Die Anti-Gotteskrieger
Ungläubig zu sein ist in den USA fast so schlimm wie Satan zu huldigen. In New York aber wollen Atheisten endlich offen zu ihrem Nichtglauben stehen dürfen. Zu Besuch bei einer Minderheit, die für ihre Rechte kämpft.von Felix Wadewitz, New York City
Christen, Juden, Muslime und Buddhisten haben es gut. Sie treffen sich sonntags in der Kirche, freitags in der Synagoge, fünfmal täglich in der Moschee oder wann immer sie wollen im Tempel. Das gibt der Woche eine Struktur, man kommt mal raus und trifft im besten Fall nette Leute. Was aber machen Atheisten? In New York gründen sie eine eigene Organisation und gehen saufen.
„Drinking with Atheists“, kurz DWA, nennt sich die Veranstaltung, bei der sich Nichtgläubige zum regelmäßigen Umtrunk treffen. Veranstalter ist der Verband BigAppleCor, der sich selbst als New Yorker „Koalition der Vernunft“ sieht. Der aktuelle Slogan: „Good without God“.
Als sich die Gruppe an einem Freitag im November versammelt, hat sich die Dunkelheit bereits über die Stadt gelegt. Treffpunkt ist eine Privatwohnung in der Upper Westside von Manhattan. Etwa 20 Menschen aus der ganzen Stadt sind gekommen, Junge und Alte, Schwarze und Weiße, Unternehmensberater und Arbeitslose. Gemeinsam haben sie nur, dass sie nicht an einen Gott glauben.
Über eine für das kleine Wohnzimmer viel zu große Leinwand flimmert der linksliberale TV-Kanal MSNBC – das Gegenstück zum rechtslastigen, gottesfürchtigen Sender Fox News von Rupert Murdoch . Der Kühlschrank ist gut gefüllt mit Bass Beer, und auch Becks ist da. Rot- und Weißwein stehen bereit, ebenso jede Menge Hochprozentiges zum Mischen.
Auf der kleinen Terrasse hinter dem Haus steht Gastgeber Rich Sander vor einem Grill und hantiert mit Würstchen. „Die Leute gehen wegen der sozialen Kontakte in die Kirche, das können wir auch“, sagt er. Sander gehört zum harten Kern der Organisation, die in New York immer wieder für Aufregung sorgt. Gerade läuft eine Plakataktion in der U-Bahn. „Eine Million New Yorker sind ohne Gott glücklich“, steht auf den Postern.
Im Sommer fuhren Busse mit ähnlichen Botschaften durch Manhattan. Das Ziel dieser Kampagnen: Atheisten und Agnostiker sollen sich endlich trauen, zu ihrem Nichtglauben zu stehen. Denn das sei in den USA selbst in einer Stadt wie New York keine Kleinigkeit, so die Organisation. Immerhin: Die Buswerbeaktion hat die Zahl ihrer Mitglieder um 25 auf 300 erhöht. Der Verband sieht das schon als Erfolg.
„Europa ist uns weit voraus“, sagt Jane Everhart von den New York City Atheists. „Das liegt an unserem schlechten Bildungssystem und den vielen Fundamentalisten.“ In einem Land, in dem selbst die katholische Kirche noch zu den gemäßigten christlichen Kräften zähle, sei es schwer, an die Vernunft zu appellieren. Besonders im Job hätten es Atheisten häufig schwer. Zum Beispiel, wenn der Chef die komplette Belegschaft am Sonntag in die Kirche einlade. Wer da dankend ablehne, müsse mit hochgezogenen Augenbrauen rechnen – und Mobbingaktionen der Kollegen.
„Wir nehmen uns jetzt die Schwulenbewegung als Vorbild“, sagt Everhart. „Je mehr sich outen, desto mehr wird uns die Gesellschaft akzeptieren. Wir brauchen nur Mut.“
Der Alkohol könnte beim Mutfassen durchaus hilfreich sein – zumindest für den Moment. Insofern sind die geladenen „Atheisten, Agnostiker, Humanisten, Säkularisten und andere nette Menschen“ auf einem guten Weg. Einer von ihnen schwankt schon bedrohlich. Die anderen reden in kleinen Grüppchen über den Sieg der Yankees, die Gesundheitsreform, den neu eröffneten Biosupermarkt um die Ecke. Als jemand Sarah Palin erwähnt, stöhnt die Runde auf.
„Oh my God“, seufzt Darnell. Der 30-jährige Verwaltungsangestellte gehört zu den Stammgästen. „Als kleines Kind habe ich schon nicht an den Weihnachtsmann geglaubt, warum sollte ich jetzt an Gott glauben?“, sagt er. „Das Problem in Amerika ist, dass es bei wirklich ernsten Debatten immer schnell darum geht, wer an was glaubt. Die Position irgendeiner Kirche gilt dann als Argument.“ Daher suche er lieber den Austausch mit anderen Atheisten, sagt Darnell. „Auch wenn wir manchmal nur rumblödeln.“
Jason Torpy dagegen ist nicht nur wegen des Spaßes hier. Torpy ist Präsident von MAAF, einer Organisation für atheistische Ex-Soldaten. Er war im Irak stationiert, in Kuwait, in Deutschland, und immer wieder nervten ihn missionarische Vorgesetzte, die ihn für irgendeine religiöse Gruppierung gewinnen wollten. „Das schlimmste Christentum wurde da verbreitet“, sagt Torpy.
Nun kämpft er für eine stärkere Trennung von Kirche und Staat. „In Deutschland spielt das alles keine Rolle, weil die Gesellschaft dort säkular geprägt ist. Hier aber glauben Leute tatsächlich, dass Gebete etwas bewirken.“ Ob Torpy und den anderen auffällt, dass Religion an diesem Abend den gleichen Raum einnimmt wie bei einem Bibeltreffen? Nur eine der Anwesenden mag sich den sprichwörtlichen Gott-und-die-Welt-Gesprächen nicht so recht anschließen: Torpys Freundin. Aber die ist ja auch Protestantin. Kein Wunder, dass sie beim Thema Religion einfach nur entspannt bleibt.
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