… und laßt uns aufeinander achthaben zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken, …
Elberfelder 1871 – Hebräer 10,24
Und weil wir auch füreinander verantwortlich sind, wollen wir uns gegenseitig dazu anspornen (wörtlich: Und wir wollen aufeinander Acht haben, um uns anzuspornen), einander Liebe zu erweisen und Gutes zu tun.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Hebräer 10:24
Lasst uns aufeinander achten und uns zu einem Leben voller Liebe und guter Taten anreizen!
Roland Werner – Das Buch – Hebräer 10,24
Zu diesem freimütigen Umgang mit Gott gehört notwendigerweise das Festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung in vollem Vertrauen auf die Erfüllung der göttlichen Verheißung. Der Briefschreiber macht an dieser Stelle deutlich, daß seine Sorge um die Treue zum Glauben keine Abstraktion ist, sondern aus der Auseinandersetzung mit einer realen Bedrohung erwächst. Die Gemeinden, an die er schreibt, bedürfen dringend der wechselseitigen Fürsorge und Ermahnung (zur Liebe und zu guten Werken). Die Leser sollen ihre Versammlungen nicht verlassen, wie einige offenbar zu tun pflegten. Es scheinen also auch bei ihnen schon einige vom christlichen Glauben abgefallen zu sein, auch wenn seine Worte sich möglicherweise auf andere Gemeinden beziehen, in denen es zum Abfall gekommen war. In jedem Fall sollen ihre wechselseitigen Bemühungen, sich gegenseitig anzuspornen, wachsen, wenn sie sehen, daß sich der Tag naht (vgl. Hebräer 10,37). In diesen Versen erscheint eine wichtige neutestamentliche Begriffstrilogie: Glaube (V. 22), Hoffnung (V. 23) und Liebe (V. 24).
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
Dieser erneute Hinweis auf den zweiten Advent Christi erweckt den Eindruck, als ob der Verfasser des Hebräerbriefes sich Sorgen machte, daß wirklich Gläubige in Gefahr waren, die Hoffnung auf das Kommen des Herrn aufzugeben und ihr Bekenntnis zum Glauben an Christus zu widerrufen (vgl. den Kommentar zu Hebräer 1,13-2,4;6,9 ). Sie sollen stattdessen ihre Erwartungen an die Zukunft als Gewißheiten ansehen (denn er ist treu, der sie verheißen hat). Wenn sie nur ihre Augen heben, muß ihnen klar werden, daß „der Tag naht“.
Die Hinwendung zum Herrn (V. 22), d.h. das intensive Gebetsleben, und die Beharrlichkeit im Glauben (V. 23) sind Äußerungen einer geistlichen Lebenshaltung, die auf das persönliche Leben des einzelnen Christen in besonderer Weise zielen. Die dritte apostolische Mahnung hebt die Gemeinschaftsbezogenheit der Christen hervor: Laßt uns aufeinander achten, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzuspornen. Auch hier hat die Sünde das göttliche Urbild des Menschen zerstört. Zur Sünde Kains gehörte sein Leben in der Verantwortungslosigkeit seinem Bruder gegenüber. „Der Herr sprach zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?“ (1 Mo 4, 9). In der Gemeinde Jesu stellt der Heilige Geist das verlorene Urbild des Menschen, die verlorene Gottesebenbildlichkeit, wieder her. Ein wesentlicher Grundzug besteht darin, daß jedes einzelne Glied freiwillig die menschliche und geistliche Verantwortung und Fürsorge für den Bruder übernehmen kann. Gott hat die Glieder der Gemeinde so zueinander gestellt, „damit die Glieder die gleiche Sorge füreinander tragen sollten“ (1 Ko 12, 25). Während es die natürliche Lebenshaltung des unerlösten Menschen ist, sich der Verantwortung für den Nächsten zu entziehen, ihn vielmehr zu beobachten, um sich ihm gegenüber durchzusetzen und selbst zu behaupten, sollen die Gläubigen aufeinander achten, um sich zu lieben und gegenseitig zu helfen. Wie in 1 Ko 13, 13 und Hbr 6, 10–12 begegnet uns auch in diesen Worten wieder die geistliche Einheit von Glaube (V. 22), Hoffnung (V. 23) und Liebe (V. 24), den Grundpfeilern des persönlichen und gemeinsamen Glaubenslebens. Die Gläubigen sollen sich zur Liebe und zu guten Werken anspornen. Hat Christus unser Gewissen von den „toten Werken“ (Hbr 9, 14) gereinigt, so befähigt uns jetzt die Liebe zu „guten Werken“, zu Taten der Barmherzigkeit und praktischer Nächstenliebe (vgl. Jes 58, 6ff; Hos 6, 6; Mi 6, 8). Es muß uns doch nachdenklich machen, daß der Apostel, der die Gläubigen auf die Höhen verborgener Christuserkenntnis geführt hat, so stark auf die Bewährung des Glaubens im Alltag drängt. Die Liebe zum Herrn und die Liebe zum Nächsten muß sich immer in der helfenden Tat auswirken, die nicht nur materielle oder körperlich-seelische Not lindert, sondern gleichzeitig dem anderen auch im Glaubensleben weiterhilft. Das lääßt sich aber nur im gemeinsamen geistlichen Leben verwirklichen.
Wuppertaler Studienbibel
Doch laßt uns in alledem aufeinander achthaben. Damit wird eine dreifache Ermahnung in diesem Abschnitt beendet: „Laßt uns hinzutreten“ „Laßt uns … festhalten“ „Laßt uns aufeinander achthaben“
Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt
Wenn wir aufeinander achthaben, gelangen wir zu harmonischen Beziehungen in der Versammlung. Es ist schließlich nicht mehr als recht und billig, daß die miteinander verbundenen Glieder eines Leibes Mitgefühl füreinander haben. Solches Aufeinander-Achthaben wird eine begehrenswerte Einheit unter den Heiligen fördern und bewahren, wobei ein solches Zusammenleben sowohl Gott als auch uns erfreut und beiden kostbar ist. Darüber hinaus ist es wohltuend (Ps 133).
Doch beim Achthaben, wozu wir hier ermahnt werden, ist an etwas Spezielleres gedacht. Dadurch sollen wir uns einander zur Liebe und zu guten Werken anreizen. Das Wort „Anreizung“ (paroxysmos) wird von uns normalerweise im negativen Sinn gebraucht. Ja, Paulus benutzt den Begriff in 1Kor 13,5 auf diese Weise, wo er sagt, daß die Liebe sich nicht „aufstacheln“ läßt (Konkordante; im Urtext das gleiche Wort wie „anreizen“). Hier wird das Wort mit etwas Gutem verbunden. Wir sollen uns einander zur Liebe anreizen und anspornen. Menschen lassen sich zur Eifersucht, zum Zorn oder zum Unmut hinreißen. Wie glückselig ist es, wenn Brüder danach streben, einander zur Liebe anzureizen! Wenn ich so lebe und mich meinen Glaubensgeschwistern gegenüber so verhalte, daß sie angespornt werden, mich zu lieben, dann ist diese Ermahnung erfüllt.
Wir sollen uns nicht nur zur Liebe, sondern auch zu guten Werken anreizen. Bereits zuvor haben wir von „toten Werken“ (9,14) gelesen. Diese kennzeichneten uns in unserer Vergangenheit als nicht erneuerte Menschen. Nun sollten wir ein Volk von guten Werken sein. Laßt uns „das Böse (meiden) und … das Gute“ tun (1 Petrus 3,11; Zürcher). „Wer ist (derjenige), der euch Böses tun wird, wenn ihr Nachahmer des Guten geworden seid?“ (1 Petrus 3,13). Wir sollten uns daher einander zu guten Werken anreizen. Wir müssen bestrebt sein, so zu leben wie derjenige, der „umherzog, indem er wohltat“ (Apg 10,38 Schlachter). Wenn wir uns einander zu verstärkter Liebe und zu guten Werken anreizen können, wird dies die gewünschte Harmonie fördern und unserem Zeugnis der Welt gegenüber gedeihlich sein.
Die dritte Ermahnung in Vers 24 befasst sich mit der Liebe: Lasst uns aufeinander Acht haben. Das griechische Wort für Acht haben ist identisch mit dem Wort, das der Autor in 3,1 benutzt hat. Es bedeutet sehr sorgfältig erkunden oder gründlich studieren. In 3,1 bezieht es sich auf den Messias, doch hier sind die anderen Gläubigen das Objekt. Und zu welchem Zweck sollen die Gläubigen diesmal Acht haben? Nicht etwa, um Fehler zu finden und zu kritisieren, sondern um zur Liebe und zu guten Werken anzureizen. Liebe ist die innere Haltung, doch gute Werke sind die äußere Handlung. Die Methode, Liebe äußerlich zu zeigen, besteht in guten Werken. Jesus Christus sagte: Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten. Die Leser kommen nicht erst dadurch dazu, Jesus zu lieben, wenn sie seine Gebote halten, sondern sie zeigen ihre Liebe zu ihm, indem sie seine Gebote halten. Die Methode, um die Liebe zu den Brüdern zu zeigen, besteht darin, gute Werke für sie zu tun.
Arnold Fruchtenbaum – Der Hebräerbrief
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