Denn im Schatten ist, wer Weisheit hat, im Schatten, wer Geld hat (Eig im Schatten ist die Weisheit, im Schatten ist das Geld;) aber der Vorzug der Erkenntnis ist dieser, daß die Weisheit ihren Besitzern Leben gibt (O. ihre Besitzer am Leben erhält.)
Elberfelder 1871 – Prediger 7,12
Denn wie die Weisheit Schutz gewährt, gewährt auch das Geld Schutz;(- Sinn des Hebr.: Denn Schatten bietet (es erfrischt) die Weisheit wie das Silber, doch die Weisheit verdient den Vorzug, weil sie allein Leben gibt, denn wer der Traurigkeit nachgibt, kommt in Gefahr, so das Leben des Leibes wie das der Seele zu verlieren. – Gott angenehm macht und Strafe abwendet. -) aber darin hat Erfahrung und Weisheit den Vorzug, dass sie ihren Besitzer Leben geben.
Allioli Bibel – Kohelet 7,13
Denn im Schatten der Weisheit heißt im Schatten des Silbers,
aber der Vorrang von Wissen ist: die Weisheit belebt ihren Meister.
Buber & Rosenzweig – Kohelet 7:12
Denn im Schatten der Weisheit ist’s wie im Schatten des Geldes, aber der Gewinn der Erkenntnis ist: Die Weisheit erhält ihren Besitzer am Leben.
Die Philippson-Bibel – Prediger 7:12
Ein realistischer Mensch weiß natürlich, daß man auf Geld nicht völlig verzichten kann. Die Bibel offenbart in dieser Hinsicht eine wirklich ausgewogene Weisheit, denn es heißt darin: „Weisheit dient zum Schutz, ebenso wie Geld zum Schutz dient; aber der Vorteil der Erkenntnis ist, daß die Weisheit ihre Besitzer am Leben erhält“ (Prediger 7:12). Die Bibel läßt uns somit erkennen, daß Geld zwar wichtig, aber nicht das Wichtigste ist. Es ist lediglich ein Mittel zum Zweck, und es ist nur von begrenztem Wert, wenn es einem an Weisheit fehlt, richtig damit umzugehen.
Die Bibel — Gottes oder Menschenwort?
Nur wenige wissen, daß die Bibel das Reichsein nicht verurteilt. Einige treue Diener Gottes der Vergangenheit, wie Abraham und Hiob, waren sehr reich. Die Bibel erkennt an, daß Geld nützlich sein kann und im gegenwärtigen System der Dinge „zum Schutz dient“ (Prediger 7:12).
Erwachet! – 22.Januar 1975
Zugleich verurteilt Gottes Wort aber die habgierige „Geldliebe“ und sagt, daß manche, die „dieser Liebe nachstrebten, . . . vom Glauben abgeirrt“ sind. Darüber hinaus haben sie „sich selbst mit vielen Schmerzen überall durchbohrt“. Deshalb warnt die Bibel eindringlich: „Die aber, die entschlossen sind, reich zu werden, fallen in Versuchung und in eine Schlinge und in viele unsinnige und schädliche Begierden, die die Menschen in Vernichtung und Verderben stürzen“ (1 Timotheus 6:9, 10).
Statt auf materiellen Reichtum als wertvollstes Gut hinzuweisen, sagt die Bibel: „Gewiß ist sie ein Mittel zu großem Gewinn, diese Gottergebenheit zusammen mit Selbstgenügsamkeit. Denn wir haben nichts in die Welt hineingebracht, und wir können auch nichts mit hinaustragen. Wenn wir also Lebensunterhalt und Bedeckung haben, werden wir mit diesen Dingen zufrieden sein“ (1 Timotheus 6:6-8). Derselbe Schreiber, der Apostel Paulus, drückt dies in einem anderen Brief wie folgt aus: „Eure Lebensweise sei frei von Geldliebe, indem ihr mit den vorhandenen Dingen zufrieden seid. Denn er hat gesagt: ,Ich will dich keineswegs im Stiche lassen noch dich irgendwie verlassen‘ “ (Hebräer 13:5).
So einfach die Übersetzung von V. 12 erscheint, so schwierig ist seine Bedeutung. Der Schatten ist im AT ein geläufiges Bild für einen Schutzort. Daß die Weisheit eine schützende Funktion ausübt, ist auch aus anderen Einsichten der atl. Weisheitsliteratur ersichtlich. Aber daß dieser Schutz mit der schützenden Wirkung des Geldes in Zusammenhang gebracht wird, erscheint ungewöhnlich. Entweder gab es tatsächlich Weisheitslehrer, die sich nicht scheuten, aus der Weisheit Kapital zu schlagen bzw. sich mit Reichtum zu verbünden und abzusichern und diesen Reichtum vermittels ihrer Weisheit zu stabilisieren. Oder es wird einfach verglichen: Weisheit hat eine ähnlich schützende Wirkung wie das Geld. Aber – und dies wird deutlich hervorgehoben – der Nutzen von Erkenntnis geht weiter: Während der Reichtum sich schädlich, gar tödlich auswirken kann (vgl. 5,9ff), belebt die Weisheit ihren Besitzer, d.h. sie verhilft ihm zum Leben, bewahrt und stärkt sein Leben. Damit ist die Weisheit der Macht des Geldes noch überlegen.
Wuppertaler Studienbibel
In V 12 ist »Schatten« eine Metapher für Schutz (vgl. Ps 17,8; 36,8; 57,2; 63,8; 91,1f.). In 6,11 jedoch wurde das menschliche Leben mit einem (schnell dahingleitenden) Schatten verglichen (vgl. Ps 102,12; 109,23, 144,4 par. הֶבֶל). So ist, von 6,11 her gelesen, in 7,11–12 unterschwellig die Todesthematik präsent. Vor diesem Hintergrund wird dann in V 12b gesagt, dass die Weisheit denjenigen, der sie besitzt, am Leben erhält. Damit ist das Selbstverständnis der Weisheit auf den Begriff gebracht. »Wer nach ihr greift, dem ist sie ein Lebensbaum, wer sie festhält, ist glücklich zu preisen« (Spr 3,18; 28,26; vgl. Sir 1,20; Weish 6,18f.; 9,19; 10,1f.).
Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament
Wenn Wohlergehen Hand in Hand mit Weisheit geht, kann es dem Menschen sehr nützlich sein. Salomo stellt fest, daß Weisheit ein zusätzlicher Segen neben dem Wohlstand sein kann. ( Weisheit ist gut zusammen mit einem Erbgut). Weisheit beschirmt den Mensch (wörtlich: „bietet ihm Schatten“; vgl. „Schutz“ in 4Mo 14,9 ) und erhält das Leben dem, der sie hat . Wenn auch die äußeren Umstände die gleichen sind, so wird doch der Mensch, der einen törichten Lebensstil meidet, länger leben (vgl. Pred 7,17; Sprüche 13,14 ).
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
In 7,11–12 geht es um den «Vorteil» von Weisheit (vgl. jōtēr in V.11; jitrōn in V.12). In beiden Versen wird Weisheit dabei mit «Besitz» bzw. «Geld» verglichen, wobei 7,12 präzisiert, dass dabei an «Schutz» gedacht ist. Die Grundbedeutung dieses Wortes ist «Schatten»; oft wird es im Sinn von «Schutz gebendem Schatten» bzw. eben «Schutz» gebraucht (vgl. z. B. Ps 17,8; vgl. die treffende Übersetzung der Zürcher Bibel mit «beschirmt»). In Übersteigerung dieses Gedankens heisst es am Ende von 7,12, dass Weisheit «am Leben erhält». Sowohl der Vergleich von Weisheit mit Reichtum (vgl. 8,10; 19,15; Sir 51,28) als auch die Assoziation von Weisheit mit Leben (vgl. Spr 3,16.18) sind typisch weisheitlich. Beim Reichtum sind dabei aber «besser-als»-Formulierungen üblich (vgl. Spr 3,14; 8,19; 16,16). Obwohl Kohelet viele der Sprüche aus 7,1–8 als «besser-als»-Formulierungen bringt, formuliert er hier beim Reichtum anders: Er gebraucht die Präposition ʿim, die in der Regel «mit» bedeutet, hier aber wohl im Sinn von «wie (auch)» zu verstehen ist (vgl. so auch in 2,16; Hiob 9,26; 37,18). Vermutlich ist das kein Zufall, vielmehr deutet Kohelet seine Zweifel an der traditionellen Lehre an und formuliert in einer Weise, die auch die Deutung zulässt, dass Weisheit «wie» Reichtum bzw. Besitz ist – auch in dem Sinn, dass sie ihrem «Besitzer» (hier übersetzt mit «wer Weisheit hat») wieder verloren gehen kann (vgl. 5,12–13 – ebenfalls mit dem Wort «Besitzer»). Folgt man dieser Linie, kann man auch das Wort «Schatten» in 7,12 dekonstruktiv lesen: nicht im Sinn von «Schutz», sondern im Sinn von «Vergänglichkeit» (vgl. so in 8,13; Ps 102,12; Hiob 8,9). Subtil macht Kohelet durch diese Zweideutigkeiten darauf aufmerksam, dass er die Maximen über die Vorteile von Weisheit für problematisch hält. Auch er weiss um Vorteile der Weisheit vor der Torheit zu Lebzeiten (vgl. 7,19; 8,1; 9,15; 10,2.10.12; in der Rolle des Königs weiter 2,13). Derart pauschale Aussagen aber, wie er sie in 7,11–12 zitiert oder nachahmt, hält er für falsch (vgl. 6,8; 9,11.16).
Annette Schellenberg – Zürcher Bibelkommentare
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