Wie mag wohl Jehova über diesen ganz speziellen Fall denken?

heute bin ich beim Lesen einer Illustrierten über folgende Leserfrage gestolpert:

„Wie soll ich Heiligabend mit meinem Ex und seiner Neuen überstehen?“
Hannelore S. aus Halle/Saale schreibt hier:

Früher bin ich immer davon ausgegangen, dass mein Mann und ich bis an unser Lebensende zusammen bleiben würden.

eine sehr positive Einstellung, die sich mit dem deckt, was die Bibel zum Thema Ehe zu sagen hat und damit, wie Jehova darüber denkt: wir sollten die Ehe als beständig ansehen, etwas, was niemand auseinander bringen kann (und auch nicht sollte)!

Nun schildert die 50jährige Frau der Psychologin ihr Problem:

Doch dann hat er mich vor 2 Jahren nach 20 Jahren Ehe wegen einer anderen Frau verlassen. Das war ein Schock. Ich glaube, dass mein Ex-Mann bis heute nicht versteht, was er mir damit angetan hat und wie furchtbar es für mich war, so schäbig abserviert zu werden. Er hat nach unserer Scheidung gleich wieder geheiratet. Ich bin noch allein. Er ruft zwar manchmal an, aber ich lege jedes Mal schnell auf, weil ich es nicht ergtragen kann, seine Stimme zu hören.

Ist dies krank oder unnormal? Sind denn solche Gefühle nicht allzu verständlich? Immerhin hat unser Schöpfer die Menschen so geschaffen, dass sie bis an ihr Lebensende an ihrer Ehe festhalten. Da war „im Programm“ nicht vorgesehen, dass man sich trennt. Daher ist der Mensch nicht dafür geschaffen und es ist ganz normal, wenn der betrogene und verlassene Partner großen Schmerz empfindet und nicht unbedingt daran interessiert ist, mit dem anderen Kontakt zu halten. Ganz besonders dann nicht, wenn keine minderjährigen Kinder im Spiel sind, wegen denen man über seine Schatten springen müsste – oder?

Nun kommt jedoch etwas auf mich zu, mit dem ich so gar nicht umgehen kann: Unser erwachsener Sohn will uns alle zu Weihnachten einladen. Er möchte am Heiligabend kochen. Ich finde seine Idee ja rührend, aber ich weiß garnicht, wie ich mich meinem Ex-Mann und dieser Dame gegenüber verhalten soll

Wie wir sehen, sind hier keine minderjährigen Kinder im Spiel, für die man sich sowas antun müsste. Der Sohn ist bereits erwachsen und wohnt scheinbar auch nicht mehr bei seinen Eltern. Aber er hätte es wohl sehr gern, dass sich seine Eltern aussöhnen. An sich ja ein liebenswerter Gedanke, wie die gehörnte Ehefrau ja auch zugibt. Ich finde im übrigen kein zorniges Wort über den Mann oder seine Frau, sie versucht sachlich zu bleiben:

Ich würde gern lässig plaudern und zeigen, dass ich prima zurrecht komme. Doch ich fürchte, dazu fehlt mir die Kraft. Andererseits kann ich nicht schweigend am Tisch sitzen und die zwei ignorieren, sonst steh ich doch als Zicke da

Dass sie nicht gern offen zeigen möchte, wie verletzt sie immer noch ist, finde ich mehr als verständlich. Ausserdem möchte sie, wenn sie geht, alles richtig machen und den anderen die Stimmung nicht vermiesen. Also eine Person, die die Interessen der anderen höher achtet, als ihre eigenen. Ist das nicht eine lobenswerte Einstellung?

Inzwischen kann ich nachts vor lauter Angst, dass diese Weihnachten eine Katastrophe werden könnte, kaum noch schlafen. Und ich überlege, ob ich gar nicht erst hingehen soll. Aber allein zu Hause sitzen will ich auch nicht.

Ein Leserbrief, der mich ganz persönlich mehr als betroffen macht und ich frage mich,
* wie würde ich reagieren und
* was würde Gott von mir in so einer Situation erwarten?

Ich persönlich würde nicht dahin gehen. Denn: wo ist denn der Sinn dahinter? Warum soll sie sich so quälen? Gibt es irgendeinen vernünftigen Grund dafür – ausser den, dass der Sohn seine Eltern gern versöhnt sehen möchte?

Wenn dem so wäre: müsste er dann seiner Mutter nicht die Zeit einräumen, die sie benötigt, damit sie innerlich wieder zur Ruhe kommt und sich selbst zutraut, ein solches emotionales Wagnis einzugehen? Warum muss es unbedigt am heiligen Abend sein, wo man gern als Familie friedlich beisammen sitzt?

Wäre der ganze Abend nicht unglaublich verkrampft? Von Hannelore, weil sie mit ihren unguten Gefühlen und dem Schmerz kämpft und alle Kraft aufbietet, um ruhig und gelassen zu erscheinen, ja nichts verkehrtes zu sagen, um den anderen den Abend nicht zu verderben? Und auch von Seiten des Ex-Mannes und seiner neuen Frau, denn auch sie müssten ja eigentlich jedes Wort auf die Goldwaage legen, denn sie wollen Hannelore sicherlich nicht noch mehr verletzen, als sie es bisher eh schon getan haben – oder? Auch der Sohn wäre den ganzen Abend verkramft bemüht, irgendwie doch heimelige Stimmung aufkommen zu lassen.

Ist so ein Treffen am Heiligen Abend wirklich eine gute Idee? Oder wäre es nicht besser, es zu versuchen, wenn Hannelore von sich aus sagt „nun bin ich bereit, es zu probieren“ und sich dann besser in einem neutralen Rahmen zu treffe, wie z.B. irgendwo für einen Kaffe oder so?

Was würde Jehova nun von ihr erwarten?

Falls es minderjährige Kinder geben sollte, die noch bei der Mutter leben und gern den Heiligen Abend gemeinsam mit beiden Elternteilen verbringen möchten – wäre sicherlich nichts dagegen einzuwenden. Oder falls der erwachsene Sohn kleine Kinder hätte, die gern Oma und Opa dabei haben wollten. Aber davon ist hier nicht die Rede.

Die Bibel sagt, wir sollten dem Frieden nachjagen, soweit es von uns abhängt. Würde dies nun bedeuten, dass sich Hannelore gefälligst zusammen reißen sollte, damit ihr Sohn ein schönes Fest hat und der Ex-Mann und seine Frau sich nicht mehr ganz so schäbig fühlen?

Fakt ist, dass es dieses Problem zur Zeit der Israeliten nicht gegeben hätte: Das Gesetz sah vor, dass die Ehebrecher zu Tode gesteinigt würden und sich das Problem von daher erübrigen würde.

Was wäre aber, wenn Hannelore nun eine Schwester geworden wäre und ihr Ex-Mann und seine neue Frau später auch? Wenn sie sich nun in der Versammlung oder auf einem Kongress treffen würden? Wenn die beiden ihr ehebrecherisches Tun bereuen würden und dass sie Hannelore so viel Schmerz bereitet haben? Wenn sie ihr zuvor einen lieben Brief geschrieben hätten, in dem sie ihre aufrichtige Reue zum Ausdruck bringen. Was würde Jehova dann von ihr erwarten, wenn sie z.B. auf einem Kongress aufeinander treffen würden?

Sicherlich sollte sie dann nicht wortlos an den beiden vorbei gehen und sicherlich würde sie den beiden auch verzeihen. Sie würde den beiden freundlich die Hand geben und ihnen einen guten Tag wünschen. Aber würde Jehova wirklich von ihr erwarten, dass sie privat engen Kontakt mit ihnen pflegen würde? Dass sie so tut, als wäre nie etwas gewesen, sich ihre Gefühle des Schmerzes verbieten würde? Ich denke nicht!

Wenn die Situation so wäre, dann würden der Ex-Mann und seine Frau auch nicht so etwas von ihr erwarten, sondern sie würden berücksichtigen, welchen Schmerz sie Hannelore zugefügt hatten. Trotzdem würden sie sich sicherlich von Herzen freuen, wenn Hannelore eines Tages mehr auf sie zugehen würde und sich gemeinsam mit ihnen, dem Sohn und evtl. dessen ganzen Familie irgendwo treffen. Aber dies würde dann von Hannelore ausgehen und niemand wäre ihr böse, wenn sie noch nicht so weit ist und sie selbst würde sich nicht so unter Druck gesetzt fühlen.

Aber was antwortet die Psychologin ihr auf ihr Problem?

Sie halten immer noch am Schmerz der Vergangenheit fest und leben unterschwellig in Groll und Anspannung.

Sorry, aber das kann ich hier bei Hannelores Worten überhaupt nicht erkennen. Wenn sie Groll hegen würde, würde sie sicherlich ganz anders von ihrem Mann und der neuen Frau reden

Innerlich aktivieren Sie immer wieder die alten Erfahrungen, in denen Sie sich als Opfer erleben. Doch damit blockieren Sie sich

Mag sein – aber sie ist doch das Opfer dessen, dass ihr Mann unbedingt seine Gefühle für die andere Frau ausleben musste, anstatt an seiner Ehe mit Hannelore zu arbeiten

Lernen Sie, wirklich zu trauern. Trauern heißt nicht, in Schmerz zu versinken und sich vom Leben dauerhaft zurückzuziehen. Trauern ist im Ursprung ein heilsamer Prozess, bei dem es darum geht, Gefühle bewusst anzunehmen und den Wunden Raum zur Heilung zu geben. Wenn wir dabei ganz bei uns bleiben, dann verwandelt der Schmerz sich langsam in Reife. In Ihrem Fall könnte das heißen: „Ja, es tat weh, allein gelassen zu werden. Aber so habe ich gelernt, selbst die Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Ich bin jetzt reif für eine neue Art von Beziehung“. Dann können Sie die Vergangenheit und Ihren früheren Mann endlich loslassen – und sich selbst für einen neuen Partner freigeben.

Irgendwie finde ich es furchtbar, wenn die Psychologen immer so tun, als wären unsere Gefühle und Reaktionen auf so eine Situation unnormal und krank und als müssten wir lernen, wieder „normal“ zu werden. Ob diese Aussagen Hannelore wirklich trösten?

Fakt ist, dass Jehova den Menschen so gemacht hat, dass „er nicht allein sei“, da dies nach SEINER Aussage nicht gut für den Menschen ist und dass die Ehe in Jehovas Augen eine dauerhafte Einrichtung sein sollte. Daher ist es völlig normal, wenn Hannelore auch nach 2 Jahren noch nicht völlig damit fertig ist. Was genau soll daran krank sein? Warum lässt man ihr nicht die Zeit, die sie braucht, um das für sie so schrecklich zu verarbeiten?

Für ihren Sohn ist das nicht schrecklich, er war bereits erwachsen, brauchte die Eltern nicht mehr so in der Form, wie er es gewohnt war und wie minderjährige Kinder sie brauchen würden. Auch für den Ex-Mann und seine neue Frau war es nicht wirklich schrecklich. Immerhin haben sie sich mit dieser Trennung von Hannelore selbst verwirklicht und können ihre Liebe leben, am Anfang prickelt diese Verliebtheit ja auch noch ganz wunderbar. Ok, es kam ihnen nicht richtig vor und daher würden sie sich gern mit Hannelore aussöhnen, aber so schrecklich, wie diese Treuebruch für Hannelore war, kann sicherlich niemand von diesen Personen nachempfinden.

Selbst die Psychogin kann diesen Schmerz nicht nachempfinden. In der heutigen Zeit ist es nicht mehr angesagt, für die Ewigkeit zu heiraten, heute hat man keinen Ehepartner mehr, „bis dass der Tod uns scheidet“, sondern heute hat man „Lebensabschnittsgefährten“ und ich habe mal von meiner eigenen Psychologin zu hören bekommen „das Schicksal führt uns immer mit den Menschen zusammen, die wir gerade brauchen“ und von daher ist der Betrug und der Vertrauensbruch für solche Menschen nicht ganz so schlimm. Sie können es abharken unter „sei froh, dass der weg ist. Nu war es eh für dich an der Zeit, selbstständig zu werden und wer weiß, wahrscheinlich hält das Schicksal für dich einen viel besseren Mann bereit, als den, der dich gerade verlassen hat. Da kannst du froh und dankbar sein“.

Aber ein Mensch, der noch die Einstellung zur Ehe hat, wie sie ursprünglich vom Schöpfer vorgesehen war, der kann sowas nicht einfach so abharken, der leidet dann halt etwas länger. Warum ihm das nicht zugestehen? Schon allein der Satz „sich selbst für einen neuen Partner freigeben“ muss für Hannelore eine Ohrfeige sein. Denn für sie sollte ihre Ehe bis an ihr Lebensende halten, sie hat sicherlich keine neue Beziehung im Sinn und ob das irgendwann mal anders sein wird, wer weiß das schon?

Das Weihnachtsfest ist eine große Chance für einen Neubeginn. Sie müssen nicht perfekt funktionieren. Nehmen Sie die aufkommenden Gefühle wahr und sagen Sie sich: „Das ist meine alte Geschichte. Das ist längst vorbei!“ Bedenken Sie dabei, dass alle anderen sicherlich auch froh wären, wenn es zu einer Lösung des Knotens käme. Wenn Sie jedoch spüren, dass Sie Ihre Gefühle übermannen, dann verlassen Sie ruhig den Raum. Sie werden sehen, dass es Ihnen hinterher besser gehen wird – Weil Sie den Mut hatten, diese Begegnung auszuhalten.

Sicherlich nicht so ganz verkehrt, was sie schreibt – allerdings doch besser zu einem Zeitpunkt, wo Hannelore selbst bereit dazu ist und es will und nicht dann, wenn sie es muss.

Ich möchte Hannelore hier mein tiefstes Mitgefühl ausdrücken und ihr sagen:

Ihr Empfinden, ihre Unsicherheit und der Schmerz, den Sie empfinden, ist völlig normal. Eine völlig normale und menschliche Reaktion auf das, was Ihnen widerfahren ist. In meinen Augen gehen Sie vorbildlich mit der Situation um. Ich wüsste nicht, ob ich die Kraft hätte, in Ihrer Situation ebenso zu handeln.

Bitte lassen Sie sich nicht zu etwas drängen, was sie eigentlich jetzt noch nicht wollen, wozu Sie jetzt noch nicht bereit sind! Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, bis Sie von sich aus auf Ihren Ex-Mann und dessen neuen Frau zugehen können und dann können Sie sicherlich von dem Rat profitieren, den Ihnen die Psychologin für diesen Fall gegeben hat.

Für den Fall, dass Sie sich trotzdem entschließen, dieses Weihnachten im Kreise „der ganzen Familie“ zu verbringen, wünsche ich Ihnen ganz viel Kraft dafür und Gottes Segen

2 Kommentare

  1. Jule sagt:

    Irgendwie hat mich diese Leserfrage wieder an die Demonstration erinnert, die wir auf dem diesjährigen Kreiskongress am Samstag morgen unter dem Thema „Jehova lieben und nicht die Welt – mit Jehova sprechen“ sehen konnten:

    Eine ältere Schwester spricht eine jüngere an, was denn mit ihr sei und die jüngere vertraut der älteren an, sie überlege, sich von ihrem Mann zu trennen, „denn er ist nicht mehr so liebevoll und aufmerksam wie früher“ und auf die Nachfrage, wie sie dazu kommt, über eine Trennung nachzudenken, kommt die Antwort, sie habe im Internet nachgeforscht und sich aufgrund dessen ein Buch von einem Psychologen gekauft, dass sie auch gelesen habe.

    Die ältere Schwester versucht zu verbergen, wie irritiert sie ist und fragt, ob sie denn nicht mal in der Bibel und den Publikationen dazu nachgeforscht habe und sie möchte sich doch bitte die Vorkehrung eines Hirtenbesuchs zu Nutze machen.

    Ja, wir leben noch in der Welt und leider färbt das Gedankengut und Verhalten der Welt auf uns ab, wenn wir nicht aufpassen.

    Wie erfrischend war es daher für mich, zu lesen, wie Hannelore über die Ehe denkt.

    Lassen wir uns von Hannelore beschämen?

    Forschen wir nach, wie Jehova über die Situation denkt und handeln wir dann entsprechend?

    Ich wünsche allen Menschen, die so handeln, wie Jehova es möchte und sich nicht „vom Geist der Welt“ gegenteilig beeinflussen lassen, Jehovas reichsten Segen!

    1. Thomas sagt:

      habe dazu gerade einen Artikel gefunden:

      Trennungsschmerz hält an
      Zeit heilt fast alle Wunden

      Die Zeit heilt gemeinhin alle Wunden – für Trennungen gilt das aber offenbar nicht. Stattdessen bewirkt häufig erst eine neue Partnerschaft die endgültige Lösung von der oder dem Ex, wie Psychologen der Universität Bonn in einer veröffentlichten Studie herausfanden. Sobald ein neuer Partner ins Leben trete, verliere die alte Beziehung an Bedeutung. „Oft scheint erst mit einer neuen Beziehung auch eine Neubewertung des Ex-Partners einher zu gehen, der damit an Einfluss auf das Lebensglück verliert“, schreiben die Autoren.

      Wer an seinem oder seiner Ex hängt, ist erwartungsgemäß unglücklicher. Wer sich indes positiv über den Ex-Partner äußert, ist „tendenziell zufriedener“, wie die Studie mit 144 Teilnehmern zeigte. Dies deckt sich in gewisser Weise auch mit Alltags-Erfahrungen: Oft schimpft gerade der am lautesten über seinen Ex-Partner, der innerlich noch am meisten an ihm hängt.

      Gut über den Verflossenen oder die Ex zu reden, ist dagegen ein Zeichen der Souveränität. Die hat nach Angaben der Psychologen erst, wer wirklich mit der zerbrochenen Beziehung abgeschlossen hat – und das gelingt eben besser mit einem neuen Partner. Die Studie erscheint in der Fachzeitschrift „Personal Relationships“.

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