Kategorie: jehovah-shammah

wer Gott liebt, auch

Und dieses Gebot haben wir von ihm, daß, wer Gott liebt, auch seinen Bruder liebe.
Elberfelder 1871 – 1.Johannes 4,21

Denkt an das Gebot, das Gottt uns gegeben hat: Wer Gott liebt, ist verpflichtet, auch die Geschwister zu lieben.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 1.Johannes 4:21

Gott selbst hat uns geboten, nicht nur ihn, sondern auch unseren Nächsten zu lieben.
Neues Leben Bibel 2014 – 1.Joh 4,21

Ok -ich soll meine Brüder lieben. Aber dann stellt sich natürlich die Frage, „wer ist mein Bruder“? Meint Johannes etwa, dass ich alle Menschen lieben soll, die sich als Christen ausgeben, oder nur die, die ich auch als Christen sehe? Und wie ist dass, wenn eine Gemeinde einen Christen „ausgeschlossen“ hat?
Vielleicht kann man es einfach machen: jeder, der vom himmlischen Vater geliebt wird, und von IHM als Sein Kind angesehen wird, sind wir unserer Liebe verpflichtet! Also unabhängig, ob „ausgeschlossen“ oder „Mitglied einer anderen Konfession“!

Wie gut fasst dieser Vers das Kapitel zusammen! Liebe ist der unfälschbare Beweis für einen wahren Gläubigen. Hass ist der untrügliche Beweis für ein Kind des Bösen. Falsche Lehrer spalteten die Herde und führten zu Konflikten.

„Bruder“ – zugegebenermaßen ist der Begriff „Bruder“ zweideutig. Er könnte christliche Kollegen oder menschliche Gefährten bedeuten. Johannes‘ wiederkehrende Verwendung von „Bruder“ für Gläubige impliziert jedoch die ursprüngliche Bedeutung.

Kommentar zu 1., 2. und 3.Johannes

Jemand, der von sich sagt, ich liebe Gott, und haßt seinen Bruder, behauptet etwas von sich, das nicht zutrifft: der ist ein Lügner. An verschiedenen Stellen bezeichnet Johannes ein solches Verhalten mit dem Oberbegriff „Lügner“ ( 1Joh 1,10;2,4.22;4,20;5,10; vgl. „lügen“ in 1Joh 1,6). Die Liebe zu dem unsichtbaren Gott (vgl. 1Joh 4,12) kann ihren konkreten Ausdruck nur in der Liebe zum sichtbaren Bruder finden. Außerdem hat Gott in seinem Gebot (V. 21; vgl. 1Joh 2,3;3,23-24;5,3 ) die beiden Formen der Liebe – die Liebe zu Gott und die Liebe zum Bruder – zusammengefaßt.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Wo die Bruderliebe verweigert wird, lebt der Mensch bei allem frommen Reden in der Lüge. Die geübte brüderliche Liebe erweist, dass wir in der Wahrheit, in der Wirklichkeit Gottes leben. Das sind eindeutige Sätze. Wer aber den Bruder nicht liebt, lebt nicht in der Lüge, sondern im offenen Ungehorsam, im Widerspruch zum Herrn. Denn Gott hat ausdrücklich ein Gebot gegeben. Jesus zeigt die Gottes – und Nächstenliebe (hier in der speziellen Form der Bruderliebe) in engster Verknüpfung als die Wurzel und Zusammenfassung aller Gebote Gottes (vgl. Mt 22,37ff.), und er gibt den Seinen das ausdrückliche Gebot der Bruderliebe (vgl. Joh 13,34). Wer die Liebe nicht lebt, lebt also ausdrücklich gegen das Gebot, gegen den Willen des Herrn.

Der Geist Gottes wirkt gewiss die Liebe in uns, aber es soll ganz deutlich sein, dass Jesus die Liebe auch will und fordert. »Gebot« für den Jünger Jesu heißt also (und das entkräftet alle Rede vom Zwang): »Was der Herr fordert, das gibt er zuvor.« Der Imperativ beruht immer auf dem Indikativ. Aber Jesus spricht auch ein »Gebot« aus für die Grundbewegung des neuen Lebens, weil wir auch und gerade als Geist erfüllte nicht Gehandelte, sondern Handelnde bleiben. Wir sind mit unserem Wollen und Willen gerufen, Gottes Willen zu tun. Der Geist vergewaltigt nicht. Ich kann ihn auch dämpfen. Deshalb gibt der Herr unserem Willen eine klare Weisung.

Gerhard Maier – Edition C

In Vers 21 wird uns eindrücklich gezeigt, daß die Liebe zu unseren Brüdern nicht nur dem Wesen der neuen Natur entspricht, sondern von Gott als ein Akt des Gehorsams Ihm gegenüber verlangt wird. Was ist wichtiger für uns, aber was auch demütigender, als der Gehorsam? Gibt es etwas Geziemenderes, etwas, was dem Wesen Christi ähnlicher ist, als den Gehorsam? Es ist der Platz, den Christus in Vollkommenheit eingenommen hat, bis zur Hingabe Seines Lebens in völliger Liebe zu uns. »Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen« (Joh. 10, 18). War es Ihm deswegen lästig, weil es als ein Gebot vom Vater kam? Nein, für unseren Herrn Jesus bedeutete es eine zusätzliche und unermeßliche Wonne, den Willen Gottes zu tun, koste es was es wolle. Seine vollkommene Liebe und das Gebot Seines Vaters vereinten sich in diesem Begehren. Und eine ähnliche Aufforderung ergeht nun an uns, die Kinder Gottes zu lieben: »Und dieses Gebot haben wir von ihm, daß, wer Gott liebt, auch seinen Bruder liebe.« Nicht nur sollten unsere Herzen zu dieser Liebe angetrieben werden, sondern wir wissen auch, daß wir Gott damit wohlgefallen und Seinen Willen ausführen. Und »wer den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit«, wie der Apostel vorher sagte (Kap. 2, 17). Laßt uns nie vergessen, daß Gott die Liebe zu Ihm mit der Liebe zu Seinen Kindern verknüpft; Er will das eine nicht ohne das andere haben. Seine Liebe sei unsere Liebe, Seine Verherrlichung unsere Verpflichtung, denn Er liebt jeden einzelnen von uns und alle zusammen mit derselben vollkommenen Liebe!

William Kelly – Was von Anfang war: Eine Auslegung der Johannesbriefe

Fünf der neutestamentlichen Briefe schließen mit der Aufforderung an die Gläubigen, einander mit einem heiligen Kuss zu grüßen oder zu begrüßen. Warum? Die Brüder grüßten die Brüder mit einem Kuss, als Beweis für eine reine, brennende Liebe, und die Schwestern grüßten die Schwestern mit einem Kuss als Beweis dafür, dass sie aus reinem Herzen inbrünstig liebten. Es reichte nicht aus, zu einem Menschen zu sagen: „Ich liebe dich“. Diese Liebe musste zum Ausdruck kommen, sie musste ausgedrückt werden. Oft versäumen es Christen, ihre Zuneigung zueinander in Christus auszudrücken. Und sie sind vielleicht zurückhaltend, wenn es darum geht, ihre Zuneigung zu Gott auszudrücken, der sie mit einer ewigen Liebe geliebt hat. Irgendwie gilt es heute als unmännlich, Gefühle zu zeigen. Aber Gott hat dem Kind Gottes eine neue Fähigkeit zur Liebe gegeben, damit diese Fähigkeit Gott und den Brüdern gegenüber zum Ausdruck kommen kann. Das Wort Gottes geht davon aus, dass das Kind Gottes Gott „zuerst“ lieben wird (1. Johannes 4,19), und es gibt auch ein Gebot, „dass, wer Gott liebt, auch seinen Bruder liebt.“

Aber da wir jeden Moment eines jeden Tages in einen Krieg verwickelt sind, versucht das alte Herz alles zu zeigen, wozu es fähig ist. Das alte Herz will seine Zuneigung auf das richten, was Gott hasst. Aber der Heilige Geist ist uns gegeben worden, um uns als neue Geschöpfe in Christus mit Energie zu versorgen und seine Frucht der Liebe hervorzubringen, damit Gottes Absicht, uns die Fähigkeit der Zuneigung zu geben, verwirklicht wird, wenn wir in die Gemeinschaft mit dem Herzen Gottes eintreten und dann diese Liebe zueinander manifestieren.

J. Dwight Pentecost – Entworfen, um wie er zu sein – Gottes Plan für Gemeinschaft, Verhalten, Konflikte und Reife verstehen

Ich mute euch viel zu!

Siehe, ich sende euch wie Schafe inmitten von Wölfen; so seid nun klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben.
Elberfelder 1871 – Matthäus 10,16

Macht euch klar: Ich selbst entsende euch als Boten wie Schafe inmitten von Wölfen. Erweist euch daher als klug wie Schlangen und rein wie Tauben!
Gottes Agenda – Matthäus 10:16

Ich mute euch viel zu! Ihr seid bei eurem Auftrag wie Schafe, die in ein Wolfsrudel hineingeschickt werden. Deshalb verhaltet euch vorsichtig und klug wie die Schlangen, die immer auf der Hut sind. Gleichzeitig sollt ihr offen und ohne Hinterlist sein, wie Tauben.
das Buch: Neues Testament – Mt 10,16

Man kann nicht sagen, daß Jesus seinen Aposteln in bezug auf das Ergebnis ihres Wirkens besonderen Mut machte. Ihre Aufgabe würde schwierig sein, denn sie würden als Schafe mitten unter die Wölfe kommen (vgl. Mt 7,15 ,wo die falschen Propheten als „reißende Wölfe“ bezeichnet werden). Daher war es lebenswichtig für sie, daß sie sich klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben verhielten, d. h., Gefahr klug vermieden und ihre Gegner nicht provozierten. „Ohne Falsch“ ist die Übersetzung des griechischen Wortes akeraioi („unvermischt, rein“). Es taucht nur noch zweimal im Neuen Testament auf, in Röm 16,19 und in Phil 2,15. In der Ausübung ihres Amtes sollten die Apostel ihrer eigenen jüdischen Gerichtsbarkeit überantwortet und gegeißelt werden (vgl. Apg 5,40), und sie würden vor die römischen Statthalter und die herodianischen Könige geführt werden. Doch sie sollten sich nicht sorgen, denn der Heilige Geist, „eures Vaters Geist“, würde ihnen eingeben, was sie reden sollten, um dem Gefängnis zu entgehen.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Die gefährliche Situation der Jünger »als Lämmer mitten unter den Wölfen« und ihr Verhalten in solch einer Lage veranschaulicht Jesus symbolisch in V. 16 durch das Bild »Lamm und Wolf« und V. 17 durch das Bild »Schlange und Taube«.
Die Sendung wird also keine angenehme und leichte Angelegenheit sein, sondern voller Gefahr für Leib und Leben. Welch ein unheimliches Bild: ein Lamm mitten unter Wölfen! Die Wirklichkeit dieser Tatsache ist weithin von den Christusboten nicht immer genügend berücksichtigt worden, nämlich, daß dieses Bild »Lamm unter Wolf« nicht das anormale, sondern das normale ist. – Und da gilt es dann, nicht Haß gegen Haß, Gewalt gegen Gewalt zu setzen, sondern »das freudige Martyrium«. »Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen« (Offb 13,10). Jesu Wort: »Ich sende euch« hat einzigartige Bedeutung.
Das Bild »Schlange und Taube« ist ein anderes Bild als das erste: »Lamm und Wolf«. Wir fragen: Inwiefern? »Lamm« bezeichnete den Apostel – »Wolf« deutete hin auf den Feind. – In dem zweiten Bild »Schlange und Taube« beziehen sich beide Bildworte auf ein und dieselbe Person, nämlich auf den Apostel. Der Sendbote Jesu braucht Klugheit, um in all den schwierigen Situationen immer wieder das Rechte zu finden und den Menschen recht zu begegnen. Diese Klugheit muß aber immer mit Lauterkeit und Aufrichtigkeit und Geradheit gepaart sein, damit nichts geschehe, was den Feinden Handhabe zur berechtigten Klage werde. Die Sendboten Jesu stehen ja unter harten Widersachern, die keine Rücksicht kennen, die ohne Gnade über die Apostel herfallen, falls sich irgendwie ein kleiner Anlaß bietet. Darum gilt es, nach Schlangenart den Gegner scharf im Auge zu halten, wachen Auges und nüchternen Sinnes die Situation zu übersehen und dann ohne List und lügnerische Taktik, lauter und wahr in allen Handlungen und Worten, Herr der Situation zu bleiben, also Taubenart unter Beweis zu stellen.
Klugheit und Lauterkeit ergeben die rechte Weisheit. Klugheit, welche Taktik ist, d. h. die die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge ein wenig verwischt und die um des Zweckes willen das Mittel, auch das nicht ganz korrekte Mittel, heiligt, – Klugheit, welche solche Taktik ist – ist keine biblische Klugheit, ist einseitig nur Schlangenart. Es muß die Aufrichtigkeit der Taubenart hinzukommen! – Jesus will also eine Klugheit, mit der wir uns nicht beflecken (nicht Taktik, nicht Diplomatie, nicht Politik, nicht Kompromisse machen), und Jesus will eine Lauterkeit, mit der wir unseren Dienst nicht belasten (d. h. unkluge Ehrlichkeit und unvorsichtige Offenherzigkeit, die also nicht darauf bedacht ist, Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen). Anders ausgedrückt: Das schlichte Vertrauen auf Gottes Hilfe schließt die kluge Vorsicht den Menschen gegenüber nicht aus.

Fritz Rienecker – Wuppertaler Studienbibel

Das Bild von den »Wölfen« war uns schon in Mt 7,15 begegnet, vgl. die Erklärung dort. Die »Schafe« sind uns ebenfalls bekannt als Bildwort für Israel bzw. dessen treuen Teil (vgl. 4 Mose 27,17; 2 Sam 24,17; Ps 74,1; 77,21; 78,52; 80,2; 95,7; 119,176; Jes 53,6; Hes 34,5; Sach 11,4ff.); Sir 13,21). Offenbar rechnet Jesus jetzt mit einer zahlreichen Gegnerschaft in Israel, sonst hätte er nicht den Vergleich mit den Wölfen gebraucht. Aber nun gewinnt ja das Bild von den Schafen seine Prägnanz gerade durch diesen Vergleich. Was ist die Position der Jünger solchen Feinden gegenüber? Es ist die Position derer, die ohne den Hirten völlig verloren sind. Schafe können Wölfe nicht überwinden. Sie können aber bewacht werden. Also nur die göttliche Bewahrung und Fürsorge ist die Waffe der Schafe. Die Schafe können von sich aus nie zurückschlagen.

Im Bild der Schafe steckt auch schon das Leiden, das das Geschick der Jünger prägen wird. Welche Strategie sollen sie dann befolgen? Dazu sagt Jesus mit zwei Bildworten ein Doppeltes: sie sollen »klug wie die Schlangen« und »arglos wie die Tauben« sein. Das »klug wie die Schlangen« bezieht sich auf 1 Mose 3,1 (vgl. 2 Kor 11,3). Also nicht wie die Schlangen sollen die Jünger sein, sondern nur die Klugheit der Schlangen zum Vorbild nehmen (vgl. Mt 7,24; 24,45; 25,2.4; Lk 12,42; 16,8). Solche Klugheit ist ein Geschenk Gottes, um das wir beten können (Eph 1,8). Fehlt diese göttliche Weisheit, dann läuft unser Dienst trotz allen guten Willens und trotz allen Einsatzes Gefahr, ins Leere zu stoßen und Misserfolg zu bewirken. Aber die Klugheit steht ja selbst in Gefahr, unehrlich zu werden, auf taktische Raffinessen und Diplomatie zu vertrauen! Dem wehrt die andere Leitlinie, »arglos wie die Tauben« zu sein. Nach Hoheslied 2,14; 5,2; 6,9 ist die »Taube« die Braut des Freundes, d. h. des Messias. Zweimal ist hier die Taube zugleich die »Reine«. Für die alttestamentlichen Leser und für die Judenschaft der damaligen Zeit war also klar, was Jesus meinte. Nichts Hinterlistiges, Undurchschaubares, Bösartiges sollte der Wirksamkeit der Jünger anhaften.

Gerhard Maier – Edition C

Diese Verse führen uns von der apostolischen Zeit, als der Herr auf Erden war, zur Zeit des Zeugnisses des Überrestes Israels, vor dem Kommen des Herrn in Macht und Herrlichkeit. Die Knechte des Herrn würden wie Schafe unter den Wölfen sein – jedoch nicht als Schafe ohne Hirten (Matthäus 9,36), sondern unter dem sanften Stab des großen Hirten der Schafe, den Gott wiederbrachte aus den Toten (Hebräer 13,20). Wölfe würden allezeit auf der Pirsch sein und versuchen, in die Herde einzudringen und das Volk und Zeugnis Gottes zu verderben (Matthäus 7,15) und in die örtlichen Versammlungen einzudringen (Apg 20,29). Sie würden als Haupt den Wolf, Satan selbst (Joh 10,12) haben. Dieser »geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge« (1 Petrus 5,8). Paulus war vor seiner Bekehrung ein solcher Wolf gewesen (Apg 9,1; 26,9-11). Diese Schafe mußten beides sein – ohne Falsch und klug. Das miteinander zu verbinden, ist gar nicht leicht. Für »klug« steht hier phronimos, das ist praktischer Verstand im Gegensatz zu geistlicher Einsicht in lehrhafte Wahrheiten. Man kann auch in übler Weise klug sein, wie wir am Wirken Satans lernen. Daher müssen wir uns in unserem Leben und Wandel unter den Wölfen sehr in acht nehmen, damit wir weder selbst Schaden leiden noch auch das Zeugnis unter den Wölfen schwächen. Paulus sagt den Philippern entsprechend, die Glaubenden müssen »tadellos und lauter (sein)…inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts« (Phil 2,14). Dort werden uns als Vorbilder dazu der Herr, Paulus, Timotheus und Epaphroditus vor Augen gestellt.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

Weil die Nation als Ganzes seine Messiasschaft ablehnte, warnte Jeschua seine Apostel vor der Verfolgung, der sie bald begegnen würden. Zwei wesentliche Dinge können hier festgehalten werden.

Zunächst wies Jeschua die Apostel an, wie sie auf Verfolgung reagieren sollten (Matthäus 10,16-20). In Bezug auf Weisheit sollten sie wie Schlangen sein, aber in Bezug auf Handlungen sollten sie wie Tauben sein. Vor dem Hintergrund der Ablehnung, die Jeschua bereits erfahren hatte, hat ihre Aussendung als Schafe inmitten von Wölfen (Matthäus 10,16a) einen negativen Beigeschmack. Deshalb sollten die Apostel die Klugheit und List einer Schlange anwenden, um möglichst nicht verletzt zu werden. Wenn es jedoch nicht möglich war, sollten sie harmlos sein wie Tauben, bereit, verletzt zu werden und doch selbst harmlos zu bleiben. Vermes schreibt über die von Jeschua verwendeten Tiermetaphern, dass die mit Schlangen assoziierte Gerissenheit aus Genesis 3 und dem Bericht über den Sündenfall stammt. Die Unschuld der Taube hingegen resultiert aus „einer wohlwollenden Exegese von Hosea 7,11, in der das Epitheton ‚dumme Taube‘, das auf den Stamm Ephraim angewandt wird, als ‚einfache Taube‘ verstanden wird.“ Vermes merkt an, dass dieselben Bilder später im Midrasch Rabba verwendet wurden, wo es heißt: „So sprach Gott von den Juden: ‚Mir gegenüber sind sie unschuldig wie Tauben, aber unter den Völkern der Welt sind sie so schlau wie Schlangen.'“

Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive

wohin mit dem Komma?

Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.
Elberfelder 1871 – Lukas 23,43

Jesus antwortete ihm: »Ich versichere dir, du wirst noch heute mit mir im Paradies sein.«
Gute Nachricht Bibel 2018 – Lukas 23:43

Da gab Jesus dem, der dem andern die Vorhaltungen gemacht hatte, die Antwort: „Fasse Mut! Denn heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“
Johannes Greber – Lk 23,43

Da sagte Jesus zu ihm: «Wahrlich ich sage dir: Heute (noch) wirst du mit mir im Paradiese sein-1-!»
-1) abzulehnen ist die Üs: «Wahrlich ich sage dir (schon) heute: Du wirst mit mir im Paradiese sein.» Diese Üs. verkennt völlig, was mit dem Paradies gemeint ist, nämlich der Ort, an dem die Gerechten der Vollendung des Reiches Gottes entgegenharren.
Hermann Menge Übersetzung – 1926 – Lk 23:43

Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir heute: Mit mir wirst du im Paradiese sein.
(Die jetzt übliche Interpunktion dieser Stell ist ohne Zweifel falsch und widerspricht der ganzen Denkweise Christi und des Schächers. Sie konnte nur deshalb aufkommen und später zur allgemeinen Herrschaft gelangen, weil die Griechen und Römer kein rechtes Verständnis für die israelitische Messiashoffnung hatten und der ägyptisch = platonischen Lehre von der „Unsterblichkeit der Seele“ und dem jenseitigen „Götterhimmel“ huldigten. So machte man aus dem Paradies das mittelalterliche „Himmelreich“ im Tode oder eine Unterabteilung desselben. Christus (der Messias) hat aber unter dem Paradies sicher nicht eine Unterabteilung des Totenreiches, sondern nur die Wiederherstellung des Paradieses auf Erden, oder das Messiasreich verstanden. Auch der Schächer kann nur an dieses gedacht haben, wie er ja auch ausdrücklich gebeten hatte: „Erinnere dich meiner, wenn du in deiner (messianischen) Königsherrschaft kommst.“ Es ist darum ganz undenkbar, daß Jesus dem Schächer gesagt haben soll: Laß deine messianischen Hoffnungen fahren; du wirst nicht erst später mit mir im Messiasreich, sondern noch heute mit mir in einer Unterabteilung des Totenreiches, das ich Paradies nenne sein. Er hätte damit den Schächer nur verwirrt und ihm gar keine direkte Antwort auf seine Bitte gegeben. Der Ausdruck: „ich sage dir heute“ entspricht auch ganz der hebräischen Sprechweise, wie viele Stellen des Alten Testamentes beweisen. Er war besonders passend am Kreuz und am Todestag Jesu, weil er so die Verheißung Jesu in einzigartiger Weise bekräftigte. Da Jesus zu dem allem sogar am dritten Tage nach seinem Tode noch der Maria Magdalena erklärt: „denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater“ ( Joh 20:17 ), so kann und darf das „heute“ nicht in der üblichen Weise verstanden werden. Das „heute“ fehlt sogar in vielen alten Handschriften und Übersetzungen; ein Beweis, daß man ihm nicht die ausschlaggebende Bedeutung beimaß. Überdies beweisen aber auch noch viele Zeugen aller Jahrhunderte, das unsere Interpunktion bekämpft und verfochten wurde. Die inneren und äußeren Gründe sprechen also für die von uns angenommene Interpunktion und Auffassung.)
Die vier Evangelien des Reinhardt – Lk 23,43

»Da sagte Jesus zu ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein« (Lk 23, 43). Der sterbende Jesus öffnete ihm also den Weg zur Seligkeit. Der erste, den Jesus ins »Paradies« mitbrachte, war dieser Schächer. Wenn Jesus so barmherzig mit dem Schächer umging, wie sollte er dann mit uns unbarmherzig sein, auch wenn wir sagen müssen: »Nichts hab ich zu bringen, alles, Herr, bist du«? Auf Werke konnte der Schächer nicht mehr bauen. Ihm half nur die Gnade – das ist seine Botschaft für alle Zeiten (vgl. 1 Petrus 1,13).

Zum letzten Mal benutzt Jesus auf Erden das »Amen«. Die feierliche Einleitung: »Amen, ich sage dir« sollte jeden Zweifel beim Schächer zerstreuen. »Heute« steht in einem betonten Gegensatz zu dem »wenn du in dein Reich kommst«. Also »heute noch« soll etwas geschehen – nicht erst in Zukunft! Die Übersetzung »ich sage dir heute: du wirst (irgendwann einmal später) mit mir im Paradies sein« widerspricht dem ganzen Gesprächsgang.

Doch was ist der Inhalt dieser Zusage? Das »mit mir« ist noch wichtiger als das »im Paradies sein«. »Mit mir« bedeutet: Du wirst ewige Gemeinschaft mit mir haben, nicht in die Verdammnis kommen, am ewigen Gottesreich teilnehmen, an meiner Wiederkunft teilnehmen, an der neuen Schöpfung teilnehmen (vgl. Phil 1,23).

Doch was ist das »Paradies«? »Paradies« kommt vermutlich von einem persischen Wort, das »Park« oder »Garten« bedeutet. Die griechische Wortform paradeisos wurde dann in der griechischen Bibel für den »Garten Eden« (1 Mo 2,8ff.) verwendet. An diesen »Garten Eden« knüpft Jesus hier an. Wie ein Vergleich mit 2 Kor 12,4; Offb 2,7 lehrt, meint Jesus einen überirdischen Ort. Wahrscheinlich ist damit derselbe Warteraum für die selig Verstorbenen gemeint, von dem Jesus in Lk 16,19ff im Zusammenhang mit dem armen Lazarus gesprochen hatte. Trifft diese Deutung zu, dann verspricht Jesus dem bittenden Schächer, er solle als geretteter Mensch in denselben Warteraum kommen, in dem Abraham und Lazarus auf die Auferstehung des Lebens (Joh 5,29) warten. »Heute noch« geschieht dies, weil Jesus und er »heute noch« sterben werden (vgl. Joh 19,31ff.). Dieses Wort am Kreuz passt ausgezeichnet zu Heb 4,14 u. a. Stellen, wonach Jesus nach seinem Sterben »die Himmel durchschritten« hat (vgl. Apg 1,9ff.; 1 Tim 3,16; Heb 9,24). Wir können uns den Vorgang so denken, dass Jesus auf diesem Weg durch überirdische Bereiche auch jenes »Paradies« durchschritt (vgl. 2 Kor 12,2ff.; Offb 6,9ff.) und den Schächer bis zum Tag seiner Auferstehung dort ließ. Wie sorgfältig war Jesus noch am Kreuz mit seinen Versprechungen! Er versprach dem Schächer nicht die Auferstehung »heute« oder das Messiasreich »heute«, noch weniger die Neuschöpfung »heute«, sondern nur das, was »heute« schon Wirklichkeit sein konnte: nämlich den Warteraum der selig Verstorbenen.

Schließlich erinnert uns Lk 23,43 an die betonten »Heute« – Worte im Lukasevangelium: »Heute ist euch der Heiland geboren« (Lk 2,11), »heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren« (Lk 4,21), »heute haben wir Ungeheuerliches gesehen« (Lk 5,26), »heute und morgen mache ich gesund« (Lk 13,32), »heute muss ich in deinem Haus einkehren« (Lk 19,5), »heute ist diesem Hause Heil widerfahren« (Lk 19,9). Im Grunde sind es lauter JubelWorte, die die Gnadenzeit verkündigen. Wie wichtig ist es, dass wir dieses »Heute« nicht versäumen (vgl. Heb 3,7-4,13 und im EKG Nr. 169)!

Gerhard Maier – Edition C

In der zweiten Aussage vom Kreuz sagte Jeschua dem Verbrecher, dass er nicht bis zum Reich Gottes warten müsse, um erinnert zu werden; er würde noch am selben Tag erinnert werden: Heute wirst du mit mir im Paradies sein (Lukas 23:43b). Er würde an diesem Tag sterben, und sein Geist würde, wie Jeschuas Geist, in den paradiesischen Teil des Scheol hinabsteigen.[216] Die Wahrheit dessen würde beweisen, dass Jeschua der Messias war, der Sohn Gottes, der Punkt, den alle anderen bestritten und verspotteten.

Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive

Nicht beide Mitgekreuzigte Jesu stimmen in den Spott ein. Der eine von ihnen begreift das Geheimnis Jesu. Er weiß und sieht, [235] dass Jesu Art von »Vergehen« ganz anders war. Dass Jesus gewaltlos war. Und er sieht nun, dass dieser Mitgekreuzigte wirklich das Antlitz Gottes sichtbar macht, Gottes Sohn ist. So bittet er ihn: »Jesus, wenn du in dein Reich kommst, gedenke meiner« (Lk 23, 42). Wie der rechte Räuber sich das Kommen Jesu in sein Reich genau vorgestellt und wie er sich daher das Gedenken Jesu erbeten hat, wissen wir nicht. Aber offensichtlich hat er gerade am Kreuz begriffen, dass dieser Ohnmächtige der wahre König ist – der, auf den Israel wartet und an dessen Seite er nun nicht nur am Kreuz, sondern auch in der Herrlichkeit stehen will.
Die Antwort Jesu geht über die Bitte hinaus. An die Stelle einer unbestimmten Zukunft tritt sein Heute: »Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein« (23, 43). Auch dieses Wort ist geheimnisvoll, aber es zeigt uns eines mit Sicherheit: Jesus wusste, dass er direkt in die Gemeinschaft mit dem Vater eingehen werde – dass er das »Paradies« noch für »heute« verheißen konnte. Er wusste, dass er den Menschen wieder ins Paradies hineinführte, aus dem er herausgefallen war: in das Mitsein mit Gott als das wahre Heil des Menschen.

Joseph Ratzinger – Jesus von Nazareth

Die betont vorangestellte Zeitbestimmung σήμερον nimmt die temporale Konjunktion ὅταν auf. Sie bedeutet aber nicht ‚jetzt‘, d. h. „im Augenblick des Sprechens Jesu“ (so Schreiber* 287), sondern sie nimmt das postmortale Geschick in den Blick: Jesus sagt dem Verbrecher zu, dass er unmittelbar nach seinem Tod in das im Himmel befindliche Paradies und in die Gemeinschaft mit ihm entrückt wird.

παράδεισος ist ein Lehnwort aus dem Persischen, das soviel wie „Garten“ oder „Park“ bedeutet (vgl. Gen 2,8.10 sowie Aune, Revelation 1–5, 154). Es fungiert hier als Bezeichnung für jenen himmlischen Heils- und Ruheort, in den die Gerechten nach ihrem Tode entrückt werden. In diesem Sinne findet sich das Wort auch in TestAbrA 11,10 („… die Pforte, die zum Leben führt; die durch sie eintreten, gelangen ins Paradies“); 14,8; äthHen 32,3 („Garten der Gerechtigkeit“); 60,8 (der „Garten, in dem die Auserwählten und Gerechten wohnen, wohin mein Großvater aufgenommen worden ist“); 60,23 („Garten der Gerechten“); ApkMos 37,5; slawHen 8,1–8; 42,3 („ich ging hinauf nach Osten in das Paradies Eden, wo Ruhe für die Gerechten bereitet ist; und es ist offen bis zum dritten Himmel, aber es ist abgeschlossen von dieser Welt“ [Übers. C. Böttrich]); vgl. auch 2.Kor 12,4; Apk 2,7.

Dem Verbrecher wird also das postmortale Geschick eines Gerechten zuteil, weil er erkannt hat, dass Jesus es ist, der über die Zuweisung von Heil und Unheil entscheidet. Eklatanter könnte die Konfrontation der unterschiedlichen Sinnwelten, die unter den Menschen und bei Gott in Geltung stehen, wohl kaum zum Ausdruck gebracht werden: unter den Menschen ein Verbrecher – bei Gott ein Gerechter. Lukas macht damit deutlich, dass bei Gott ganz andere Vorstellungen von Gerechtigkeit in Geltung stehen als bei den Menschen. Denselben Gedanken formuliert Paulus in 1.Kor 7,22 unter Rückgriff auf das Gegenüber von ἐλεύθερος und δοῦλος.

Michael Wolter – Handbuch zum Neuen Testament

Mit dem Wort „wahrlich“ gab der gekreuzigte Herr in Seiner Gnade einem sterbenden Mann Gewißheit. Die Antwort war ganz anders, als der Schächer erwartet hätte. Er blickte in die Zukunft auf den Tag der kommenden Macht und Herrlichkeit des Reiches, aber der Herr gab ihm in Seiner Antwort unmittelbare Gewißheit, daß er an diesem gleichen Tag bei Ihm im Paradies sein werde. Sekten mißbrauchen diesen Vers, weshalb es wichtig ist, darauf hinzuweisen, daß „heute“ mit „wirst du mit mir … sein“ verknüpft ist, und nicht etwa mit „ich sage dir“, als ob der Herr hätte sagen wollen: „Ich sage dir heute.“ Diese sonderbare Lesart ermöglicht jenen, die die Trennung der Seele vom Leib beim Tode leugnen, sich selbst die trügerische Annahme einzureden, der Herr habe dem geretteten Schächer keineswegs die Verheißung gegeben, er werde noch gleichen Tages mit seinem Herrn im Paradies sein. Aber die Verheißung des Herrn ist unmißverständlich: „Heute wirst du mit mir … sein.“ „Paradies“ ist ein persisches Wort, das einen geschlossenen Garten bedeutet. Es wurde von den Juden gebraucht, um den Ort zu beschreiben, an dem die Erlösten nach ihrem Tode und vor ihrer Auferstehung sind. Aufgrund von Ps 16,9-11 und Apg 2,26-28 glauben wir, daß der Ort, an den der Herr und der Schächer gingen, der Hades war, nicht die Hölle der Pein, sondern ein Ort des Trostes (16,22), ein Ort vorübergehender Ruhe, bis der Herr aus den Toten auferweckt wurde. Wenn Eden das Paradies war, dann nicht, weil der noch unschuldige Mensch, sondern weil Gott dort war. Die Gegenwart des Herrn machte den Ort des Trostes zum Paradies. Das Paradies ist jetzt oben, denn Er ist dort (2Kor 12,1-4). Die Puritaner sagten: „‚Heute‘, welche Unverzüglichkeit! ‚Wirst du sein‘, welche Gewißheit! ‚Mit mir‘, welche Gemeinschaft!“

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

wie lange soll ich noch um Hilfe schreien

Wie lange, Jehova, habe ich gerufen, und du hörst nicht! Ich schreie zu dir: Gewalttat! und du rettest nicht.
Elberfelder 1871 – Habakuk 1,2

»Bis wann noch, DU!«
habe ich gefleht
und du hörst nicht,
ich schreie zu dir: »Gewalt!«
und du befreist nicht.
Buber & Rosenzweig – Habakuk 1:2

Wie lange, Ew’ger, flehe ich und du hörst nicht? Ich schreie zu dir: Gewalt!, und du hilfst nicht?
Die Philippson-Bibel – Hab. 1,2

Wie zur Zeit des Habakuks, ist auch heute unter Gottes Volk Ungerechtigkeit und Gewaltat weit verbreitet. Aber Habakuk macht es richtig: er wendet sich an Jehovah, um seine Sorgen los zu werden – und um Hilfe zu schreien! Und Jehovah beantwortet auch heute unsere Bitten und Fragen. Und es wird sicher nicht mehr lange dauern, und Jehovah wird für Gerechtigkeit sorgen – denn nur ER kann diese Gerechtigkeit weltweit durchsetzen.


Der Kummer, den der Prophet schon so lange mit sich herumtrug und der nun zu diesem wilden Ausbruch der Klage führte, mündete in zwei große Fragen. Er möchte wissen, warum Gott so gleichgültig erscheint: Warum hört Gott nicht? Und er will wissen, warum Gott so unempfindlich erscheint: Warum hilft Gott nicht?
Habakuks Worte “ Wie lange? “ zeigen, wie sehr es ihn quält, daß Gottes Anwort anscheinend so lange auf sich warten läßt. Vielen Christen geht es heute ebenso. Sie fragen sich, warum Gott zu schweigen scheint, wenn sie beten. Wie mehrere andere Psalmisten (David: Ps 13,1-3; 22,2.12.20-22 ; Asaf: Ps 74,1-2.10-11 ; die Söhne Korach: Ps 88 ) trat Habakuk vor Gott, um ihm seine Sorgen und die Sorgen seines Volkes zu klagen. Er beschrieb die Ungerechtigkeit, von der er umgeben war, und fragte dann: „Wie lange?“ ( Hab 1,2 ) und „Warum?“ (V. 3 ). Noch einmal, etwas später, gebrauchte er dieselben Worte: „Warum?“ (V. 13 ) und „Wie lange?“ ( Hab 2,6 ).
Dieser Prophet hatte mehr von einem Sänger als von einem Seher. Der israelitische Gottesdienst kannte leidenschaftliche Hilferufe zu Gott in Zeiten der Verzweiflung. Israel brachte seine Beschwerden normalerweise nicht in „Leserbriefen“ vor. Es richtete seine Bitten im Gottesdienst direkt an Gott. Aber Habakuk ging es nicht nur darum, daß seine Hilferufe ungehört verhallten, sondern auch um das ungestörte Weiterwuchern der Verderbnis. Er rief zu Gott: Frevel , doch Gott schien nicht zu reagieren. Das ausdrucksvolle Wort „Frevel“ faßt das ganze Chaos, das Habakuk um sich herum sah, zusammen. Es erscheint immer wieder ( Hab 1,2; 2,17 ) wie Tintenflecke auf einer zerknitterten Seite im Buch der Geschichte.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Am Anfang der Herrschaft von Josia – und auch schon einige Jahre zuvor – fragten sich Gottgetreue in Juda, ob Gottes Verheißungen an das alte Israel je erfüllt werden könnten. Menschlich gesehen schien es unmöglich zu sein, Gottes Ziel für das auserwählte Volk zu erreichen. Der Abfall früherer Jahrhunderte war noch schlimmer geworden. Zehn Stämme waren bereits unter die Heiden zerstreut worden, nur Juda und Benjamin waren übrig geblieben. Selbst sie schienen nun vor dem sittlichen und nationalen Zusammenbruch zu stehen. Die Propheten hatten begonnen, die völlige Zerstörung ihrer schönen Stadt Jerusalem und des Salomonischen Tempels vorauszusagen, auf den sich alle ihre Hoffnungen auf nationale Größe konzentrierten. Würde Gott vielleicht von seiner erklärten Absicht abgehen, die zu erretten, die ihr Vertrauen auf ihn setzten? Konnten angesichts der anhaltenden Verfolgungen der Aufrichtigen und des scheinbaren Wohlergehens der Gottlosen die Gottgetreuen auf bessere Tage hoffen?
Diese bangen Fragen bewegten den Propheten Habakuk. Die Lage der Frommen seiner Tage bedrückte ihn so sehr, dass er fragte: »Wie lange noch, Herr, soll ich um Hilfe schreien, ohne dass du mich hörst? ›Um mich herum herrschen Zerstörung und Gewalt‹, schreie ich dir zu, doch du greifst nicht ein. Warum lässt du mich Unrecht erleben und warum siehst du dem Elend zu? Um mich herum herrschen Unterdrückung und Gewalt; Zank und Streit erheben sich. Das Gesetz findet bei uns keine Beachtung mehr, und es werden keine gerechten Urteile gefällt. Die Bösen umzingeln die Unschuldigen, und das Recht wird in Unrecht verdreht.« (Habakuk 1,2–4 NLB)

Ellen G. White – Die Geschichte der Hoffnung

Von Beginn des Buches an erleben wir eine enge Unterhaltung zwischen Habakuk und seinem Gott. Der Prophet offenbart die Qualen seines Herzens. Er ist bedrückt wegen eines Urteils oder einer Offenbarung, die er nicht nur gehört, sondern gesehen hat. Habakuk ruft aus: „Wie lange?“ (V.2). Dies ist der Schrei des Glaubens, der die Gewissheit besitzt, dass Gott eines Tages eingreifen wird. Aber dieser Glaube hat es nötig, gestärkt und erleuchtet zu werden. Angesichts des Bösen, der Sünde und der Ungerechtigkeit ist eben dieser Schrei schon viele Male von der Erde zu Gott aufgestiegen. David drückt ihn allein in dem Psalm 13 schon vier Mal aus. Asaph war ebenso entmutigt, als er den Wohlstand der Gottlosen sah (Ps 73,3.12). Ja, warum, wie, bis wann … all diese Gewalt, diese Bosheit, diese Ungerechtigkeit, die unbestraft bleibt? Und Gott, der weiß, kennt, hört und vor allem vermag, scheint nicht zu antworten.
Nicht weniger als 15 Fragen werden in den drei Kapiteln dieses Buches gestellt! Der scheinbare Triumph des Bösen über den Gerechten hat zu allen Zeiten Unverständnis, Verwirrung und Empfindungen der Ungerechtigkeit hervorgerufen. Man denkt an den einen vollkommenen Gerechten, der zu den Menschen gekommen ist, den die menschliche Bosheit nicht ertragen konnte (V.4) und den diese mit einem verdrehten Recht verurteilte!
Angesichts der heutigen Entwicklungen auf moralischem, wirtschaftlichem, sozialem oder politischem Gebiet, angesichts einer Gesellschaft, in der „die Grundpfeiler umgerissen werden“ (Ps 11,3), spüren wir die ganze Aktualität der Ratlosigkeit, die in den ersten Versen dieses Buches enthalten ist (V.1–4). Die zahlreichen Zitate, die wir daraus im Neuen Testament finden, bestätigen dies: Außerhalb des historischen oder des prophetischen Aspekts möchte Gott dort wie immer auch zu uns reden. Und über die Fragen hinaus sind es die Antworten des souveränen Gottes, welche die Offenbarung ausmachen.     

Eric Guignard – Der Prophet Habakuk

Habakuk ist einzigartig unter den prophetischen Büchern, weil er einen direkten Dialog mit Gott führt. Wie sein Zeitgenosse Jeremia will Habakuk wissen, warum die Bösen Erfolg haben (vgl. Jer 12,1-2). Später wird das Buch Hiob diese Frage nach dem Erfolg des Bösen aufgreifen (vgl. Hiob 21,7). Nur bei Habakuk gibt es eine so direkte Antwort auf diese Frage.

David J. Zucker – Die Propheten der Bibel – Eine Einführung für Christen und Juden

Als scharfsinniger Mann wusste Habakuk, dass sich das Königreich Juda rapide verschlechterte. Seit dem Tod von König Josia im Jahr 609 V. CHR. waren seine religiösen Reformen in Vergessenheit geraten, und sein Sohn und Nachfolger Jojakim hatte das Land der Katastrophe entgegengeführt. (Wenn Sie wissen wollen, was Gott über Jojakim dachte, lesen Sie Jer. 22:13-19.)

Die Sorge des Propheten (Hab. 1:2-3). Habakuks Wortschatz in diesem Kapitel deutet darauf hin, dass die Zeiten schwierig und gefährlich waren, denn er verwendet Wörter wie Gewalt, Ungerechtigkeit, Kummer (Elend), Verderben (Zerstörung), Streit, Zank (Streitigkeiten) und Ungerechtigkeit. Habakuk betete, Gott möge etwas gegen die Gewalt, den Streit und die Ungerechtigkeit im Land tun, aber Gott schien ihn nicht zu erhören. In Vers 2bedeutet das erste Wort, das mit „schreien“ übersetzt wird, einfach „um Hilfe rufen“, aber das zweite Wort bedeutet „schreien, mit lauter Stimme schreien, mit aufgewühltem Herzen schreien“. Während er über die Schlechtigkeit im Land betete, wurde Habakuk immer mehr belastet und fragte sich, warum Gott so gleichgültig zu sein schien.

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series

Der Prophet macht zwei grundlegende Beschwerden. Die erste ist in Vers 2: wie lange? Habakkuk erklärt, dass er viele Male über die Sündhaftigkeit des Volkes gebetet hat, besonders über die Sünde der Gewalt, aber Gott schien nie zu antworten. Für Habakuk ist das Schlüsselproblem die Gewalt, die er sechsmal erwähnt: hier, in 2,8, zweimal in 2,17 und in 3,9. Wie lange also wird Gott diese Sünde unter dem Volk tolerieren?

Das führt zu einer zweiten Klage in Vers 3: Warum? Um die Dinge noch schlimmer zu machen: Überall, wohin Gott Habakkuk führte, sah er die Zunahme der Sünde: Er sieht Frevel, das ist moralisches Übel mit einigen tragischen Folgen; er sieht Perversität; er sieht Zerstörung, das ist Habgier und grausame Ausplünderung 2:17; er sieht auch Zwietracht; und er sieht das Aufkommen von Streitigkeiten. Was aus diesen Versen deutlich wird, ist, dass Habakuk eine echte Sensibilität für Sünde entwickelt hat. Wenn er von ihr umgeben ist, versteht er nicht, warum Gott nichts dagegen zu tun scheint. Je mehr er betet, dass die Sünde abnimmt, desto mehr sieht er die Sünde zunehmen.

Arnold Fruchtenbaum – Das Buch Habakuk

Das Volk … wird sich weigern, auf dich zu hören

Das Volk Israel aber wird deine Worte in den Wind schlagen, denn sie weigern sich, meine Weisungen anzunehmen. Das ganze Volk ist starrköpfig und hartherzig.
Hoffnung für alle – 1996 – Hesekiel 3:7

Ergänzungen zum Kommentar von August:

In den Versen 5-6 erinnert Gott Hesekiel daran, zu wem er nicht gesandt wird. Er wird nicht zu einem Volk mit einer fremden Sprache gesandt, was „tiefe Lippe“ bedeutet. Das ist ein hebräischer Ausdruck, den man nur hier und in Jesaja 33:19 findet, und er bedeutet „fremdes Volk“. Hesekiel wird nicht zu einem fremden Volk gesandt; er wird nicht zu Heiden gesandt. Außerdem wird er nicht zu einem Volk mit einer schweren Sprache gesandt, was wörtlich „mit einer schweren Zunge“ bedeutet. Dies wird auch nur zweimal verwendet: hier und in Exodus 4,10. Dieser Ausdruck unterstreicht einen Mangel an Beredsamkeit. Er wird nicht zu einem fremden Volk gesandt, einem heidnischen Volk, noch wird er zu einem Volk gesandt, dem es an Beredsamkeit fehlt. Er wird speziell zu seinen eigenen Landsleuten, dem jüdischen Volk, gesandt. Außerdem weisen diese Verse darauf hin, dass er nicht zu vielen Völkern mit einer fremden Sprache und einer harten Sprache gesandt wird, deren Worte er nicht verstehen kann; er wird nicht zu heidnischen Nationen gesandt, die eine andere Sprache als Hesekiels Sprache sprechen. Er wird nicht als Auslandsmissionar gesandt; er wird als Hausmissionar gesandt. Er wird zu seinem eigenen Volk gesandt, dessen Sprache er verstehen wird. In der Tat sagt Gott, dass, wenn er Hesekiel zu irgendeiner heidnischen Nation gesandt hätte, diese Nationen auf das gehört hätten, was Hesekiel zu sagen hatte. Sie hätten Buße getan. Sie hätten gehorcht. Aber er wird zu einem Volk gesandt, das nicht reagieren wird.

In Vers 7 wird Hesekiel an das Haus Israel gesandt und gleichzeitig gewarnt, dass sie nicht auf ihn hören werden. Hesekiel wird wieder gesagt, dass er mit Versagen rechnen muss. Die Verantwortung des Propheten und eines jeden, der Zeugnis ablegt, besteht darin, das Wort Gottes zu verkünden. Er ist nicht dafür verantwortlich, wie sie darauf reagieren. Der Grund, warum Israel nicht gehorchen wird, ist, dass sie nicht auf Gott gehört haben, also werden sie auch nicht auf den Propheten hören. Gott hatte ihnen bereits das Gesetz des Mose offenbart. Sie haben Gott im Gesetz nicht gehorcht, noch werden sie den Propheten gehorchen. Das Haus Israel wird durch zwei Dinge charakterisiert: eine harte Stirn und ein steifes Herz. Eine harte Stirn zu haben bedeutet, dass sie einen dicken Kopf haben; ein steifes Herz zu haben bedeutet, dass sie eine unnachgiebige Haltung haben. Wegen der sündigen Natur in den Herzen aller, einschließlich Israel, werden sie dem Propheten nicht gehorchen. Sie werden reagieren. Sie werden ablehnen. Sie werden tun, was sie können, um den Gehorsam zu verweigern.

Arnold Fruchtenbaum – Der Ruf des Hesekiel

Was das Volk mehr als alles andere brauchte, war, das Wort des Herrn zu hören. Schon vor dem Fall der Nation hatte Jeremia sie gewarnt, nicht auf die falschen Propheten zu hören, aber weder die Führer noch das einfache Volk wollten gehorchen (Jer. 5:30-31; 6:14; 7:8; 8:10). Gott hatte in Israels schmählicher Niederlage und Gefangenschaft laut gesprochen, aber jetzt klammerten sich die Juden immer noch an leere Hoffnungen und hörten auf die lügnerischen Worte der falschen Propheten in Babylon (Jer. 29:15-32). Das menschliche Herz hört lieber Lügen, die Trost spenden, als Wahrheiten, die Überzeugung und Reinigung bringen. Hesekiel erklärte Gottes Wort als einen Boten (Hes 3,4-10), einen Leidenden (V. 10-15), einen Wächter (V. 16-21) und ein Zeichen (V. 22-27).

Der Bote (Hesek. 3:4-9). Hier geht es um drei Elemente: Reden, Empfangen (Verstehen) der Botschaft und Gehorchen. „Geh hin und verkünde mein Wort!“ (v. 4) war der Auftrag Gottes. Hesekiel war der Bote, das Volk Israel war die Zuhörerschaft, und das Wort Gottes war die zu überbringende Botschaft. Dem Propheten war es nicht erlaubt, einen Ersatzboten zu schicken, noch durfte er die Botschaft abändern oder sich an ein anderes Publikum wenden. Eines der neutestamentlichen Wörter für Predigen ist kerusso, was so viel bedeutet wie „als Herold verkünden“. In der Antike sandten die Herrscher königliche Herolde aus, um dem Volk ihre Botschaften zu übermitteln, und der Herold war verpflichtet, die Botschaft so zu überbringen, wie er sie erhalten hatte. Wenn Hesekiel ein treuer Herold sein wollte, musste er jeden Teil von Gottes Auftrag bis ins kleinste Detail befolgen.

Das zweite Element ist das Empfangen (V. 5-7). Das Wort Gottes zu empfangen bedeutet, es zu verstehen und es in Herz und Verstand aufzunehmen (Mt 13,19). Da Hesekiel ein auserwählter Prophet des Herrn war, war das, was er sagte, wichtig, und das Volk war verpflichtet, es aufzunehmen. Er sprach ihre eigene Sprache, so dass sie sich nicht herausreden und sagen konnten: „Wir verstehen nicht, was du sagst.“ Er verstand ihre Sprache, und sie verstanden seine. Hätte Gott Hesekiel in ein Land gesandt, in dem er einen Dolmetscher gebraucht hätte, hätten sie seine Botschaft verstanden und aufgenommen; aber sein eigenes Volk stellte sich taub für ihn. Jesus wählte in 11,21-24 einen ähnlichen Ansatz, als er die jüdischen Städte dafür verurteilte, dass sie ihn ablehnten. Hätte er dieselben Wunder in heidnischen Städten getan, hätten sie Buße getan und sich dem Herrn zugewandt.

Das dritte Element ist der Gehorsam (Hesek. 3:7-9). Gott schickt uns seine Boten nicht zu seinem Volk, um es zu unterhalten oder ihm gute Ratschläge zu geben. Er erwartet von uns, dass wir gehorchen, was er befiehlt. Leider hatte das Volk Israel eine tragische Geschichte des Ungehorsams gegenüber dem Gesetz Gottes und der Rebellion gegen den Willen Gottes. Das war die Bilanz der 40 Jahre in der Wüste (5. Mose 9,7) und der über 800 Jahre im eigenen Land (2. Chronik 36,11-21). Kein anderes Volk ist von Gott so gesegnet worden wie Israel, denn die Juden hatten Gottes heiliges Gesetz, die Bündnisse, ein reiches Land, den Tempel und die Propheten, die ihnen Warnungen und Verheißungen gaben, wenn sie sie brauchten (Röm. 9:1-5). Wie das Volk Israel hören heute viele Menschen Gottes Wort, versuchen aber nicht, es zu verstehen, oder wenn sie es verstehen, weigern sie sich, es zu befolgen.

Gott versicherte seinem Propheten, dass er ihm alles geben würde, was er brauchte, um ihrem Widerstand und Ungehorsam zu widerstehen. In Hesekiel 3,8 gibt es ein Wortspiel mit Hesekiels Namen, das „Gott ist stark“ oder „Gott stärkt“ bedeutet. Es bedeutet auch „Gott verhärtet“. Wenn das Volk sein Herz und sein Gesicht verhärtet, wird Gott seinen Diener verhärten und ihn treu bei seinem Auftrag halten. Ein ähnliches Versprechen gab er Jeremia (Jer. 1:17).

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series

So, wie Jehovah in naher Zukunft dafür sorgen wird, dass Sein Volk Israel wieder zu IHM gehören wird und IHM gehorchen wird, so kann nur ER dafür sorgen, dass andere Menschen auf Seine Botschaft hören. Dienst du IHM aus Liebe zu IHM, oder weil du Angst vor Bestrafung hast?? Es ist zwecklos, Menschen mit Druck und Angst „voll zu predigen“. Zeige lieber deinen Nachbarn, welche Liebe Gott zu uns hat 😉

Von den Selbstsicheren mussten wir mehr als genug Spott ertragen

Sei uns gnädig, Jehova, sei uns gnädig! denn reichlich (O. genugsam) sind wir mit Verachtung gesättigt; Reichlich (O. genugsam) ist unsere Seele gesättigt mit dem Spotte der Sorglosen, mit der Verachtung der Hoffärtigen.
Elberfelder 1871 – Psalm 123,3–4

Sei uns gnädig, Ewiger, sei uns gnädig, denn wir sind längst der Schmach übersatt, 4 längst ist unser Leben des Spottes der Übermütigen übersatt, der Verachtung der Hochmütigen.
Die Philippson-Bibel – Psalm 123:3–4

Denn wir sind in unserem Innern der Verspottung durch die Stolzen übersatt. Wir können den Hohn der Hochmütigen nicht mehr ertragen.
Bruns 2013 – Ps 123,4

Wir haben das Gespött dieser selbstsicheren und überheblichen Gegner satt! Wir können es nicht länger ertragen, daß uns diese Hochmütigen verachten!
Hoffnung für alle – 1996 – Ps 123:4

Der Psalmist bat Gott um Gnade, weil das Volk mit Verachtung gesättigt war, das heißt, daß es viel Spott von den Stolzen ertragen hatte. Trotz der Verspottung seines Glaubens bat es um Gottes Gnade, bis er antworten würde.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Eine zweifache dringende Bitte um Gnade steigt zum Thron Gottes auf von dem Volk, das mehr als genug Verachtung erfahren hat. Tag für Tag sind Spott und Verachtung die Speise, die den Juden von den heidnischen Oberherren serviert wird. Zu lange haben sie die verletzenden und ätzenden Bemerkungen der Sorglosen ertragen (Sach 1,15). Zu lange haben sie unter der Arroganz der stolzen Babylonier leiden müssen, die sie gefangen hielten (Jer 50,31–32). Nun können sie es nicht mehr aushalten. Genug ist genug! Sie fühlen: Die Zeit der Befreiung ist da.
Und so schütten sie ihr drängendes Gebet vor dem aus, der ihre einzige Zuflucht und Sicherheit in einer Welt voll Antisemitismus und Diskriminierung ist – zu dem Freund der Unterdrückten und Niedergetretenen.

MacDonald – Kommentar zum Alten Testament

לה ist dativus ethicus, wie Ps 120,6; 122,3; wörtlich: »(zu) sehr/lange für sie ist satt, satt genug = übersatt unsere Seele« (vgl. die gleiche Wendung »lange genug für sie musste wohnen meine Seele« in Ps 120,6). – Die Aufeinanderfolge der beiden determinierten Formen הלעג השׁאננים in V 4b wird entweder als appositionelle Verbindung oder als Breviloquenz erklärt (»des Spottes, nämlich des Spottes der Selbstsicheren«); andere schlagen eine leichte Textänderung vor: לשׁאננים »von Selbstsicheren« statt השׁאננים (analog לגאיונים »von Hochmütigen« in V 4c). – Das Ketiv לגאיונים (von גאיון »hochmütig«: hapax legomenon) ist dem Qere לגאי יונים (zwei Wörter: גאי status constructus Plural »die Hochmütigen«, יונים Partizip Plural »die Unterdrücker«) vorzuziehen; dass der Qere-Vorschlag darauf abziele, in den יוֹנִים eine Anspielung auf die יְיָנִים »Griechen« = »die hellenistischen Herrscher« des 3. und 2. Jh. zu meiden, ist wegen der lautlichen Differenz wenig wahrscheinlich; eher könnte das Qere durch sprachliche Gründe ausgelöst sein (die Vokalisierung des Ketiv müsste lauten: לְגַאֲיוֹנִים).

Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament

»reichlich ist unsere Seele gesättigt«: Zweimal haben die Knechte um Gottes Gnade gebeten, zweimal wiederholen sie auch ihre Klage. So groß und so vielfältig die Bedrängnis eines Pilgers auch sein mag, die »mannigfaltige Gnade Gottes« (1Petr 4,10) genügt. Und dem »Gott aller Gnade« (1Petr 5,10) darf der bedrängte Heilige seinen Schmerz klagen. Er muss sich nicht verstellen; er muss seinen Kummer nicht verbergen; aber er muss ihn dem Herrn sagen. Und er muss es im Glauben sagen (Jak 1,6), das heißt im Vertrauen, dass Gott immer in Weisheit, in Treue und in Liebe handelt. Wie dumm sind wir, wenn wir den Gram in uns hineinfressen oder wenn wir unser Leid den Menschen klagen, aber nicht dem, der alles weiß und alles lenkt! »Vertraut auf ihn allezeit, o Volk! Schüttet euer Herz vor ihm aus! Gott ist unsere Zuflucht« (Ps 62,9).
»mit dem Spott der Sorglosen«: Der stumme Spott der Sorglosen, die Gott vergessen und die Heiligen verachten, stach einen heiligen Mann wie Asaph (Ps 73,21). Es quälte die Gerechten in den Tagen Maleachis, als andere Gott versuchten und davonkamen (Mal 3,15). Auch Hiob, der Knecht des HERRN, litt unter dem Unverstand seiner Freunde: »Ich muss einer sein, der seinem Freund zum Gespött ist … der Gerechte, Vollkommene ist zum Gespött! … Die Zelte der Verwüster sind in Ruhe, und Sicherheit gibt es für die, die Gott reizen« (Hi 12,4.6). Wie brannte der Spott der Feinde der Juden, die keine Verbannung gekannt und den Kummer und die Mühsal der Zurückgekehrten nie gekostet hatten, Nehemia in der Seele, sodass er nicht anders konnte, als zu seinem Gott zu rufen: »Höre, unser Gott, denn wir sind zur Verachtung geworden …« (Neh 3,36). Wir haben alle seine Gnade nötig, und sie wird uns frei gegeben, wenn wir sie erbeten. Darum rufen wir zu ihm und erfahren immer wieder, dass in seiner Gegenwart Bitteres süß wird und dass der Spott der Sorglosen unsere Freude im Herrn nur mehren kann.

V. 4 – »Wer Spott und Verachtung recht tragen und um Christi und Gottes Ehre willen erdulden kann, der hat ein großes Stück vom wahren Christentum erlangt« (Starke, zitiert bei Dächsel).

V. 4 – »die Sorglosen«: šaᵓanân, wie in Jes 32,9; Am 6,1; Sach 1,15; vom Verbalstamm šᵓn, »ruhig, wohlgemut sein« (Jer 30,10; Spr 1,33; Hi 3,18).
»die Stolzen«: gaᵓajônîm, von gaᵓajôn, »stolz«, das nur an dieser Stelle belegt ist. Es ist abgeleitet vom Verb gaᵓâh, »sich erheben«, das auch das Nomen gêᵓâh, »Hochmut« (Spr 8,13), bildet. Die Masoreten haben das Wort gemäß dem Qere in zwei Wörter zerlegt und gəᵓêj jônîm vokalisiert: »die Stolzen der Unterdrücker«.

Benedikt Peters – Die Psalmen

Psalm 123 ist kurz und repetitiv. Er sagt uns in den Versen 3-4, dass die Bedrängnis durch den Spott der Hochmütigen verursacht wurde … durch die Verachtung der Stolzen. Auch hier gibt es eine Verbindung zu Nehemias Geschichte (siehe Ne 2,19-20; 4,1-6). Der Vergleich zwischen denen, die zu Gott beten, und den Sklaven besteht darin, dass beide nach Hilfe suchen. Wo sich reale Macht und Bosheit gegen eine gerechte Sache richten, weiß das Volk Gottes, was zu tun ist. Sie bleiben geduldig bei ihrer Aufgabe und beten unablässig zu ihrem Gott um Erbarmen .

NIV Bible Speaks Today

Erbarme dich endlich über uns, Herr. Das Warten auf Barmherzigkeit (V. 2) wird zu einem Gebet: Erbarme dich unser. Die spezifische Barmherzigkeit ist die Befreiung von denen, die den gläubigen Pilgern Verachtung und Hohn entgegenbringen. Diejenigen, die es sich bequem machen, können sich auf die untreuen Israeliten beziehen, die sich nicht um Frömmigkeit bemühen und stattdessen lieber den Luxus genießen (z. B. Jes 32,9; Amos 6,1), oder sie können sich auf die Heiden beziehen, die dem wahren Gott gegenüber gleichgültig sind (Sach 1,15). Ebenso sind die Stolzen hochmütig in ihrem Unglauben (vgl. Ps 94,2). Zu vielen Zeiten in der Geschichte des Volkes Gottes wurde es von den Machthabern bedroht.

Crossway Bibles 2008

Zu jener Zeit wird sich Michaʾel, der große Fürst, erheben

Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die Kinder deines Volkes steht; und es wird eine Zeit der Drangsal sein, dergleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, ein jeder, der im Buche geschrieben gefunden wird.
Elberfelder 1871 – Daniel 12,1

 Zu jener Zeit wird sich Michaʾel, der große Fürst, erheben, der für die Söhne deines Volkes einsteht, und es wird eine Zeit der Not sein, wie es noch keine gab, seitdem es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk gerettet werden, jeder, der im Buch verzeichnet ist.
Die Philippson-Bibel – Daniel 12:1

In dieser Zeit wird der große Engelfürst Michael auftreten, der dein Volk beschützt. Denn es wird eine Zeit der Bedrängnis sein, wie es sie seit Menschengedenken noch nie gegeben hat. Doch dein Volk wird gerettet werden, und zwar jeder, den man im Buch ‹Gottes› aufgeschrieben findet.
Neue evangelistische Übersetzung 2019 – Dan 12,1

Zu jener Zeit (Nachdem der Engel die Heimsuchung und das Leiden verkündet, stellt er auch den Trost vor Augen: der heilige Michael wird dem Volke Hilfe bringen und Gott in der Ewigkeit volle Wiedervergeltung spenden, den Frommen ewiges Leben, den Abtrünnigen ewige Strafe und Schmach. – Hebr.: Und zu jener Zeit. Das Folgende wird mit dem Vorhergehenden eng verknüpft. – Dessen Amt dies ist.) aber wird Michael, der große Fürst, der für die Söhne deines Volkes einsteht, sich erheben;(Zur Zeit der im [Dan 11] geschilderten Verfolgung. Während also dem Verfolger niemand hilft [Dan 11,45], hat das Volk Gottes zu gleicher Zeit einen mächtigen Helfer. Dass er wirklich eintreten wird, war bereits aus [Dan 10,13.21] zu schließen; wie er half, zeigen [2Mak 3,26; 2Mak 10,29; 2Mak 11,8]. Um diesen Schutz des Engels fleht Judas ebenda [2Mak 15,23].) denn es wird eine Zeit(Hebr.: Bedrängniszeit. Diese tritt nach der Hilfeleistung durch den Engel Michael ein; was ganz dem entspricht, was [Dan 7,21.23.25] vom vierten Reiche und dem anderen Horne gesagt, dass inmitten der zehn Hörner entstand. Wie [Dan 11] zeigte, welches Unglück das aus dem dritten Reiche entspringende Horn [Dan 8,9] herbeiführt, so wird hier kurz darauf hingewiesen, dass auch nachher eine Zeit noch schlimmerer Heimsuchung kommen wird. So werden wir von den vorhergehenden Weissagungen von selbst auf das vierte Reich und jenes Horn gewiesen.) kommen, wie keine gewesen, seitdem Völker sind, bis zu jener Zeit.(Im Folgenden geht der Engel von jener zeitlichen Bedrängnis zum Ende aller Dinge über. In dieser Zeitlichkeit wird Lohn und Strafe nicht stets nach Gebühr und Gerechtigkeit jedem zuteil; Verfolger und Verfolgte ruft der gleiche Tod ab, ohne dass beide den gebührenden Lohn in diesem Leben empfangen. Auf die Ewigkeit also muss man den Blick wenden, und wenn die Prüfungen und Leiden immer mehr zunehmen, durch das Ende Standhaftigkeit in der Gegenwart gewinnen.) Zur selben Zeit werden von deinem Volke alle errettet werden, die im Buche aufgeschrieben werden.(Vom Buche Gottes, im Buche des Lebens. Vergl. [Jes 4,3] und [Dan 7,10].)
Joseph Franz von Allioli – Dan 12:1

Als die Offenbarung, die in Kapitel 11 enthalten ist, Daniel gegeben wurde, war dieser ohne Zweifel vor allem am Schicksal seines eigenen Volkes interessiert. Nun, am Ende dieser Vision, tröstet der Engel Daniel, indem er ihm zwei Dinge deutlich macht (V. 1 – 3 ). Erstens wird das Volk Israel ( dein Volk ; vgl. Dan 9,24; 10,14 ) durch das Eingreifen von Michael , dem Engelsfürsten (vgl. Dan 10,13.21 ), der Israels Beschützer ist, befreit werden . In der großen Trübsal wird Satan versuchen, jeden Nachkommen Abrahams auszulöschen (vgl. die Anmerkungen zu Offb 12,15 ). Dies wird eine Zeit von großer, bisher noch nie dagewesener Trübsal für Israel sein (vgl. Mt 24,21 ). Satans Angriff gegen das Volk Gottes wird ein Teil seines Versuches sein, die Wiederkunft und Herrschaft Christi zu verhindern.
Die Befreiung Israels, des „Volkes“ von Daniel, ist keine individuelle Erlösung, auch wenn ein Überrest gerettet werden wird, sondern eine nationale Befreiung aus der Unterwerfung unter die Heiden (vgl. die Anmerkungen zu „ganz Israel wird gerettet werden“ in Röm 11,26 ).

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Der Schlüsselbegriff hier ist archontōn, übersetzt „Herrscher“. Dieser Begriff wurde in der griechischen Literatur häufig verwendet, um sich auf menschliche Machthaber zu beziehen. Paulus verwendet ihn gelegentlich auf diese Weise (z. B. Röm 13,3), aber hier hat er geistliche Mächte im Sinn. Wir wissen das, weil er in den vorherigen Versen über Gott selbst spricht.

Paulus stützt sich auf sein Wissen über das Alte Testament. Deuteronomium 32,8-91 und Daniel 10 informieren uns, dass Israel Gottes Volk war, die einzige Nation, die mit ihm im Bunde stand. Die anderen Nationen standen unter geistlichen Mächten als Folge von Gottes Strafe für die Rebellion beim Turmbau zu Babel, bei der die Nationen geteilt wurden (1. Mose 11,1-9). Deuteronomium 32:17 nennt diese göttlichen Wesen „Dämonen“ (shedim). Daniel 10,13 verwendet den Begriff „Fürst“ (sar). Israel wird von dem Erzengel Michael bewacht, und deshalb wird er Israels „Fürst“ genannt (Dan 10,21; 12,1). Die Septuaginta – die von Paulus häufig verwendete griechische Übersetzung der hebräischen Bibel – übersetzt sar mit dem griechischen Begriff archōn. An anderer Stelle verwendet Paulus den verwandten Begriff archē, um sich auf diese geistlichen Mächte zu beziehen (Eph 6,12). Die Evangelien beziehen sich mit diesem Wort auf Satan selbst (Markus 3,22; Johannes 12,31; 14,30; 16,11).

Aus diesen Abschnitten ergibt sich ein Bild von den Nationen der Welt unter der Herrschaft dunkler Mächte, die Gottes Plan feindlich gegenüberstehen. Gott hielt seinen Plan aus gutem Grund verborgen. Hätten diese dunklen Mächte gewusst, dass die Manipulation der Menschen, um Jesus zu töten, das Ende ihrer eigenen Herrschaft einleiten würde, hätten sie es nie getan.

Michael S. Heiser — Die Bibel ungefiltert – Annäherung an die Heilige Schrift nach ihren eigenen Bedingungen

Die Trübsal (Dan. 12:1). „Zu jener Zeit“ bedeutet „in der Zeit des Endes“, dem Zeitraum, den der Engel in diesem Teil der Prophezeiung beschreibt. Wir haben jetzt die Mitte der Trübsal erreicht, wenn der Antichrist seinen Bund mit Israel bricht, den Tempel an sich reißt und sich als Weltdiktator und Gott aufstellt. Dies ist der „Gräuel der Verwüstung“, von dem Daniel in 9:27, 11:31 und 12:11 schrieb und den Jesus in seiner Ölbergrede erwähnte (Mt 24:15, Mk 13:14). Die letzten dreieinhalb Jahre von Daniels siebzigster Woche werden eine Zeit schrecklicher Leiden einleiten. „Denn dann wird eine große Trübsal sein, wie sie nicht gewesen ist vom Anfang der Welt bis jetzt und auch nicht wieder werden wird“, sagte Jesus (Mt 24,21). Siehe Offenbarung 13-19.

Eines der Merkmale dieser schrecklichen Zeit wird der Krieg des Antichristen (Satans) gegen das jüdische Volk sein (Offb.12 ), aber Michael, der Engel, der für das jüdische Volk zuständig ist (Dan. 10:13, 21Offb. 12:7), wird ihnen zu Hilfe kommen. Gottes auserwähltes Volk wird bewahrt werden (Mt 24,22). Dazu gehören auch die 144.000, die vom Herrn versiegelt wurden (Offb 7,1-8). Gott wird seinen Bund mit Abraham halten und dafür sorgen, dass der jüdische Überrest in sein verheißenes Reich eintreten wird.

Militärische Invasion (Dan. 11:40-43). Wenn der Antichrist in das Land Israel einzieht, sein Bild im jüdischen Tempel aufstellt und sich zum Herrscher und Gott der ganzen Welt erklärt, werden sich nicht alle seinem Willen beugen. Die Könige des Nordens und des Südens werden sich ihm widersetzen und ihre Armeen nach Palästina bringen. In früheren Prophezeiungen in Daniel war der König des Südens Ägypten und der König des Nordens Syrien, aber diese Bezeichnungen treffen möglicherweise nicht auf die Nationen in der Endzeit zu. Einige Studenten setzen diese Invasion mit der in Hesekiel 38-39 beschriebenen Schlacht gleich und sehen darin eine nördliche Konföderation mit Russland an der Spitze und eine südliche Konföderation mit Ägypten und seinen Verbündeten an der Spitze. Der Antichrist wird seine Feinde besiegen und dadurch zu großem Reichtum gelangen.

Harmagedon (Dan. 11:44-45). Während der letzten dreieinhalb Jahre der Trübsalszeit werden sich die Völker der Herrschaft des Antichristen unterwerfen, aber es wird immer mehr Uneinigkeit und Widerstand geben, obwohl seine Arbeit von Satan angetrieben wird. Der Nachrichtenbericht in Vers 44 bezieht sich auf das wachsende Heer aus dem Osten, das auf der Ebene von Esdraelon auf die Streitkräfte des Antichristen treffen wird, um die so genannte „Schlacht von Harmagedon“ zu schlagen (Offb. 9:13-21; 16:12-16; Joel 3:1-2, 12-14; Sach. 14:1-3). Das Wort „Harmagedon“ bedeutet „Berg von Megiddo“, und diese Schlacht („Feldzug“) findet am Ende der Trübsalszeit statt.

Die Wiederkunft Christi. Während sich das riesige Heer aus dem Osten in Stellung bringt, um die Streitkräfte des Antichristen in Israel anzugreifen, wird das Zeichen des wiederkommenden Menschensohns am Himmel erscheinen (Mt 24,29-30), und die gegnerischen Heere werden sich zum Kampf gegen Jesus Christus vereinigen. Doch der Herr wird mit seinen Heeren vom Himmel herabsteigen, beide Heere besiegen und den Satan, den Antichristen und den falschen Propheten gefangen nehmen und in den Feuersee werfen (Offb 19,11-21; siehe auch Sach 12,1-9; 14,1-3). „Er [der Antichrist] wird an sein Ende kommen, und niemand wird ihm helfen“ (Dan 11,45).

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series

Michael

Gabriel versichert Daniel, dass die himmlischen Heerscharen nach wie vor für Gottes Volk kämpfen. Nachdem er die göttliche Botschaft überbracht hat, müsse er zurückkehren, um den Kampf gegen den Fürsten von Persien fortzusetzen. Dabei werde er von Michael (Dan 10,20.21) unterstützt. Michael wird hier als „einer der Ersten unter den Engelfürsten“, „euer Engelfürst“ und „der große Engelfürst, der für dein Volk eintritt“ bezeichnet (Dan 10,13.21; 12,1). Michael ist somit der „himmlische Prinz“, der dem irdischen Prinzen Kambyses gegenübersteht. Das Alte Testament macht über Michael nur bruchstückhafte Angaben. Um ein vollständiges Bild von ihm zu gewinnen, müssen auch die Aussagen des Neuen Testaments berücksichtigt werden. Dort ist beispielsweise vom Erzengel Michael die Rede, der mit Satan um die Auferstehung des Mose streitet (Jud 9). Da Mose nach Matthäus 17 auferstanden ist, besitzt Michael Auferstehungsvollmacht. Außerdem wird er als Führer des himmlischen Engelheeres dargestellt, das vor der Erschaffung des Menschen gegen Satan und seine Engel kämpfte (Offb 12,7–9). Diese neutestamentlichen Hinweise können sich auf kaum jemand anderen als Christus beziehen. Das läßt darauf schließen, dass mit den alttestamentlichen Texten, in denen Michael genannt wird, ebenfalls Christus gemeint ist.
Michael wird nur in Daniel 10 und 12 namentlich erwähnt. In Daniel 10 ist er in einen örtlich begrenzten Streit verwickelt. In Daniel 12 dagegen steht er in einer letzten und universalen Auseinandersetzung. Dort geht es um den Ausgang des Kampfes zwischen Gut und Böse. Alle biblischen Textstellen über Michael enthalten ein charakteristisches Merkmal: Es geht um einen Konflikt, in dem Michael als Führer im Kampf für Gottes Sache auftritt. So umschließen die Bilder von Michael in Daniel 10 und 12 die Prophezeiung in Daniel 11. Michael wird in Kapitel 10 in Verbindung mit einem Streit eingeführt, der zur Zeit des Propheten stattfand (Dan 10,13.21). Das letzte Bild Michaels erscheint am Ende der Zeit in der alles entscheidenden Auseinandersetzung. Immer schützt er das Volk Gottes – zur Zeit Daniels genauso wie am Ende der Zeit.
Von der Kontroverse, in der sich Michael und Kambyses gegenüberstehen, führt Gabriel Daniel weiter durch die prophetische Zukunft bis zu der Zeit, wenn Michael zum letzten Mal auftritt. Dann wird der Heilsplan zum Abschluß kommen. Michael wird sein Volk nach Hause bringen. Diese Vorhersagen für die Zukunft werden von Gabriel in Daniel 11 geschildert.

William H Shea – Studienreihe zur Bibel – Das Buch Daniel



Es gibt zwei Engel, die in der ganzen Heiligen Schrift namentlich bekannt sind. Der erste ist Michael, der Erzengel. Der Name Michael bedeutet, „der wie Gott ist“, und Erzengel bedeutet „oberster Engel“. Das bedeutet, dass Michael derjenige ist, der die Autorität über alle anderen Engel hat. Er hat nicht die Autorität über die Seraphim und Cherubim, aber er hat die Autorität über die niedrigste Ordnung, die der Engel.

Das Konzept des Erzengels spiegelt sich in zwei anderen Namen wider, die für Michael verwendet werden. Erstens wird er in Daniel 10:13 der erste Fürst genannt. Es gibt viele Fürsten, aber er ist der erste Fürst, derjenige, der die Autorität über all die anderen hat. Zweitens wird er in Daniel 12,1 der große Fürst genannt. Es gibt nur einen großen Fürsten und das ist der Erzengel. Großer Fürst und erster Fürst bedeuten im Grunde das Gleiche und sind seine beiden hebräischen Titel. Der griechische Titel ist Erzengel, der betont, dass Michael der Herr über alle gewöhnlichen Engel ist (Offenbarung 12:7).

Michaels Position bedeutet, dass er bestimmte Verantwortlichkeiten hat. Als Erzengel hat er alle anderen Engel unter seiner Autorität (Offenbarung 12:7). Genauso wie die Dämonen unter der Autorität Satans stehen, stehen die guten Engel dieser Kategorie aufgrund seiner Position als Erzengel unter der Autorität Michaels. Als Erzengel ist es seine Aufgabe, Herrschaft und Autorität über die anderen Engel auszuüben; die Aufgabe der guten Engel ist es, sich der Autorität Michaels zu unterwerfen.

Michael wird auch der Name Oberster Fürst gegeben. Der Begriff „Oberster Fürst“ bezieht sich auf Engel, die Autorität über bestimmte Nationen haben. Als oberster Fürst ist Michael für die Nation Israel verantwortlich, und deshalb war es Michael, der den Körper von Mose in Judas 9 beschützte. In Daniel 10:13-21 sorgte Michael dafür, dass Daniel die notwendige Offenbarung über Israels Zukunft erhielt. In Daniel 12,1 wird Michael Israel während der Großen Trübsal beschützen, und in der Tat ist der Grund, warum Israel die Trübsal überleben wird, Michaels Arbeit. Andere zukünftige Dinge, die Michael tun wird, sind die Ankündigung der Entrückung (1 Thessalonicher 4,16); und in der Mitte der Trübsal wird Michael den Satan von seinem jetzigen dritten Aufenthaltsort in den atmosphärischen Himmeln zu seinem vierten Aufenthaltsort auf der Erde vertreiben (Offenbarung 12,7-12).

Arnold Fruchtenbaum – Angelologie: Die Lehre von den auserwählten Engeln


Es folgt eine rabbinische Einleitung zu Kapitel 12:
Dieses Kapitel wird von den jüdischen Autoritäten im Allgemeinen so verstanden, dass es sich auf die ferne Zukunft bezieht, die die Ankunft des messianischen Zeitalters ankündigen wird . Die Verse 1-4 knüpfen jedoch an den Gedanken des vorangegangenen Kapitels an und sind die abschließende Botschaft der Engel. Die Verse 1-3 sind daher besser als eine Beschreibung der Folgen des Sturzes von Antiochus zu verstehen.

Es ist bemerkenswert, dass der Engel , der in 10:19 zu Daniel zu sprechen begann, noch in Vers 1 von Kapitel 12 sprach: Und zu jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die Kinder deines Volkes eintritt; und es wird eine Zeit der Bedrängnis sein, wie sie nie gewesen ist, seit es ein Volk gibt, bis zu jener Zeit; und zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, der im Buch geschrieben steht. In 11:40 leitete der Engel die Prophezeiung über die militärischen Aktivitäten des Antichristen mit der Formulierung „zur Zeit des Endes“ ein. Nun erklärte er, dass zu dieser Zeit, d. h. zur gleichen Zeit wie die Ereignisse in 11:40-45 , Michael aufstehen wird. Wiederum benutzte der Engel den hebräischen Begriff amad, um zu zeigen, dass Michaels Aufstehen ein Akt militärischer Beteiligung war (vgl. 8,25; 11,14).
Interessanterweise interpretiert Raschi amad als „stillstehen“: „Zu jener Zeit wird Michael … still sein – still wie ein Stummer, denn er wird den Heiligen, gesegnet sei Er, sehen, wie Er selbst richtet und sagt: ‚Wie soll ich eine so große Nation um Israels willen vernichten?'“
Slotki kommentiert die Interpretation von Raschi: „[Michael] wird still stehen, sprachlos über die Ereignisse.“ Diese Lehre könnte aus dem folgenden Midrasch abgeleitet worden sein:
Und unser heiliger Rabbi sagte: „Dies ist Michael selbst, wie es heißt (Daniel 12:1 ): ‚Und zu jener Zeit wird Michael stehen, der große Diener, der für die Kinder Deines Volkes eintritt.'“ Denn er [ist derjenige, der] die Bedürfnisse Israels einfordert und für sie spricht, wie es heißt (Sacharja 1:12): „Und der Engel des Herrn antwortete und sprach: ‚Herr der Heerscharen, bis wann wirst du dich nicht über Jerusalem erbarmen?'“ Und ich werde [auch] sagen (Daniel 10:21 ), „und niemand ist stark mit mir außer Michael, deinem Diener.“ Rabbi Yose sagte: „Womit sind Michael und Samael [Satan ] vergleichbar? Einem Verteidiger und einem Ankläger, die vor Gericht stehen. Dieser spricht und jener spricht. [Wenn der eine seine Worte beendet hat und der andere seine Worte, weiß der Verteidiger, dass er gewonnen hat. [Dann] beginnt er, den Richter zu loben, der das Urteil verkündet. Der Ankläger [bittet] darum, etwas hinzufügen zu dürfen. Der Verteidiger [sagt dann] zu ihm: „Sei still und lass uns den Richter hören. So ist es, dass Michael und Samael vor der göttlichen Gegenwart stehen; und der Satan [Samael] klagt an und Michael berät über das Verdienst Israels, und [dann] kommt der Satan zu Wort, und Michael bringt ihn zum Schweigen. Und warum? Weil es heißt: „Ich will hören, was die Macht, der Herr, reden wird, denn er wird Frieden über sein Volk reden. [Ps. 85:8a]“

Rabbi Goldwurm erklärte, dass dieser Midrasch den hebräischen Begriff amad als transitives Verb behandelt, was bedeutet, dass „Michael den unerwähnten Satan zum Schweigen bringen wird, der im letzten Moment versuchen wird, die Erlösung zu verhindern.“ Die Offenbarung des Neuen Testaments zeigt jedoch, dass amad sich eher darauf bezieht, eine militärische Stellung einzunehmen als zu schweigen. Der Erzengel Michael wird eine militärische Position einnehmen, weil er Krieg gegen Satan und seine gefallenen Engel führen wird. Dieser Krieg wird in Offenbarung 12:7-12 beschrieben:
7Und es war ein Krieg im Himmel: Michael und seine Engel zogen aus, mit dem Drachen zu streiten; und der Drache stritt mit seinen Engeln 8und sie gewannen nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. 9Und es wurde geworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und der Satan , der Verführer des ganzen Erdkreises; der wurde geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden mit ihm geworfen. 10Und ich hörte eine große Stimme im Himmel, die sprach: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes und die Macht seines Messias gekommen; denn der Verkläger unserer Brüder ist hinabgeworfen, der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagt. 11 Und sie haben ihn überwunden um des Blutes des Lammes willen und um des Wortes ihres Zeugnisses willen; und sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tod. 12Darum freuet euch, ihr Himmel und die ihr darin wohnt. Weh der Erde und dem Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgestiegen und hat einen großen Zorn, weil er weiß, dass er nur noch eine kurze Zeit hat.
Satan und seine Dämonen wohnen derzeit in den atmosphärischen Himmeln (Eph. 2:2 ; 6:12 ). In der Mitte der Trübsal wird, während auf der Erde der Krieg zwischen dem Antichristen und den zehn Königen ausbricht, auch in den atmosphärischen Himmeln ein Krieg ausbrechen (Offb. 12:7 ). Dieser Konflikt findet zwischen dem Erzengel Michael und seinen Truppen und dem Erzfeind Satan und seinen Truppen statt. Michael wird siegreich sein, und Satan und seine Kohorten werden aus den atmosphärischen Himmeln vertrieben und auf der Erde eingesperrt (V. 8-9). Die Gefangenschaft des Satans auf der Erde wird zwei Folgen haben. Erstens wird ihm der Zugang zum Himmel verwehrt, und er wird nicht mehr vor dem Thron Gottes stehen können, um die Brüder anzuklagen. Darüber wird der Himmel frohlocken (V. 10-12a). Zweitens wird Satan nun voller Zorn sein (V. 12b). Sein Zorn wird auflodern, weil er weiß, dass seine Zeit kurz ist, nämlich dreieinhalb Jahre . Aufgrund des Zorns Satans wird es wehe für die Erde sein.
In Daniel 11:1 wird Michael auch der große Fürst genannt. Er ist der Große, weil er der Erzengel ist. Er wird Fürst genannt, weil er einer der obersten Fürsten ist (vgl. Dan 10,13). Es gibt viele solcher Engel, sowohl heilige als auch gefallene, die als Schutzengel über bestimmte Völker dienen. Michael ist der Schutzengel von Israel. Der Soncino-Kommentar nennt ihn den „Schutzpatron Israels“. Obwohl er einer von mehreren obersten Fürsten ist, ist Michael der einzige Erzengel. Als Schutzengel Israels steht er für die Kinder deines Volkes ein oder kämpft für sie, d. h. für Daniels Volk , das jüdische Volk. Ein Beispiel für seinen Kampf im Namen Israels findet sich in Offenbarung 12:15-16 :
15 Und die Schlange warf aus ihrem Rachen Wasser wie einen Strom hinter dem Weibe her, damit sie von dem Strome verschlungen würde. 16Und die Erde half dem Weibe, und die Erde tat ihren Mund auf und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Munde warf.
Sowohl die Schlange als auch der Drache stehen in diesem Abschnitt für Satan (vgl. Offb 12,9; 13,4-5) . Die Frau ist Israel. Die drei Hinweise auf Überschwemmungen (d. h. Wasser, Fluss, Strom) symbolisieren eine militärische Invasion. Mit der Macht Satans wird der Antichrist Jerusalem einnehmen, und die Juden werden fliehen. Da er weiß, dass seine Zeit begrenzt ist, wird Satan den Antichristen dazu bringen, eine Armee auszusenden, um die fliehenden Juden zu verfolgen. Sein Ziel ist es, das Volk Gottes ein für alle Mal zu vernichten, damit es Jeschua nicht anrufen kann, um zurückzukehren und gerettet zu werden. Der obige Abschnitt weist jedoch darauf hin, dass Gott ein Wunder vollbringen wird, wie er es schon einmal getan hat, und dass sich die Erde öffnen und die Armee verschlingen wird. Zweifellos wird Israels Schutzengel , Michael , die Verantwortung haben, den Erfolg dieses göttlichen Eingreifens sicherzustellen. Das Volk Israel wird die Trübsal durch die Bemühungen von Michael überleben.
Dennoch wird es nach Daniel 12:1 eine Zeit der Bedrängnis geben. Der Ausdruck „Zeit der Trübsal“ ist eine der Bezeichnungen für die Trübsal . Er ist dem Titel in Jeremia 30,7 sehr ähnlich: die Zeit der Not Jakobs. Alle Menschen werden in der Trübsal leiden, denn die kataklysmischen Gerichte dieser Zeit werden alle Menschen treffen, die nach der Entrückung zurückbleiben . Für das jüdische Volk wird es jedoch aufgrund eines Prinzips, das in Jesaja 40:1-2 dargelegt wird, besonders schwer sein:
1 Tröstet euch, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. 2Redet Jerusalem Trost zu und ruft ihr zu, daß ihr Kampf vollbracht ist, daß ihre Missetat vergeben ist, daß sie von Jehovas Hand das Doppelte empfangen hat für alle ihre Sünden.
So sehr Gott die Heiden für ihre Sünden bestrafen wird, so sehr wird er Israel doppelt bestrafen, nach dem Grundsatz: Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert (Lk. 12:48 ). Daher ist die Trübsal eine einzigartige Zeit der Not Jakobs.
In Daniel 12,1 fügte der Engel hinzu, dass diese Zeit schlimmer sein wird als alles, was die Welt je gesehen hat: und es wird eine Zeit der Bedrängnis sein, wie sie noch nie da war, seit es ein Volk gibt, bis zu dieser Zeit. Mit anderen Worten: Während der zweiten Hälfte der Trübsal werden die Juden einem Ausmaß an Verfolgung ausgesetzt sein, das alle früheren Verfolgungen übertreffen wird. Jeschua bekräftigt diese Wahrheit in Matthäus 24:21 : denn dann wird eine große Trübsal sein, wie sie nicht gewesen ist vom Anfang der Welt bis jetzt und auch nicht mehr sein wird.
Doch nach Daniel 12:1 , wird zu der Zeit dein Volk errettet werden, jeder, der in dem Buch geschrieben gefunden wird. Auch hier bezieht sich der Ausdruck „dein Volk“ auf Daniels Volk , das jüdische Volk. Der Engel erklärte, dass die Verfolgung nur diejenigen treffen würde, deren Namen nicht in dem Buch geschrieben stehen. Dieses Buch kann entweder das Buch des Lebens oder das Buch des Lebens des Lammes sein. In Philipper 4,3 bezeichnet Paulus das Buch des Lebens als eine Aufzeichnung der Namen von Menschen, die das ewige Heil haben: Ich beschwöre auch dich, treuer Jochgenosse, hilf diesen Frauen, denn sie haben mit mir im Evangelium gearbeitet, auch mit Clemens und den übrigen meiner Mitarbeiter, deren Namen im Buch des Lebens stehen. In Offenbarung 3,5 steht, dass das Buch des Lebens die Namen der Gläubigen an den jüdischen Messias enthält: Wer überwindet, der wird mit weißen Kleidern angetan werden; und ich werde seinen Namen nicht auslöschen aus dem Buch des Lebens, und ich werde seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. Wenn ein Name einmal im Buch des Lebens steht, wird er niemals ausgelöscht werden (vgl. Ps 69,28 ). Diejenigen, deren Namen im Buch des Lebens stehen, haben die Anfechtungen des irdischen Lebens besiegt und damit bewiesen, dass ihre Errettung wahr ist. Umgekehrt schildert Offenbarung 20:15 das Schicksal derer, deren Namen nicht im Buch des Lebens verzeichnet sind: Und wer nicht gefunden wurde, geschrieben im Buch des Lebens, der wurde in den Feuersee geworfen . In Offenbarung 17:8b wird erklärt, wann die Namen der Erlösten im Buch des Lebens geschrieben werden: Und es werden sich wundern, die auf Erden wohnen, deren Namen nicht geschrieben stehen im Buch des Lebens von Grundlegung der Welt an.
Ein Hinweis auf das Buch des Lebens des Lammes findet sich in Offenbarung 13:8 : Und alle, die auf Erden wohnen, werden es anbeten, jeder, dessen Name nicht geschrieben ist von Grundlegung der Welt an in dem Lebensbuch des geschlachteten Lammes. Ein weiterer Hinweis auf dieses Buch findet sich in Offenbarung 21:27 : Und es wird nichts Unreines hineingehen, auch nicht, wer einen Greuel und eine Lüge macht, sondern nur, wer im Lebensbuch des Lammes geschrieben ist. Beide Verse zeigen, dass dieses Buch die Namen aller Menschen enthält, die durch das Blut des Lammes, Jeschua , des Messias, gewaschen wurden. Das Lamm, das geschlachtet worden ist, besitzt ein Buch mit den Namen aller Menschen, die durch sein Opfer erlöst worden sind. Sie werden in das neue Jerusalem einziehen und für immer mit Gott im Himmel leben (Offb. 21:10-27 ).
Slotki bietet die rabbinische Sicht von Daniel 12:1 an und erklärt: „In diesem Buch sind die Namen der Frommen und Treuen unter den Juden verzeichnet, die dazu bestimmt sind, einen Anteil am glorreichen Jenseits zu haben.“ Ibn Esra nannte dieses Buch „das Buch der Erinnerung“.
Unabhängig davon, ob der Engel in Daniel 12:1 vom Buch des Lebens oder vom Buch des Lebens des Lammes spricht, geht es in dem betreffenden Buch um Gläubige, und es geht darum, dass die Auserwählten Israels entkommen werden. Diese Auserwählten wurden auch in Matthäus 24:22 erwähnt, wo Jeschua erklärte: Und wenn jene Tage nicht verkürzt worden wären, so wäre kein Fleisch gerettet worden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden. Kontextuell gesehen sind die Auserwählten in diesem Vers nicht die Kirche als Ganzes, sondern speziell die jüdischen Gläubigen. Sie sind von Gott auserwählt, die Trübsal zu überleben . Wie bereits erwähnt, wird nach Sacharja 13:8-9 nur ein Drittel der jüdischen Bevölkerung, die zu Beginn der Trübsal lebt, das Ende überleben. Sie werden die Auserwählten Gottes sein, und ihre Namen stehen im Buch des Lebens.
Zusammenfassend zeigt Vers 1, dass zu dem Zeitpunkt, an dem der Antichrist versuchen wird, das jüdische Volk zu töten und zu vernichten (V. 11:44), der Erzengel Michael erscheinen wird, um es zu verteidigen. Das muss geschehen, denn die zweite Hälfte der Trübsal wird eine Zeit noch nie dagewesener Qualen sein. Trotz der Grausamkeiten der Verfolgung Israels wird sich der überlebende Rest der jüdischen Nation an ihren Messias wenden (Sach 12:10 ; Röm 11:25-27 ), und er wird sie erlösen. Diese geretteten Juden werden als diejenigen bezeichnet, die im Buch des Lebens stehen, das die Namen der Auserwählten enthält.

Arnold G. Fruchtenbaum – Ariels Bibel Kommentar – Das Buch Daniel

Wo kommt die Idee her, dass Michael und Jesus die selbe Person wären? Vielleicht sind folgende alte Lexika interessant:

Michael, St., einer der Erzengel (s. Engel). Michaelis, das Kirchenfest zu Ehren desselben, wurde im 9. Jahrhunderte auf der Synode zu Lyon eingeführt und wird noch jetzt am 29. September gefeiert. Da mit diesem Tage sich beinahe eines der Jahresquartale abschließt, so hat der M.-Tag seine Beziehung auf mehrfache bürgerliche Einrichtungen erhalten. Daher Michaeliszins, Michaelismesse etc.

Michael, St.. Damen Conversations Lexikon

» … unsere hoch gerühmte deutsche Nation«

Der deutsche Michel

Von Peter Franz

Die sprichwörtliche Redeweise vom deutschen Michel hat sich im deutschsprachigen Raum über die Jahrhunderte zu einem geflügelten Wort entwickelt. Mittlerweile führt es ein bestimmtes Eigenleben, das kaum noch an seine ursprüngliche Herkunft erinnert. Wie so vieles im so genannten christlichen Abendland hat der Name Michael seinen literarischen Ursprung in der jüdisch-christlichen Tradition der Bibel. Die besondere Einengung auf den Begriff deutscher Michel bildet erst eine weitere, zweite Geschichte, die einer besonderen Betrachtung bedarf.
Das älteste literarische Zeugnis für das Vorkommen findet sich im Buch Daniel des Ersten (»Alten«) Testaments. In ihm legte ein Israelit seine zeitgeschichtlich-apokalyptischen Visionen nieder, die ihm – einem persischen Hofbeamten bei König Kyros um 555 v. Chr. – zuteil geworden sind. Daniel beschreibt in einer dem biblischem Erzählstil eigenen Farbigkeit, wie er am Fluss Tigris einem Mann mit seltsamer Gestalt begegnet. Der redet ihn an, und zwar so »gewaltig«, dass Daniel davon ohnmächtig hinsinkt, aber – von dem merkwürdigen Fremden liebevoll aufgerichtet – sogleich wieder zu sich kommt. Was er nun hört, ist noch um einiges erstaunlicher: Er, Daniel, sei von dem Gott, dem auch er, der Bote, diene, erhört worden um der Lauterkeit seines Flehens und Bittens willen. Dieses Flehen richtete sich – der Leser weiß es aus den vorangehenden Kapiteln – auf die sehnsüchtig erwartete Heimkehr aus babylonischer Verbannung in das heimatliche Israel. Der Bote weiht nun Daniel in den Plan ein, den der heiß angeflehte und innig geglaubte Gott mit diesen Verbannten vorhat: Er will sie zurückführen »am Ende der Tage«. Für Daniel ist also die Gegenwart Endzeit, Zeit der Erfüllung. Konkret sieht das so aus, dass dieser Bote – es handelt sich um einen der Engel, die jeden Gläubigen umgeben – berichtet, wie ihm der Engelfürst (auch Erzengel genannt) Michael zu Hilfe kommt. Er ficht mit den »Engeln« der persischen Großmacht einen Kampf aus und schlägt ihn dabei aus dem Felde:
»Und siehe, Michael, einer der Ersten unter den Engelfürsten, kam mir zu Hilfe, und ihm überließ ich den Kampf mit dem Engelfürsten des Königreichs Persien. […] Und es ist keiner, der mir hilft gegen jene, außer eurem Engelfürsten Michael.« (Daniel 10,13.21) Und tatsächlich: Nach der Ablösung der babylonischen durch die persische Oberherrschaft durften ab 538 v. Chr. durch ein Edikt des Königs Kyros die ersten Exilanten nach Jerusalem zurückkehren. Die Heilsprophetie des Daniel hatte sich erfüllt.
In der Spätgeschichte des alten Israel, in der die Vorstellung von einem »Weltgericht« oder »jüngsten Gericht« im damaligen Zeitverständnis eine zunehmende Rolle spielte und sich diese Vorstellung in vielen Varianten verbreitete, wurde das Handeln dieses Erzengels verbunden mit der Vorstellung, er könne den frommen und gerechten Israeliten am Ende seines Lebens auf Gottes Waage »wiegen« und so seine Treue gegenüber dem Gott Israels »feststellen«. Angesichts schwerer Schicksalsschläge ringt der sein Leben durchforschende Hiob um Erkenntnis möglicher Fehler, aber zugleich auch um die Vergewisserung, in entscheidenden Fragen richtig gehandelt zu haben: »Gott möge mich wiegen auf rechter Waage, so wird er erkennen meine Unschuld!« (Hiob 31,6) Hiob muss bei dieser Vorstellung bereits ein Bild Gottes bzw. seines ersten Dieners, des Erzengels Michael, vor Augen gehabt haben, der mit einer Waage das moralische Gewicht menschlichen Handelns beurteilt.
Die Darstellung des schwertschwingenden Engels hat auch in die christliche Ikonografie Eingang gefunden. Michael als Drachentöter gibt es z.B. auf einem Alabasterrelief von 1467 in der Erfurter Severikirche oder als hölzerne Schnitzfigur in der Jenaer Stadtkirche, deren Namenspatron er ebenfalls ist. Aber auch die oben beschriebene Kombination des Schwertträgers mit dem »Seelenwäger« findet sich in der Kunstgeschichte. Auf eine jüngere, nachreformatorische Gestalt, die zwar bereits die Figur einer weiblichen »Justitia« angenommen hat, aber dabei immer noch ihre Engelsflügel trägt, hat der Dichter Werner Bergengruen in seiner »Deutschen Reise« hingewiesen.1 Sie steht auf dem Marktplatz des thüringischen Städtchens Ohrdruf und ziert den dortigen »Gerechtigkeitsbrunnen«.
Wer nun fragt, wie denn der Michel zu den Deutschen kam, wie die Michael-Gestalt auf die Nation der Deutschen zugeschrieben worden ist, der sieht sich geschichtlichem Dunkel ausgesetzt. Erstmalig erwähnt wird der deutsche Michel in der Sprichwörtersammlung des Sebastian Franck von 1541. Immerhin taucht der heilige Michael schon früh im deutschen Reichsbanner auf, auch geltend als »Schutzheiliger der Deutschen«. Ungeachtet dessen ist seine Gestalt in Frankreich mindestens genauso, wenn nicht noch häufiger, verbreitet. Interessanterweise wurde Hans Michael Elias Obentraut, ein Reitergeneral im Dreißigjährigen Krieg, von seinem spanischen Kriegsgegner spöttisch der »Aleman Miguel« genannt. Offenbar kannte der spanische Heerführer bereits dieses Idiom des Tölpels, das im Deutschen bereits im Schwange gewesen sein muss.
Nach 1840 wurde der deutsche Michel zunehmend häufig zur allegorischen Darstellung des Deutschen in der Karikatur verwendet und gilt dabei als Inbegriff der Verkehrtheiten und Unzulänglichkeiten der deutschen Nation. Der Brockhaus schreibt: »Meist wird der deutsche Michel in Bauernkleidung und mit Zipfelmütze dargestellt, scherzhaft als schwerfälliger, ungeschickter, langsam denkender und handelnder, etwas verschlafener, aber doch offener, ehrlicher, einfacher Mensch charakterisiert.«2 Ein literarisches Zeugnis ersten Ranges liefert uns der Spötter Heinrich Heine, der in seinem Gedicht »Michel nach dem März«3 den verschlafenen, rückwärtsgewandten Bürger des Nachmärz abbildet, der die quasi in der Luft liegenden politischen Fortschrittsmomente anstehender Strukturänderungen in den deutschen Ländern in Dumpfheit und Autoritätsgehorsam ignoriert:
»Solang ich den deutschen Michel gekannt,
War er ein Bärenhäuter;
Ich dachte im März, er hat sich ermannt
Und handelt fürder gescheuter.
Wie stolz erhob er das blonde Haupt
Vor seinen Landesvätern!
Wie sprach er – was doch unerlaubt –
Von hohen Landesverrätern.

Das klang so süß zu meinem Ohr
Wie märchenhafte Sagen,
Ich fühlte, wie ein junger Tor,
Das Herz mir wieder schlagen.

Doch als die schwarz-rot-goldne Fahn,
Der altgermanische Plunder,
Aufs neu erschien, da schwand mein Wahn
Und die süßen Märchenwunder.
Ich kannte die Farben in diesem Panier
Und ihre Vorbedeutung:
Von deutscher Freiheit brachten sie mir
Die schlimmste Hiobszeitung.

Schon sah ich den Arndt, den Vater Jahn –
Die Helden aus andern Zeiten
Aus ihren Gräbern wieder nahn
Und für den Kaiser streiten.

Die Burschenschaftler allesamt
Aus meinen Jünglingsjahren,
Die für den Kaiser sich entflammt,
Wenn sie betrunken waren.

Ich sah das sündenergraute Geschlecht
Der Diplomaten und Pfaffen,
Die alten Knappen vom römischen Recht,
Am Einheitstempel schaffen –

Derweil der Michel geduldig und gut
Begann zu schlafen und schnarchen,
Und wieder erwachte unter der Hut
Von vierunddreißig Monarchen.«

Gutgläubig und gutmütig, aber eben auch verschlafen und damit leicht zu täuschen – so wird der deutsche Michel etwa um die Jahrhundertwende in einer Karikatur aus dem »Wahren Jacob« dargestellt.
Der leichtfertige Glaube an »das Gute« im Menschen, das Nichtbedenken der Folgen seines Verhaltens und Tuns, die Eigenschaft, im Handumdrehen getäuscht und betrogen werden zu können – so begegnet uns die bezipfelte Allegorie bis in die Gegenwart. Von dem einst bewunderten Engel-Mythos mit Schwert und Waage ist nicht viel übrig geblieben. Vielleicht weil der deutsche Michel eben auch seine eigene Geschichte nicht kennt? Und daher folgerichtig die Gegenwart und die Forderungen des Tages verschläft. Eine ähnlich peinliche Metamorphose hat ja der Bischof Nikolaus von Myra durchlaufen, der vom sozial engagierten Beschützer deklassierter Frauen über den zur Ehre der Altäre erhobenen Hl. Nikolaus schließlich zum trotteligen Weihnachtsmann abendländischer Supermärkte mutiert ist …

Schlagwörter und Schlachtrufe