Heil dem, der den Ewigen fürchtet, der in Seinen Wegen wandelt.

(Ein Stufenlied.) Glückselig ein jeder, der Jehova fürchtet, der da wandelt in seinen Wegen!
Elberfelder 1871 – Psalm 128,1

Ein Aufstiegsgesang.
O Glück alljedes, der IHN fürchtet,
der in seinen Wegen geht!
Buber & Rosenzweig – Psalm 128:1

Selig alle, die Jehova fürchten, die wandeln auf seinen Wegen!
van Ess 1858 – Psalm 128,1

Da die Familien gemeinsam zu den jährlichen Festen nach Jerusalem reisten, ist es nur recht und billig, dass ein weiterer Psalm den Eltern und ihrem Nachwuchs gewidmet wird. Im vorangegangenen Psalm wurden Kinder als ein reiches Erbe und als Pfeile zum Besiegen des Feindes dargestellt (127,3-5). In diesem Psalm werden landwirtschaftliche Bilder sowohl für die Frau als auch für die Kinder verwendet. In der einen oder anderen Form wird das Wort „segnen“ viermal verwendet, aber es ist die Übersetzung von zwei verschiedenen hebräischen Wörtern. In den Versen 1-2 ist es das Wort asher, das oft mit „glücklich“ übersetzt wird (1. Mose 30,12-13), und in den Versen 4-5 ist es barak, was „gesegnet vom Herrn“ bedeutet. Das letztere Wort wird vom Herrn verwendet, wenn er Menschen segnet; das erstere Wort wird verwendet, um das Gute zu beschreiben, das entsteht, wenn Menschen das tun, was dem Herrn gefällt. Wie 127 und Jeremia 29,4-7, geht es in diesem Psalm um Schutz (V. 1), Arbeit (V. 2), die Familie (V. 3-4, 6), und Gottes Segen für Jerusalem (V. 5). Der Schreiber schließt zwar alle ein, die den Herrn fürchten (V. 1), doch richtet sich der Psalm besonders an den Mann des Hauses (V. 3). Wir sehen einen glücklichen Mann und eine glückliche Frau, die verschiedene Lebensabschnitte durchlaufen.

Gottesfürchtige Gläubige (v. 1)
Im alten Nahen Osten wurden Ehen in erster Linie von den Eltern arrangiert, aber die Geschichten von Jakob (Gen. 28-30) und Rut zeigen, dass es in diesen Ehen nicht völlig an Liebe fehlte. Hier haben wir es mit einem jüdischen Paar zu tun, das den Herrn wirklich fürchtete und ein Haus errichten wollte, das Jehova segnen konnte. Den Herrn zu fürchten bedeutet, ihn zu verehren und zu versuchen, ihm zu gefallen, indem man seinem Wort gehorcht. Im Hintergrund steht der Bund, den Gott mit Israel geschlossen hat (Lev. 26; Deut. 28-30). Wenn sie gehorchten, würde Gott ihre Bedürfnisse befriedigen; wenn sie ungehorsam waren, würde er sie züchtigen. Dies ist die alttestamentliche Version von Matthäus 6:33. Für eine glückliche Ehe braucht es drei: einen Mann und eine Frau, die den Herrn und einander lieben, und den Herrn, der die erste Hochzeit im Garten Eden vollzog.

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series

Glücklich wird aufgrund der großen Taten Gottes der gepriesen, der Jahwe fürchtet. In der Furcht vor Gott wird dessen Tun so ernst nommen, daß es das Leben bestimmt. Gottesfurcht ist Ausdruck einer wertschätzenden Liebe und hat mit der Angst vor Gott nichts zu tun. Daß die Angst gewichen ist, erkennt der Betende daran, daß er spürt, wie er an (Gottes) Geboten großen Gefallen hat. Wer vor Gott angstvoll flieht, wird seine Gebote nur mit Murren halten und dann immer den Eindruck haben, ihm nicht völlig Genüge getan zu haben. Gott hat darum sein Volk erlöst, damit er keine Sklaven mehr antreiben muß, sondern damit er sich an mündigen Menschen erfreuen kann, die aufgrund ihrer Gottesfurcht zu der Einsicht gekommen sind, daß das Halten der Gebote ihrem Lebenswillen zugute kommt (vgl. Ps 111, 10).

Wuppertaler Studienbibel

Wir hatten in Ps 127 gelernt, dass wir in all unserem Tun auf Gottes gnädigen Beistand angewiesen sind. Nun sollen wir lernen, dass die Gnade uns drängt, Gott zu gehorchen. Wir werden nur dann glückselig sein, wenn wir auf Gottes Wegen wandeln.

»Glückselig«: Luther hat das hebräische ašrêj mit »wohl dem« übersetzt. So beginnt bei ihm der 1. Psalm: »Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen.« Das wird dem hebräischen Ausdruck insofern gerecht, als er nicht ein momentanes Glücksgefühl ausdrückt, sondern sagen will, dass der Mensch gut beraten ist, der den HERRN fürchtet. Er befindet sich damit auf einem glücklichen Weg, der auch ein glückliches Ende hat. Es werden uns hier drei Dinge genannt: die Substanz und die Reichweite des Glücks eines Gerechten sowie die Bedingungen dazu:
a. »Glückselig«: Damit ist höchstes Glück, wahres Glück, unvermischtes Glück, bleibendes Glück, sicheres Glück verheißen.
b. »ein jeder«: Die Verheißung gilt ohne Ausnahme jedem, der sich Gott naht, um ihm zu gehorchen.
c. »der den HERRN fürchtet«: Wir müssen uns Gott nahen in heiliger Scheu. Wer ihn nicht fürchtet, wird Menschen fürchten und wird damit in einer Schlinge gefangen (Spr 29,25). Wer den HERRN fürchtet, wird finden, dass er Urheber und Geber allen Glücks und das Maß wahren Glücks ist. Ihn haben, darin besteht das wahre Glück (siehe 1Mo 15,1).

»der auf seinen Wegen geht!«: Das ist die Probe der Echtheit eines jeden Bekenntnisses zur Gottesfurcht: Wer Gott fürchtet, wandelt auf seinen Wegen; wer aber seine eigenen Wege geht, zeigt damit, dass er ihn verachtet: »Wer in seiner Geradheit wandelt, fürchtet den HERRN; wer aber in seinen Wegen verkehrt ist, verachtet ihn« (Spr 14,2). Der Gottesfürchtige wandelt beharrlich auf diesem Weg, bis er die Verheißung der Gottesfurcht davonträgt (Hebr 6,12). Das Ziel des Weges ist ewige Herrlichkeit – ewige Gemeinschaft mit Gott und seinen Erlösten. Weil die Gottesfurcht uns auf diesen Weg bringt und auf diesem Weg erhält, bis wir am Ziel sind, ist der Mann, der den HERRN fürchtet, wahrhaftig glücklich zu nennen.



»Hier sieh zuerst, dass der Prophet nicht sofort mit den Verheißungen der Ehe daherfährt, als ob sie schlechthin wegen der Ehe gegeben worden wären, sondern er hebt von der ersten Tafel an und preist den selig, der den HERRN fürchtet« (Luther, Auslegung über die 15 Lieder im höhern Chor).

»In allen unseren Geschäften und in unserem ganzen Lebenslauf hängt der Erfolg einzig und allein von der Gnade Gottes ab; so hörten wir im letzten Psalm. Daran schließt sich jetzt die Erinnerung des Propheten: Wer gern an dem Segen Gottes teilhaben möchte, soll sich ihm aufrichtig ganz hingeben; denn die ihm dienen, werden in ihrer Hoffnung nie enttäuscht werden. Der erste Vers enthält das Thema des Psalms, die übrigen dienen nur der Auslegung« (Calvin).

»Glückseliger als alle Menschenkinder und Urheber aller Glückseligkeit ist der Mensch Christus Jesus, denn mehr als sie alle und für sie alle fürchtete, liebte und gehorchte er Gott« (Horne).

Benedikt Peters – Die Psalmen