Glückselig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.
Elberfeld – Mt 5,8
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. (a) Ps 24:3-5; 51:12; 1Jo 3:2.3
Zürcher 1931 – Mt 5,8
καθαρός rein. τῇ καρδίᾳ dat. respectus (A178); οἱ καθαροὶ τῇ καρδίᾳ die, die im Herzen rein sind bzw. die, die ein reines Herz haben (d. h. u. a. die, die frei v. Heuchelei u. moralischem Schmutz sind). ὄψονται Fut. Med. (m. akt. Bdtg.) ὁράω; αὐτοὶ τὸν θεὸν ὄψονται sie werden Gott sehen (d. h. persönl. Gemeinschaft m. ihm haben, zunächst im „Glauben“, schließl. in unmittelbarem „Schauen“ [vgl. 1Jh 3,1–3 u. Apk 21,22–22,5]).
Neuer Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament
„Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.”
Wieder ist es das Innere und der Zustand des Herzens, worauf der Herr hinweist, zum Unterschied von den Gesetzeslehrern, die von der Reinheit des Herzens wenig und von den Geboten äußerlicher Reinheit viel zu sagen wussten. Unter der Reinheit des Herzens ist die Keuschheit verstanden, aber nicht diese allein, denn auch andere Dinge verunreinigen das Herz: Neid, Hass und Bitterkeit, Lüge und Unredlichkeit, Ehrgeiz und Sucht nach irdischem Gewinn. Wo die zuvorkommende Gnade Gottes einen Abscheu gegen alles unzüchtige Wesen bewirkt hat, wo sie das Herz für den Frieden und die Liebe stimmt und die Neigungen von dem Irdischen ablenkt, da tritt diese große Verheißung in Kraft.
Gott ist in Seinem Sohn geoffenbart, und wir können Gott nie anders als im Sohne schauen. Zwar auch vor Seiner Erscheinung wusste man von Gott; aber die Erkenntnis Gottes, welche ewiges Leben ist, war noch nicht aufgeschlossen, und sie bleibt auch uns unerreichbar, wenn wir nicht zu Jesu Füßen sitzen, Ihn hören und auf Ihn blicken. Niemand vermag zu wissen, wie Gott gegen ihn gesinnt sei, wenn er nicht Gott in Christo schaut. Niemand kennt den Vater, außer der Sohn und wem Ihn der Sohn will offenbaren. Wie Gott gegen mich gesinnt sei, ob Er mich liebe und mir gnädig sei, darüber kann ich in Ewigkeit nicht gewiss werden ohne Heiland. Aber indem wir in Christi Herz schauen dürfen und die Liebe erkennen, die Er zu uns hat, blicken wir zugleich in das Herz des Vaters und haben einen Anfang der verheißenen Anschauungen Gottes.
Lasst uns nicht erwarten, dass jemand Christum und Gott in Christo erkenne, der es ohne Reinigung seines Herzens versucht. Wer unreine Leidenschaften in seinem Innern herrschen lässt und dabei sich erkühnt, Gott erkennen zu wollen, wird in Finsternis bleiben. Von diesem Wahn sind die Philosophen gefangen, die sich von dem Wort Gottes und der Zucht Seines Geistes losgerissen haben. Sie meinen, Gott erkennen und über die göttlichen Dinge urteilen zu können ohne Reinigung des Herzens. Sie stehen der Wahrheit ferner als die alten griechischen Weisen, die, obwohl Heiden, doch von ihren Schülern vor allem ein philosophisches Leben forderten.
Auf kirchlichem Boden hat sich derselbe Irrtum ausgebreitet, überall, wo man mit Orthodoxie ohne Heiligung sich getröstet. Es gibt Zeiten, wo die Menschen mit einer toten Rechtgläubigkeit sich behelfen und die Wahrheit im Verstand noch festhalten. Dies mag so lange dauern, als sie von der sie umgebenden Kirche noch geistig gestützt und getragen werden. Aber schwindet, wie es jetzt der Fall ist, das göttliche Leben in der Kirche, dann schlägt der tote Glaube unreiner Herzen in den Unglauben um. Wer nicht mit Ernst nach Reinheit des Herzens trachtet, den sucht man vergeblich zum Glauben an Gott und an Christus zu führen. Sein Verstand und Scharfsinn mag auf das höchste ausgebildet sein, aber der Verstand ist nicht der Spiegel, welcher das Licht der göttlichen Wahrheit aufnehmen und wiedergeben kann; das Herz ist dieser Spiegel. Ist es mit Leidenschaften und bösen Tücken behaftet, so kann aus ihm die Wahrheit ebensowenig zurückstrahlen wie das Licht aus einem Metallspiegel, der mit Rost überzogen ist.
Gleichartiges kann nur von Gleichartigem erkannt werden.
Die Bergpredigt und ihre Bedeutung
„Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; wir wissen aber, wenn Er erscheinen wird, dass wir Ihm ähnlich sein werden, denn wir werden Ihn sehen wie Er ist” (1 Joh 3,2).
Wenn wir einst den Herrn in Seiner Herrlichkeit schauen sollen, so werden wir dazu deswegen imstande sein, weil wir Ihm dann bereits ganz ähnlich an Heiligkeit, Reinheit und Liebe sind. Um Ihn zu schauen wie Er ist, muss Seine Kirche zu Seinem Bild verklärt sein, auch die Sterblichkeit und das Verderben, das in unserem sterblichen Leibe wohnt; muss abgetan sein. Darin wird die höchste Seligkeit bestehen, dass wir Gott von Angesicht schauen und Ihn erkennen, wie wir von Ihm erkannt sind. Auch dann werden wir den Vater nicht außer dem Sohne, nicht neben dem Sohne, sondern in dem Sohne schauen. Das ist das Werk des Heiligen Geistes, dass Er in dieser Haushaltung die Kirche innerlich Christo gleichgestaltet, und dass Er am Schluss dieser Haushaltung auch ihren sterblichen Leib verklärt, so dass der Tod von dem Leben verschlungen wird; und dann wird die Verheißung erfüllt sein: „Sie werden Gott schauen.”
Die reinen Herzens sind (V. 8), sind die, die innerlich frei von Sünden sind, weil sie an Gottes Liebe und Fürsorge glauben und sich zugleich immer ihrer Sünden bewußt sind.
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
Will Mt 5, 7 offensichtlich eine Zusammenfassung des Gotteswillens bezüglich unsrer Mitmenschen sein, so geht es in Mt 5, 8 um die Gemeinschaft mit Gott. Im Nacheinander der beiden Verse schlägt sich schon die Hervorhebung der zwei wichtigsten Gebote nieder, die Jesus später in Mt 22,34ff.) vollzieht, Und wie dort das »Du sollst Gott lieben« das größte und vornehmste Gebot ist, so schreitet die »Berglehre« von Mt 5, 7 zu Mt 5, 8 aufsteigend weiter.
Mit dieser sechsten Seligpreisung kehrt Jesus zu seinem Verfahren zurück, an eine Aussage des AT anzuknüpfen. In Ps 24,3 ist die Frage gestellt: »Wer darf auf des Herrn Berg gehen, und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?«
Mt 5, 4ff. antwortet: »Wer unschuldige Hände hat und reines Herzens ist… der wird den Segen vom Herrn empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heiles.« Jesus liest auch diesen Psalm endzeitlich und hebt das Wesentliche hervor: »die reines Herzens sind«. Damit ist klar, dass ein reines Herz zum ewigen Wohnen in Gottes Stadt der neuen Schöpfung berechtigt.
Hier liegt eine Spitzenposition unter den alttestamentlichen Geboten vor. Israels Glaubensbekenntnis ist es ja, das fordert: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller deiner Kraft«
(5 Mose 6,5). Rein ist das Herz, das vollkommen diesem Gebot entspricht. Kein Schatten einer Trübung soll diese Herzenshingabe an Gott beflecken! Jede Schuld muss hier fliehen, jeder Abgott welchen. Mit dem »Herzen« soll das Leben ganz geheiligt sein. Wer erschrickt nicht vor dieser Forderung und heiligen Reinheit? Davids Bußgebet drängt sich auf die Lippen: »Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist« (Ps 51,12 ; vgl. Ps 73,1). Mit Recht erkennt David, dass nur Gott dieses reine Herz herstellen kann. Damit sind wir bereits bei der Endzeiterwartung. Auf Davids und Israels Gebet um das reine Herz antwortet Gott durch Ezechiel: »Ich will ein neues Herz in euch geben« (Hes 36,26 ; vgl. Jer 31,33). Doch wo ist zur Zeit Jesu ein solches neues, gereinigtes Herz zu finden? Wohl berief sich die Gemeinschaft der Essener in Qumran darauf, dieses neue Herz zu besitzen. Aber der Täufer sah tiefer: »Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt« (Mt 3,10).
Die Forderung nach einem reinen Herzen trifft uns gerade heute mit besonderer Wucht. Ist Reinheit nicht nur noch ein Wort für die äußere Sauberkeit? Lacht man nicht über die Reinheit des Menschen vor der Ehe? Wird heute nicht von Repression gesprochen, wo man von Reinheit spricht und damit in perverser Weise denen die Schuld bescheinigt, die rein vor Gott sein wollen, statt denen, die diese Reinheit verweigern? Spielt man nicht mit den »altmodischen« Tugenden als einem Gegenstand der Belustigung? Weder politisch noch gesellschaftlich, noch sexuell, noch finanziell hat das reine Herz einen hohen Kurs. Und dennoch hat das Herz Heimweh und Sehnsucht nach diesem verlorenen Paradies.
Mit aller Entschiedenheit müssen wir allerdings sagen, dass das reine Herz nicht nur im Gebiet des Sexuellen gesehen werden darf. Vielmehr liegt das Zentrum in der Befolgung des ersten Gebots. Nicht umsonst vergleicht die Bibel das Abweichen von dem einen Gott mit Hurerei und Ehebruch. Halten wir also noch einmal fest: Das reine Herz hat der, der sich mit seinem ganzen Leben vollkommen an Gott hingibt. Die Spannung zur Einladung verlorener Sünder steigert sich noch einmal.
Gottes Gabe an diese vollkommenen Erfüller seines Willens lautet: »Sie werden Gott schauen.« Das ist mehr, als Mose möglich war, der Gottes Erscheinung nur nachschauen durfte (2 Mose 33,20ff.). Das greift über alles Menschenmögliche hinaus. Denn »niemand hat Gott je gesehen«, und »kein Mensch wird leben, der mich sieht« Joh 1,18; 2 Mose 33,20). Hier ist mit Händen zu greifen, dass sich dieses Versprechen erst in der neuen Welt im Vollsinne erfüllt. So hat es auch Johannes auf Patmos geschaut (Off 22,4 ; vgl. 1 Joh3,2). Und doch merken Jesu Leute etwas von einer vorläufigen Erfüllung. Denn wer Jesus sieht, sieht den Vater, und der heilige Geist im Herzen der Jünger ist der Stellvertreter Jesu. So sind wir durch den nüchternen Geist Gottes schon jetzt in engster Berührung mit dem Vater (vgl. Joh 14,9; 14,15ff.); Röm 8,15).
Edition C