Auch ich könnte reden wie ihr. Wenn eure Seele an der Stelle meiner Seele wäre, könnte ich Worte wider euch zusammenreihen, und mein Haupt über euch schütteln; ich wollte euch stärken mit meinem Munde, und das Beileid meiner Lippen würde euch Linderung bringen.
Elberfelder 1871 – Ijob 16,4–5
Auch ich könnte wie ihr sprechen, wenn euer Leben an meiner Stelle wäre; ich könnte mit Worten gegen euch glänzen und meinen Kopf über euch schütteln. Ich könnte euch mit meinem Mund stärken und mit meiner Lippen Trost euren Schmerz mindern.
Die Philippson-Bibel – Ijob 16:4–5
Auch ich würde reden wie ihr,
wenn ihr jedenfalls an meiner (Stelle) wäret.
Dann würde ich auf euch mit Worten losspringen
und würde den Kopf gegen euch bewegen.
Es möge aber Stärke in meinem Mund sein,
und die Bewegung der Lippen werde ich nicht zurückhalten.
Septuaginta Deutsch – Hiob 16:4–5

Der Hiob kann einem beim Lesen des Bicelbuches richtig leid tun! Wenn ich nicht ähnlich „sensible Freude“ kennen gelernt hätte, die außer „Selbstliebe“ völlig lieblos auf alles einschlagen, dann würde ich denken, „so etwas gibt es doch gar nicht“! Aber doch! Und wie zur Zeit von Hiob rennen diese Menschen mit einem „religiösen Kleid“ daher!
Hiob antwortet mit drei Bitten: zunächst bittet er seine Freunde um Mitgefühl (Hiob 16,1-14); dann bittet er Gott um Gerechtigkeit (V. 15-22); und schließlich bittet er Gott, sein Leben zu beenden und ihn von seinem Leiden zu befreien (17,1-16).
Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series
Eine Bitte um Mitgefühl (Hiob 16:1-14). Hiobs Freunde hatten sich immer noch nicht mit seiner Situation identifiziert; sie fühlten seine Qualen nicht und verstanden seine Verzweiflung nicht. Hiob hatte sie bereits als trügerische Bäche (siehe 6,15) und „wertlose Ärzte“ (13,4, NIV) bezeichnet, aber jetzt nennt er sie „elende Tröster“ (16,2). All ihre Versuche, ihn zu trösten, machten ihn nur noch unglücklicher! Wie das Sprichwort sagt: „Wer braucht schon Feinde, wenn er Freunde hat wie dich?
Hiob versicherte ihnen, dass er sie, wenn sie an seiner Stelle wären, mit mehr Verständnis behandeln würde, als sie ihm entgegenbrachten. Anstatt lange Reden zu halten, würde er ihnen Worte der Ermutigung geben. Er würde ihnen mit dem Herzen zuhören und versuchen, ihnen zu helfen, ihre Last zu tragen. Manchmal müssen wir Unverständnis von unsympathischen Freunden erfahren, um zu lernen, wie wir anderen dienen können. Für Hiob war dies eine neue Erfahrung, und er versuchte, das Beste daraus zu machen. Doch ob Hiob nun redete oder schwieg, er war immer noch ein leidender Mann (V. 6).
Wegen schlecht begründeter Hartnäckigkeit. „Oder was reizte dich, zu antworten?“ (Vers 3). Es ist große und unerklärliche Anmaßung, jemanden eines Vergehens zu beschuldigen, das man ihm nicht nachweisen kann, nur mit einem Blick auf seine äußerliche Lage über jemandes geistlichen Zustand zu urteilen, und immer wieder und wieder die Einwände vorzubringen, auf die geantwortet worden war, wie Eliphas es tat.
Der Neue Matthew Henry Kommentar
Dass sie das heilige Gesetz der Freundschaft gebrochen hatten. Das ist eine scharfe Zurechtweisung (Vers 4–5). Er wollte, dass seine Freunde sich einmal vorstellen, sie würden durch das Leid gehen müssen, durch welches er ging, und dass es ihm so gut gehen würde wie ihnen. Er beschrieb ihre Unfreundlichkeit ihm gegenüber, indem er zeigte, was er für sie würde tun können, wenn sie an seiner Stelle wären: „Auch ich könnte reden wie ihr!“ (Vers 4). Dann zeigte er ihnen, was sie tun sollten, indem er ihnen sagte, was er in dieser Situation tun wollte (Vers 5): „ ‚Ich wollte euch … stärken.‘ Ich wollte alles sagen, was ich könnte, um euren Kummer zu lindern, und würde nichts tun, um ihn zu verschlimmern.“ Was sind wir unseren Geschwistern in ihrer Heimsuchung schuldig? Wir sollten alles in unserer Macht Stehende sagen und tun, um sie zu stärken, sie zum Vertrauen auf Gott zu ermutigen, ihren sinkenden Geist zu stützen und ihren Kummer zu lindern – die Ursachen ihres Kummers, wenn das möglich ist, oder zumindest ihren Groll auf diese Ursachen. Gute Worte kosten nichts, doch sie können denen nutzen, die traurig sind, nicht nur, weil es sie etwas tröstet, wenn sie sehen, dass ihre Freunde sich um sie kümmern, sondern auch, indem sie an das erinnert werden können, was sie vielleicht durch überwältigenden Kummer vergessen haben. Harte Worte zerschlagen zwar keine Gebeine, aber freundliche Worte können helfen, dass zerschlagene Gebeine wieder frohlocken (Ps 51,10).
Hiob fragt sich, ob er, wären die Rollen vertauscht, genauso hätte reden können wie die Freunde. Er hält dies für undenkbar und sagt, daß er imstande gewesen wäre, »beides, Wort und Gebärde, in den rechten Zusammenhang zu bringen«. Er kann es sich nicht vorstellen, daß er nur schöne Worte gemacht hätte. Er ist vielmehr überzeugt, daß es ihm gelungen wäre, den in Not Geratenen Mut zuzusprechen. Die Wendung »Mut zusprechen« kann entweder zurückgeführt werden auf ein Zeitwort mit der Bedeutung eine Verbindung herstellen oder aber den Worten Farbe geben, das heißt etwas Fröhliches in die Worte legen.24 Die Gebärde des Kopfschütteins ist nicht nur die Geste des Hohnes und der Verachtung, sondern sie spricht auch Erschrecken und Erschauern ausb, und zwar in dem Sinne von »Erschrockensein, das zum Mitleid wird«.
Wuppertaler Studienbibel
[5] Hiob hätte anders, er hätte freundschaftlicher gehandelt als seine drei Freunde. Er hätte sie mit dem Munde gestärkt, das heißt, er hätte den Müden, Mutlosen und Wankenden Worte der Hilfe zugesprochen. Außerdem hätte er sie mit dem Beileid seiner Lippen ermutigt. Beileid heißt eigentlich »Bewegung« und ist ursprünglich »das Kopfschütteln, der Gestus des Mitleides«.27 Im übertragenen Sinn bedeutet es soviel wie »trösten«. Es ist denkbar, daß die zum Trost bewegten Lippen ein Hinweis sind auf die Fürbitte für Menschen in Not. Von solchen Gebeten für Linderung weiß der Psalmbeter: »Ich aber – als sie krank lagen, war ein Sack mein Gewand; ich kasteite mich mit Fasten, ich betete mit tief gesenktem Haupt« (Ps 35,13).
Das allerbeste Beispiel ist natürlich Jesus Christus, der alle die Stärkung benötigten, nicht abwies, sondern aktiv stärkte. Aber Jesus sah ja auch das Herz, und konnte deshalb „böse Menschen“ auf ihr falsches Herz aufmerksam machen, und die, die aufrichtigen Herzens zu ihm kamen, trotz Krankheit oder/und Sünde wirklich stärken und heilen.
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