Folge den Spuren des Glaubens, den unser Vater Abraham hatte

Und er empfing das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er in der Vorhaut hatte, damit er Vater aller wäre, die in der Vorhaut glauben, damit auch ihnen die Gerechtigkeit zugerechnet würde; und Vater der Beschneidung, nicht allein derer, die aus der Beschneidung sind, sondern auch derer, die in den Fußstapfen des Glaubens wandeln, den unser Vater Abraham in der Vorhaut hatte.
Elberfelder 1871 – Römer 4,11–12

´Durch seine Beschneidung` ist Abraham aber auch der Vater der Beschnittenen geworden, und zwar der Vater derer, die sich nicht damit begnügen, beschnitten zu sein, sondern die in seine Fußstapfen treten und dem Beispiel folgen, das er, unser Stammvater, uns durch seinen Glauben gab, noch bevor er beschnitten war.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Römer 4:12

Und genauso ist er auch der Stammvater der Menschen, die beschnitten sind. Mit anderen Worten: Abraham ist der Stammvater nicht nur derer, die beschnitten sind, sondern auch derer, die in seinen Fußstapfen gehen. Damit meine ich die, die gerade als nicht Beschnittene genau wie unser Stammvater Abraham ihr Vertrauen auf Gott setzen.
das Buch – Röm 4,12

Vers 12 erklärt, wie das funktioniert: und der Vater der Beschneidung für die, die nicht nur aus der Beschneidung sind, sondern auch in den Fußstapfen des Glaubens unseres Vaters Abraham wandeln, den er in der Unbeschnittenheit hatte. Alle werden gerechtfertigt, indem sie in den Fußstapfen Abrahams wandeln, und diese Fußstapfen sind die Erkenntnis, dass die Rechtfertigung aus Gnade durch den Glauben erlangt wird. Die Schlussfolgerung ist, dass Abraham der Vater aller Gläubigen ist.

Arnold G. Fruchtenbaum – Ariel’s Bibelkommentar

Mit stärkstem Nachdruck hat Paulus dem Juden folgende zwei Heilswirklichkeiten nachgewiesen.

Erstens: Die Rechtfertigung aus dem Glauben, und zweitens: Die Teilnahme auch der Heiden an der Glaubensgerechtigkeit. Mit [156] der Feststellung, dass auch ohne Beschneidung die Heiden gerechtfertigt werden können, wollte der Apostel jedoch nicht sagen, dass etwa das Volk aus der Beschneidung von der Teilnahme an der Glaubensgerechtigkeit ausgeschlossen sei.

Stärkstens wollte er aber betonen, dass auch jeder Jude Gerechtigkeit durch den Glauben allein erlangen könnte.

Fragten die Juden nach einer alten Grundlage für des Apostels Behauptungen, in Abraham, diesem auch vom Juden anerkannten Prototyp des Glaubens, sollten sie eine solche finden. An seiner Geschichte sollten sie erkennen, dass ihm die Glaubensgerechtigkeit nicht etwa auf Grund der Beschneidung geworden war. Ein Beschnittener wurde er erst, nachdem er ein Glaubender geworden war. Zwar wurde ihm die Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit geschenkt. Sie wurde ihm aber nicht als Kraft der Vermittlung oder als Inhalt seines Glaubens gegeben. Keine Beschneidung kann Glauben vermitteln. Als menschliche Handlung kann sie auch kein Bestandteil der von Gott geschenkten Gerechtigkeit sein. Für sich selbst braucht Gott die Beschneidung nicht, auch nicht als Siegel der dem Glaubenden geschenkten Gerechtigkeit. Nur für das Verhältnis Abrahams zu seinen Zeitgenossen hatte die Beschneidung als Siegel eine symbolische und praktische Bedeutung. Da Abraham die Beschneidung erst bei der Erneuerung des Bundesschlusses 1 Mose 17,11, also etwa 14 Jahre nach der Rechtfertigung seiner Glaubenshaltung Gott gegenüber als semeion, als Bundeszeichen erhielt, so konnte in ihr selbst weder ein Glaubens- noch ein Gerechtigkeitswert liegen. Als Siegel war sie nur ein Bestätigungszeichen von dem Glauben, den Gott selbst durch sein Wort geweckt, und von der Gerechtigkeit, die dem Abraham geschenkweise geworden war. Auch nach der Beschneidung gründete sich Abrahams Glaubensumgang mit Gott nicht etwa auf das empfangene Bundeszeichen. Sein Glaube lebte allein aus dem Verhältnis Gottes zu ihm. Ein Leben des Glaubens wie das eines Abraham kann nur bestehen und im Gehorsam handeln auf Grund der Wechselbeziehung zwischen Gott und Mensch: Gott in seinem Wort zu Abraham und Abraham in seinem Vertrauen zu Gott.

Alle Siegel, Symbole, Zeichen weisen mithin über ihren Eigenwert hinaus. Sie reden von der Verheißung oder der Tat Gottes als einem Geschenk und vom Glauben als des Menschen Hingabe an Gott. Siegel sind: „die unverkennbare Erinnerung an die dem Menschen von Gott widerfahrene und verheißene Begründung, Aufhebung und Erlösung, an die alle Morgen neue göttliche Treue. Aber als Siegel weisen sie auch auf eine immer noch anstehende, sich immer noch zu bewährende, immer noch zu erwartende [157] Ausführung des Bundes zwischen Gott und Mensch“ (Barth, S. 405).

Sobald das Siegel jedoch mehr sein will als Zeugnis, d. h. wird es vom Menschen zum Inhalt des Glaubens erhoben, so wird es Religion. Hinfort lebt es alsdann nur noch von der Tradition und vom Gesetz, und zwar in der Kirche ebenso wie einst innerhalb der Synagoge und im Tempel. Religionen können Jahrhunderte und Jahrtausende alt werden und nur von der Pflege überlieferter Siegel und Symbole leben. Jede Reichsgotteswirklichkeit lebt jedoch allein von der korrespondierenden Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. Es können mithin zwei Menschen denselben Akt der Beschneidung vollziehen; dem einen in seiner Glaubenshaltung ist sie das Siegel der Glaubensgerechtigkeit, dem andern in seiner Stellung ohne Glauben eine beziehungslose religiöse Kultus- und Gesetzeserfüllung.

Die Beschneidung als menschliche Handlung hat mithin keinen Realitätswert für den auf Grund seines Glaubens von Gott Gerechtfertigten. Sie hat aber einen Zeugniswert im Blick auf alle, die ohne Abrahams Glauben leben, ob sie zu den Beschnittenen oder Unbeschnittenen zählen. Die Beschneidung soll „einladen“, zwar nicht zur Beschneidung, wohl aber zum Glauben, nicht zu einer kultischen Handlung, wohl aber zur Glaubenshingabe an Gott. Abraham, der Gott glaubte, und Gott, der Abraham rechtfertigte – beide bedürfen, wie bereits bemerkt, letzthin der Beschneidung nicht. Erst als lebendiges Zeugnis für die Völker, unter welchen Abraham als Fremdling zu leben und als Prophet zu dienen berufen war, sollte sie einen positiven Wert gewinnen. Je mehr Abraham in seinem gerechtfertigten Glauben ein Freund Gottes wurde, umso fremder musste er dem Geiste Sodoms und den Religionen seiner Nachbarvölker werden. Zu diesen sprach nach der Beschneidung nicht nur Abrahams Leben und Wort, sondern auch sein Beschnittensein. Es zeugte von seinem innerlichen Verpflichtetsein dem Gott gegenüber, der ihm erschienen war. Jedermann sollte wissen: Es ist Gott, der hinfort Anspruch auf Abrahams Leben, Gehorsam und Zukunft erhebt. Gott duldete daher nicht etwa nur die Beschneidung. Nach biblischem Bericht gab er selbst den Auftrag, dass Abraham sie an sich, an Isaak und an allen männlichen Hausgenossen vollzog.

Mithin war es Gott selbst, der ihr in Bezug auf ihren Inhalt die heilsgeschichtliche Grenze und in Bezug auf die Völker ihren bekenntnismäßigen Wert gab.

Durch die Rechtfertigung des Glaubens und durch den später erfolgten Auftrag der Beschneidung konnte Abraham ferner „eine doppelte Vaterschaft“ erlangen. Zuerst wurde er der geistliche Vater aller Glaubenden, die unabhängig von der Beschneidung und vom Gesetz durch Gnade zu demselben Glaubensverhältnis zu Gott gekommen waren wie er. Das waren die [158] Gläubiggewordenen aus den Heiden. Gerade an Abrahams Person hatte Gott bewiesen und vor allen Völkern kundgetan, dass wirkliche Heilsoffenbarung von ihm allein ausgehe. Gott kennt keine ursächlichen Vorbedingungen als sich allein und zwar in seinem Wort und in seiner Tat. Gerade den Heiden, die keine vom Gesetz geforderten Werke der Religion oder der Kultusfrömmigkeit haben, soll die Gerechtigkeit als ein Geschenk der Gnade werden, damit sie allein „Gottes Werk aus Gottes Werk“ sei.

Zweitens wurde Abraham als Beschnittener aber auch der geistige Vater der Gläubigen aus der Beschneidung. Durch Geburt und den kultischen Akt der Beschneidung waren sie bereits dem Fleische oder dem Buchstaben nach dem Volke Israel eingegliedert. Wie wenig ihnen jedoch diese Grundlage allein die Berechtigung gab, sich als Kinder Abrahams anzusehen, musste ihnen einst das entscheidende Wort des Täufers sagen: „Gott vermag aus diesen Steinen Abraham Kinder zu erwecken“ (Mt 3,9)! Denn geschlechtliche Nachkommenschaft ist nicht etwa gleichbedeutend mit Gott gewirktem Abrahamglauben und göttlicher Rechtfertigungstat. „Wer bloß beschnitten ist, ist nicht das, was Abraham war, und hat nicht erlangt, was Abraham empfangen hatte“ (Schlatter). Es war auch unmöglich, dass etwa Abraham seinen Glauben und seine Rechtfertigung hätte vererben können.

Er konnte beide nur als ein Zeugnis weitergeben, dass Abraham-Kindschaft jedem geschenkt werden soll, der nicht Werke des Gesetzes tut, sondern Gott glaubt. Nicht was der Jude von Natur mitbringt oder was er durchs Gesetz empfangen hat, entscheidet über seine Teilhaberschaft an Abrahams Verheißungen. Entscheidend bleiben Gottes Offenbarungen und Werk allein Abraham-Kindschaft setzt zu jeder Zeit und für jeden Gottes Vaterschaft in ihrer Offenbarung, Berufung und Rechtfertigung voraus

Jakob Kroeker – Römerbrief

Wenn Abraham der Vater aller werden sollte, die glauben, dann war es unverzichtbar, daß Gottes Methode der Rechtfertigung eingeführt wurde, bevor er beschnitten wurde. Nach den Plänen und Wegen Gottes sollte Abraham das Vorbild für alle sein, die durch Glauben gerechtfertigt werden. Er sollte das Haupt einer geistlichen Menschenrasse werden, die durch den Ruf Gottes aus allen Völkern herausgenommen sind.
    Die Juden hielten an ihrer Behauptung fest, daß Abraham der Vater ihres Volkes sei. Für sie war die Beschneidung das äußere Zeichen und Siegel, das dies bewies. Doch Paulus entkräftet ein solches Denken und sagt, daß Abraham der Vater der Beschneidung für die Juden ist, die in den Fußstapfen des Glaubens folgten, den Abraham vor seiner Beschneidung hatte. Das ist für den Stolz der Juden zweifellos ein Schock. Daß Abraham der Vater nur derer war, die in den Fußstapfen seines Glaubens wandeln, war ein schwerer Schlag für ihr Selbstwertgefühl. Die Tatsache, daß die Heiden ihn ebenfalls als ihren Vater beanspruchen konnten, da er der Vater aller Glaubenden war, stand darüber hinaus gänzlich im Gegensatz zu allem, was ihnen bisher heilig gewesen war.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

Wer glaubt, wird ohne Werke für gerecht erklärt (V. 5), und wer gerechtfertigt ist, ist glückselig (V. 6). David, der die Seligpreisung aussprach, war beschnitten, und das war Abraham auch (1Mo 17). Heißt das, dass nur der Beschnittene glückselig werden kann? Paulus wiederholt die oben gemachte Beteuerung, dass »der Glaube [dem Abraham] zur Gerechtigkeit gerechnet« worden sei, und dann stellt er die Gegenfrage: War Abraham damals »beschnitten oder unbeschnitten«? Die Sache ist eindeutig: Er war »nicht beschnitten, sondern unbeschnitten«. In 1Mo 15,6 steht der Satz, dass Abraham Gott glaubte und dass Gott ihm das zur Gerechtigkeit rechnete. Erst in 1Mo 17 erfahren wir, dass Abraham sich beschneiden ließ. Als Ismael geboren wurde, war Abraham 86 Jahre alt (1Mo 16,16); das Wort von der Rechtfertigung hatte er vor der Zeugung und Geburt Ismaels empfangen. Danach vergingen noch einmal 13 Jahre, bis der HERR dem Erzvater erschien und ihm befahl, er müsse sich beschneiden lassen (1Mo 17,1ff.).
Damals empfing er »das Zeichen der Beschneidung«. Den Ausdruck »Zeichen« müssen wir gut beachten. Die Beschneidung wirkte an Abraham gar nichts; sie machte ihn nicht gerechter, als er vorher gewesen war. Sie war lediglich ein äußeres Zeichen dafür, dass er bereits gerecht war. Dieses Zeichen nennt Paulus ein »Siegel«, das Gott dem Abraham aufdrückte, um ihn als einen Mann zu markieren, den er selbst für gerecht erklärt hatte. Analog dazu können wir sagen, dass keine sogenannten Sakramente am Menschen irgendetwas bewirken. So wenig die Beschneidung Abraham rechtfertigte, so wenig macht die Taufe irgendeinen Menschen gerecht. Diese ist wie die Beschneidung vielmehr ein Zeichen dafür, dass jemand bereits gerechtfertigt ist.
Gott berief Abraham aus einer Familie von Götzendienern (Jos 24,2), redete zu ihm und weckte dadurch in seinem toten Herzen den Glauben, der ihn rechtfertigte. In diesem Glauben zog er aus einer Heimat (Hebr 11,8) und hielt sich auf im Land der Verheißung, ohne dort auch nur einen Fußbreit Boden zu besitzen (Apg 7,5). Damit, dass Gott dem Abraham den Glauben gab, machte er ihn zum »Vater aller …, die als Unbeschnittene glauben, damit [auch] ihnen die Gerechtigkeit zugerechnet werde«. Und er wurde damit auch zum Vater aller Beschnittenen, nämlich derer, die nicht nur beschnitten sind, sondern dazu »auch wandeln in den Fußstapfen des Glaubens, den unser Vater Abraham als Unbeschnittener hatte«. Damit hat Paulus an Abraham drei Dinge bewiesen:
1. Die Rechtfertigung geschieht nicht durch Werke, sondern durch Glauben.
2. Wer glaubt, wird gerechtfertigt – unabhängig davon, ob er beschnitten oder unbeschnitten ist.
3. Der Beschnittene wird nur dann gerechtfertigt, wenn er auch den Glauben Abrahams hat.

Benedikt Peters 2019 – der Brief an die Römer