Da seine göttliche Kraft uns alles in betreff des Lebens und der Gottseligkeit geschenkt hat durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch Herrlichkeit und Tugend, (O. Tüchtigkeit, geistliche Energie, Entschiedenheit) durch welche er uns die größten und kostbaren Verheißungen geschenkt hat, (O. durch welche uns… geschenkt sind) auf daß ihr durch diese Teilhaber der göttlichen Natur werdet, indem ihr entflohen seid dem Verderben, das in der Welt ist durch die Lust;
Elberfelder 1871 – 2.Petr 1,3–4
In seiner göttlichen Macht hat Jesus uns alles geschenkt, was zu einem Leben in der Ehrfurcht vor ihm nötig ist. Wir haben es dadurch bekommen, dass wir ihn kennen gelernt haben – ihn, der uns in seiner wunderbaren Güte zum Glauben gerufen hat. In seiner Güte hat er uns auch die größten und kostbarsten Zusagen gegeben. Gestützt auf sie, könnt ihr dem Verderben entfliehen, dem diese Welt aufgrund ihrer Begierden ausgeliefert ist, und könnt Anteil an seiner göttlichen Natur bekommen.
Neue Genfer Übersetzung – 2013 – 2.Petrus 1,3–4
Alles, was wir zum Leben brauchen und um so drauf zu sein, wie Gott es gut findet, hat Jesus uns schon lange zur Verfügung gestellt. Durch ihn haben wir Gott kennengelernt. Er hat uns zu einem neuen Leben bestimmt, durch seine unglaubliche Größe und Stärke. So hat er uns die fettesten und allerbesten Sachen versprochen. Er wollte, dass wir bei seinem neuen göttlichen Leben dabei sind, indem wir vor den schlechten Dingen aus der Welt, die uns nur kaputt gemacht haben, fliehen.
VolxBibel – 2.Petrus 1:3–4
Die Wendungen »göttliche Kraft« und »göttliche Natur« spielten seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle im griechischen Denken und waren auch bei vielen jüdischen Diasporaschriftstellern bereits zum Standard geworden. Viele Griechen versuchten in der damaligen Zeit, der materiellen, dem Untergang und Verfall geweihten Welt, die sie umgab, zu entfliehen; sie glaubten, dass die Seele göttlich und unsterblich sei und in den reinen und vollkommenen Bereich des Himmels gehöre – das entsprach Vorstellungen, wie sie von bestimmten griechischen Denkern und religiösen Kulten als Hoffnungsträger für die großen Massen der Unterdrückten entwickelt worden waren.
Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments
Viele griechische Schriftsteller, manche jüdischen Autoren wie z.B. Philo und später auch bestimmte Gnostiker argumentierten, dass der Mensch zum Gott werden könne, und zwar entweder bereits im Leben oder aber im Tod; in manchen Fällen beinhaltete diese Vergöttlichung die Auflösung im Göttlichen. Das antike Judentum lehnte derartige Vorstellungen jedoch größtenteils ab; nach jüdischer Auffassung gibt es nur einen einzigen Gott (vgl. 1.Mose 3,5 ; auch Philo verstand die Vergöttlichung in einem ganz speziellen Sinn). Viele Schriften der jüdischen Diaspora bedienten sich zwar ähnlicher Formulierungen, wie sie Petrus in der vorliegenden Passage gebraucht, beschrieben damit jedoch fast immer die Vorstellung von der Unsterblichkeit, nicht von der Vergöttlichung des Menschen. (Petrus kleidet so die christliche Auffassung in Worte, dass jeder, der an Jesus glaubt, eine neue Natur erhält; siehe die Ausführungen zu 1.Petr 1,23 ). Im Zusammenhang des monotheistischen frühen Christentums, das von zahlreichen polytheistischen Kulten umgeben war, sollten mit diesem bei den »Gegnern« entliehenen Sprachgebrauch die Ansprüche all derjenigen in die Schranken gewiesen werden, die sich unter dem Einfluss fremden Gedankenguts eine vollständige Vergöttlichung des Menschen erhofften. Dass das unmittelbare kulturelle Umfeld des 2. Petrusbriefes das Diasporajudentum ist und nicht das griechische Heidentum, zeigt sich schon daran, wie der Apostel die Verfallenheit des Körpers an die Verderbtheit der Welt und damit an den Tod definiert: Ihr Ursprung ist die »Begierde« (V. 4 ; vgl. 2,14; 3,3 ). Die Unsterblichkeit ist zwar eine reale Möglichkeit für den Menschen, wie die Griechen es sich erhofften, aber sie wird nur durch die Reinigung von der Sünde erlangt ( 1,9 ), und die griechische Vorstellung von der Unsterblichkeit wird qualifiziert durch die biblische Hoffnung auf das Gottesreich und die künftige Auferstehung (vgl. 1,11 ).
Wenn wir davon ausgehen, dass die göttliche „Identität“ durch ein Verständnis des menschlichen Selbst als nicht teilbar definiert ist, werden wir zwangsläufig auf Grund laufen, wenn wir auf Primärtexte stoßen, die mit einer teilbaren göttlichen Identität arbeiten. Im Gegensatz dazu kann es durchaus sein, dass die Kirchenväter mit ihrer Entscheidung, die Sprache der göttlichen Natur zu verwenden, in Kontinuität zu einer biblischen und jüdischen Tradition standen, die davon ausging, dass Gott seine Identität, sein Leben und sein Sein mit (einigen speziell ausgewählten) Wesen, insbesondere mit menschlichen Wesen, teilen will. Wir sollten die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Kirchenväter von der göttlichen Natur Christi sprachen, und zwar nicht, weil sie sich griechischen Kategorien unterwarfen, sondern gerade weil sie glaubten, dass die Vergöttlichung Gottes ursprüngliche Absicht für die Menschheit von Anfang an widerspiegelte (bevor die Sünde in die Geschichte eintrat und ein Bedürfnis nach Erlösung schuf), und dass sie in diesem Glauben in begrifflicher, theologischer Kontinuität mit dem Alten Testament selbst standen.150
Jesus Monotheismus: Christological Origins: The Emerging Consensus and Beyond
Sie standen mit Sicherheit in Kontinuität mit dem Neuen Testament, insofern als 2 Petr 1,4 davon spricht, dass die Gläubigen „der göttlichen Natur teilhaftig“ werden; eine Aussage, die, wie die neuere Forschung gezeigt hat, eine positive Bejahung einer spezifisch christlichen Art von gegenwärtiger, diesseitiger Vergöttlichung ist, die in vielerlei Hinsicht mit der Form der paulinischen Soteriologie übereinstimmt.151
Die Plausibilität und die genaue Ausgestaltung eines alternativen Modells zu dem von Bauckham vertretenen würde eine ausführlichere Diskussion erfordern, nicht zuletzt deshalb, weil es wahrscheinlich ist, dass vor Ort, auf der Ebene der Straßen des ersten Jahrhunderts, verschiedene jüdische Gruppen unterschiedliche Positionen zu dem Ausmaß und der Art und Weise vertraten, in der der eine Gott seine Identität mit anderen teilte. Ich führe sie hier teilweise ein, um den Weg für das neue Paradigma zu ebnen, das in späteren Bänden skizziert wird, die mehr Farbe und Details zu dieser ersten Skizze beitragen werden. Noch wichtiger ist jedoch, dass ich diese Möglichkeiten jetzt in den Raum stelle, um Gehör für ein Verständnis des jüdischen Monotheismus zu finden, das einen dritten Weg zwischen den derzeit konkurrierenden Positionen darstellt.
Petrus beginnt seine Ausführungen, indem er sich mit der Grundlage des Wachstums befasst. Diese Grundlage ist zweifach. Das erste Fundament fürs Wachstum ist in Vers 3 zu finden; es handelt sich um die Macht Gottes: Gott hat uns alles zum Leben und zur Gottesfurcht geschenkt. Das ist die Herrlichkeit dessen, der uns berufen hat durch seine eigene Herrlichkeit und Tugend. Gott hat die göttliche Befähigung zum geistlichen Wachstum verheißen. Das zweite Fundament des Wachstums steht in Vers 4; es handelt sich um Gottes Verheißungen. Durch Gottes Verheißungen können Gläubige zu Teilhabern der göttlichen Natur werden und auf diesem Wege den Lüsten des Fleisches entkommen. Zu den Verheißungen Gottes gehört, dass er den Gläubigen die göttliche Befähigung zum Überwinden geben wird; so können sie dem Verderben entfliehen, das durch die Begierde in der Welt ist.
Arnold Fruchtenbaum – Die Petrusbriefe
Hier steht »alles, was Gottes Kraft uns »geschenkt hat«, um ein Leben der Heiligung führen zu können. Dazu gehören auch seine »kostbaren und größten Verheißungen« in seinem Wort. Man schätzt, dass die Bibel mindestens 30 000 Verheißungen enthält. John Bunyan hat einmal gesagt: »Der Pfad des Lebens ist so reichlich mit den Verheißungen Gottes bestreut, dass es unmöglich ist, einen Schritt zu tun, ohne auf eine von ihnen zu treten.«
MacDonald – Kommentar zum Neuen Testament
Die »Verheißungen« Gottes sind das letzte von sieben Gütern, die Petrus in seinen Briefen »kostbar« nennt. Unser Glaube ist kostbarer als Gold (1. Petr 1,7). Das Blut Christi ist kostbar (1. Petr 1,19). Christus, der lebendige Stein, ist in Gottes Augen kostbar (1. Petr 2,4). Er ist auch als Eckstein kostbar (1. Petr 2,6). Er ist allen kostbar, die an ihn glauben (1. Petr 2,7). Der unvergängliche Edelstein eines sanften und stillen Geistes ist in Gottes Augen kostbar (1. Petr 3,4), und schließlich sind noch die »Verheißungen« Gottes »kostbar« (2. Petr 1,4).
Wir sollten über einige der Verheißungen nachdenken, die es bezüglich unserer Heiligung gibt: 1. Freiheit von der Herrschaft der Sünde (Röm 6,14); 2. in jeder Beziehung hinreichende Gnade (2. Kor 12,9); 3. Kraft, seinen Geboten zu gehorchen (Phil 4,13); 4. Sieg über den Teufel (Jak 4,7); 5. Auswege aus der Versuchung (1. Kor 10,13); 6. Vergebung, wenn wir unsere Sünden bekennen (1. Joh 1,9) (sowie Gottes Zusage, dass er nicht mehr an sie denken wird; Jer 31,34); 7. Antwort, wenn wir rufen (Ps 50,15).
Es verwundert nicht, dass die Verheißungen Gottes nach den Worten des Petrus kostbar und überaus groß sind! Diese Verheißungen ermöglichen es dem Gläubigen, »dem Verderben, das durch die Begierde in der Welt ist«, zu entfliehen. Gott hat uns alles Nötige zum Widerstand gegen die Versuchung verheißen. Wenn Begierden aufkommen, dann können wir die Verheißungen in Anspruch nehmen. Sie ermöglichen es uns, der Verderbnis dieser Welt zu entkommen – vor ihrer Sünde auf sexuellem Gebiet, ihrer Trunkenheit, ihrem Schmutz, ihrem Elend, ihrem Verrat und ihrem Streben.
Die positive Seite daran ist, dass wir durch dieselben Verheißungen »Teilhaber der göttlichen Natur« werden können. Dies findet in erster Linie bei unserer Bekehrung statt. Wenn wir dann in den praktischen Genuss der Verheißungen Gottes kommen, werden wir immer mehr in Jesu Bild umgestaltet. So hat er uns z. B. verheißen, dass wir ihm immer ähnlicher werden, je mehr wir über ihn nachsinnen (2. Kor 3,18). Wir verwirklichen diese Verheißung, indem wir das Wort lesen, das darin geoffenbarte Wesen Christi studieren und ihm dann folgen. Wenn wir dies tun, so verwandelt uns der Heilige Geist in Jesu Bild, und zwar von einer Herrlichkeit zur nächsten.
Petrus drückt dieses »große« Geheimnis (Eph 5,32) mit den Worten »Teilhaber der göttlichen Natur« aus. Gedacht ist nicht an eine neue Substanz oder einen vorweisbaren Verdienst, sondern an die Erneuerung der Gottesebenbildlichkeit (1 Mo 1,27). Der gefallene Mensch ist nicht mehr das Bild Gottes. Aber Gott will sich mit uns ganz neu durch seinen Geist verbinden, der nicht mehr von uns genommen wird (Ps 51,13). Bei der Wiederkunft Jesu wird uns das geschenkt werden (2 Petrus 3,13). Denselben Gedanken finden wir bei Paulus, der auf dem Areopag in seiner Rede auf die (wie er es dort nennt) »Verwandtschaft des Menschen mit Gott« hinweist. An anderer Stelle betont Paulus, dass diese Verwandtschaft Gottes durch die Adoption des Menschen durch Gott zur Kindschaft führen wird (Röm 8,14; 1 Joh 3,1), wenn wir an ihn glauben und seinen Geist empfangen. Es geht hier nicht um die Vergöttlichung des Menschen, sondern um die Gottesnähe und die daraus folgende Heiligkeit (vgl. Mt 5,8). Alles liegt in der Zukunft. Die Verheißungen gehen in Erfüllung, wenn Jesus die Seinen auferwecken wird vom Tod (Phil 3,21). Dann wird in uns das Ebenbild Gottes in Reinheit wieder hergestellt sein. Dann werden wir »ihm gleich sein« und »ihn sehen, wie er ist« (1 Joh 3,2; Röm 8,29).
Gerhardt Maier – Edition C
Aber schon hier beginnt im Glauben, was uns für die Zukunft verheißen ist. Wer in Jesus bleibt (Joh 15,5), bringt viel Frucht. Wer in Jesus lebt, an dem wirkt sein Geist, so dass wir geheiligt werden (Joh 17,23; Gal 2,20). Der Prozess der Heiligung beginnt hier, zum Ende mit Herrlichkeit kommt er bei der Auferstehung der Toten.
Dem »Verderben« werden wir »entfliehen«. Mit »Verderben« ist die sittliche Verderbnis samt der aus ihr folgenden Sterblichkeit (1 Mo 2,17) gemeint. Wie die Klugheit eine Folge des Glaubensgehorsams ist (Ps 111,10) und der Ungehorsam den Tod bringt, so folgt aus der Gemeinschaft mit Jesus das ewige Leben (1 Thess 1,10). Der Heilige Geist bringt in uns den Willen hervor, dem Verderben zu entfliehen. Um den Willen zu stählen, benutzt er das Wort der Hl. Schrift, die uns immer wieder auffordert, bestimmten Versuchungen zu entfliehen (1 Tim 6,11; 2 Tim 2,22). Beides gehört eng zusammen, und in dem Wort »entfliehen« steckt doppeldeutig: Wir entgehen dem Tod durch das Wirken Jesu, und wir gehen bewusst weg von dem, was den ewigen Tod dem bringt, der die rettende Gnade Jesu nicht annimmt.
»Durch die Gier in der Welt« kommt die Verderbnis. Die Gier ist der Hang zu den geschaffenen Gütern in der Welt. Das Gegenteil von Gier ist die Liebe zum Schöpfer im Himmel. Die Liebe macht uns froh, zieht uns nach oben, bindet uns an ihn, während die Gier sich an die vergänglichen Güter (»Fleisch«, 2 Petrus 2,20) klammert und, je mehr sie entgehen, desto mehr nach ihnen gierig macht und dabei uns selbst zerstört. Vor der »Gier« warnt die ganze Hl. Schrift. Sie spricht von »gottlosem Begehren« (4 Mo 11,4; 5 Mo 9,22), warnt uns davor, uns nicht gelüsten zu lassen, nicht neidisch zu werden (2 Mo 20,17), statt- dessen Gott zu lieben (5 Mo 6,5). Die Gier ist die Grundwesensart des Menschen. Erst der Hl. Geist bringt eine Gegenbewegung, wodurch der Kampf im Menschen zwischen seinem Geist der Gier und Gottes Heiligem Geist, dem Fleisch und dem Geist, entsteht (Gal 5,16; Eph 4,23 ; vgl. 1 Petrus 2,11 mit 2 Petrus 2,18.20).
Das Wesen der Gier ist die »Ausschweifung« (s. 2 Petrus 2,2) und die »Befleckung« (s. 2 Petrus 2,20).
Das Ziel der Gier ist die Herrschaft des Bösen. Dies aber zerstört den Menschen (Jak 1,15; Röm 7,5.10).
Noch einmal, aber mit anderen Worten als in Vers 3 , betont Petrus, was Gott uns schenkt: die »Verheißungen«. Sie haben ein Ziel: »damit« wir »Teilhaber der göttlichen Natur werden«. Dieses Wort »damit« ist auffällig. Warum sagt Petrus nicht einfach: »Gott schenkt die Teilhabe an der göttlichen Natur« usw.? Für Petrus ist wichtig, dass Gottes Geschenk uns jetzt noch nicht zur Verfügung steht. Es ist uns verheißen. Er wendet sich gegen die Sekte der Gnostiker, die glaubten, in diesem irdischen Leben hätten wir schon die ganze Fülle der Heilsgaben (1 Kor 15,19). Anteil zu haben an der göttlichen Natur, d. h. mit Gott verbunden zu sein, führt nicht zur Weltflucht, sondern lässt uns dem Zwang dieser Welt entgehen, nur an sich zu denken, und macht uns frei, für Gott in dieser Welt zu wirken (vgl. Joh 17,15: in der Welt, nicht von der Welt).
Wenn ich über den obrigen Bibelvers nachdenke, dann finde ich es schon „lustig“ wie man uns das früher beigebracht hat – dass nur eine „handvoll Personen“ dieses Geschenk erhalten, und eine „besondere Verheißung bekommen werden“ – aber komischer Weise alle anderen Christen sich auch an die Maßstäbe halten sollen – oder aber ausgeschlossen werden. Was würde Petrus wohl über solche „Spaltung der Hoffnung“ sagen?
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