Euch aber mache der Herr völlig und überströmend in der Liebe gegeneinander und gegen alle (gleichwie auch wir gegen euch sind), um eure Herzen tadellos in Heiligkeit zu befestigen vor unserem Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen.
Elberfelder 1871 – 1 Thess 3,12–13
Euch aber lasse der Herr zunehmen und überschwenglich werden in der Liebe zueinander und gegen jedermann [wie denn auch wir gegen euch gesinnt sind.] 1Thess 4,1.9.10; 5,15; 2Pe 1,7.
Daß Er eure Herzen stärke und ihr unsträflich seid in der Heiligkeit vor Gott und unserem Vater, auf die Zukunft unseres Herrn Jesus Christus mit allen Seinen Heiligen. 1Thess 5,23; 2Thess 2,1; 1,7.10; Phil 1,10.
Tafelbibel mit hinzugefügten Sachparallelstellen – 1.Thess 3,12–13
Und für euch erbitten wir vom Herrn eine immer größere Liebe zueinander und zu allen Menschen – eine Liebe, die so überströmend ist wie unsere Liebe zu euch.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 1.Thess 3:12
Ich bete dafür, dass Gott bei euch den Liebespegel zueinander ansteigen lässt. Das wünschen wir uns auch für alle anderen Menschen, genau so eine Art von Liebe, wie wir sie auch für euch empfinden.
VolxBibel – 1.Thessalonicher 3,12
Liebe zu ALLEN Menschen? Wirklich? Fällt uns das nicht schwer?
Es gibt so viele Menschen, die sich als Christen bezeichnen – doch gerade in Tagen wie jetzt, wo Kriegsberichte in Europa aufschrecken, zeigt sich mehr denn je, wer die Eigenschaften eines Christen widerspielgelt und wer auf eigene Werke gesetzt hat.
In den Danksagungen und Gebeten wurden z. T. Themen eingeführt, die später im Briefverlauf wieder aufgegriffen wurden; in den Paulusbriefen ist das häufig der Fall. In 4,9 kommt der Apostel noch einmal auf die »Liebe« zurück, und in 4,12 auf die, »die draußen sind«.
Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments
Vers 13 : Im A.T. , im jüdischen Schrifttum und in den Reden Jesu ist ebenfalls von einer Hoffnung für die Zukunft die Rede, die dem standhaften Ertragen der Gegenwart einen Sinn verleihen kann. Mit »Heiligen« könnte das Gottesvolk gemeint sein ( 4,14 ), möglicherweise aber auch die heiligen Engel ( Sach 14,5 ); beide werden in der jüdischen Literatur als »Heilige« bezeichnet. Paulus gebraucht die Bezeichnung in der Regel für das Gottesvolk.
Für ihr inwendiges Gedeihen brauchen sie die Liebe in der doppelten Richtung, in der sie ihre Arbeit tut, so, daß sie die Brüder miteinander vereint, und so, daß sie sich allen gibt und allen dient. Sie wissen es in Thessalonich, daß die Verfolgung sie nicht berechtigt, jemand zu hassen. Sie sind vielmehr durch ihre Berufung zu Christus dazu fähig gemacht, allen darzubieten, was zu ihrem Heil hilft. Für die Liebe haben sie an Paulus das Vorbild, das ihnen deutlicher als Worte zeigt, wie sie denkt und handelt. Wenn die Liebe in ihnen bleibt, dann schwanken sie nicht. Wo sie ist, da läßt Christus den Menschen nicht fallen, sondern macht sein inwendiges Leben, das freilich leicht schwankt, fest und stark und tritt für ihn ein, so daß er das Ziel erreicht. Dann trifft sie kein Tadel, weil ihnen die Heiligkeit, die ihnen Gottes Berufung erteilt hat, bleibt und auch bei der letzten Entscheidung im Urteil Jesu, wenn er sich wieder offenbart, vor ihm besteht. Die Bedeutung dieser Entscheidung wird dadurch deutlich, daß Christus sich dann mit allen seinen Heiligen offenbart.
Schlatters Erläuterungen zum Neuen Testament
Nach der Bitte für seinen Missionsdienst (»unseren Weg«) bezieht sich der zweite Teil betont auf die Thessalonicher: »Euch aber«. Angeredet wird an dieser Stelle »der Herr«, womit in Übereinstimmung mit dem bei Paulus üblichen Gebrauch Jesus (vgl. 1Thess 3,11.13), nicht aber der Vater gemeint sein wird (vgl. auch 2Thess 3,5.16; 1Kor 16,22; 2Kor 12,8). Man hat darauf verwiesen, dass dies durch die besondere Betonung des Liebesgebotes bei Jesus begründet sein könnte (Joh 13,34). Allerdings wäre dem entgegenzuhalten, dass die Forderung Jahwes, »des Herrn«, nach Mi 6,8 sich eben auf die Liebe bezieht und im Doppelgebot (Mt 22,37ff.) die Liebe »des Herrn« und des Nächsten geboten wird. Es wäre daher keineswegs angebracht, aus der unterschiedlichen Anrede in Vers 11 und V. 12 inhaltliche Folgerungen ziehen zu wollen.
Edition C
Gegenstand der Bitte ist: »Euch aber lasse der Herr wachsen und mache euch überreich in der Liebe«. Beide Verben verstärken sich gegenseitig in dem Wunsch um »überreiche« Vermehrung der aus dem Glaubensverhältnis erwachsenden Liebe.
Diese Liebe ist der Christ zunächst den anderen Gliedern am Leib Christi schuldig. Es gehört zu den erfreulichen Kennzeichen der thessalonischen Gemeinde, dass solche Liebe bereits unter ihnen lebendig ist (vgl. 1Thess 1,3; 4,9ff.). Sie kann und soll aber noch zunehmen und »überreich« werden und dabei »alle« anderen einschließen. Bei »allen« sind selbst die Feinde nicht ausgenommen (vgl. Gal 6,10; Mt 5,43ff.; Lk 6,32ff.; Lk 10,25-37). Bekommt Gottes Handeln sein besonderes Kennzeichen darin, dass er uns liebte, als wir noch Feinde und Sünder waren (Röm 5,8.10), so prägt dies die Liebe des Christen in entsprechender Weise: Sie lässt sich nicht von äußeren Widrigkeiten in ihrem Zeugnis abhalten, sondern wird durch den ihr gegebenen Auftrag motiviert: 2Kor 5,11ff. Sie erkennt die Bedürftigkeit dessen, dem sie unversehens zum Nächsten wird, ohne an ihm vorüberzugehen (Lk 10,25ff.).
Wie die Sehnsucht (1Thess 3,6), so ist auch die Liebe gegenseitig: »wie auch wir (sie) zu euch (haben)«. Bereits in 1Thess 1,6 wurde deutlich, dass Paulus sich als Beispiel für die Gemeinde darstellen kann (vgl. auch 2Thess 3,7-9; Apg 20,35; 1Kor 4,16; 11,1; Phil 3,17; 4,9). Auch für einen Apostel bedeutet dies jedoch nicht, dass er sich dessen rühmen könnte, hat doch auch er nichts anderes vorzuweisen als das, was er von Gott empfangen hat (1Kor 4,7). Die Gewissheit, alles empfangen zu haben, vermittelt dann ihrerseits die Freiheit zu sagen: »Folgt meinem Beispiel!«
Der Orientierungspunkt aller christlichen Existenz ist eindeutig festgelegt: Es ist die »Ankunft unseres Herrn Jesus«. Diese Ausrichtung ist unverzichtbarer Bestandteil der missionarischen Verkündigung in den neu entstehenden Gemeinden (1Thess 1,10), wie auch ihrer weiteren seelsorgerlichen Begleitung (1Kor 1,7ff.). Auf diesen Punkt zielt der Glaube, der dann ins Schauen übergeht, weist die Hoffnung, die dann erfüllt sein wird.
Indem der Herr die Liebe überreich werden lässt, verbindet sich damit für die Thessalonicher ein zusätzlicher Aspekt: »Damit er eure Herzen stärke«. Was in 1Thess 3,2 auf den Glauben und in 2Thess 2,17 auf »jedes Werk und Wort« bezogen wird, das ist hier mit der Liebe in Verbindung gebracht.
Vor dem atl. Hintergrund dieses Ausdrucks (vgl. Ps 104,15; 112,8) ist »Herz« auch hier als Zentrum der Person zu deuten. Das Wachstum im Glauben und in der Liebe lässt Christen zu gefestigten Persönlichkeiten heranreifen, die nicht leichthin von ihrem Stand wegbewegt werden (1Kor 15,58; Eph 4,14; 2Thess 2,2).
Das Feststehen im Glauben und in der Liebe wirkt sich auch im Bestehen der Versuchung aus (vgl. 1Thess 3,5.8). Damit wird der Glaubende im Gericht als »untadelig« erwiesen. Das Wort begegnet in ganz parallelem Kontext in 1Thess 5,23; in Phil 2,15 bezieht sich das untadelige Leben auf das gegenwärtige Zeugnis gegenüber den Mitmenschen.
Eng damit verbunden ist die »Heiligkeit« (sonst nur in 2Kor 7,1 im Gegenüber zu »Befleckung des Fleisches«, und in Röm 1,4 vom »Geist der Heiligkeit«). Für die folgenden Kapitel des 1Thess wird der Themenbereich »Heiligkeit – Heiligung« eine zentrale Rolle einnehmen (1Thess 4,3.7; 5,23; vgl. 1Thess 2,10; 2Thess 2,13).
»Heiligkeit« ist grundlegendes Prädikat Gottes, durch das der Mensch von ihm geschieden ist, da keine Ungerechtigkeit oder Unreinheit vor Gott bestehen kann. Gleichzeitig hat all das »heilig« zu sein, was für Gott und den Gottesdienst abgesondert wird. Neben heiligen Gegenständen, Zeiten, Orten etc. ist dies auch die Gruppe der Priester, ja sogar das erwählte Volk insgesamt. Diese Auswahl verpflichtet zugleich zu derselben Heiligkeit, die Gott eigen ist: 3Mose se 11,44ff.; 3Mose 19,2.
Als dem »Heiligen Israels« (Mk 1,24) kommt Jesus die Aufgabe des Heiligens zu: Er tauft mit dem Heiligen Geist (Mt 3,11; vgl. Röm 15,16; 1Kor 6,11), er heiligt seine Gemeinde durch die Hingabe seines Lebens (Eph 5,25ff.), er selbst ist der Gemeinde zur Heiligung gemacht (1Kor 1,30).
So wird das gesamte Leben der »Heiligen« von dem umgriffen, was Jesus Christus für sie getan hat und tut. Diese umfassende, unverdiente Barmherzigkeit verpflichtet jeden Einzelnen, die zugeeignete Heiligkeit in allem Tun, Reden und Denken zum Ausdruck zu bringen und die Sünde in jeder Gestalt zu meiden. Auch hier ist das Ziel »untadelig in Heiligkeit« niemals menschlicher Bemühung verfügbar, sondern bleibt als Heiligkeit Christi immer Geschenk. Wenn sich aber der Heilige Gottes dem armseligen Sünder in dieser Weise zuwendet, wie könnte dieser anders darauf antworten, als ausschließlich diesem Herrn leben zu wollen, eben »heilig« zu sein?
So „normal“ erschien einem Paulus das Leben des Christen unter Drangsalen. Aber unter diesen Nöten soll das Gemeindeleben nicht nur mit Mühe erhalten werden, sondern soll „reich und überreich“ werden. Paulus verendet hier sein beliebtes Wort „überfließen, überströmen“. Und das, was unter Kampf und Verfolgung so „reich“ und „überreich“ werden soll, ist „die Liebe gegeneinander und gegen alle. Druck und Leiden macht von Natur hart, eng und ichhaft. In einer Gemeinde Jesu darf es ganz anders sein, weil der Herr am Werk ist. Nicht aus sich selbst sollen die Thessalonicher trotz der Drangsale immer mehr Liebe hervorbringen: wie unmöglich wäre das. Nein, „der Herr mache euch reich an Liebe“. Aber dies nicht nur so, daß die Verfolgung die Gemeinde selbst um so herzlicher und liebevoller in gegenseitiger äußerer und innerer Hilfe zusammenschließt. Nein, durch Jesus darf es Wirklichkeit werden, was Er selbst als Kennzeichen der „Kinder des Vaters im Himmel“ angegeben hat: Die Erwiderung von Feindschaft mit Liebe, von Fluch mit Segen, von Verfolgung mit Fürbitte, von Haß mit Wohltun. Das ist die „Liebe gegen alle“.
Wuppertaler Studienbibel
Sofort und ohne jede künstliche Anstrengung geht der Blick wieder zum großen Ziel und Ende. Wie sollte es auch anders sein, wenn es dieses ungeheure Ziel gibt! Wenn die „Parusie unseres Herrn Jesus mit allen Seinen Heiligen“ kein schöner Traum ist – und in diesem Falle wäre die Auferstehung Jesu geleugnet und das ganze Evangelium zunichte gemacht – dann ist alles andere gering gegen dies Eine, daß da „eure Herzen als untadelige in Heiligkeit vor unserem Gott und Vater“ dastehen.
Die zweite Bitte in Paulus‘ Gebet war, daß der Herr sie »völlig und überströmend in der Liebe gegeneinander und gegen alle« machen möge. Liebe ( agape ) ist das charakteristische Wort des Christentums. Es wurde einmal »das Größte in der Welt« genannt. Es ist ein Gebot. Zu den letzten Anweisungen des Herrn an Seine Jünger gehören die Worte:
Was die Bibel lehrt
»Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebt, auf daß, gleichwie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt« (Joh 13,34.35). Im Zusammenhang der Thessalonicherbriefe wird die Liebe als das von Gott verwendete Mittel dargestellt, um in Seinen Kindern Christusähnlichkeit hervorzubringen.