Magnet knipst Moral aus

Ist das die Erklärung, warum einige vor Gericht und vor sich selbst Lügenmärchen erzählen ohne rot zu werden, und damit anderen Schaden zufügen?

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Magnet knipst Moral aus

Wissenschaftler identifizieren den Sitz des ethischen Urteilvermögens im Gehirn

Eine kleine Gehirnregion hinter dem rechten Ohr ist dafür verantwortlich, dass sich der Mensch in die Absichten und Beweggründe anderer einfühlen kann. Dies haben Wissenschaftler bewiesen, indem sie dieses Hirnareal mit einem Magnetfeld ausschalteten. In der Folge haben sich Versuchspersonen bei der Beurteilung einer Handlung als gut oder schlecht lediglich noch auf die Konsequenzen der Handlung berufen. Die dahinter steckende Absicht blendeten sie dagegen weitgehend aus. Die Untersuchungsergebnisse dürften unter anderem wichtig sein, um Schuldfragen bei Gerichtsfällen zu bewerten.

Als moralische Beurteilung bezeichnen die Wissenschaftler um Liane Young vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, wenn eine Handlung als gut oder schlecht gewichtet wird. Dabei spielt normalerweise nicht nur die Konsequenz einer Handlung eine Rolle, sondern auch die Absicht und tiefer gehende Überzeugungen. So wird ein Mensch weniger hart über eine Person urteilen, deren Handeln von einer guten Absicht geleitet ist, obwohl die Konsequenzen der Handlung nicht für gut geheißen werden. Bisher war vermutet worden, dass ein kleines Gehirnareal hinter dem rechten Ohr, die sogenannte rechte temporoparietale Übergangsregion (rTPJ), bei der moralischen Beurteilung eine Rolle spielt. Mit ihren Experimenten wiesen die Forscher nun nach, dass diese Region sogar entscheidend ist, wenn ein Mensch bei einem moralischen Urteil über die Absichten des Handelnden nachdenkt und diese berücksichtigt.

In der Versuchsanordnung ist die rTPJ einer Gruppe von Testpersonen mit starken Magnetfeldern temporär ausgeschaltet worden. Daraufhin mussten diese ein moralisches Urteil über verschiedene Szenarien abgeben. Es zeigte sich, dass die Personen mit ausgeschalteter rTPJ deutlich anders urteilten als die Mitglieder einer Kontrollgruppe, bei denen andere Gehirnregionen magnetisch manipuliert wurden. Besonders deutlich wurde der Unterschied bei der Frage nach der Schuld einer Frau, die jemanden mit Absicht vergiften will, aber irrtümlicherweise ein ungiftiges Mittel wählt, so dass das Opfer unbeschadet überlebt. Bei den Probanden mit ausgeschaltetem rTPJ kam die Täterin deutlich besser davon als bei der Vergleichsgruppe. Sie urteilten nach Ansicht der Wissenschaftler viel milder, weil sie die Absicht, die hinter der Handlung steckte, weitgehend außer Acht ließen und sich nur auf die Konsequenzen konzentrierten, nämlich den glimpflichen Ausgang für das Opfer.

Personen, denen mit Magnetfeldern die Gehirnregion rTPJ ausgeschaltet wurde, fehlt somit weitgehend ein wesentlicher Teil für eine moralische Beurteilung – der Blick für die Absichten und Überzeugungen des Täters. Sie urteilen überspitzt ausgedrückt nach der Regel: Nichts passiert – keine Schuld. Kleinkinder urteilen auf eine vergleichbare Weise, weil sie Zusammenhänge nicht durchschauen. Weitere Untersuchungen sollten deshalb der Frage nachgehen, wie sich das moralische Urteilen in dieser Gehirnregion genau entwickelt, schreiben die Forscher.

Liane Young (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge) et al: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1073/pnas.0914826107

ddp/wissenschaft.de – Thomas Neuenschwander

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