Tag: 26. September 2025

Am nächsten Morgen ging Jesus ganz früh an einen Ort, wo er ganz alleine sein konnte, um zu beten.

Und frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf und ging hinaus und ging hin an einen öden Ort und betete daselbst.
Elberfelder 1871 – Markus 1,35

Am nächsten Morgen verließ Jesus lange vor Sonnenaufgang die Stadt und zog sich an eine abgelegene Stelle zurück. Dort betete er.
Gute Nachricht Bibel 2018 – Markus 1:35

Und frühmorgens, als es noch tief in der Nacht war, stand er auf ‹und› ging hinaus. Und er ging weg an einen einsamen, ‹öden› Ort. Und dort war er am Beten.
Jantzen & Jettel 2017 – Mk 1,35

Ganz früh am nächsten Morgen, noch halb in der Nacht, ging Jesus aus dem Ort hinaus an eine einsame Stelle. Dort betete er.
Das Buch – 2009 – Mk 1:35

Beten nach Plan? Oder ist Beten etwa ein Gespräch – und für ein gutes Gespräch möchte man „keine Ablenkung“ und ist deshalb mit „seinem Gegenüber“ gern allein, um über alle Dinge zu sprechen, die einem auf dem Herzen sind. Ist Gebet für dich genau das: ein „Gespräch mit einem Gegenüber“??

Trotz der Anstrengung des vergangenen Tages (V. 21 – 34) stand Jesus am nächsten Morgen noch vor Tage auf (etwa um vier Uhr morgens) und ging hinaus an eine einsame (erEmon, „unbewohnt, abgelegen“) Stätte und betete dort. Er zog sich vor dem Ansturm der Menschen in Kapernaum in die Wüste zurück – den Ort, an dem er zum ersten Mal Satan begegnet war und seinen Versuchungen widerstanden hatte (vgl. V. 12 – 13).
Dreimal zeigt Markus Jesus im Gebet: zu Beginn seines Berichts (V. 35), in der Mitte (Mk 6,46) und am Ende (Mk 14,32-42). Jedesmal ist eine Atmosphäre von Dunkelheit und Einsamkeit um ihn. In allen drei Situationen stand Jesus vor der Versuchung, seinen messianischen Auftrag auf angenehmere, weniger mühselige Art und Weise zuerfüllen. Doch jedesmal gab das Gebet ihm Kraft, die übernommene Aufgabe weiterzuführen.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Herrlichkeit … der schillernde Glanz der Gegenwart Gottes‘ verhüllt in menschlichem Fleisch. Herrlichkeit … nicht auf den Flügeln der Engel, sondern im Schoß einer jugendlichen Bäuerin. Herrlichkeit … nicht auf einem Kissen neben den knisternden Scheiten eines Kamins‘ sondern in einem Futtertrog inmitten des dampfenden Dungs von Schafen und Ziegen.

Jochanan beschrieb Jeschuas Herrlichkeit mit diesem Satz: Es war „die Sch’khinah des einzigen Sohnes des Vaters‘ voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). Jeschuas Herrlichkeit war nicht seine blendende Schönheit und Pracht – seine Herrlichkeit war sein Status als einziger Sohn des Vaters.

Wie hat Jeschua diese herrliche Gemeinschaft aufrechterhalten? „Sehr früh am Morgen‘ als es noch dunkel war‘ stand Jeschua auf‘ ging weg‘ an einen einsamen Ort und blieb dort betend“; die Zeitform in diesem Satz deutet darauf hin, dass dies Jeschuas ständige Gewohnheit war (Markus 1,35). Selbst im dunklen Schatten des Richtpfahls betete er: „Vater, verherrliche deinen Namen!“ (Johannes 12,28).
Durch die Gebete des Juden Jesus können wir einen Blick auf das innere Leben Gottes werfen. Wir sehen.
… ein Gott, der Freude daran hat, das Unerwartete zu tun.
… ein Gott, der unsere Annahmen über seine Werke und seine Wege erschüttert.
… ein Gott, der eine Gemeinschaft schaffen will, die seine Herrlichkeit widerspiegelt.
… ein Gott, der sich so sehr nach einer neuen Zukunft für uns sehnt, dass er bereit war, seinen Sohn zu opfern, um sie zu schaffen.

Und das ist noch nicht alles. Genauso wichtig ist, dass die Gebete, die Jeschua betete, offenbaren, dass es im Zentrum von Gottes Wesen eine herrliche Gemeinschaft des Gebets gibt. Das bedeutet, dass wir, wenn wir beten, nicht nur ein paar Sätze an den Herrscher des Universums schicken – obwohl das an sich schon erstaunlich genug wäre. Durch das Gebet haben wir „Anteil an der Natur Gottes“ (2 Petrus 1,4). Wir erleben die unendliche‘ innere Gemeinschaft Gottes. Wir erhalten einen Vorgeschmack auf die glorreiche Zukunft, die Gott für uns geplant hat.
Karl Barth sagte einmal: „Sich im Gebet die Hände zu reichen, ist der Beginn eines Aufstandes gegen die Unordnung der Welt. „Ich denke, er hatte Recht. Wenn ich bete, nehme ich teil am inneren Leben des Einen, der sich danach sehnt, dass seine Schöpfung seine eigene Herrlichkeit vollkommen widerspiegelt, und der bereit war, den Juden Jesus, seinen kostbaren Messias, zu opfern, um seine Sehnsucht erfüllt zu sehen.

Timothy – P. Jones Beten wie der Jude Jesus – Die antiken Wurzeln des neutestamentlichen Gebets wiederentdecken

Früh am nächsten Morgen ging Jeschua allein los, um zu beten. Er suchte eine Zeit der Einsamkeit, eine Zeit weg von den Menschenmassen und doch eine Zeit mit dem Vater, um sich auf die nächste Phase seines Dienstes vorzubereiten (Markus 1,35; Lukas 4,42). Als die Apostel ihn fanden, teilte er ihnen mit, dass er nicht in Kapernaum bleiben würde, sondern von Stadt zu Stadt gehen würde, um die gute Nachricht vom Königreich zu verkünden (Markus 1,38; Lukas 4,43). Dies würde Jeschuas zweite große Predigttour sein.

Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive

Die Wüste ist der wesentliche Übergang. Ohne diese zweifache Lektion wird es keine Begegnung mit einem heiligen Gott geben. Wir stellen uns manchmal eine geistliche Reise vor, die einen sofortigen Übergang von Ägypten zum Sinai bietet, die uns von den alten Wegen trennt und uns in die vollständige Offenbarung bringt, ohne die Realitäten von Disziplin, Prüfung und Vorbereitung. Aber wir werden die Begegnung mit einem heiligen Gott nicht wollen, wenn wir immer noch denken, dass wir etwas in uns selbst sind.
Der früheste Bericht über das Leben des Messias beginnt in der Wüste. Johannes ist „die Stimme eines Rufenden in der Wüste“, die vom Propheten Jesaja vorausgesagt wurde (Markus 1,3). Wie Mose ruft er die Israeliten hinaus in die Wüste, um Gott zu begegnen. Sie bereiten sich auf die Begegnung vor, indem sie im Jordan untertauchen und ihre Sünden bekennen. Auch Jeschua geht zu Johannes in die Wüste und wird ebenfalls untergetaucht, um dann weiter in die Wüste zu gehen und versucht zu werden. Nach der Versuchung ist er bereit, in die Dörfer und Städte Israels zurückzukehren, aber er kehrt immer wieder in die Wüste zurück, um Gott zu suchen und zu beten (Markus 1,35.45; Lukas 5,16). Im weiteren Verlauf der Geschichte nimmt er auch seine Jünger mit in die Wüste. Sie etablieren einen Rhythmus der Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Menschen und des Rückzugs in die Gegenwart Gottes.
Wüste ist wesentlich für unsere Bildung als Volk und als Individuen. Wir müssen die Wüste, die Stille und die Einsamkeit als Quellen der spirituellen Fülle annehmen. Andere Disziplinen, wie Fasten, Abstinenz von Unterhaltung oder einfach das Befolgen des Gebots, am Schabbat von unseren eigenen Werken abzulassen, führen uns zurück in die Wüste. Dort erinnern wir uns an eine zweifache Lektion: Wir sind verletzlich und abhängig, und Gott begegnet uns in unserer Abhängigkeit.

Russell Resnik – Tore zur Tora

Nur Markus und Lukas (Lk 4,42ff.) berichten diesen Vorfall. Die Art, wie Markus erzählt, deutet darauf hin, dass er die anschauliche Schilderung des Petrus wiedergibt.
Obwohl der vorausgehende Abend (Mk 1, 32) anstrengend war, erhebt sich Jesus »am frühen Morgen, noch vor Tage« (Mk 1, 35). Es ist die Zeit zwischen 3 und 6 Uhr morgens.
»Er verließ die Stadt« (d. i. Kapernaum), weil er die Einsamkeit suchte. Vermutlich stieg er die Anhöhen westlich oder nordwestlich von Kapernaum hinauf.
»Dort betete er.« Nach der Grammatik des griech. Textes ist daraus zu schließen, dass er längere Zeit im Gebet verweilte. Häufig weisen die Evangelien auf solche Gebetszeiten Jesu hin (vgl. Mt 14,23; 26,36; Lk 3,21; 5,16; 6,12; 9,18.28; 11,1). Offensichtlich konnte Jesus nur wirken, weil er viel und dringlich betete.
Tun wir dies auch?
Doch Jesus fand nicht die Ruhe, die er sich gewünscht hatte.

Gerhard Maier – Edition C

Mächtig ist die Volksbewegung in Kapernaum geworden. Das Volk sieht in Jesus vor allem den Wundermann und Helfer in aller materiellen Not.

Jesus entzieht Sich diesem Treiben, indem Er noch vor Sonnenaufgang, als es noch völlig Nacht war, in die Einsamkeit geht, um Sich im Gebet Kraft und Orientierung vom Vater zu holen. Noch mehrere Male, aber im ganzen recht sparsam und zurückhaltend (Markus 1,45;6,46;14,32; Lk 5,16;6,12;9,18), wird von den Evangelisten ein solcher Vorgang: Er ging fort an eine einsame Stätte, wo Er betete, vermerkt. Häufig genug mag im Leben des Heilandes dieser Gebetsvorgang sich ereignet haben.

Wichtig ist hier, in V 35 zu beobachten, daß drei Zeitbestimmungen die Morgen frühe betonen: 1. proi = frühmorgens – 2 ennycha = nächtlicherweise (dieses Wort steht im ganzen NT nur hier) -. lian = sehr. Man kann daraufhin so übersetzen: „Als es noch völlig Nacht war.“ Als also alles noch im Schlafe lag, noch völlig Nacht war, da drängt es den Sohn Gottes zum Vater. Im Gebet flieht der Sohn in die tiefste Einsamkeit.

„Was das Gebetsleben Jesu vor allem kennzeichnet, ist also die Verborgenheit, in der es verläuft. Wenn der Herr von den Seinen fordert: Betest du, dann gehe in dein Kämmerlein, schließ die Türe zu und bete zu deinem Vater im Verborgenen (Mt 6,6), so hat Er das vor allem selbst geübt. Nirgends betet Er lieber denn in der Einsamkeit, dort, wo kein anderer Mensch ist, wo nur der Vater ist. Und da Er das Volk entlassen hatte, stieg Er auf einen Berg, um allein zu beten. Und es war sehr spät. Und Er war dort allein (Mt 14,23 = Markus 6,46;Johannes 6,15). In nächtlicher Einsamkeit, wo geheimnistiefes Schweigen um Ihn war, da fand Er Seinen Vater, Ihn allein. In Lk 6,12 erfahren wir: Und es begab sich in diesen Tagen, daß Er auf einen Berg ging, um zu beten. Und Er verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott.

Dieses einsame Beten Jesu floß aber nicht bloß aus dem Bedürfnis Seiner Andacht, konzentriert, gesammelt zu beten. Noch ein viel Größeres lag hier verborgen. Es ist die geheimnisschwere Einsamkeit des Sohnes. In Seiner menschlichen Seele war ein Punkt, und zwar gerade der tiefste, innerste Punkt, der völlig menschenleer, völlig erdenfrei, der restlos allen irdischen Beziehungen entrückt, der in einer schlechthin überirdischen Aufgeschlossenheit dem Vater geweiht war. „Der Vater‘ war Seine Welt, Seine Wirklichkeit, Sein Leben. Erst durch den Vater wird Sein Leben, Sein irdisches Leben fruchtbarste Wirksamkeit. Jesu Beten ist nichts anderes denn ein immer neues Fühlungnehmen mit dem Vater, eine beglückende Nötigung, die Einsamkeit Seines Ich im Du des Vaters zu entspannen und auszulösen. Gerade im Gebet schließt Er sich mit dem Vater in eine Einheit zusammen, an der sonst niemand von den Menschen Teil hat, nicht einmal Seine Jünger. Der Vater, zu dem Er ruft, gehört Ihm in ganz besonderem Sinne an. Jesu Beten ist ein einzigartiges Beten, weil es die Einsamkeit des Sohnes mit dem Vater ist.“ (Vgl. Karl Adam „Jesus Christus“ S. 146.)

F. Rienecker – Wuppertaler Studienbibel

Bemerkenswert ist wieder die zweite Zeitangabe (s. Anm. zu 1,32). Indem Markus ausdrücklich einen Zeitpunkt noch vor Sonnenaufgang markiert (Anm. zu 13,35), schließt er aus, daß Jesu Beten sich aus der jüdischen Sitte des Morgengebetes erklärte. Fromme Juden übten drei tägliche Gebete: das erste bei Sonnenaufgang, das zweite um 15.00 Uhr zur Zeit des Abendopfers im Tempel und das dritte bei Sonnenuntergang. Beten darüber hinaus, gar zu jeder Zeit, stieß auf Skepsis, galt teilweise sogar als verboten, um nicht den Allerhöchsten zu belästigen (Bill. II, 237f.1036). Jesus aber betete stundenlang und zu untraditionellen Zeiten (vgl. 6,46; 14,32ff), nach Lk 6,12 durch die ganze Nacht hindurch. Jedenfalls fiel sein Beten auf (Lk 11,1). Er war der Beter ohnegleichen, der Sohn. So werden mitten im Heilungsbetrieb zu Kapernaum die Linien des Sohneszeugnisses nachgezogen und damit auch die Wunder Jesu eingeordnet (s. zu 1,27). Daß sie keinesfalls ausgeschieden werden sollen, wird V. 39 zeigen. Jesu Beten stand hier und 6,46 und ganz deutlich 9,29 im Zusammenhang mit seiner Wundertätigkeit.

Adolf Pohl – Wuppertaler Studienbibel

Jesus stand schon »frühmorgens, als es noch sehr dunkel war«, auf und ging an einen Platz, wo er nicht abgelenkt wurde, um dort eine Zeit im Gebet zu verbringen. Der Knecht Gottes öffnete jeden Morgen sein Ohr, um von Gott dem Vater Anweisungen für den Tag zu erhalten (Jes 50,4.5). Wenn der Herr Jesus es nötig hatte, morgens eine »Stille Zeit« einzulegen – wie viel mehr haben wir es nötig! Man beachte, dass er zu einer Zeit betete, die von ihm ein Opfer verlangte. Er stand auf und ging hinaus, als es noch sehr dunkel war, d. h. sehr früh am Morgen. Das Gebet sollte nicht eine Sache der persönlichen Bequemlichkeit sein, sondern der Selbstzucht und der Hingabe. Erklärt das vielleicht, warum heute so viel unfruchtbarer Dienst getan wird?

MacDonald – Kommentar zum Neuen Testament

Der Herr hatte einen Tag unermüdlichen Dienstes in Kapernaum verbracht.
Dennoch stand er früh auf, um an einem einsamen Ort mit Gott im Gebet Gemeinschaft zu pflegen und seinen Geist zu erfrischen. Es gibt zwei Worte im griechischen Text, die anzeigen, wie früh es war, als er Simons Hausverließ und sich zu einem einsamen Ort begab: „sehr früh“, und „nachts“. Diese wertvolle Mitteilung, die wir ausschließlich bei Markus finden, erinnert an das prophetische Wort über den Dienenden Herrn: „Erweckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich höre gleich solchen, die belehrt werden.“ (Jes 50, 4). Das unterstreicht die völlige Abhängigkeit des Vollkommenen Dieners, der doch Sohn Gottes war, währender Jahwe dienend auf der Erde wandelte. Gebet ist der Ausdruck von Abhängigkeit. Jesus bedurfte Zeiten der Zurückgezogenheit und Gemeinschaft, in denen er sich immer wieder von neuem auf den Vater werfen konnte, dessen Ehre er suchte und für dessen Ruhm er gekommen war um zudienen und zu leiden. Bevor er in einen neuen Abschnitt seines Dienstes eintrat, verbrachte er Zeit allein mit Gott. Darin ist er unser Beispiel. Wie oft versagen wir in unserem Dienst, weil wir den heiligen, vertrauten Umgang mit dem Vater versäumen. Jeder Diener Gottes kennt die Wichtigkeit des Alleinseins im Gebet mit Gott, denn nur darin liegt das wahre Geheimnis der Kraft zu Dienen.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

BIBLISCHE BESINNUNG: DER MORGEN

Jeder neue Morgen ist ein neuer Anfang unsers Lebens. Jeder Tag ist ein abgeschlossenes Ganzes. Der heutige Tag ist die Grenze unsers Sorgens und Mühens (Mt 6,34 Jac 4,14). Er ist lang genug, um Gott zu finden oder zu verlieren, um Glauben zu halten oder in Sünde und Schande zu fallen. Darum schuf Gott Tag und Nacht, damit wir nicht im Grenzenlosen wanderten, sondern am Morgen schon das Ziel des Abends vor uns sähen. Wie die alte Sonne doch täglich neu aufgeht, so ist auch die ewige Barmherzigkeit Gottes alle Morgen neu (Klag. 3,23). Die alte Treue Gottes allmorgendlich neu zu fassen, mitten in einem Leben mit Gott täglich ein neues Leben mit ihm beginnen zu dürfen, das ist das Geschenk, das Gott uns mit jedem neuen Morgen macht.
In der heiligen Schrift ist der Morgen eine Zeit voller Wunder. Er ist die Stunde der Hilfe Gottes für seine Kirche (Ps 46,6), die Stunde der Freude nach einem Abend des Weinens (Ps 30,6), die Stunde der Verkündigung des göttlichen Wortes (Zeph 3,5), der täglichen Austeilung des heiligen Mannas (2 Mose 16,13 f). Vor Tagesanbruch geht Jesus beten (Mk 1,35), in der Frühe gehen die Frauen zum Grab und finden Jesus auferstanden, im Morgengrauen finden die Jünger den Auferstandenen am Ufer des Sees von Tiberias (Joh 21,4). Es ist die Erwartung der Wunder Gottes, die die Männer des Glaubens früh aufstehn läßt (1 Mos 19,27 2 Mos 24,4 Hiob 1,5 und öfter). Der Schlaf hält sie nicht mehr. Sie eilen der frühen Gnade Gottes entgegen.
Beim Erwachen vertreiben wir die finsteren Gestalten der Nacht und die wirren Träume, indem wir alsbald den Morgensegen sprechen und uns für diesen Tag für Hilfe dem dreieinigen Gott befehlen. Böse Launen, unbeherrschte Stimmungen und Wünsche und Sorgen, die wir am Tag nicht mehr los werden, sind oft genug Nachtgespenster, die nicht beizeiten verjagt worden sind und uns den Tag vergällen wollen. In die ersten Augenblicke des neuen Tages gehören nicht eigene Pläne und Sorgen, auch nicht der Übereifer der Arbeit, sondern Gottes befreiende Gnade, Gottes segnende Nähe. Wen die Sorge frühzeitig aufweckt, zu dem sagt die Schrift: „es ist umsonst, daß ihr frühe aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Tränen“ (Ps 127,2). Nicht die Angst vor dem Tag, nicht die Last der Werke, die ich zu tun vorhabe, sondern der Herr „weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr daß ich höre wie ein Jünger“; so heißt es vom Knecht Gottes (Jes 50,4). Bevor das Herz sich der Welt aufschließt, will Gott es sich erschließen, bevor das Ohr die unzähligen Stimmen des Tages vernimmt, soll es in der Frühe die Stimme des Schöpfers und Erlösers hören. Die Stille des ersten Morgens hat Gott für sich selbst bereitet. Ihm soll sie gehören.
Vor das tägliche Brot gehört das tägliche Wort. Nur so wird auch das Brot mit Danksagung empfangen. Vor die tägliche Arbeit gehört das morgendliche Gebet. Nur so wird die Arbeit in der Erfüllung des göttlichen Befehls getan. Für stille Gebetszeit und gemeinsame Andacht muß der Morgen eine Stunde hergeben. Das ist wahrhaftig keine vergeudete Zeit. Wie könnten wir anders gerüstet den Aufgaben, Nöten und Versuchungen des Tages entgegengehen? Und ob wir auch oft nicht „in Stimmung“ dafür sind, so ist es doch schuldiger Dienst an dem, der von uns angerufen, gelobt und gebeten sein will und der uns unsern Tag nicht anders als durch sein Wort und unser Gebet segnen will.
Es ist nicht gut von „Gesetzlichkeit“ zu reden, wo es um die Ordnung unsers christlichen Lebens, um die Treue in den gebotenen Dingen des Schriftlesens und Betens geht. Unordnung zersetzt und zerbricht den Glauben. Das muß der Theologe besonders lernen, der Zuchtlosigkeit so leicht mit evangelischer Freiheit verwechselt. Wer einmal ein ausfüllendes geistliches Amt versehen und nicht in Betriebsamkeit sich und seine Arbeit zugrunde richten will, der lerne beizeiten die geistliche Disziplin des Dieners Jesu Christi. Der junge Theologe wird es als eine große Hilfe erfahren, wenn er sich für sein stilles Gebet und für die Andacht feste Zeiten setzt, die er in großer Beharrlichkeit und Geduld einhält.
Die stille Gebetszeit braucht jeder Christ. Der Theologe, der Christ sein will, braucht sie nötiger als irgend ein anderer. Er braucht mehr Zeit für Gottes Wort und für das Gebet, denn dazu ist er besonders [ein]gesetzt (Akta 6,4). Wie sollen wir den Tag über mit Gottes Wort umgehen, predigen und unterweisen lernen, anderer Menschen Last brüderlich tragen helfen, wenn wir nicht selbst Gottes Hilfe für den Tag erfahren haben? Wir wollen ja nicht Schwätzer und Routiniers werden. Es ist ratsam der stillen Gebetszeit ein Wort Gottes zugrunde zu legen. Das gibt dem Gebet Inhalt, festen Grund und Zuversicht. Es kann für eine Woche derselbe Schriftabschnitt sein. Dann wird das Wort in uns zu wohnen und zu leben beginnen und uns bewußt oder unbewußt gegenwärtig sein. Ein zu rascher Wechsel macht oberflächlich. Auf dem Grund der Schrift lernen wir in der Sprache, in der Gott zu uns gesprochen hat, zu Gott sprechen, wie das Kind zum Vater. Vom Worte Gottes ausgehend beten wir alles was das Wort uns lehrt, bringen wir den kommenden Tag vor Gott und reinigen unsre Gedanken und Vorsätze vor ihm, beten wir vor allem um die volle Gemeinschaft Jesu Christi mit uns. Wir wollen nicht vergessen für uns selbst zu beten. „Achte deine Seele hoch in Demut“ ([Jesus Sirach 10,31]17). Dann aber liegt vor uns das weite Feld der Fürbitte. Hier weitet sich der Blick, er sieht nahe und ferne Menschen und Dinge, um sie der Gnade Gottes zu befehlen. Keiner, der uns um unsre Fürbitte gebeten hat, darf fehlen. Dazu kommen all die, die uns persönlich oder beruflich besonders anbefohlen sind und das sind viele. Schließlich weiß jeder von Menschen, denen sonst wohl kaum einer diesen Dienst tut. Nicht vergessen wollen wir, Gott für die zu danken, die uns durch ihre Fürbitte helfen und stärken. Wir wollen die stille Gebetszeit nicht beschließen, bevor wir mehrfach und schließlich mit großer Gewißheit das Amen gesprochen haben.
Zur gemeinsamen Andacht suchen wir Hausgenossen oder Brüder aus der Nachbarschaft, um mit ihnen zusammen das Wort Gottes zu hören, zu singen und zu beten. In die Andacht gehören vor allem die gemeinsam gelesenen Psalmen, die nur dann zu unsrem Besitz werden, wenn wir sie täglich und reichlich und ohne Auslassung lesen und beten, auch dort wo sie uns schwer werden. Dann sollte ein nicht zu bescheidener Abschnitt im Alten und Neuen Testament fortlaufend zur Verlesung kommen. Das Lied der Kirche stellt uns in die große Gemeinde der Gegenwart und Vergangenheit. Das Gebet, das einer für die ganze Gemeinschaft spricht, bringt die gemeinsamen Anliegen der kleinen Hausgemeinde vor Gott.
Nun hat Gott in dem Schweigen des Morgens sein Wort geredet, nun haben wir mit ihm und mit der Gemeinde der Christen Gemeinschaft gefunden. Sollten wir nun nicht zuversichtlich an das Tagewerk gehen?

Dietrich Bonhoeffer – Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935–1937