männlich und weiblich

Wie sieht es bei der Auferstehung aus? Schuf Gott nicht den Menschen „männlich und weiblich“ – um dann bei der Auferstehung, wie viele annehmen, „das Geschlecht aufzuheben“?
Einen interessanten Beitrag möchte ich hier mit euch teilen:

Die »Auferstehung des Fleisches« ist die naturale Seite der personalen Vorstellung von der »Auferstehung der Toten«. Diese gründet ihrerseits in der eschatologischen Auferweckung, durch die Gott alle Dinge neu schafft und vollendet. Ist dieser Begründungszusammenhang im Bereich dieser eschatologischen Vorstellung klar, dann muß er auch umgekehrt gelesen werden können: Die Gott am Ende der Zeit »auferweckt«, müssen von sich aus »aufstehen«. Der Kraft von oben entspricht ihre Kraft unten. Gibt es eine solche immanente Kraft auch im »Fleisch«, die das Fleisch an jenem Tag Gottes aufrichtet? Gibt es in diesem verwundbaren und sterblichen »Fleisch« etwas, das unsterblich ist und Kraft zur Regeneration des Fleisches sein kann? Aus dem Bild vom Weizenkorn, das stirbt und in der Pflanze aufsteht, haben die Kirchenväter nach 1. Kor 15,38 auf ein solches Prinzip im Leib geschlossen, das nicht durch Sünde verdorben ist und aus dem der Leib auferstehen wird. Es liegt in der bleibenden somatischen Identität im Tode, ohne welche eine »Auferweckung der Toten« undenkbar wäre. Die Toten müssen für Gott identifizierbar bleiben, auch wenn sie verwesen. Gott gedenkt ihrer. Er kennt ihre Namen. Diese Gottesbeziehung zerstört der Tod nicht. Sie ist die göttliche Voraussetzung für die personale Auferweckung der Toten. Auf ihrer menschlichen Seite ist sie die immanente Kraft für ihre Auferstehung. Was in den Übergängen vom Leben in den Tod und vom Tod in die Auferstehung bleibt, ist die personale Identität in der wechselseitigen Gottesbeziehung. Ist sie auch eine somatische Identität? Weil jene personale Identität in der Lebensgeschichte einer Person existiert, ist sie ohne somatische Identität nicht vorstellbar. Was also »bleibt«, ist der ganze Mensch nach Leib und Seele in der geschichtlich gewordenen Gestalt seines gelebten Lebens, so wie Gott ihn sieht.

Was wird verändert? Seine Verwundbarkeit, seine Sterblichkeit, seine Sünden, seine Leiden und sein Kummer werden überwunden. »Dies Sterbliche wird anziehen Unsterblichkeit, und dies Verwesliche muß anziehen Unverweslichkeit« (1. Kor 15,53): Geschichtliche Identität und eschatologische Verwandlung schließen sich nicht aus, sondern sind zwei Seiten des einen Übergangs in das ewige Leben. Wenn die Sündenhaftigkeit und die Sterblichkeit überwunden werden, werden dann auch andere Eigenschaften der leiblichen Existenz, in denen Menschen geschaffen sind, überwunden? Wird die menschliche Bedürftigkeit und Abhängigkeit von Nahrung, Luft, Klima usw. abgeschafft? Sollte dies anzunehmen sein, dann muß auch die irdische Schöpfungsgemeinschaft abgeschafft werden, in der Menschen hier leiblich und faktisch leben. Wird auch die menschliche Sexualität abgeschafft, so daß es dann nicht mehr »Mann und Frau« gibt (Gal 3,28), sondern alle Menschen sein werden »wie die Engel« (Lk 20,35)? Sollte dies anzunehmen sein, dann wird nicht diese Schöpfung neu geschaffen, sondern dann tritt an die Stelle des männlich und weiblich geschaffenen Geschöpfes Mensch ein anderes Wesen und die »zweite Schöpfung« verdrängt »die erste Schöpfung«. Die eschatologische Neuschöpfung dieser Schöpfung aber muß doch diese ganze Schöpfung voraussetzen. Es tritt ja nicht am Ende etwas Neues an die Stelle des Alten, sondern dieses Alte wird neugeschaffen (1. Kor 15,39–42). Die Verwandlung in die Herrlichkeit geschieht am Tag des Herrn diachron dieser ganzen wirklichen Schöpfung vom letzten bis zum ersten Tag. Sie ist nicht etwas, das nach dieser Weit geschieht, sondern etwas, das mit dieser Welt geschieht. Das gelebte Leben der Geschöpfe in der Folge ihrer Generationen und Zeiten wird als solches aus Schuld und Kummer erlöst und zur ewigen Freude verwandelt. Davon kann weder die menschliche Abhängigkeit von der Natur noch die menschliche Sexualität ausgeschlossen werden. Die oben in Frage gestellten Vorstellungen scheinen mehr gnostisch als christlich zu sein. Sie passen nicht in den Erwartungshorizont der »Auferstehung des Fleisches«.

Jürgen Moltmann – Der Weg Jesu Christi: Christologie in messianischen Dimensionen