Tag: 10. Februar 2022

Barmherzig und Treu

Daher mußte er in allem den Brüdern gleich werden, auf daß er in den Sachen mit Gott (O. die Gott betreffen; so auch Kap 5,1) ein barmherziger und treuer Hoherpriester werden möchte, um die Sünden des Volkes zu sühnen
Elberfelder 1871 – Hebr 2,17

weswegen Er in allem den Brüdern gleich werden mußte, damit Er [ein] barmherziger und treuer Hoherpriester [i]m [Dienst] vor Gott werde, um die Sünden (wörtl.: Zielverfehlungen) des Volkes zu sühnen.
Adolph Ernst Knoch – Konkordante Übersetzung 1939 – Hebraer 2,17

Darum musste er genau so werden wie wir, seine Brüder. Nur so konnte er bei Gott die Stellung eines Priesters bekommen. Weil er die Menschen liebte und hundertpro zu Gott stand, hat er sich für die Menschen geopfert, um sie von ihrer Schuld zu befreien.
VolxBibel – Hebraer 2:17

Aus den vorhergehenden Versen zieht unser Verfasser den erforderlichen Schluss: »Daher musste er in allem seinen Brüdern gleich werden.« Um die Menschen dem Tode zu entreißen (V. 14-15), wurde Christus Mensch. Und zwar nicht zum Schein! »In allem« wurde er seinen Brüdern gleich. Nur in einer Beziehung unterschied er sich von denen: Er war »ohne Sünde« (Heb 4,15). Entscheidend ist es, das göttliche Muss, das hinter Jesu Menschwerdung steckt, zu erkennen. Christus handelt deutlich im Auftrag Gottes. Es geht um die grundlegenden Voraussetzungen seines Wirkens. Nur dadurch, dass er sich in allem dem Los der Menschen unterwarf, wurde er fähig, ein rechter Hohepriester zu werden, der barmherzig und treu ist. Also: Christus »musste« Mensch werden, um Sühne schaffen zu können.
Die Adjektive »barmherzig« und »treu« beziehen sich auf den zweiseitigen Dienst Christi, sowohl für die Menschen als auch vor Gott. Dass es sich um einen priesterlichen Dienst handelt, geht aus der Wendung »vor Gott« hervor. Die Aufgabe des Priesters besteht darin, ein Mittler zwischen Gott und Menschen zu sein. Wie später noch entfaltet wird (vgl. Heb 5,1-10), besitzt Christus die nötigen Qualifikationen, um diese Aufgabe wahrzunehmen. Hier wird zunächst seine Barmherzigkeit und Treue hervorgehoben. Dadurch, dass Christus des Blutes und Fleisches teilhaftig (V. 14) geworden und Versuchung und Leiden (V. 18) kennen gelernt hat, kann er »barmherzig«, d. h. mitfühlend (vgl. Heb 5,2) sein. Er kennt unsere Not. Deshalb weiß er auch, wie hilfsbedürftig wir sind. Unablässig bittet er für seine Brüder (Heb 7,25) und heiligt sie durch sein Opfer (Heb 10,14). Während er uns gegenüber barmherzig ist, zeigt er sich »treu in den Sachen mit Gott«. So ist die Verheißung Gottes in Erfüllung gegangen: »Ich aber will mir einen treuen Priester erwecken, der wird tun, wie es meinem Herzen und meiner Seele gefällt« (1Sam 2,35).
Zum ersten Mal begegnet uns der für den Hebräerbrief so bedeutsam Begriff »Hohepriester«. Wir haben festgestellt, dass unser Verfasser eine Vorliebe dafür hegt, das Werk Christi in priesterlichen Kategorien zu schildern: Christus hat »vollbracht die Reinigung von den Sünden« (Heb 1,3); »damit er durch Gottes Gnade für alle den Tod schmecken sollte« (Heb 2,9); »der heiligt und die geheiligt werden« (Heb 2,11). Die vornehmste Aufgabe des jüdischen Hohenpriesters bestand darin, die Sünden des Volkes zu sühnen. Dies geschah, wenn er am großen Versöhnungstag das Allerheiligste des Tempels betrat, um Sühne für sich und die ganze Gemeinde Israel zu schaffen (siehe 3Mose 16 ; vgl. Heb 9,6-10). Es ist dieses Bild, das – so unvollkommen es ist – auf Christus übertragen wird. Durch seine Selbstopfer hat er ein vollkommenes Sühneopfer dargebracht (Heb 9,12).

Edition C

In diesem Zusammenhang rührt der Apostel noch einmal an ein Geheimnis Gottes. Er sagt: Durch seine Menschwerdung ging Jesus in unsere irdisch-menschliche Geschichte ein, er nahm teil an Versuchung, Leiden und Sterben. Er mußte in allen Dingen den „Brüdern“ gleichwerden. Sein Weg über diese Erde wurde für ihn zu einer Schule der Barmherzigkeit.
Jesus hat von seinem Vater im Himmel als dem „Barmherzigen“ gesprochen (Lk 6, 36). Paulus betet zu Gott, dem „Vater der Barmherzigkeit“ (2 Ko 1, 3). In Hbr 2, 17 spricht der Apostel von der Barmherzigkeit als einem besonderen Kennzeichen der Wesensart Jesu. Hier tauchen wieder letzte Zusammenhänge zwischen dem Wesen Gottes und dem Wesen Jesu auf. Aber ebenso, wie die Barmherzigkeit ein Kennzeichen des priesterlichen Wirkens Jesu ist, soll die tätige Barmherzigkeit auch Merkmal seiner Gemeinde sein, die zu einem Volk von Priestern berufen ist.
„… damit er barmherzig und ein treuer Hoherpriester vor Gott würde!“ Im AT war der Hohepriester beides gleichzeitig: Vertreter des Volkes vor Gott und Beauftragter Gottes an das Volk. Schon der Priester Eli empfing von Gott eine Verheißung, die sich in unserem Wort widerspiegelt: „Ich aber will mir einen treuen Priester bestellen, der nach meinem Herzen und nach meinem Sinne tut“ (1 Sam 2, 35). Diese Verheißung zielt nicht nur auf den Knaben Samuel, den Gott in außerordentlicher Weise herausstellt; Samuel wurde zum Propheten berufen, nicht zum Hohenpriester bestellt. Sie findet ihre endgültige Erfüllung erst in der Person Jesu, in dem „getreuen Hohenpriester“. Jesu Leiden und Sterben waren das Sühneopfer des wahren Hohenpriesters. Weil er als der sündlose Gottessohn sich selbst opferte, bleibt sein Opfer von unermeßlichem Wert und ermöglicht zugleich seinen himmlischen Hohenpriesterdienst in alle Ewigkeit. Sein Sterben war ein Sterben vor Gott113, d.h. er gab sein Leben an Gott hin. Durch seinen Tod am Kreuz bezwang Christus den Widersacher Gottes und erwirkte die Versöhnung für alle unsere Sünden. Die Aufgabe des Hohenpriesters im AT war die Sühnung aller Schuld Israels am großen Versöhnungsfest (3 Mo 16, 5–24). Ebenso übt auch Christus im Sterben und im Hingang zum Vater sein hohepriesterliches Amt aus (Hbr 9, 11ff). Er erfüllt den Dienst des Hohenpriesters, indem sein Tod der radikale Einsatz des Lebens für die Schuld anderer wurde

Wuppertaler Studienbibel

Hier begründet der Verfasser des Briefes, warum Christus Mensch werden musste, um die Menschheit zu erlösen: Er musste sich so mit der Menschheit identifizieren wie der Hohepriester am Versöhnungsfest (s. die Ausführungen zu 5,1-3 ). Dieses Bild mochte viele Menschen auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Leiter überraschen, die von der Oberschicht lediglich ausgebeutet und mit Brot und Spielen ruhig gehalten wurden. Zu »treu« siehe die Ausführungen zu 3,2 und die Ausführungen zu 3,5 .

Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

Durch seinen Anteil am menschlichen Leben und am menschlichen Sterben ist Jesus der Erbarmer geworden. Wäre er im höchsten Glanz der Himmelswelt erschienen, so würde uns damit gerade das fehlen, was wir brauchen und was uns der Kreuzesweg Jesu gibt: der Erbarmer fehlte uns. Es versteht sich nicht von selbst, dass Jesus trotz dem, was böse, gott- und heillos an uns ist, doch nicht ein strafendes und rächendes Wort, sondern Barmherzigkeit für uns hat. Der Sünder sich zu erbarmen ist aber ein Recht, das von ihm erworben werden musste. Um für uns ein Erbarmer zu werden, war er verbunden und verpflichtet, in allen Stücken unser menschliches Los zu tragen und unsere ganze Last auf sich zu nehmen. In der Tat hat er sich unserer nicht geschämt, hat an Fleisch und Blut Anteil genommen und hat sich an unsere Seite gestellt; dabei ist er auch bis zum letzten Schritt geblieben; er hat sich des Leidens nicht geweigert und ist für uns gestorben. Damit hat er sich das Recht erworben, barmherzig gegen uns zu sein, unsere Sünden zu vergeben und das drohende Gericht von uns abzuwenden. Weil er in so reiner und vollkommener Weise sich uns gleichgestellt hat, ist dies der Lohn und die Frucht, die er davontrug, dass er nun sein Erbarmen frei an uns betätigen kann. Dadurch ist er unser Hoherpriester vor Gott geworden. Dieser Titel Jesu ist dem Hebräerbrief eigentümlich und bildet ein wesentliches Stück seines besonderen Lehrgehalts. Solche Benennungen Jesu, die sein Werk und seine Gabe mit einem einzigen, gewichtigen Wort aussprechen, kamen den apostolischen Männern nicht von ungefähr, sondern fassen vielfältige, tiefgehende Eindrücke zusammen und werfen ein helles Licht auf ihre ganze innere Glaubensstellung. Wie der Ruf des Thomas: „Mein Herr und mein Gott!“ eine lange innere Geschichte zum Abschluss bringt, so entsteht auch das Bekenntnis des Hebräerbriefes: „Du bist unser Priester!“ aus tiefgehenden inneren Erlebnissen und bildet die Frucht einer langen, reichen Lebensgeschichte. Das Gemeinsame in aller apostolischen Verkündigung ist dies, dass sie uns Jesus als den Weg zum Vater zeigt, als unseren Mittler mit Gott, als den Sohn, der den Vater kennt, ihn uns offenbart und die Gabe seiner Gnade uns darreicht. Sie hält uns Jesus vor, damit wir in ihm Gottes gewiss werden und in den Frieden mit Gott versetzt und in sein Reich eingepflanzt werden. Diesen Kern des Evangeliums entfaltet das apostolische Wort in mancherlei Begriffen und Bildern, je nach der besonderen inneren Stellung der Apostel und Gemeinden, je nach der eigentümlichen Art, wie sie die Trennung von Gott an sich selbst erlebten und die Hinleitung zu ihm durch Christus empfingen. Paulus hat das Gesetz als Scheidewand zwischen sich und Gott erfahren. Er ruft aus: „Was richtet das Gesetz an? Übertretung, Zorn, Tod.“ {Römer 4,15} Wie ergreift er darum Jesus? Wir sind, sagt er, in ihm gerechtfertigt. Wer hat, so fragt Johannes, Gott je gesehen? Die Welt kennt ihn nicht; sie liegt im argen und entbehrt des Lichtes und des Lebens aus Gott. Aber Jesus hat ihn uns verkündigt und bringt uns zum Vater. Wie heißt er ihn darum? „Das Wort, das Fleisch geworden ist.“ {Johannes 1,14.18; 14,6} „Wer darf nahen zu Gott,“ fragt unser Brief, „wer wohnen in seinem heiligen Zelt?“ Ohne Tor und Zugang steht der Himmel hoch über der Erde, und die Kluft zwischen dem Thron Gottes und dem Standort des Menschen, zwischen dem Heiligen und den Sündigenden füllt der Mensch nicht aus. Er mag sich strecken, wie er will, so reicht er nicht heran an Gott, gelangt er nicht zur Gemeinschaft mit ihm. Die Schwäche, in der er steht, die Sünde und Verirrung, in die er sich verwickelt hat, halten ihn von Gott fern. Wie nennt der Brief darum Jesus, der uns zu Gott hinführt, sein Heiligtum uns öffnet und unsere Schulden tilgt, so dass wir in der Nähe des Heiligen und in der Hütte des Allmächtigen wohnen können? Wie soll er heißen, der dies uns…

Der Brief spricht damit das tiefste aus, was ein Jude wusste und empfand. Das Gesetz hatte es Israel mit höchstem Ernst eingeprägt, dass sein Herr und Gott über aller Welt in einem Licht wohnt, zu dem niemand hinzutreten kann. Das war der Unterschied der Juden von den Heiden. Der Heide zog seine Götter in die Welt herab und machte sie sich selbst gleich. Darum trat er freilich dreist und kühn vor sie, ja neben sie und über sie. Er behandelte sie als seine Knechte. Israel dagegen wusste: Unser Gott ist nicht wie wir. Der Schöpfer und das Geschöpf, der Heilige und der Sünder, das sind nicht unbedeutende Unterschiede, die sich übersehen und übergehen lassen; das sind totale Gegensätze. Deshalb entstand für Israel unabweislich die Frage: „Wo ist der Priester, der uns zu Gott führt, zu ihm, der in Heiligkeit und Herrlichkeit so hoch über uns erhaben ist?“ Auf diese Frage gibt unser Brief die Antwort, indem er auf Jesus zeigt.
Auch hier benutzt der Brief die Schrift des Alten Testaments, um das Ziel und Werk Jesu verständlich zu machen. Das Gesetz richtete in Israel ein Priestertum auf und ordnete dessen ganzen Dienst mit großer Sorgfalt. Unser Brief blickt forschend in diesen Teil der Schrift: Was bedeutet das? Die Aufrichtung des Priestertums machte die Scheidung zwischen dem Volk und Gott offenbar. Aber sie zeigte Israel zugleich, dass Gott ihm dennoch sein Heiligtum öffnete und es vor sein Angesicht rief. Nun ist Christus gekommen, der verborgene Gott lässt sich in ihm finden, der Widersacher jeder Sünde verzeiht durch ihn väterlich, der Heilige nimmt alle unsere Schulden von uns weg und tut in ihm die Schätze seiner Gnade auf: Wer ist nun Jesus? Der Priester, wie ihn der Mensch braucht. Und was bedeuten jene Ordnungen des Gesetzes? Eine Weissagung auf Christus hin. Es gibt in der alttestamentlichen Schrift nichts Großes und Heiliges, das nach unserem Brief nicht in Jesus Wahrheit und Wirklichkeit geworden ist. Die Schrift redete von der künftigen Erscheinung Gottes voller Macht und Gnade; warum? Um auf Jesus zu zeigen! Die Schrift beschrieb den König auf Davids Thron mit wunderbar großen Worten; warum? Jesu wegen. Die Schrift pries den Menschen, wie es im 8. Psalm geschieht; warum? Jesu wegen. Die Schrift erhob den Hohenpriester und gab ihm große Heiligkeit und seinem Amt unentbehrliche Wichtigkeit; warum? Jesu wegen. Alle Würde, Ehre und Macht, die Gott in Israel gestiftet hat, fällt Jesus zu und bildet den Kranz seiner Vollkommenheit.
Damit er unser Priester werde, dazu ist Jesus Mensch geworden und hat er alles bis zum Tod mit uns geteilt. Ein Priester muss Macht haben, allerhöchste Macht, Macht vor Gott, um uns die Verzeihung Gottes zu gewähren, die Gnade Gottes uns zuzuwenden, die Gaben Gottes uns zuzuteilen. Diese priesterliche Macht hat Jesus deshalb, weil er uns in allem gleich geworden ist. Als Frucht seines Wirkens und Leidens auf Erden hat Gott sein Vergeben und allen Reichtum seiner Gnade in Jesu Hand gelegt, dass er sie uns darreichen darf. Und weil er solche Macht für uns vor Gott hat, hat er auch die Macht über den Satan und ist dieser ohnmächtig, so dass wir vor dem bösen Tod behütet sind.
Jesus ist geworden wie wir, um in seinem priesterlichen Werk treu zu sein, treu gegen Gott, dessen Willen er bis zum letzten Schritt vollführte, treu gegen uns, die er nicht fahren- und fallenlässt , obwohl er für uns sterben muss. Diese Treue macht ihn Gott lieb und wert und für uns glaubhaft und zuverlässig. Damit hat er uns seinen priesterlichen Sinn so bewährt und erwiesen, dass ein herzliches Vertrauen zu ihm in uns entspringen kann.
Weil es für Sünder keine Gemeinschaft mit Gott gibt, ist es die Aufgabe des Priesters, die Sünden zu tilgen. Das hat Christus für uns getan; unsere Sünden sind durch ihn beseitigt und bedeckt. Wir empfangen nicht, was unseren Sünden, sondern was der Heiligkeit des Christus entspricht, der sich mit uns verbunden hat. Durch ihn ist uns alles wiedergebracht, was durch die Sünde für uns verloren war. Wir waren unserer Sünde wegen von Gott getrennt; des Christus wegen sind wir mit ihm verbunden. Gott war unser Widersacher; durch Christus ist der Zugang zum Thron der Gnade für uns frei. Wir waren entweiht und geschändet; Christus ist unsere Heiligkeit. Wir versanken in den Tod; durch Christus ist uns das Leben gegeben. So ist er die Decke, die unsere Sünden verschwinden lässt , und dies kann er deshalb, weil er wie wir geworden und an unsere Stelle getreten ist.
Unser Brief redet mit Männern aus dem Judentum, denen zunächst am Herzen lag, ob Jesus die Israel gegebene Verheißung erfüllt und was er den Juden von Gott gebracht habe; darum heißt er Jesus den Priester, der die Vergebung für die Sünden des Volks, das heißt Israels, bewirkt. „Eure, der Juden Sünden,“ sagt der Brief, hat Jesus zugedeckt. Dass es für euch Juden, für das Volk, bei Gott Gnade gibt, dass euer Unglaube, Trotz und Fall euch nicht ins Verderben reißt, dass Gott euch Juden die Sünde nicht anrechnet und der Weg zu seinem Reich auch euch offen steht, das ist das Werk Jesu; das hat euch der am Kreuz vollendete Priester gebracht.“ Würden wir fragen: „Hat Jesus nicht auch der Heiden Sünde bedeckt?,“ so wäre die Antwort: „Gewiss! Ihr Heiden seht ja an Israel, was Jesus den Sündern tut.“ Weil der Brief aber zu jüdischen Männern redet, spricht er aus, dass Israel trotz seiner Sünden um Jesu willen unter der Gnade Gottes steht.

Schlatter – Erläuterungen zum Neuen Testament

Er hilft den Menschen – (2,16-18)
Der vierte und letzte Grund für die Fleischwerdung und das Kreuz war, den Menschen zu helfen. Nach Vers 16 bildeten die Menschen und nicht die Engel den Wirkungskreis des Messias. Es gab gefallene Engel, doch Gott hat für gefallene Engel keine Errettung vorgesehen. Er entschied, den gefallenen Menschen Errettung zuteil werden zu lassen. Deshalb sagt der Schreiber: Er nimmt sich doch wohl nicht der Engel an. Um zu erretten, war Gott denen gleich geworden, für die die Errettung bestimmt war. Deshalb wurde Gott Mensch – um Menschen zu erretten. Deshalb nahm Jesus nie einen Engelsnatur an. Er wurde nie ein Engel, weil Gott nie vorhatte, gefallene Engel zu retten. Er wurde Mensch, um Menschen zu retten. Er wurde zu einem Menschen, aber nicht zu irgendeinem Menschen, sondern zum Samen Abrahams. Er wurde ein Jude.
Sein Wirkungsbereich in Vers 17 ist die Erlösung. Er wurde seinen Brüdern gleich. Er wurde ein Jude mit einem dreifachen Ziel: 1. damit er barmherzig würde, eine menschliche Eigenschaft; 2. damit er treu würde bei der Ausübung seiner priesterlichen Funktionen; und 3. damit er ein Hoherpriester würde, denn nach dem, was der Verfasser in 5,1 ausführen wird, konnte nur ein Mensch Priester sein. Indem er Priester wurde, schaffte er Sühne. Das Wort Sühne bedeutet „dem Zorn Gottes Genüge zu tun“. Durch den Tod Jesu wurde Gott versöhnt. Dem Zorn Gottes über die Sünde wurde Genüge getan. Gottes gerechte Forderungen wurden erfüllt durch die stellvertretende Bezahlung mit dem Blut des Sohnes für die Sünden der Menschen.
Der Hintergrund von Vers 14-17 ist der alttestamentliche Gedanke vom „Löser in Gestalt eines Verwandten“. Unter dem Gesetz des Mose konnte sich ein Jude auf vielerlei Weise selbst in Schwierigkeiten bringen. Zum Beispiel konnte er sich so weit verschulden, dass er seine Schulden auf normalem Wege nicht mehr zurückzahlen konnte. Wenn ein Jude in eine solche Lage geriet, gab es nur eine einzige Möglichkeit: Er musste sich selbst als Sklave verkaufen und sechs Jahre lang Sklavendienste leisten. Im siebten Jahre würde er freigelassen werden. Wenn er sich einmal als Sklave verkauft hatte, hatte er zwei Möglichkeiten. Eine davon war, seine sechs Jahre abzuarbeiten und danach freigelassen zu werden. Die zweite Möglichkeit bestand darin, einen Löser hinzuzuziehen. Wenn ein Löser die Schulden übernehmen würde, könnte der Verschuldete noch vor Ablauf der sechs Jahre frei ausgehen. Der Löser musste aber drei Anforderungen erfüllen. Erstens, er musste ein Blutsverwandter sein. Ein Fremder konnte nicht Löser sein. Zweitens, er musste das nötige Geld haben, um den Loskauf zu tätigen. Er musste also die Mittel besitzen, um die Schulden seines Verwandten zu tilgen. Drittens, der Verwandte musste die Summe freiwillig bezahlen. Die Rolle des Lösers konnte ihm nicht aufgezwungen werden.

Die Bibel lehrt, dass diejenigen, die sündigen, Sklaven der Sünde sind. Das betrifft die gesamte Menschheit. Alle sind Sünder. Selbst die Juden waren unter den Fluch des Gesetzes versklavt, weil sie unfähig waren, das Gesetz einzuhalten. Jesus, der Löser, erfüllte alle drei Anforderungen. Er stand in Blutsverwandtschaft zur gesamten Menschheit im Allgemeinen. Da er als Mitglied des Samens Abrahams kam, bestand ein Verhältnis der Blutsverwandtschaft mit dem jüdischen Teil der Menschheit im Besonderen. Zweitens, er hatte die Mittel zum Loskauf. In diesem Fall bestand der Preis für die Erlösung in seinem unschuldigen, menschlichen Blut. Da er der einzige Jude war, der jemals gelebt und das mosaische Gesetz vollkommen eingehalten hat, hatte er unschuldiges Blut. Drittens, er war willig, den Preis zu bezahlen. Er selbst sagte: Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst (Joh 10,18).
Schließlich wendet der Autor in Vers 18 das Werk Jesu auf das konfliktreiche Leben der einzelnen Menschen an. Dieser Vers zeigt, was alles dazugehörte, um so zu werden wie seine Brüder. Es bedeutete Leiden und Versuchungen. Es gibt zwei Gründe, warum er uns helfen kann: Er wurde versucht, und er litt auch. Da er versucht wurde und litt, ist er jetzt auch in der Lage, denen beizustehen, die versucht werden. Das Wort, das mit succor übersetzt wird, ist ein zusammengesetztes griechisches Wort und bedeutet „beim Hilfeschrei hinzueilen“. Wenn Gläubige in Not sind und weinen, dann rennt er um zu helfen. Er rennt, um sie zu unterstützen, wenn sie in Versuchungen und Leiden geraten. Jesus ist nicht nur der Urheber des Heils, er ist nicht nur der Heiligende, er ist nicht nur der Satansbezwinger, sondern er ist auch der Mitfühlende. Er ist fähig, jene zu verstehen, die im Moment gerade versucht werden.

Arnold Fruchtenbaum – Der Hebräerbrief

Der verwandtschaftliche Erlöser

Es gab mehrere Möglichkeiten, wie sich ein Jude unter dem Gesetz in Schwierigkeiten bringen konnte.[1] Eine dieser Möglichkeiten war, in einen Zustand der Verschuldung zu geraten, den er nicht mehr zurückzahlen konnte. Wenn ihm das passierte, gab es für ihn nur eine Möglichkeit: sich in die Sklaverei zu verkaufen, sechs Jahre lang für seinen Herrn zu arbeiten und dann im siebten Jahr, dem Sabbatjahr, freigelassen zu werden.
Sobald er sich in die Sklaverei verkauft hatte, standen ihm zwei weitere Optionen offen. Die erste Möglichkeit war, die sechs Jahre abzusitzen. Die zweite Option hing davon ab, dass er einen Verwandten hatte, der bereit war, seine Schulden zu begleichen, um ihn vorzeitig aus der Sklaverei zu entlassen. Nach dem Gesetz gab es jedoch drei Voraussetzungen, um ein Verwandter-Erlöser zu sein. Erstens musste er der nächste Angehörige sein; ein völlig Fremder konnte es nicht tun. Zweitens musste er den Preis für die Erlösung haben. Er musste über genügend eigene Mittel verfügen, um die Schulden seines Verwandten zu begleichen. Und drittens musste er bereit sein, den Preis zu zahlen, denn das Gesetz machte es nicht zur Pflicht; es war freiwillig.
Das ist der Hintergrund von Hebräer 2:14-17.
Da nun die Kinder an Fleisch und Blut teilhaben, hat auch er selbst an demselben teilgenommen, damit er durch den Tod den entmachtet, der die Macht des Todes hatte, nämlich den Teufel, und die befreit, die aus Furcht vor dem Tod ihr ganzes Leben lang der Sklaverei unterworfen waren. Denn gewiss hilft Er nicht den Engeln, sondern dem Nachkommen Abrahams. Darum musste er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er ein barmherziger und treuer Hoherpriester in Sachen Gottes würde, um für die Sünden des Volkes Sühne zu leisten. (NASB)
Da der Mensch, indem er der Sünde dient, ein Sklave der Sünde wird, ist jeder, die ganze Menschheit, der Sünde versklavt worden. Insbesondere das jüdische Volk fiel aufgrund seiner Unfähigkeit, das Gesetz perfekt zu halten, unter die Versklavung des Fluches des Gesetzes. Um die erste Bedingung der Verwandtschaft zu erfüllen, musste Jesus als Mensch, aber speziell als Jude geboren werden. Zweitens musste Er den Preis der Erlösung haben, der in diesem Fall unschuldiges Blut war. Und drittens musste er bereit sein, den Preis zu zahlen, denn das Gesetz machte es nicht zwingend erforderlich. In der Tat war Jeschua bereit, den Preis zu zahlen. In Johannes 10:18, war es Jesus, der sagte:
Niemand hat es [mein Leben] von mir weggenommen, sondern ich lege es aus eigenem Antrieb nieder. Ich habe Vollmacht, es hinzulegen, und ich habe Vollmacht, es wieder aufzunehmen. (NASB)

Arnold Fruchtenbaum – Fragen und Antworten auf ariel.org – Geschrieben am 10. Januar 2012 von Ariel Ministries