So lehre uns denn zählen unsere Tage, auf daß wir ein weises Herz erlangen!
Elberfelder 1871 – Psalm 90,12
Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben –
damit wir klug werden und es vernünftig gestalten. (vernünftig gestalten: Wörtlich »ein Herz von Weisheit erlangen«. Nach dem hebräischen Menschenbild ist das Herz sowohl Sitz des Verstandes als auch des Willens.)
BasisBibel – Ps 90,12
Unsere Tage zu berechnen tue uns recht kund, daß wir darbringen ein Herz der Weisheit. Ps 39,5.
Tafelbibel mit hinzugefügten Sachparallelstellen – Ps 90,12
Das Leben des Menschen ist aufgrund des Zornes Gottes gegen die Sünde vergänglich. Der Psalmist sagte, daß der Mensch durch den Zorn Gottes vergeht, denn er sieht die Sünden der Menschen; auch die sogenannten verborgenen Sünden liegen vor ihm offen. Weil der Mensch ein Sünder ist, verbringt er sein Leben unter dem Zorn Gottes, und sein Leben ist stark beschränkt – auf 70 Jahre (manche Menschen leben ein paar Jahre länger) – und das Leben fliegt eilig dem Tode entgegen wie ein Vogel (vgl. Hi 20,8 ). Keiner kann den mächtigen Zorn Gottes ergründen ( Ps 90,11 ).
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
Weil das Leben so kurz ist und weil wir es in Sünde im Angesicht des Zornes Gottes verbringen, erbat sich der Psalmist, der Stellvertreter des Volkes Gottes, Weisheit von Gott, auf daß die Menschen ihre Tage zählten (vgl. Ps 39,5 ), d. h. die Menschen einsehen, wie wenige Tage sie nur zu leben haben (vgl. Ps 39,6-7 ). (Der Ausdruck unsere Tage taucht in Ps 90,9-10.12.14 und der Begriff „Tage“ in V. 15 auf.)
Siebzehntausendzweihundertsiebenundsechzig – das ist die Anzahl meiner Tage per heute. Eine ganze Menge! Bereits das lässt mich dankbar werden.
Faszination Bibel 1/2021
Dann fällt mir auf, dass die wenigsten davon wirklich schlimm waren und viele davon sehr schön. ….
Nun wird mir auch klar, warum Luther die erste Hälfte dieses Verses übersetzt hat mit: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen…“ Denn wer seine Tage zählt, wird zur Retrospektive gezwungen (die noch vor uns liegenden Tage können wir schließlich nicht zählen), und da liegt die etwas klischeehafte Vorstellung der Situation auf dem eigenen Sterbebett nah. Aber der Psalm spricht nicht vom Lebensende. Seine Tage zählen kann man in jeder Lebensphase.
Mich macht dieser Vers dankbar und lässt mich meine Prioritäten und Alltagsgestaltung überdenken. Ich hoffe, das ist der Weg zu einem weisen Herzen.
Ja, was sind unsere Tage im Vergleich damit? Sie «eilen schneller dahin als ein Läufer …, sie ziehen vorüber wie Rohrschiffe» (Hiob 9,25.26). Darum, wie der Psalmist hinzufügt: «So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!» (Ps 90,12).
Halte fest 1962
Womit füllst du die kurzen Tage aus, die dir Gott auf dieser Erde gegeben hat? Hast du einen sicheren Führer gefunden auf dem Weg deines Lebens? Wird es von einem Ziel beherrscht, das ihm seinen wahren Wert gibt? «Sättige uns früh mit deiner Güte, so werden wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen» (Ps 90,14). «Früh», oder «am Morgen» des Lebens den Heiland finden, Ihm den ersten Platz in seinem Leben geben – welche Veränderung, welche Freudenquelle für alle folgenden Tage! Statt diese Jahre der Jugend mit Dingen der Welt zu füllen, statt sich vom Fieber der Studien, der Arbeit und des Vergnügens beherrschen zu lassen, statt mit seinem ganzen Wesen nach einem Glück zu jagen, das trügerisch und unerreichbar ist, – sich von dem sättigen lassen, dessen Güte weder vor dem haltmacht, was wir sind noch vor dem was wir nicht sind.
Wird dem Herrn Jesus am Morgen des Lebens der erste Platz gegeben, so kann dies zu seiner Verherrlichung die Grundlage zu einer fruchtbaren Laufbahn sein.
Du lässt zum Staub zurückkehren den Menschen, und sprichst: Kehrt zurück, ihr Menschenkinder! … So lehre uns denn zählen unsere Tage, auf das s wir ein weises Herz erlangen! (Ps 90,3.12)
Hilfe und Nahrung – 2002
Ein Friedhof am Rand des Dorfes. Ein Grab neben dem anderen. Auf jedem ein Name und zwei Daten – der Geburtstag und der Todestag -, die man in Gedanken rasch voneinander abzieht. „Da, sieh mal an! Vierundfünfzig Jahre alt – genau wie ich!“ Zwischen den beiden Jahreszahlen nur ein Strich, ein ganz kleiner Strich. Eines Tages wird wohl – wenn der Herr nicht vorher kommt – mein Name und auch der deine ähnlich in Stein gemeißelt sein, allerdings mit der Besonderheit, dass die erste Jahreszahl mit einer l beginnt und die zweite mit einer 2, denn der kleine Strich überschreitet das Jahrtausend.
Was erzählt dieser kurze Strich, der ein Menschenleben zusammenfasst? Er ist eine Art lineare Biographie, aus der für die folgenden Generationen nichts weiter zu entnehmen ist. MUSS man ihn als ein Minuszeichen deuten, dem er ja ähnlich sieht? Oder könnte man ihn durch ein „plus“ ersetzen – ein nützliches und erfolgreiches Leben zum Wohlgefallen Gottes? Haben wir Ihm gedient? Waren wir ein Segen für die Seinen? Dorkas wurde von den Witwen beweint (Apg 9,39), aber von König Joram heißt es: „Und er ging hin, ohne vermisst zu werden“ (2. Chr 21,20). Möchten wir einmal aus dem Mund des Herrn hören dürfen: „Wohl, du guter und treuer Knecht!“
Wir neigen im Allgemeinen dazu, unsere Jahre zu zählen. Moses, der diesen ältesten Psalm niederschrieb, legt uns nahe, jedem einzelnen Tag, den wir erleben, Aufmerksamkeit zu schenken. Weshalb? Weil jeder Tag ein kostbares Geschenk von Gott ist, das zu Seiner Verherrlichung benutzt werden sollte. Er sollte an der Art und Weise, wie wir jeden Tag leben, Wohlgefallen finden können. Der heutige Tag ist der erste vom Rest unseres Lebens. Solche Gedanken helfen uns, „ein weises Herz zu erlangen“. Fassen wir Mut! Das Leben ist kurz und manchmal voller Mühen. Aber wie gesegnet, jeden Tag so zu leben, dass die Schönheit des Herrn auf uns und durch uns leuchtet!
Die Lektion, die er uns lehren will, ist, unsere Tage zu zählen. Wir müssen erkennen, wie wenige Tage wir wirklich haben und dass wiederum nicht alle unsere Tage für Gott produktiv sein werden. Wir müssen die Tage zählen, die wir haben, mit einem vollen Verständnis für die Konsequenzen unwürdiger Tage.
Arnold Fruchtenbaum – Psalm 90: Eine Erläuterung
Eine interessante Übung, die ich für mich selbst gemacht habe und zu der ich Sie ermutigen möchte, ist, sich auszurechnen, wie lange Sie insgesamt mindestens zu leben haben, etwa siebzig Jahre oder 25.600 Tage. Von dem Tag an, an dem Sie geboren wurden, ist das ungefähr die Anzahl der Tage, die Sie zu leben haben. Egal, wie alt Sie jetzt sind, zählen Sie die Anzahl der Tage, die Ihnen bis zu Ihrem siebzigsten Geburtstag bleiben. Das soll nicht heißen, dass Sie das fortlaufend und täglich tun sollen, nur für ein paar Wochen, und ich denke, es wird Ihr Leben verändern, so wie es meins verändert hat, als ich die kurze Dauer des Lebens und die Natur der Verantwortung erkannt habe. Zählen Sie also die Tage, die Sie noch bis zu Ihrem siebzigsten Geburtstag haben, und ziehen Sie dann jeden Morgen einen Tag ab.
Auch hier gilt: Vielleicht leben Sie weniger als siebzig Jahre, vielleicht leben Sie aber auch mehr als siebzig Jahre. Aber in den Tagen, die Ihnen noch bleiben, ist Ihr Produktivitätsniveau vielleicht nicht immer das gleiche. Machen Sie das, was Ihnen noch bleibt, für die Ewigkeit wertvoll, nicht nur für das Töten der Zeit. Denken Sie daran, dass das Ergebnis von Kadesch Barnea ein achtunddreißigjähriger Zeitvertreib war, bei dem nichts Positives erreicht wurde. Es war jeden Tag dieselbe monotone Sache: morgens aufstehen; etwas Manna essen; darauf warten, dass sich die Wolke oder die Feuersäule bewegt oder nicht bewegt. Wenn die Monotonie unterbrochen wurde, dann meist nur für ein sofortiges Gericht, bei dem viele sterben würden. Daher empfehle ich Ihnen dringend, Ihre Tage nur für ein paar Wochen zu zählen. Auf unbestimmte Zeit weiterzumachen, könnte Sie mit dem etwas morbiden Gedanken zurücklassen: „Oh, ich habe nur noch ein paar tausend Tage zu leben!“ Zählen Sie einfach nur für eine kurze Zeit, wie viele Tage Sie noch zu leben haben. Ziehen Sie jeden Morgen einen Tag ab und machen Sie sich bewusst, wie viel Zeit Sie noch haben, um wirklich produktiv für Gott zu sein. Dann lassen Sie es für die Ewigkeit zählen, denn der Zweck des Zählens unserer Tage ist, wie Mose sagt, dass wir ein Herz der Weisheit bekommen. Das hebräische Wort für Weisheit bedeutet „Fertigkeit im Leben erlangen“. Wir sollen die Fähigkeit erlangen, unser tägliches Leben für Gott in Rechtschaffenheit und gottgefälligen Taten zu leben. Gottgefällige Taten, die mit göttlicher Weisheit getan werden, werden in der Ewigkeit Bestand haben. Mose wollte sicherstellen, dass die neue Generation nicht so viel Zeit vergeudet wie die alte Generation.
Mit jeder Glaubenshingabe an Gott wächst die Erkenntnis tieferer Verantwortung. Gerade jene Persönlichkeiten in der Schrift und innerhalb der Geschichte, die es wagten, sich in ihrem Urteil und Wirken einseitig auf Gott einzustellen, bekundeten in ihrem Leben und Dienst eine Gewissenhaftigkeit und ein Verantwortungsbewusstsein, das sie weit über ihre Zeitgenossen hinaushob. Die Frucht glaubensvoller Hingabe an Gott war noch immer opferbereiter Dienst am Nächsten.
Jakob Kroeker – ER sprach zu mir
Welch eine Weihe erhält doch das Leben und welch eine Hingabe bekundet jeder einzelne Dienst, wenn wir jeden Tag als ein neues Geschenk, jede Aufgabe als ein erneutes Vertrauen werten lernen, das uns von Gott entgegengebracht wird. Wie wächst unsere Gewissenhaftigkeit und verinnerlicht sich unsere Hingabe, sobald wir alles tun, als ob es auch unsere letzte Gelegenheit und unsere letzte Tat sei, um Geschautes und Erlebtes aus der Welt des Glaubens in das Suchen und Ringen, in die Leiden und Nöte des Nächsten zu tragen!
Der Psalmist redet hier ja aus dem tiefen Gefühl jener Vergänglichkeit heraus, der auch der Mensch und seine Geschichte unterworfen ist. Dieser Ernst gibt dem Psalm den ergreifenden Inhalt und die Weihe des Gebets. Wie klein ist doch dem Sänger der Mensch in all seinem Tun, sind ihm die Geschlechter in all ihren gigantischen Unternehmungen. „Von einem Aon bis zum andern bist nur Du, o Gott!“ Damit Gottes Ewigkeit jedoch auch in unsere Vergänglichkeit trete und unser Leben Anteil an der Welt Gottes gewinne, betet er: „So lehre mich meine Tage zählen, damit ich ein weises Herz gewinne“ Ja, gibt Gott mit seinem Wort und seinem Wirken unseren Tagen erst einen Inhalt, dann wird auch unsere Zeit ein Stück Ewigkeit. Dann hört das Leben auf, sinnlos zu sein. In den einzelnen Aufgaben atmet alsdann eine an die Ewigkeit gebundene Seele. Aus aller Sehnsucht spricht hinfort die Welt des Glaubens: „Lass deinen Dienern dein Wirken sichtbar werden und deine Herrlichkeit über ihren Kindern!“
Das sind Züge aus der Welt unserer Sehnsucht. Wir atmen diese Welt, weil Gott in unser Leben getreten ist. Sie wäre uns fremd, wenn Gott mit der Offenbarung seiner Herrlichkeit und der Kraft seiner Erlösung uns fremd geblieben wäre. Dann wäre auch uns der Mensch die Welt, in der wir unser Heil und unsere Zukunft suchen würden. Nun ist uns beides Gott: Erlösung und Zukunft! Alles Empfangene von Ihm löst in uns eine Spannung mit dem Gegenwärtigen und eine neue Sehnsucht nach dem Ewigen aus. Das Empfangene ist uns nur Angeld auf Größeres und Vollkommeneres, das Gott auch in unserm kleinen Leben zu offenbaren vermag.