Hör, Ewiger, mein Beten lausch meinem Flehn in deiner Treu erhöre mich in deiner Rechtlichkeit!

Ein Harfenlied Dawids.
DU, höre mein Gebet,
lausche meinem Gunsterflehn!
In deiner Treue antworte mir,
in deiner Wahrhaftigkeit!
Buber & Rosenzweig – Psalm 143,1

Ein Psalm Von David
Jehova! höre mein Gebet, nimm zu Ohren mein Flehen; erhöre mich in deiner Treue, in deiner Gerechtigkeit!
Elberfelder 1871 – Psalm 143:1

EIN PSALM, BEZOGEN AUF DAVID, ALS DER SOHN IHN VERFOLGT.
Herr, höre mein Gebet an,
vernimm mein Flehen in deiner Wahrheit,
erhöre mich in deiner Gerechtigkeit.
Septuaginta Deutsch – Ps 142,1

Psalm Davids, als ihn sein Sohn Absalom verfolgte. Herr, erhöre mein Gebet, vernimm mein Flehen nach deiner Treue, erhöre mich nach deiner Gerechtigkeit.
Augustin Arndt – Ps 142,1

Da David dass Versprechen Jehovahs hatte, das aus seinen Nachkommen der Messias kommen sollte, und das Salomo den Tempel bauen sollte, konnte David voller Vertrauen auf diese Versprechen, auf die Hilfe Jehovahs bauen. So lange Salomo ein kleines Kind war, wußte David, dass Jehovah keine Thronräuber gewären lassen würde. Laut der Septuaginta war Salomo erst 12 Jahre alt, als David ihn einige Jahre nach dem Psalm 143 neben sich zum König salben ließ!

David rief den Herrn um Gnade und Erlösung an, denn Gott ist treu und gerecht (vgl. V. 11 ). Im Gegensatz dazu ist kein Mensch auf dieser Erde gerecht (vgl. Pred 7,20 ). David erkannte, daß sein Leiden zu einem Teil die Strafe für seine Sünden war, denn er bat, daß Gott ihn nicht richten möge.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Herr, erhöre mein Gebet usw. Nach den Ausdrücken des Schmerzes und der Angst zu schließen, mit denen David sein Ungemach beklagt, muss die Wut der Feinde äußerst heftig gewesen sein. Es zeigt aber schon die Einleitung, dass er von nicht geringer Traurigkeit heimgesucht war. Warum er „Wahrheit“ und „Gerechtigkeit“ miteinander in Verbindung bringt, ist anderswo (z. B. zu Ps. 40, 11) dargelegt worden. Beim Wort „Gerechtigkeit“ müssen wir nicht an Verdienst und Lohn denken, wie manche irrtümlich tun; sondern Gottes Gerechtigkeit heißt seine Güte, die ihn bewegt, die Seinen zu schützen. Auf dasselbe läuft auch die „Wahrheit“ hinaus; denn darin besteht die beste Bewährung seiner Treue, dass er die nicht verlässt, denen er seine Hilfsbereitschaft verheißen hat. Indem also Gott den Seinen beisteht, beweist er sich als den Gerechten und Wahrhaftigen, da er ihre Hoffnung nicht zuschanden werden lässt und in seinem Wohltun eine Probe von seinem wahren Wesen ablegt. Darum hält sich David beides vor Augen, um Zuversicht zum Gebet zu gewinnen.

Jean Calvin – Aus dem Psalmenkommentar

Allgemeine Bitte um Gehör. »Höre … merke auf … erhöre!« Da gibt es keine Ausdrucksarmut, sondern sehr ausgeprägte Vielseitigkeit. David bittet Gott, ihn in seiner Treue (zu seinen Verheißungen) und gemäß seiner Gerechtigkeit zu erhören (d.h. weil es für ihn recht ist, seinen wehrlosen Knecht zu verteidigen).

MacDonald – Kommentar zum Alten Testament

In diesen beiden Versen bittet der Psalmist dreimal um die Hilfe Jahwes: Höre mein Gebet … erhöre mein Flehen … erhöre mich. Er stützt seine Bitten auf Jahwes Treue (vgl. 36,5) und Gerechtigkeit (vgl. 5,8). TEV vertauscht die beiden Wörter und stellt „Gerechtigkeit“ an die erste Stelle. Dies sind die Eigenschaften Jahwes, der seinem Versprechen, sein Volk zu retten, treu ist. Wie von den Psalmisten und anderen alttestamentlichen Schriftstellern verwendet, ist Gottes Gerechtigkeit keine rechtliche Haltung, die ihn dazu bringt, das Gesetz unparteiisch auf alle anzuwenden, sondern sie ist seine Bereitschaft, sein Volk immer zu retten, es aus seinen Schwierigkeiten zu befreien und es in die richtige Beziehung zu sich selbst zu bringen. Sowohl SPCL („du bist gerecht und treu“) als auch FRCL („du bist treu und gerecht“) verwenden Adjektive und keine abstrakten Substantive, was eine bessere Übersetzung ermöglicht. In einigen Sprachen lassen sich „in deiner Treue“ und „in deiner Gerechtigkeit“ besser in Form von Sätzen ausdrücken, z. B.: „Weil du gut zu deinem Volk bist und ihm treu, erhöre mein Flehen und hilf mir.“

In Vers 2 bekennt der Psalmist seine eigene Sündhaftigkeit. Er bittet Jahwe, nicht … mit ihm ins Gericht zu gehen, denn er weiß, dass auch er, wie alle anderen, in den Augen Gottes schuldig ist (siehe 14,3). Die Bitte kann übersetzt werden mit „Stell mich nicht … vor Gericht“ (TEV, NJB) oder „Bring nicht … vor Gericht“ (NEB). Dein Knecht ist, wie so oft, der Psalmist selbst, der nicht um Gerechtigkeit, sondern um Gnade betet. TEV hat die hebräische Form angepasst, um zu vermeiden, dass der Psalmist von sich selbst in der dritten Person spricht. Die umständliche Formulierung (kein) lebender Mensch übersetzt das hebräische „Geschöpf, Lebewesen“. In einigen Sprachen, in denen die Apposition stilistisch nicht natürlich ist, kann es notwendig sein, z. B. zu sagen: „Ich bin dein Knecht; stelle mich nicht vor Gericht.“
Vers 2b, wie er in der Septuaginta übersetzt ist, kann in Römer 3,20; Galater 2,16 angedeutet werden.

Bratcher – Ein Übersetzerhandbuch zum Buch der Psalmen

Die Grundlage für Davids Gebet war der Charakter Gottes, seine Treue und Gerechtigkeit, Eigenschaften, die in Vers 1 erneut erwähnt werden. Gott ist gerecht in allem, was er tut, weil er heilig ist, und er ist treu gegenüber seinem Bund und seinen Verheißungen. Wir berufen uns auf dieselben Eigenschaften, wenn wir dem Herrn unsere Sünden bekennen und seine Vergebung erbitten (1. Johannes 1,9). Indem er sich Gottes Knecht nennt (Vv. 2, 12), bekräftigte David, dass er ein Sohn des Bundes war und auf der Grundlage von Gottes Wort plädieren konnte. Er bekräftigte auch seine eigene Sündhaftigkeit (130,3-4; Hiob 9,32; 22,4; und siehe Röm 3,20 und Gal 2,16).

Nachdem er sich auf Gottes Charakter und seine eigenen Bedürfnisse konzentriert hatte, erzählte David dem Herrn, was er wegen seiner Feinde ertragen musste. Damit bezieht er sich wahrscheinlich auf die unerbittliche Verfolgung durch König Saul während Davids Exilzeit. Seine anschauliche Beschreibung hilft uns fast, den Schmerz zu spüren, den David und seine Männer erlebten. Sie wurden zu Boden gedrückt und lagen in einem dunklen Grab wie ein Leichnam (V. 7; 7:5; 74:20; 88:5-6; Lam. 3,6), entmutigt durch ein ohnmächtiges („betäubtes“) Herz, das aufgeben will, und eingehüllt in einen niedergeschlagenen Geist, der entsetzt und niedergeschlagen ist. Diejenigen, die glauben, dass das Volk Gottes nie seine dunklen Tage und schwierigen Wochen hat, sollten diesen Abschnitt sorgfältig bedenken

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series

Beachten wir, mit welcher Zudringlichkeit David betet! Er reiht Appell an Appell, den er an Gott richtet: »Höre!«, »Nimm zu Ohren!«, »Erhöre!« David glaubt wirklich, darum betet er so. Das erinnert uns an das Gleichnis von Lk 11,5–8. Die Hauptaussage desselben ist: Manchmal genügt es nicht, dass wir bitten; wir müssen so entschlossen sein, dass wir nicht aufhören zu bitten, bis wir das Erbetene empfangen haben: »Und ich sage euch: Und ob er nicht aufsteht und gibt ihm, darum, weil er sein Freund ist, so wird er doch um seines unverschämten Geilens willen aufstehen und ihm geben, wie viel er bedarf« (Luther). An diese Aussage fügt der Herr das dreifache »Bittet … sucht … klopft an« (Lk 11,9). Wie der brotlose Mann im Gleichnis, genauso sollen wir so lange den Herrn bedrängen, bis er uns gibt, was wir benötigen.
»in deiner Treue«: David beruft sich auf Gottes Verheißungen, die er erfüllt, weil er treu ist. Und er beruft sich auf Gottes »Gerechtigkeit«. Gott ist gerecht, darum wird er nie ein Wort zurücknehmen, das er gegeben hat; aber er wird auch keine Bitte erhören, die unrecht ist (siehe Ps 66,18). Gottes Treue und Gerechtigkeit sind Davids Trost, da er von Menschen umgeben ist, die wider ihn ihre Zunge schärfen und Otterngift unter ihren Lippen haben (Ps 140,4). Es ist wirklich so: »Alle Menschen sind Lügner!« (Ps 116,11), aber Gott ist der »Gott der Treue und ohne Trug« (5Mo 32,4). Er hält jedes Wort, das er ausgesprochen, er erfüllt alle Verheißungen, die er je gegeben. Er verändert sich nicht, bei ihm ist nicht einmal ein Schatten von Wechsel (Jak 1,17). Auf diesem Wissen baut David seine Bitten auf, und im Vertrauen auf die Treue Gottes betet er. Diese beiden Seiten bilden die Grundlage zu allem rechten Beten: Gottes in seinen Verheißungen offenbarter Wille und seine Treue, in der er tut, was er zugesagt hat; und der Glaube an das, was Gott geredet hat. Gebete werden nur erhört, wenn sie nach Gottes Willen sind (1Jo 5,14) und wenn wir mit Glauben beten (Mt 21,22; Jak 1,6).

» ›In deiner Gerechtigkeit‹: Um deiner, uns mitzuteilender verheißenen Gnaden-Gerechtigkeit willen, denn eigene Gerechtigkeit hat ja niemand vor Gott, wie sogleich folgt« (Stier).
»In V. 1 wird die Erhörung auf ein doppeltes Fundament gegründet, die Treue und die Gerechtigkeit Gottes, entsprechend der doppelten Bitte in der ersten Vershälfte. Die Berufung auf die Treue setzt voraus, dass der Sänger feste Verheißungen empfangen hat, vgl. 2Sam 7« (Hengstenberg).

Benedikt Peters 2014 – Die Psalmen