Tag: 15. März 2023

„Und wenn ich mit Menschen zu tun habe, deren Gewissen empfindlich ist, verzichte ich auf meine Freiheit“

Und wenn ich mit Menschen zu tun habe, deren Gewissen empfindlich ist, verzichte ich auf meine Freiheit, weil ich auch diese Menschen gewinnen möchte. In jedem einzelnen Fall nehme ich jede nur erdenkliche Rücksicht auf die, mit denen ich es gerade zu tun habe, um jedes Mal wenigstens einige zu retten. Das alles tue ich wegen des Evangeliums; denn ich möchte an dem Segen teilhaben, den diese Botschaft bringte.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 1. Kor 9,22–23

Und wenn ich mit Menschen zu tun hatte, deren Glaube noch schwach war, wurde ich wie sie und machte von meiner Freiheit keinen Gebrauch – nur um sie für Christus zu gewinnen.
Ich stellte mich allen gleich, um überall wenigstens einige zu retten. Das alles tue ich für die Gute Nachricht, damit ich selbst Anteil bekomme an dem, was sie verspricht.
Gute Nachricht Bibel 2018 – 1. Korinther 9,22–23

Weil ich also von allem frei sein wollte und von niemandem abhängig, habe ich mich zum Sklaven aller gemacht, damit ich möglichst viele Menschen für Jesus gewinnen kann: Für die Juden bin ich ein Jude geworden, damit ich die Juden für Christus erreiche. Für diejenigen, die auf die strenge Einhaltung des mosaischen Gesetzes achten, bin ich jemand geworden, der genauso die Gesetze einhält, obwohl er durch Christus längst von dem Zwang des Gesetzes befreit wurde. Warum? Um auch diese Menschen zu Jesus zu führen. Genauso habe ich mich gegenüber den nichtjüdischen Völkern verhalten, die sich nicht an das Gesetz gebunden fühlen: Für sie wurde ich wie einer von ihnen, um sie unter das Gesetz Jesu zu bringen. Ich bin für die Anfänger im Glauben ein Anfänger geworden, um sie zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um wenigstens einige zu retten. Das alles habe ich gern getan, weil es mich an der Frohen Botschaft Jesu teilhaben lässt.
Fred Ritzhaupt – Willkommen daheim – 1. Kor. 9:19–23

weitere Übersetzungen des Verses….hier

Sein großes Ziel war, so viele Menschen wie möglich zum Heiland zu führen. Für dieses Ziel war er zu den größten Opfern bereit. Welch ein Beispiel für uns, die wir oft so träge, so gleichgültig und auch so selbstbewusst sind, ohne zu merken, dass wir dadurch ein Hindernis für die Verbreitung des Evangeliums sind!
Seine Haltung erläutert Paulus nun an einigen Beispielen (V. 20-22). Er passte sich seinen Zuhörern so weit wie möglich an, ohne jedoch dadurch seine Abhängigkeit vom Herrn aufzugeben. Wenn er den Juden das Evangelium verkündigte, dann tat er es als Jude, der er ja von Geburt war. Einem möglichen Einwand, dass dies ja nichts Besonderes sei, begegnet er mit dem folgenden Beispiel:
„… denen, die unter Gesetz sind, wie unter Gesetz (obwohl ich selbst nicht unter Gesetz bin), damit ich die, die unter Gesetz sind, gewinne …“ So ließ er Timotheus um der Juden willen beschneiden, obwohl er selbst bei einer anderen Gelegenheit verkündigte, dass die Beschneidung für den Christen keinerlei Bedeutung hat (Apg 16,3; L Kor 7,19). Bei den Heiden, die das Gesetz nicht kannten, setzte er weder die Kenntnis des Gesetzes voraus, noch verhielt er sich wie einer, der unter Gesetz steht. Wenn er auch nicht mehr wie früher als Jude unter dem Gesetz vom Sinai stand, so bedeutete das nicht, dass er gesetzlos war, denn auch jetzt war er vor Gott nicht ohne Gesetz, sondern er war Christus gesetzmäßig unterworfen. Zwischen ihm und seinem Herrn bestand ein festes und enges Band, denn er war ein Sklave Christi. Als drittes Beispiel erwähnt er die Schwachen, von denen er bereits in Kapitel 8 zu den Korinthern gesprochen hatte. Wenn sie sich über ihre schwachen Brüder hinwegsetzten, so ging Paulus auf schwache Ungläubige ein. Alles dies tat er, um so auf jede mögliche Weise Menschen durch das Evangelium der Gnade zu erreichen und zu retten, damit er sich an dessen Früchten erfreuen könnte.

Hilfe und Nahrung – 2000

In seinem Verweis auf die Juden und Heiden in den vorhergehenden Versen hat Paulus erklärt, daß er freiwillig darauf verzichtet, die Freiheit, die er eigentlich hat, in Anspruch zu nehmen, wenn er auf diese Weise Ungläubigen das Evangelium nahebringen kann. Nach Ansicht mancher Exegeten bezieht sich der Ausdruck „die Schwachen“ in diesem Vers auf die Ungläubigen – sowohl unter den Juden als auch unter den Heiden, und Paulus faßt hier gewissermaßen nochmals seine zuvor geäußerten Überzeugungen zusammen (vgl. Röm 5,6 ,wo „die Schwachen“ ebenfalls „Ungläubige“ genannt werden).
Plausibler ist allerdings, daß er nur von den Schwachen in Korinth spricht (vgl. 1Kor 8,9-11; vgl. Juden, Griechen und die Gemeinde Gottes in 1Kor 10,32). Sein Bemühen, sie zu gewinnen, bezieht sich diesmal nicht auf die Rechtfertigung allein durch den Glauben, zu dem Judenund Heiden ( 1Kor 9,20-21 ) erst einmal bekehrt werden mußten, sondern hier geht es ihm darum, die Korinther für die Heiligung und Reife in Christus zu gewinnen (vgl. Mt 18,15) – und sie auf diese Weise für Gottes weiteres Wirken in ihrem Leben zu retten. (vgl. 1Kor 5,5; 8,11). Daher paßt er sich den Vorschriften und Bräuchen der Verschiedenen Gruppierungen (vgl. „jedermann“ in 9,19) soweit als möglich an, und zwar je nach Situation, denn es wäre unmöglich, sowohl Juden als auch Heiden gleichzeitig zufriedenzustellen.
Er tut dies freiwillig, um so viele Hörer wie möglich für das Evangelium zu gewinnen und so als Gottes Mitarbeiter an seinem Segen teilzuhaben (1Kor 3,9) und mit Freuden die Ernte der vielen für Christus Gewonnenen einzubringen (vgl. Joh 4,36).

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Auch in der Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde gilt für Paulus solche Dienstbarkeit aus Freiheit. Er geht auch den Weg der »Schwachen« mit, die noch Hilfen in der Nachfolge brauchen. Er will auch ihnen zu voller Freiheit helfen, sie »gewinnen« für ein ganz vom Geist Gottes durchpulstes Leben. Deshalb setzt er sich für sie in besonderer Weise ein (vgl. Röm 14; 15,1–13; und 1 Kor 8,7 ff.): »Ich bin allen alles geworden«, so faßt der Apostel seine in werbender, dienender Liebe gelebten Schritte mit den Menschen zusammen mit der Zielangabe: »damit ich auf alle Weise etliche rette«. Nicht alle werden so für das Evangelium gewonnen, aber einige. Sehr nüchtern sieht der Apostel auch die Grenzen solchen Bemühens. Es gibt keine Methode, nach der alle gläubig werden. Das ist und bleibt allein Gottes erbarmende Tat (vgl. Röm 9,14ff.), aber es gibt sehr wohl für den Boten des Evangeliums Möglichkeiten, nicht selbst zum Hindernis für die Botschaft zu werden.

Um »des Evangeliums willen«, um der Rettung und Erlösung seines eigenen Lebens willen handelt und dient der Apostel so. Auch ein Apostel, auch ein Verkündiger des Evangeliums hat die Rettung nicht als sicheren Besitz, er ist nicht automatisch »teilhaftig« (wörtlich: »Mitteilhaber«) der Rettungsgnade. In großer Demut spricht hier der Völkerapostel, in die so sicheren Korinther beschämender Demut. Das gibt unserem Dienste seine persönlichste Gewichtigkeit und unserem Tun Verbindlichkeit, daß wir »dem vorgesteckten Ziel« »nachjagen« dürfen (vgl. Phil 3,14), nämlich dem vollendeten Heil im Gottesreich.

Edition C Bibelkommentar

Wie er sich „jedermann zum Knecht gemacht“ hat, verdeutlicht er nun mit mehreren Beispielen. Um …
• … Juden zu gewinnen, berücksichtigt er jüdische Sitten und Gebräuche.
• … Menschen, die „unter dem Gesetz sind“ zu gewinnen, lebt er wie einer, der einer von ihnen ist – obwohl er gar nicht „unter dem Gesetz“ ist, das Gesetz für ihn kein Weg zum Heil ist (Röm 10,4).
• … Menschen, „die ohne Gesetz sind“ zu gewinnen, lebt er auch wie einer von ihnen – obwohl er „nicht ohne Gesetz … vor Gott“ ist, weil er „in dem Gesetz Christi“ ist, also dem Liebesgebot verpflichtet ist (Gal 5,13-15; 6,2).
• … die „Schwachen“ (8,9) zu gewinnen, also die Christen mit einem schwachen Gewissen (8,7) für die der Verzehr von Götzenopferfleisch ein Problem ist, verzichtet er darauf (8,13).
Paulus ist „allen alles geworden“. Das zeigt, dass „die Akkommodation [Anpassung] um des Evangeliums willen grundsätzlich keine Begrenzungen kennt und durch nichts im voraus festzulegen ist.“ (Schrage, 347).

Warum geht Paulus so weit? „Um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben“. Er „möchte vom Heilsgeschehen des Evangeliums mitgerissen werden, mit dessen freien Lauf durch die Welt Schritt halten und nicht zurückbleiben“ (Schrage, 349).
Menschen zu „gewinnen“ und am Evangelium „teilzuhaben“ ist mit Kampf und Verzicht verbunden.

Mainka – 1. Korintherbrief

Unter allen Verschiedenheiten, auf die Paulus in seiner Arbeit stieß, war keine so tief und schwer zu überwinden wie die, die die Juden und Heiden trennte. Jene hatten im Gesetz ihren Herrn, der ihr Verhältnis zu Gott bestimmte; für diese gab es kein Gesetz Gottes. Da brauchte die Liebe Adlersflügel, um zu beiden zu gelangen, und zwar zu beiden gleichzeitig, nicht so, dass Paulus jetzt mit den Juden, hernach mit den Heiden lebte, jetzt Judenmissionar und später Heidenmissionar war; er hatte während seiner ganzen Arbeit sowohl den Juden als den Heiden zu geben, was sie verstanden und bedurften, und das Vertrauen beider zugleich zu gewinnen. Das konnte er nur so, dass er selbst in seinem eigenen Verhältnis zu Gott weder zu dieser noch zu jener Gruppe gehörte, weder dem Gesetz unterworfen noch von ihm geschieden war, sondern im Gesetz Gottes stand, wie es Christus für uns gültig machte, und den Willen Gottes als seinen eigenen Willen in sich trug.

Wäre Paulus im Streit mit dem Gesetz gestanden, so hätten die Juden zu ihm kein Vertrauen gefasst; sie hätten ihn als einen Abtrünnigen und Verächter des Gesetzes verworfen. Nun trat er zu ihnen als Jude, bekannte sich zum göttlichen Ursprung des Gesetzes und zu seiner unverletzlichen Heiligkeit, pries die Erwählung Israels so gläubig wie sie, stützte sich auf die ihnen gegebene Verheißung und schloss sich völlig an die jüdische Sitte an auch in den Stücken, die an ihr kleinlich und vergänglich waren. Die Not der Juden sah Paulus darin, dass sie am Gesetz ihren Herrn hatten und dennoch unfähig waren, sich ihm völlig zu unterwerfen; sie verbanden mit ihrem Gesetzesdienst zugleich die Auflehnung gegen das Gesetz und seine Übertretung und lebten in der heimlichen Angst vor Gott und zugleich in der beständigen Versuchung zu einer eingebildeten Gerechtigkeit. Ihnen konnte Paulus dazu helfen, dass sie sich dem Gesetz völlig untergaben, auf alle Entschuldigungen verzichteten, vom Christus die Rechtfertigung empfingen und durch ihn glauben lernten. Wäre Paulus unter dem Gesetz gestanden, so hätten die Heiden zu ihm kein Vertrauen gefasst, sondern in ihm nur den harten Bußprediger gesehen, der ihnen nehmen wolle, was sie hatten, aber nichts zu geben vermöge. Nun aber trat er unter die Heiden als ihresgleichen, rechnete ihnen ihre Gottlosigkeit und Sünde nicht vor, verkündigte ihnen vielmehr die volle Vergebung und lebte mit ihnen nach ihrer Sitte, ohne ihnen Lasten aufzulegen und sie einem äußeren Gesetz zu unterwerfen. So half er ihnen, die ohne Gesetz in der Geschiedenheit von Gott lebten, dazu, dass sie Gottes gewiss wurden, seinem Willen sich unterwarfen und für ihn ihr Leben führten.

Wer Paulus zusah, mochte sich oft wundern, wie er so verschiedenen Lagen gerecht werden konnte. Bald sah er wie ein Jude aus, bald wie ein Grieche; jetzt hielt er den Sabbat, vollzog die Beschneidung und ging nach Jerusalem in den Tempel; jetzt hielt er den Sabbat nicht, verbot die Beschneidung und war von allem Jüdischen gänzlich frei. Doch das waren keine Schwankungen, vielmehr erwuchs alles aus demselben Grund: Paulus stand im Gesetz des Christus und gehorchte ihm. Durch Christus ist dem Apostel die Liebe gegeben; in ihrer Kraft kann er weder zum Feind der Juden noch zum Feind der Heiden werden; er kann wegen der jüdischen Sünde nicht die Israel verliehene Gabe Gottes verachten und wegen der heidnischen Sünde nicht die Berufung der Heiden für unmöglich halten. Allen zeigt er Christus, in dem alles vollendet wird, was Gott den Menschen gab, und alles geheilt wird, was die Menschen verdarben. Darum vermag Paulus so Verschiedenes; denn er ist zu allem bereit und fähig, nur zu dem einen nicht, dass er das Gesetz Jesu zerbricht.

Darum sieht Paulus auch auf die Schwachen nicht mit Verachtung herab und kehrt im Verkehr mit ihnen nicht seine Stärke hervor; er achtet vielmehr darauf, wie ihr verwirrtes Gewissen urteilt, was ihre dunkle Erkenntnis fassen und ihre geringe Kraft leisten kann, und hält mit ihnen gleichen Schritt. Nichts gibt es im menschlichen Leben, was ihm für sein eigenes Verhalten gleichgültig bliebe, worauf er nicht achtete und was er nicht benützte. Mit allen tritt er in Gemeinschaft in allem. Er kann nicht fortfahren: damit ich alle gewinne; denn das ist im Auftrag, den er von Jesus hat, nicht eingeschlossen. Die Berufung, die jetzt an die Menschen ergeht, stellt eine Auswahl her. Aber das ist sein Ziel, dass er ja gewiss einigen die Hilfe bringe, die ihnen im Christus bereitet ist.

Indem die Liebe allen alles wird, trägt sie die Last der anderen. Sie kann ihre Arbeit, wie Paulus sie beschrieben hat, nicht tun ohne Anstrengung, Kampf und Schmerzen. Aber das Ziel, auf das sie schaut, überwiegt alle Bedenken und trägt über alle Beschwerden hinweg. Es handelt sich für Paulus bei seiner Apostelarbeit darum, dass die gute Botschaft auch ihm gelte, dass Christus auch für ihn gekommen, auch für ihn gestorben und verherrlicht sei und sich auch an ihm zu seinem Heil offenbare. Gilt ihm das Evangelium denn nicht schon längst? Gewiss! Schon längst hat er es gehört, und nicht nur gehört, sondern geglaubt, und weil er es glaubt, begehrt er, seiner teilhaft zu werden. Das Wort Jesu gibt uns aber ein Ziel, an das wir erst dann gebracht sind, wenn wir einst vor ihm stehen und sein Urteil empfangen. Dann wird das, was uns durch die Sendung Jesu, durch sein Kreuz, durch seine Auferstehung und durch seinen Geist bereitet ist, unser Eigentum. Darum verlangt es von uns Fleiß und Arbeit, eine solche Führung des Lebens, die uns zu unserem Ziel bringt. Dazu rechnet Paulus auch die volle, treue Ausrichtung seines Amts. Er kann seinen Christen-Stand nicht für sich allein, losgelöst von seiner Arbeit im Dienst Jesu sehen, als wäre die Art, wie er seinen Dienst tut, für seinen Heilsstand gleichgültig. Weil ihm der Herr sein Amt gegeben hat, bleibt Paulus ihm nur dann verbunden, wenn er es mit Treue vollführt, und die gute Botschaft würde ihm nicht mehr gelten, wenn er seinen Dienst versäumte. Das gibt der Liebe des Paulus ihre Reinheit. Er tritt mit allen in Gemeinschaft, damit er sie gewinne; aber sein Wille bleibt von der Überhebung frei, die nur den anderen sagt, dass sie in Gefahr sind und der Errettung bedürfen; vielmehr behält die Heilsfrage wie für sie, so auch für ihn ihren vollen Ernst. Er sorgt dadurch, dass er die anderen rettet, für sein eigenes Heil. So hat Paulus auch den Korinthern gesagt, dass sie, wenn sie die Schwachen verderben, ihren eigenen Anteil an Christus verlieren.

Schlatter – Erläuterungen zum Neuen Testament