Tag: 15. Januar 2012

Tiere Tiere III

In dem Buch Tiere sind ganz anders (1952) — eine Untersuchung der „Grenze zwischen Tier- und Menschenwelt“ — schreibt Hans Bauer:
„Im Gegensatz zum Menschen ergründet kein Tier das Warum seiner Handlung. Es tut, wenn man es frei walten läßt, eben das, und gar nichts anderes, was ihm gefällt und was ihm Behagen schafft. In aller Regel ist ihm freilich angenehm, was ihm je nach seiner Veranlagung nützlich ist. Und nützlich ist ihm in sehr vielen Fällen die Herstellung eines Gemeinschaftslebens [wie im Fall der Termiten, der Ameisen, der Bienen, der Vögel usw.]“ (S. 193).
Das soll nicht heißen, daß Tiere keine Gefühle haben. In dem oben zitierten Buch heißt es auf Seite 19:
„Wir haben allen Grund, den Tieren zuzugestehen, daß sie wie wir Menschen Furcht, Haß, Zuneigung, Ekel, Heimweh, Heimatliebe, Wut, Schrecken, den Geselligkeits- und Nachahmungstrieb kennen, daß sie Lust und Kummer, Freude und Niedergeschlagenheit empfinden.“
Doch diese Gefühlsregungen sind im allgemeinen nur vorübergehend und sind nicht im Verstand begründet. Zum Beispiel kann es vorkommen, daß ein Hund zu seinem Herrn hält und für ihn kämpft, selbst wenn dieser ihn sehr schlecht behandelt und ihn grausame und böse Dinge tun läßt.
Nur Menschen haben eine Vorstellung von der Zukunft und planen für die Zukunft. Sie können in die Ewigkeit, in die Unendlichkeit, blicken. Die Bibel sagt über Gottes Gabe für die Menschen: „Auch die unabsehbare Zeit hat er in ihr Herz gelegt“ (Pred. 3:11). Tiere dagegen leben nur für den Augenblick oder für die unmittelbare Befriedigung ihrer Begierden. Der Mensch baut für die Zukunft. Er macht von den Erkenntnissen und Entdeckungen der Vergangenheit Gebrauch, um seine Zukunft zu planen, und die meisten Menschen würden ihre Pläne gern bis in alle Ewigkeit verfolgen. Die Menschen fürchten sich vor dem Ende ihres Lebens. Sie wissen, wie das Leben ausgeht: Zuerst kommt der Vorgang des Alterns bis zum Tod, und dann muß man seine lieben Angehörigen zurücklassen und kann seine Pläne nicht mehr verwirklichen. Alle Freude hört auf, und bald wird man vergessen sein. Die Tiere sind in dieser Hinsicht jedoch „unerschrocken“, wie es in der Bibel in bezug auf den Strauß gesagt wird.

Tiere Tiere II

An einem heißen Nachmittag im weitläufigen Amboseli-Nationalpark (Kenia) scheint kein Eindringling die große Elefantenherde zu stören. Doch die Luft ist voller „Elefantensprache“ — von tiefem Grollen bis zu hohen Trompetenstößen, Brüllen, Bellen und Schnauben in allen Varianten. Einige der Elefantenrufe enthalten Töne, die für das menschliche Ohr zu tief, aber dennoch so kraftvoll sind, dass ein mehrere Kilometer entfernter Elefant sie noch hören kann.
Fachleute auf dem Gebiet der Tierkommunikation staunen immer wieder über die komplexen Methoden der Elefanten, sich wichtige Botschaften mitzuteilen. Joyce Poole hat die Kommunikation Afrikanischer Elefanten mehr als 20 Jahre lang studiert. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass diese Kolosse, die für ihre begehrten Stoßzähne bekannt sind, Gefühle zeigen wie kaum andere Tiere. So berichtet sie: „Das Verhalten von Elefanten bei einem Familien- oder Rudeltreffen oder bei der Ankunft eines Neugeborenen ist wirklich bemerkenswert: . . . Man kommt kaum umhin, sich vorzustellen, dass sie wirklich starke Gefühle haben, die sich nur mit Begriffen wie Freude, Glück, Liebe, Freundschaft, Überschwang, Amüsiertheit, Vergnügen, Mitleid, Erleichterung und Respekt beschreiben lassen.“
Wenn sich Elefanten begrüßen, die lange voneinander getrennt waren, spielen sich tumultartige Szenen ab. Die Tiere rasen mit hoch erhobenem Kopf aufeinander zu, wobei sie mit den Ohren wedeln. Manchmal steckt ein Elefant sogar den Rüssel ins Maul seines Gegenübers. Die Elefanten scheinen sich bei diesen Begrüßungszeremonien richtig zu freuen, ganz so, als würden sie sagen: „Klasse! Einfach super, wieder bei euch zu sein!“ Derartige Bindungen erneuern ihre Gemeinschaft, die für sie lebenswichtig ist.
Elefanten scheinen obendrein Humor zu haben. Poole beschreibt, dass sie Elefanten gesehen hat, die die Mundwinkel zu einem, wie sie sagt, Lächeln hochzogen, während sie scheinbar amüsiert den Kopf schüttelten. Einmal begann sie mit einem Spiel, bei dem die Tiere mitmachten und sich eine Viertelstunde lang völlig absurd aufführten. Noch zwei Jahre später schienen einige der Teilnehmer ihr erneut „zuzulächeln“ — vielleicht weil sie sich an sie und das Spiel erinnerten. Elefanten spielen nicht nur miteinander, sie imitieren auch Töne. Während eines Forschungsprojekts hörte Frau Poole ein Geräusch, das ganz anders klang als die normalen Elefantenrufe. Wie sich herausstellte, imitierten die Elefanten wahrscheinlich die Geräusche der vorbeifahrenden Lastwagen. Und offenbar taten sie dies zum Spaß! Man könnte denken, Elefanten nutzten jede sich bietende Gelegenheit, um sich zu vergnügen.
Es ist schon viel darüber berichtet worden, wie Elefanten anscheinend trauern, wenn einem Familienmitglied etwas zustößt. Joyce Poole beobachtete einmal eine Elefantenkuh, die ihr tot geborenes Junges drei Tage lang bewachte. Sie beschrieb die Szene wie folgt: „Sie hatte einen Gesichtsausdruck wie jemand, der niedergeschlagen oder depressiv ist: Kopf und Ohren hingen herunter, die Mundwinkel waren nach unten gezogen.“

Tiere Tiere I

Über den Ursprung der Sprache schrieb der bekannte Lexikograph Ludwig Koehler: „Besonders früher stellte man verschiedene Theorien über die Entstehung der menschlichen Sprache auf. Man erforschte die ‚Sprache der Tiere‘. Denn auch die Tiere können ihre Empfindungen und Gefühle wie Zufriedenheit, Furcht, Erregung, Zorn, sexuelles Verlangen und Befriedigung, wenn dieses erfüllt ist, und vielleicht viele weitere Gemütsbewegungen hörbar durch Laute ausdrücken. Dieser Ausdrucksweise [der Tiere], sie mag noch so mannigfaltig sein, . . . fehlen dennoch Begriffsinhalte und Gedanken — die wesentliche Domäne der menschlichen Sprache.“ Koehler wies auch darauf hin, wie der Mensch den physiologischen Aspekt der menschlichen Sprache erforschen kann, und fügte dann hinzu: „Was indessen beim Sprechen wirklich vor sich geht, wie der Funke der Perzeption [Wahrnehmung] den Geist des Kindes oder der Menschen im allgemeinen entzündet, um das gesprochene Wort zu werden, entzieht sich unserem Verständnis. Die menschliche Sprache ist ein Geheimnis; sie ist eine göttliche Gabe, ein Wunder“ (Journal of Semitic Studies, Manchester 1956, S. 11).