höchste Ehrentitel der Kinder Gottes (vgl. Offb 1,1; 7,3; 19,5; 22,3).
Die Ableitung des griechischen „achreios“ von „chreia echein = bedürfen, nötig haben“ führt auf den Sinn von „entbehrlich“. Demnach bekennen sich die Knechte als „entbehrliche Knechte“. Dies ist die rechte Gesinnung.
Wir fassen zusammen: Der Grundgedanke dieses Gleichnisses ist der, dass jedes Berufen, jedes Vertrauen und jedes Stützen auf die eigene Leistung verdammt wird. Alles ist nur Gnade. Das Urteil Jesu über das Werk des Knechtes Christi vernichtet den Pharisäismus voll und ganz, indem es in radikaler Weise jeglichen Verdienstgedanken seitens des Menschen und jegliche Verpflichtung und Verbindlichkeit Gottes gegenüber dem Menschen auslöscht.
Ein Ausleger meint: „Diese Mahnung könne nicht, wie V 1 gesagt ist, an die Jünger gerichtet sein, weil sie ausdrücklich den Zweck hat, den pharisäischen Gedanken der Verdienstlichkeit und der Leistung und des Rechtsanspruches zu bekämpfen.“ Allein, Jesus ermahnte die Apostel ja auch, sich vor dem Sauerteig der Pharisäer zu hüten. Und das Gleichnis von den „zu verschiedenen Tageszeiten in den Weinberg berufenen Arbeitern“, das denselben Grundgedanken enthält wie die Verse 7-10, ist gleichfalls an die Jünger gerichtet (Mt 20,1 ff). Die Frage des Petrus nach dem Weggang des reichen Jünglings (Mt 19,27): „Was wird uns dafür?“ zeigt hinlänglich, dass die Gefahr für die Gläubigen immer vorhanden ist. Der Hochmut hängt sich, wie ein nagender Wurm, selbst an die Wurzel des Glaubensgehorsams an.
Die versteckten Ansprüche, die heimliche Einbildung sind so leicht da, wenn man sich im Dienst des Herrn eifrig und erfolgreich betätigt. – Wir sind und bleiben Knechte, die Er nicht braucht, die aber Ihn brauchen!
Zu beachten ist aber der Unterschied zwischen einem Sklaven des irdischen Herrn und dem Sklaven des himmlischen Herrn. Bei jenem ist die Dienstbereitschaft ein Müssen, bei uns ist es ein seliges Dürfen. Dort ein „du sollst“, hier ein „ich will, ich darf“. Dort das Gesetz, |406| hier die Freiwilligkeit. Dort ist ein strenger, oft egoistischer Herr. Hier ist der allergütigste Herr, der Herr, der Seinen Diener so unsagbar lieb hat, dass Er Sein Leben für Seinen Diener gelassen hat. „Wo ist solch ein Herr zu finden, der, was Jesus tat, mir tut, mich erkauft von Tod und Sünden, mit dem eigenen teuren Blut.“
Der Begriff der Sklavenschaft enthält weiter die Vorstellung der Leibeigenschaft (3 Mo 25,44-46). Der Sklave ist nicht mehr sein eigener Herr wie weiland, als er noch frei war. Er gehört mit Leib und Leben dem Herrn.
Die Gläubigen sind das Volk des Eigentums geworden (1 Petr 2,9), sofern sie erlöst sind. Sie sind grundsätzlich Seelen – und Leibeigene, aber bedürfen immerfort der Ermahnung, ihre Leiber als Opfer hinzugeben (Röm 12,1).

Wuppertaler Studienbibel