Schlagwort: Gott

Wahre und Falsche??

Wer wird steigen auf den Berg Jehovas, und wer wird stehen an seiner heiligen Stätte? Der unschuldiger Hände und reinen Herzens ist, der nicht zur Falschheit erhebt seine Seele und nicht schwört zum Truge. Er wird Segen empfangen von Jehova, und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils.
Elberfelder Bibel 1905 – Psalm 24,3–5

Wer darf steigen auf Jehovas Berg, und wer stehen auf seinem heiligen Wohnsitz? Wer schuldloser Händ‘ und reines Herzens ist, wer nicht nach Bösem trachtet, und nicht schwört zum Trug. Er erlangt Segen von Jehova, und Gerechtigkeit vom Gott seines Heils.
de Wette Bibel – Ps 24,3–5

Wer wird auf des Herrn Berg gehen? Dass es eine reine Gnade war, dass Gott sich durch die Einrichtung des Heiligtums einen Wohnsitz unter den Juden erwählte, wird hier, weil es sich eigentlich von selbst verstand, mit Stillschweigen übergangen. David legt dagegen besonderes Gewicht auf das zweite Stück, nämlich auf den Unterschied zwischen den wahren und den falschen Israeliten. So nimmt er Veranlassung, die Juden zu einem heiligen und gerechten Leben zu ermahnen, weil Gott sie zu seinem Eigentum ausgesondert hat. Wenn auch die übrigen Menschen, sofern sie Gottes Geschöpfe sind, unter seiner Herrschaft stehen, so steht doch der, der zur Gemeinde gehört, zu ihm in näherer Beziehung. Gott beruft alle, die er in seine Herde aufnimmt, durch diese Annahme auch zur Heiligung. So enthalten Davids Worte auch einen versteckten Tadel wider die Heuchler, die sich kein Gewissen daraus machen, sich in falscher Weise mit Gottes heiligem Namen zu schmücken. Wir wissen ja, dass solche Leute sich mit falschen Titeln und äußeren Zeichen brüsten. So verherrlicht David absichtlich diese besondere Gnade Gottes, damit ein jeder für sich daraus lerne, dass er von dem Zugang zum Heiligtum ausgeschlossen ist, wenn er sich nicht zu diesem reinen Gottesdienst heiligt. Es ist ja allerdings wahr, dass auch Gottlose und Übeltäter häufig die Stiftshütte besuchten. So erhebt Gott durch den Mund des Jesaja (1, 12) den Vorwurf, dass man mit unheiligem Sinn seinen Vorhof betrete. Aber hier handelt David davon, welchen Leuten der Zugang mit Recht offen stehe: wer sich missbräuchlich und widerrechtlich in Gottes heiliges Haus drängt, besudelt es mit seinem verderbten Missbrauch. Diese Möglichkeit, dass man in ungesetzlicher Weise sich dem Hause Gottes nahen kann, kommt aber jetzt nicht weiter in Betracht. Ja, es lässt sich aus unseren Worten ein schwerer Tadel herauslesen, dass unreine Menschen durch ihr Erscheinen das Heiligtum nur beflecken könnten. Darüber habe ich zum 15. Psalm ich des Weiteren geäußert. Übrigens scheint der Wiederholungssatz darauf zu deuten, dass es dann auch zu beharren gilt: wer wird stehen an seiner heiligen Stätte? Geht man doch hinauf, um vor Gottes Angesicht zu weilen. Alles in allem: Wenn auch zur Zeit Davids in der Gemeinde die Bösen mit den Guten vermischt waren, so erklärt er doch, dass das äußerliche Bekennen ohne innere Wahrheit ein eitles Ideal ist. Was aber hier vom Betreten der Stiftshütte gesagt wird, gilt in alle Zukunft für die Ordnung der Gemeinde.
V. 4. Der unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist. Mit diesen Ausdrücken, wozu noch die Ehrfurcht vor Gottes Namen kommt, wird zusammenfassend ein frommes und rechtes Leben bezeichnet. Die wahre Reinheit hat allerdings ihren Sitz im Herzen, aber sie zeigt ihre Früchte auch in den Werken der Hände. Daher werden die Unbescholtenheit des ganzen Lebens und die Reinheit des Herzens treffend miteinander verbunden. Es würde lächerlich sein, wenn jemand sich rühmte, dass sein Herz lauter sei, wenn die Güte der Wurzel sich nicht an den Früchten zeigte. Anderseits genügt es aber auch nicht, die Hände, die Füße und Augen nach der rechten Regel zu formen, wenn nicht die Reinheit des Herzens dieser äußeren Zucht vorangeht. Sollte es aber jemand widersinnig finden, dass den Händen der erste Platz angewiesen wird, so kann man leicht antworten, dass die Wirkung oft vor der Ursache genannt wird, nicht weil sie der Ordnung nach vorangeht, sondern weil es zuweilen nützlich ist, mit bekannten Dingen zu beginnen. David will also, dass die Juden mit reinen Händen vor Gottes Angesicht treten; und so sollen sie nicht nur scheinbar, sondern aufrichtigen Herzens tun.
Der seine Seele nicht erhebt zum Trug. Damit wird im Allgemeinen Zuverlässigkeit und Lauterkeit in allen Geschäften gefordert. Dass aber insbesondere an das Schwören zu denken ist, bei dem die Verehrer Gottes volle Gewissenhaftigkeit beweisen sollen, zeigt das zweite Satzglied: und schwöret nicht fälschlich. Und in der Tat ist auch dafür der erste Ausdruck ganz passend: denn beim Schwören hebt man die Seele gleichsam als Bürgin der Wahrheit zu Gott empor, – und das darf man nicht „zum Trug“, d. h. zum Meineid tun. Vielleicht bedeutet auch „die Seele erheben“ ganz einfach „sich anschicken“. Jetzt erhebt sich aber die Frage, weshalb David bei alledem den Glauben und die Anrufung Gottes auch nicht mit einem Worte erwähnt. Doch diese Schwierigkeit ist leicht zu lösen. Denn nicht leicht verhält sich jemand seinen Brüdern gegenüber gerecht und tadellos, wenn er nicht wahre Gottesfurcht besitzt, die ihn zu einem vorsichtigen Wandel vor Gottes Angesicht anleitet. Deshalb schließt David mit Recht aus den angegebenen Kennzeichen auf das Vorhandensein von Frömmigkeit zurück. Aus demselben Grunde bezeichnet Christus als die vorzüglichsten Stücke im Gesetz Barmherzigkeit, Rechtlichkeit und Treue (Mt. 23, 23); und Paulus nennt die Liebe bald die Hauptsumme des Gesetzes (1. Tim. 1, 5), bald das Band der Vollkommenheit (Kol. 3, 14).

Jean Calvin – Aus dem Psalmenkommentar

Diese „rechtlichen Erfordernisse“ mußten von den Israeliten zwar eine Zeitlang erfüllt werden, doch das Leben nach den unveränderlichen Wahrheiten spielte bei der Anbetung stets die bedeutendste Rolle. Glauben, Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit, Wahrhaftigkeit, Freisein von Blutschuld und Gehorsam gegenüber Gottes geoffenbartem Willen waren stets die wichtigsten Voraussetzungen für den Zugang zu Gott. Es war schon immer so, daß nicht der, der Gott lediglich eine Gabe darbrachte, auf den Berg Jehovas steigen durfte, sondern der, der „unschuldiger Hände und reinen Herzens“ war (Ps 24:3-6; 15:1-4; Spr 3:32). Diese grundlegenden Wahrheiten bilden einen Lebensweg, der von Anfang an unverändert geblieben ist. Micha stellt die Frage: „Womit soll ich vor Jehova treten? Womit soll ich mich beugen vor Gott in der Höhe? Soll ich mit Ganzbrandopfern vor ihn treten, mit einjährigen Kälbern? . . . Er hat dir mitgeteilt, o Erdenmensch, was gut ist. Und was fordert Jehova von dir zurück, als Recht zu üben und Güte zu lieben und bescheiden zu wandeln mit deinem Gott?“ (Micha 6:6-8; Hos 6:6; 1. Sam 15:22).
7 Jehova stellt keine willkürlichen oder unvernünftigen Forderungen an uns. Er verlangt von uns als seinen Geschöpfen lediglich, das zu tun, was wir ihm und unseren Mitmenschen gegenüber zu tun schuldig sind. Mit unserem Gott auf dem Weg der Wahrheit zu wandeln heißt soviel wie, gemäß dem Gesetz zu handeln, das uns von Jehova gewissermaßen ‘ins Herz geschrieben worden ist’, als er unsere Ureltern erschuf (Römer 2:14, 15). Der Weg der Wahrheit wirkt von Natur aus anziehend auf diesen inneren Sinn für Recht und Unrecht, das Gewissen, denn die Wahrheit klingt für das, was in uns von dem ererbten Gewissen noch vorhanden ist, richtig. Paulus konnte deshalb mit Recht sagen: „Wir haben uns von den hinterhältigen Dingen [Unwahrheiten, Lügen] losgesagt, deren man sich zu schämen hat, indem wir . . . uns selbst durch das Kundmachen der Wahrheit jedem menschlichen Gewissen vor Gott empfehlen“ (2. Kor 4:2; 5:11; 6:4-10).

Wachtturm – 1.Juli 1976

Nun hat aber der sich offenbarende Gott die Herrlichkeit des Schöpfers – darum ist es nicht so ohne weiteres möglich, daß sich der Mensch diesem großen Gott naht. Denn Gottes Herrlichkeit und des Menschen Unreinheit passen nicht zusammen. David hat das nachhaltig gespürt, und er läßt es die mit ihm Feiernden in seinem Gebet nachsprechen: Wer steigt hinauf … wer erhebt sich? das heißt, wer ist in der Lage, sich vor diesem Gott aufrecht hinzustellen und ihn anzubeten?
Die Antwort, die ihm zuteil wurde (die dann auch levitische Priester übernommen haben), nennt nicht dies und das, sondern ist »generalisierend und umfassend« (Kraus). Nicht die bloße Zugehörigkeit zum Gottesvolk ermächtigt zum Erscheinen vor dem Angesicht Gottes, keine Vorzugsstellung im öffentlichen Leben ist hier ausschlaggebend. »Solch Personansehen zieht der Prophet hier ganz herunter. Ob es ein Jude oder Heide ist, darum kümmert sich Gott nicht« (Luther). Denn in der Tat redet David wie ein Prophet und zeigt den springenden Punkt auf: Der an den Händen Unschuldige und der ein reines Herz hate. Es ist nicht gemeint, daß von sich aus ein Mensch durch rechtmäßiges Verhalten gegenüber Gott selbstverständlich einen Zugang zu ihm haben müsse. Vielmehr will David zeigen, daß es Unschuldige gibt, deren Schuld vergeben (Ps 32,2) ist – wie David aus eigener schmerzlicher Erfahrung bezeugen kann – und daß es nur dem gereinigten Herzen erlaubt ist, sich Gott zu nahen beziehungsweise denen, die sich von Gott auf dem Weg des Gehorsams unterweisen lassen (vgl. Ps 25) und ihn dann auch gehen. Die unschuldigen Hände und die reinen Herzen haben sich Gott in radikaler Hingabe versprochen. Es geht also im Grunde um das erste Gebot, das David anspricht. Wer zum Nichtigen erhebt seine Seelef hat Gott abgeschworen. Das gleiche meint die Wendung: wer trügerisch schwörtg. Wer sich vor dem falschen Gott beugt, kann auch vor seinen Mitmenschen nicht aufrichtig sein.

Schneider 2018 – Wuppertaler Studienbibel

Ein persönliches gutes Verhältnis zu Jehovah ist nötig! Nicht der Sticker am Auto, das Lesen einer bestimmten Bibelübertragung, der Besuch einer bestimmten Gemeinde! Nein! Nur das persönliche Verhältnis wird ausschlaggebend sein! Es kann dabei sogar hinderlich sein, ein Teil einer bestimmten Gemeinde zu sein, in deren Reihen vielleicht Gewalttat und Ehebruch gefödert werden – denn darunter könnte das persönliche Verhältnis zum Schöpfer schon jetzt stark leiden!

echad basar

Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden ein (Eig zu einem) Fleisch sein.
Elberfelder Bibel 1871 – Gen 2,24

‮על־כן יעזב־איש את־אביו ואת־אמו ודבק באשתו והיו לבשר אחד׃
Bíblia Hebraica – Genesis 2,24

Deshalb verlässt ein Mann Vater und Mutter, um mit seiner Frau zu leben. Die zwei sind dann eins, mit Leib und Seele. – sind dann eins …: wörtlich sind dann ein Fleisch, womit die volle leiblich-seelische Einheit bezeichnet wird.
Gute Nachricht Bibel 2018 – 1.Mose 2,24

Das erklärt, warum ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlässt und sich an seine Frau bindet und die beiden zu einer Einheit werden.
Neues Leben – Bibel 2006 – 1.Mose 2:24

Darum ist das jetzt so, dass ein Mann irgendwann seinen Vater und seine Mutter verlässt und mit einer Frau zusammenzieht. Die beiden werden dann ganz fest zusammenwachsen, sie werden wie ein Mensch sein.
VolxBibel – Gen 2,24

Mit den Worten aus Vers 24 setzt Gott die monogame Ehe ein. Wie alle göttlichen Einrichtungen wurde sie zum Besten für den Menschen geschaffen und kann nicht ohne nachteilige Folgen verletzt werden. Der Ehebund veranschaulicht die Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde (Eph 5,22–32).

MacDonald – Kommentar zum Alten Testament

Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden ein Fleisch sein. Das Verlassen von Vater und Mutter ist bei dem ersten Paar der Menschheit nicht denkbar. Das Wort ist auch nicht die Fortsetzung der Rede des ersten Menschen, sondern, wie der Wechsel der redenden Personen zeigt, ein abschließendes, zusammenfassendes, in die Zukunft weisendes Wort Gottes zur Ehe. Die Stiftung der Ehe innerhalb der Darstellung des Weltschöpfungsberichtes stand unter dem besonderen Segenswort Gottes an den Menschen. Jetzt, wo es allein um die Erschaffung des Menschen und um die dem Menschen nahe Welt geht, werden die die Ehe im praktischen Vollzug ausmachenden Elemente näher beschrieben. Eine Ehe unter dem Segen Gottes ist dort verwirklicht, wo ein Mann seinen Vater und seine Mutter verläßt, wo er an seiner Frau hängt und wo die beiden ein Fleisch sind. Das Verlassen von Vater und Mutter von seiten des Mannes klingt im Blick auf die patriarchalischen altisraelitischen Familienverhältnisse, wo das Verlassen der Eltern nur von der Frau gefordert wurde, provozierend. Eine Ehe ist aber nur da möglich, wo beide, Mann und Frau, aus ihrem alten Familienverband ausscheiden, um ganz frei füreinander zu sein. Es ist die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zur Ehe freizugeben. Das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, ist auch ein Gebot an die Eltern, denn sie haben dafür zu sorgen, daß ihre Kinder »lange leben in dem Lande, das Gott verheißen hat«, daß sich die Kinder entfalten können, um in Freiheit in einer erfüllten Ehe zu leben.
Der Mann wird an seiner Frau hängen. Das Wort »hängen«, ›dabaq‹, heißt »anhaften, ankleben, sich anschmiegen, festhalten an und sich halten zu«. Das zu dem Verb gehörende Hauptwort kann man auch mit »Lötung« wiedergeben. Das hebräische Wort entspricht dem griechischen ›kollao‹, »anleimen«. Dies Angeleimtwerden an einen anderen Menschen geschieht überall da, wo zwei Menschen ein Fleisch werden. Selbst in dem Fall, daß ein Mann zu einer Dirne geht, und ein Leib mit ihr wird, ist er an diese Frau »angeleimt« (1Kor 6, 16). Wie es nur das »Festgeleimtsein« an einen Gott gibt, so gibt es für den Menschen nur das »Angeleimtsein« an eine Frau. Die wörtliche Auslegung »der Mann wird an seiner Frau hängen« schließt damit jeden außerehelichen Geschlechtsverkehraus.
Zur Ehe gehört das »Ein-Fleisch-Sein«. Dabei fällt auf, daß die körperliche Gemeinschaft nicht notwendig mit dem Zweck der Erzeugung von Kindern verbunden wird. Das Einswerden der Geschlechter hat Wert und Bedeutung in sich. Der eheliche Verkehr gehört auch dann noch in die Ehe, wenn das Ehepaar — aus welchen Gründen auch immer — keine Kinder haben kann. Für eine Unterbrechung des ehelichen Verkehrs nennt Paulus drei Gründe: Beide Teile müssen zustimmen, die Unterbrechung muß auf eine bestimmte Zeit begrenzt sein, und sie darf nur geschehen mit einer geistlichen Begründung, um für eine bestimmte Zeit ganz frei zu sein für Gott.
So ist der urgewaltige Drang von Mann und Frau zueinander stärker als die Bindung an leibliche Eltern. Ursprünglich waren beide ein Fleisch. Sie müssen wieder Zusammenkommen. Der Mann hängt an seiner Frau, aufgrund der Liebe zu ihr tritt er in eine feste Lebensgemeinschaft mit ihr. Die beiden werden ein Fleisch und können im Kinde erleben, wie sie beide zu einem Fleisch geworden sind. Das im Zusammenhang der Menschenschöpfung gesprochene Wort zur Ehe weist in die Zukunft. Es ist Gottes bleibendes Wort zur Ehe. »Die Ehe ist ein Verhältnis, gegen welches selbst das Kindliche zurücktritt, ein Verhältnis, wie das Zu-einem-Fleisch-Werden besagt, innigster persönlicher, geistleiblicher Gemeinschaft, womit zugleich die Monogamie als die naturgemäßige, gottgewollte Form dieses Verhältnisses bezeichnet ist.«

Bräumer – Wuppertaler Studienbibel

Genesis 2:24 ‎על כן. Darum, also weil, so lange der Mann allein war, es noch nicht .על כן gut war, und weil nach der Teilung es gar nicht mehr möglich ist, dass der Mann seine Bestimmung allein erfülle, weil vielmehr das Weib עזר כנגדו sein soll, er sich ohne Weib nur halb, und nur in Vereinigung mit seinem Weibe als ganzer Mensch fühlt: darum verlässt der Mann Vater und Mutter und vereinigt sich mit seinem Weibe, und sie werden zu einem Leib. Wie ursprünglich ungeteilt der Menschenleib einem Geiste, einem göttlichen Willen sich unterordnete, so auch nach der Wiedervereinigung werden Mann und Weib ein Leib. Das können sie aber nur werden, wenn sie zu gleicher Zeit ein Geist, ein Herz, eine Seele werden, und dies ist wiederum nur möglich, wenn sie alle ihre Kräfte und Bestrebungen, all ihr Denken und Wollen dem einen höheren Willen in Erfüllung seines Dienstes unterordnen. — Hiermit ist aber auch der tiefe Unterschied des geschlechtlichen Lebens aller übrigen lebendigen Wesen von der menschlichen Ehe gegeben. Auch die übrige lebendige Welt ist geschlechtlich geteilt. Allein beide Geschlechter entsprangen gleichzeitig selbständig der Erde. Sie bedürfen für die Erfüllung ihrer Lebensbestimmung nicht einander, und nur für den Gattungszweck und für die von diesem in Anspruch genommene Zeit finden sie sich einander. Das Menschenweib aber ist ein Teil des Menschenmannes, ist עזר כנגדו. Der Mann ist hülflos und unselbständig ohne sein Weib. Beide zusammen sind erst Mensch. Das Leben in seiner ganzen Bedeutung fordert ihre Vereinigung. Nur vom Menschen heißt es: ורבק באשתו. Nur der Mensch hat eine Ehe.

Die Weisen finden (Sanhedrin 56 f.) in diesem Satze zugleich bereits den Anfang der עריות-Gesetze für בני נח. Indem es heißt: darum verlasse der Mann seinen Vater und seine Mutter und vereinige sich mit seinem Weibe, erkennen sie darin zugleich die Bestimmung, dass bei der Wahl seines Weibes der Mann sich von Vater und Mutter entfernen soll, somit in nicht allzu naher Verwandtschaft sein Weib zu suchen habe. Fassen wir dies in dem ganzen mit על כן eingeleiteten ursächlichen Zusammenhang auf, so dürste damit vielleicht einiges Dämmerlicht auf das so dunkle Gebiet der עריות-Gesetze fallen. Weil das Weib עזר des Mannes sein soll, muß es כנגדו sein; weil es ihn ergänzen soll, muß es andere Eigentümlichkeiten haben. In allzunaher Verwandtschaft haben sie beide vielleicht dieselben Tugenden, aber auch vielleicht dieselben Fehler, dieselben Vollkommenheiten, aber auch dieselben Mängel; ihre Vereinigung würde beider Eigentümlichkeiten im Guten und Bösen nur verstärken, nicht ergänzen. Nur in entfernten Graden dürften die heilsamen Verschiedenheiten vorhanden sein, die beide vereinigt zu einem vollkommenen Wesen gestalten, vollkommen geeignet בשר אחד zu werden und die eine große Menschenaufgabe reiner und voller zu lösen. Dieses Motio dürfte vielleicht für עריות בני נח ausreichen. Für Israel, wo z. B. bereits mit קידושין verbotene Grade eintreten, muß das Motiv noch höher liegen. — Uber die Etymologie von אב und אם, s. Jeschurun VIII. S. 58 u. ff. u. S. 570.

RABBINER SAMSON RAPHAEL HIRSCH (1808–1888)

1 Mose 2,24 kommt auf das Prinzip der Ehe zu sprechen: Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen. Das Wort „darum“ ist der hebräische Ausdruck „al kein“, der sich auf etwas Vorangegangenes stützt. Die vorangegangenen Ereignisse, insbesondere die in 2:22-23, bilden die Grundlage für die Ehe. Was ein Mann tun muss, ist, seinen Vater und seine Mutter zu verlassen, es erfordert also eine Trennung der Bindungen. An einem bestimmten Punkt muss ein Mann von der Position der Unterwerfung unter die Eltern zu der Position der Ehrung der Eltern übergehen. Die Aussage: Verlasse seinen Vater und seine Mutter erfordert keinen physischen Abgang; und in jenen Tagen war ein physischer Abgang nicht so weit entfernt. Es muss jedoch ein geistiger und emotionaler Abschied sein, bei dem der Mann und die Frau ihre Gefühle, Bedürfnisse und alles andere nun aufeinander und nicht auf die Eltern ausrichten. Das hebräische Wort für Verlassen ist azav, das oft mit „aufgeben“ übersetzt wird. Es wird oft verwendet, um Israels Ablehnung seiner Bundesbeziehung zu Gott zu beschreiben (Jeremia 1:16; 2:13, 17, 19; 5:7; 16:11; 17:13; 19:4; 22:9). Dennoch wird es hier in einem positiven Sinn verwendet, wo der Mann jede weitere emotionale Bindung an seine Eltern ablehnt, soweit es um die Befriedigung seiner emotionalen Bedürfnisse geht, aber nicht die Liebe und Ehre der Eltern aufgibt. Was jedoch die emotionale Erfüllung anbelangt, so konzentriert er sich nun auf seine emotionale Erfüllung und sucht die Erfüllung bei seiner Frau. Deshalb muss er, nachdem er seinen Vater und seine Mutter verlassen hat, seiner Frau anhangen. Das hebräische Wort für „anhängen“ bedeutet wörtlich „wie Leim kleben“, und das moderne hebräische Wort für Leim kommt von diesem Wort. Das Wort wird oft verwendet, um die Aufrechterhaltung eines Bundes zu bezeichnen (Dtn 4,4; 10,20; 11,22; 13,4; 30,20). Dies zeigt wieder die Bundestreue der Ehe. Das ist nun die neue Treue; sie müssen wie Leim aneinander kleben, denn ihr Schicksal ist nun aneinander gebunden und nicht an die Eltern. Die Schöpfung der Menschheit hat ihr Ziel in der komplementären Partnerschaft von Mann und Frau erreicht. Der Vers endet mit: und sie werden ein Fleisch sein. Hier wird wieder das hebräische Wort echad im Sinne einer zusammengesetzten Einheit verwendet. Das zeigt, dass das Wort echad keine absolute Einheit voraussetzt, denn in diesem Vers werden zwei Menschen, zwei Personen, ein Mann und eine Frau, eins. Daher beweist die Tatsache, dass dasselbe Wort in Deuteronomium 6,4 von Gott verwendet wird, nicht die absolute Einheit, wie die Rabbiner behaupten. Es kann für eine zusammengesetzte Einheit verwendet werden. In diesem Fall wurden sie ein Fleisch durch sexuelle Vereinigung. Nun, da Adam mit Eva durch den Bund verbunden ist, werden sie ein Fleisch, was durch die allererste sexuelle Vereinigung eingeleitet wird.

Arnold Fruchtenbaum – Genesis

„komme nicht näher!“?

Als ER aber sah, daß er hintrat, um anzusehn,
rief Gott ihn mitten aus dem Dornbusch an,
er sprach:
Mosche! Mosche!
er sprach:
Da bin ich.
Er aber sprach:
Nahe nicht herzu,
streife deine Schuhe von deinen Füßen,
denn der Ort, darauf du stehst, Boden der Heiligung ists.
Buber & Rosenzweig – Ex 3,4–5

Und als Jehova sah, daß er herzutrat, um zu sehen, da rief Gott ihm mitten aus dem Dornbusche zu und sprach: Mose! Mose! Und er sprach: Hier bin ich. Und er sprach: Nahe nicht hierher! Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land
Elberfelder 1871 – Exodus 3,4–5

Als (und, da) JHWH sah, dass er [von seinem Weg] abwich, um [nach]zusehen, da (und) rief Gott zu ihm aus der Mitte des Busches {und sagte}: „Mose, Mose!“ Und [dieser] sagte: „Hier bin ich!“ {und} Er sagte: „Komm nicht näher heran (hierher)! Zieh deine Sandalen (Schuhe) von deinen Füßen, denn die Stelle, auf der du stehst, ist heiliger Boden (Erde) !“
offene Bibel – 2.Mose 3,4–5


Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie einen Busch sähen, der in Flammen steht, aber nicht verbrennt?
• Ängstlich
• Verblüfft
• Neugierig
• Verwirrt
Warum benutzte Gott Ihrer Meinung nach einen brennenden Busch, um Moses Aufmerksamkeit zu bekommen?
• Es bietet eine Menge Stoff für Filme wie Die Zehn Gebote.
• Es könnte Mose helfen, sich später, wenn es wirklich nötig ist, an seine Berufung zu erinnern.
• Das Feuer unterstrich, wie heilig dieses Ereignis war.
• Gott zeigt seine Macht, indem der Busch nicht verbrannte.
Was hätten Sie, wenn Sie Mose wären, bei diesem Geschehen gedacht?
• Ich muss zu viel Anchovis gegessen haben.
• Warum will mich Gott für so etwas haben?
• Dafür bin ich zu alt.
• Gott, erzähle mir nicht deine Probleme, ich habe selbst genug.
• Gott, ich bin dein demütiger Diener.
Wenn ich Moses Sandalen anhätte, würde ich Folgendes genauso wie er machen:
• Ehrfurcht zeigen, indem ich sie ausziehe
• mich fürchten, Gott anzuschauen
• mich unzulänglich fühlen
• Besorgt sein, was die anderen denken
• mich fragen, ob Gottes Plan funktioniert

Die Hauskreisbibel

Hier bin ich.“ Mosche antwortet mit hineni („Ich bin hier“ oder „Hier bin ich“) auf die Aufforderung Gottes. Wenn man alle Verwendungen dieser Redewendung in der Tora betrachtet, bedeutet hineni: „Ich bin schon hier und ich bin bereit, alles zu tun, was du willst, noch bevor du darum bittest.“ Genau das meinte Mosche, als er dies zu Gott sagte.
3:5 „Zieh deine Sandalen aus.“ Obwohl oft erklärt wird, dass das Ausziehen von Mosches Sandalen aus Ehrfurcht vor der Heiligkeit dieses Ortes geschah, ist es auch möglich, dass Gott ihm sagte, er solle sein Schuhwerk ausziehen, damit er nirgendwo hingehen könne. Die Formulierung admat kodesh („heiliger Boden“) betont, dass Gott diesen Bereich für die Begegnung mit Mosche beiseite gelegt hat.

The Complete Jewish Study Bible: Notes

(2 Mose 3,5)
In der angegebenen Schriftstelle lesen wir ein sehr bedeutsames Wort, das unsere Aufmerksamkeit ganz in Anspruch nehmen sollte. Es heißt da: „Und Gott sprach: Nahe nicht hierher! Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land“. In Gottes Gegenwart kann man nicht mit Schuhen an den Füßen erscheinen, weil daran der Staub der Wüste haftet. Der Ort, an dem Er erscheint, ist heiligs Land. Nur mit tiefer Ehrfurcht und in heiliger Absonderung darf man dahin kommen.
Wahrlich, wir sollten mit allem Ernst daran denken, auch wenn wir uns zu dem Namen des Herrn hin versammeln. Wie kommt es, daß der Ton, der in unseren Versammlungen herrscht, oft so niedrig ist? Und woher rührt die Dürre, die Mattheit und das geringe Aufgewecktsein, die mangelnde Bereitschaft, um an der Anbetung teilzunehmen? Warum sind die Gebete und die Danksagungen in ihrem Gehalt oft so weit von dem entfernt, was sie zum Ausdruck bringen sollten? Warum fehlt ihnen so oft der wahre Charakter der Anbetung? Wenn wir an den Inhalt oben genannter Schriftstelle denken, dann kann es uns nicht schwer fallen, die Antwort auf diese Fragen zu finden. Wir sind zu wenig durchdrungen von der herrlichen und doch so ernsten Wahrheit, daß wir, so oft wir auch zu diesem Zwecke zusammenkommen, in die Gegenwart Gottes treten. Gar mancher kommt dorthin mit einem Herzen, das angefüllt ist mit allerlei weltlichen oder irdischen Gedanken – mit Gedanken an sein Haus, an seine Kinder, an sein Geschäft und seine irdischen Aufgaben und Verpflichtungen. Einige kommen sogar mit einem verunreinigten Gewissen. Und selbst wenn alles dieses nicht der Fall sein sollte, so hat doch mancher sich nicht vorbereitet, um in der heiligen Gegenwart Gottes zu erscheinen. Wie wenn man zu einer gewöhnlichen Versammlung dieser Welt ginge, so begibt man sich auch in die Versammlung Gottes. Wie aber sollte es möglich sein, daß auf einem solchen Verhalten der Segen Gottes ruhen könnte? Wenn man in solcher Weise und in einem solchen Zustand in die Versammlung geht, dann kann das Herz sich dort unmöglich zur Höhe des Heiligtums erheben; es wird im Gegenteil abgelenkt und herabgezogen zu den nichtigen und eitlen Dingen dieser armen Erde hin. O, laßt uns doch einmal ernstlich hierüber nachdenken! Möchten wir uns darüber demütigen vor dem Herrn und im Selbstgericht uns verurteilen, daß wir so oft in solch einer unwürdigen Weise in Seine Gegenwart getreten sind!

Ermunterung und Ermahnung 1959

Auf einmal bot sich uns ein wahrhaft „seltsamer Anblick“. Auf einem einsamen Felsen oder in einem abgelegenen Tal stand einer jener stacheligen, knorrigen, dornigen Akazienbäume, die in den Weiten „der Wüste“ so auffällig sind, und von denen sie in der Tat „der einzige Baum von einiger Größe sind „6 , in Feuer gehüllt, und doch wurde „der Busch nicht verbrannt“. Als Mose dies sah, wandte er sich ab, „um diesen großen Anblick zu sehen“. Und noch ein größeres Wunder als dieses erwartete ihn. Eine Vision, die jahrhundertelang nicht mehr gesehen worden war, erschien nun; eine Stimme, die über viele Jahrhunderte hinweg geschwiegen hatte, sprach wieder. „Der Engel Jehovas“ (Vers 2), der gleich darauf selbst „Jehova“ und „Gott“ genannt wird (Verse 4, 5), sprach zu ihm „aus der Mitte des Busches“. Seine ersten Worte ermahnten Mose, seine Schuhe von den Füßen zu ziehen, da er auf heiligem Boden stand; die nächsten offenbarten ihn als denselben Engel des Bundes, der den Vätern als „der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ erschienen war. Der Grund für die erste Aufforderung war nicht nur Ehrfurcht, sondern auch der Charakter dessen, der sprach. Denn im Osten werden die Schuhe hauptsächlich zum Schutz vor Verunreinigungen und Staub getragen und daher beim Betreten eines Heiligtums abgelegt, um sozusagen keine Verunreinigungen von außen an den reinen Ort zu bringen. Aber der Ort, an dem Jehova sich offenbart – was immer es auch sein mag -, ist „heiliger Boden“; und wer mit ihm in Verbindung treten will, muss die Verunreinigungen, die ihm anhaften, ablegen.

Alfred Edersheim – Geschichte der Bibel – altes Testament

Der Text sagt ganz klar, dass „der Engel Jahwes“ im Busch war (V. 2). Aber als Mose sich umdreht, um den Busch zu betrachten (V. 3), lässt der Text Jahwe ihn beobachten und zu ihm rufen – „aus der Mitte des Busches“ (V. 4). Sowohl der Engel – der sichtbare Jahwe in menschlicher Gestalt – als auch der unsichtbare Jahwe sind Figuren in der Szene mit dem brennenden Busch. Interessanterweise sagt uns Vers 6, dass Mose sich fürchtete, Gott anzuschauen. Das deutet darauf hin, dass er etwas anderes als Feuer im Busch wahrgenommen hatte – höchstwahrscheinlich die menschliche Gestalt des Engels. Das Neue Testament bekräftigt diese Beschreibung in Apostelgeschichte 7:30-35. Der Märtyrer Stephanus erzählt uns zweimal, dass ein Engel im Busch war (V. 30, 35).


In dem darauf folgenden Gespräch offenbart Jahwe (V. 7) Mose seinen Bundesnamen: ICH BIN (Exod 3,14). Wenn Jahwe zu Mose spricht, muss man sich fragen, warum der Engel gebraucht wurde. Wenn Jahwe das Reden übernimmt, warum braucht er dann einen Boten? Oder wenn der Schreiber sagt, dass Jahwe spricht, meint er vielleicht den Engel. Wie die Passagen in der Genesis, die wir bereits gesehen haben, schließt Exodus 3 Jahwe und seinen Engel als unterschiedliche Figuren in dieselbe Szene ein, schafft dann aber eine Zweideutigkeit zwischen ihnen. Sind es zwei oder einer? Sind die beiden derselbe, aber unterschiedlich? Der Leser wird auf etwas Dramatisches vorbereitet, das kommen wird. Er wird nicht lange warten müssen.

Michael S. Heiser – Das unsichtbare Reich

Als Mose die Herde Jitros weidete, lernte er wertvolle Lektionen über die Führung des Volkes Gottes. Als er zum Horeb (Berg Sinai) wanderte, erschien ihm der Herr in einem Dornbusch, der im Feuer brannte, aber nicht verzehrt wurde. Der Busch deutet die Herrlichkeit Gottes an, vor der er die Sandalen ausziehen musste. Es könnte auch eine Vorschattung der Tatsache sein, dass Jahwe später inmitten seines Volkes wohnte, ohne sie zu verzehren. Andere Ausleger haben in ihm sogar das Schicksal Israels gesehen, das im Feuer der Anfechtung versucht wird, aber nicht verzehrt wird. Wir alle sollten wie der brennende Dornbusch sein ‒ brennend für Gott, aber ohne verzehrt zu werden.

Der Herr versprach Mose, dass er sein Volk aus Ägypten befreien und es in ein Land des Überflusses ‒ d.h. nach Kanaan ‒ bringen werde, das von den sechs heidnischen Nationen bewohnt wurde, die in Vers 8 aufgeführt werden. Das Wort »heilig« erscheint hier zum ersten Mal in der Bibel. Indem Mose seine Sandalen auszieht, erkennt er die Heiligkeit des Ortes an.

MacDonald – Kommentar zum Alten Testament

und noch eine weitere Idee:

Das Einzigartige war jedoch nicht das, was Mose mit seinen Augen wahrnahm, sondern daß der Bote Gottes in den Flammen war und daß Gott aus den Flammen sprach. Gott ist in seinem Engel gegenwärtig. Gott selbst spricht Mose an, und so wird aus einem, der neugierig sehen will, einer, der persönlich gemeint und betroffen ist. Mose erkennt, daß es sich ganz entgegen seinen Erwartungen nicht bloß um ein Naturschauspiel, sondern um eine Begegnung mit Gott handelt. Als Jahwe sieht, daß Mose herzutritt, spricht er Mose zweimal mit seinem Namen an: »Mose, Mose!« Indem Gott Mose beim Namen ruft, eröffnet er »die Verbindung mit dem von ihm Erwählten«. Ohne Rücksicht auf Vorbedingungen und Qualitäten holt sich Gott den Mörder Mose. Er hält ihn seiner Liebe und seiner Erwählung für würdig. Die Erwählung Gottes ist »eine aus Liebe erfolgende Wahl«; sie ist »der zeitliche gnadenhafte Ruf«, mit dem Gott eine Gemeinschaft oder einen einzelnen, hier Mose, zu einem ganz bestimmten Heilsdienst bestimmt. Im Alten Testament, aber auch an mehreren Stellen des Neuen Testamentes ist die Erwählung ein innergeschichtlicher Vorgang, und zwar zu einem heilsgeschichtlichen Dienst. Dabei bleibt der Mensch nicht ein totes Gegenüber, über das Gott verfügt. Die Erwählung ist auf die Einwilligung und den Gehorsam des Menschen angelegt. So ergehen zwei Aufforderungen an Mose:
[5] – »Tritt nicht näher heran!«
Beim Namen gerufen, antwortet Mose: »Hier bin ich«, das heißt, Gott, ich stehe zu deiner Verfügung. Gott aber gebietet ihm zunächst, nicht weiter vorzutreten, sondern Distanz zu halten. Die Mahnung: »Tritt nicht näher!« untersagt Mose »eine mögliche zu große Annäherung«. Gott setzt dem menschlichen Zutritt und Zugriff eine Grenze.
Die »Beschränkungen des Nahens« – das heißt das Wahren der Distanz – sind eine der Grundvoraussetzungen im Umgang mit dem lebendigen Gott. Gott ist und bleibt auch bei aller gnädigen Zuwendung zum Menschen der richtende Gott.
Im brennenden Dornbusch wird das unaussprechliche Ineinander von Gnade und Gericht sichtbar. Das Schauspiel, das Mose anlockte, ist von einer »tiefen Hintergründigkeit«. »Gottes Nähe ist verzehrende brennende Glut.« Gleichzeitig aber ist »Gottes Hitze« nicht einfach zerstörende, »sondern wunderbar erhaltende Macht«. Das Zeichen, mit dem Gott Mose auf seine Nähe aufmerksam macht, ist der brennende und doch nicht verbrennende Busch. »Mose, der Mörder, steht vor diesem Zeichen Gottes, das ihn, den Schuldigen, richtet und zugleich rettet.«
– »Zieh deinen Schuh aus.«
In den alten hebräischen Handschriften heißt es nicht: »Zieh deine Schuhe aus.« Dies ist erst eine spätere Änderung des Textes bei der Übersetzung ins Griechische, ins Lateinische und ins Aramäische. Der ursprüngliche Text lautet: »Zieh deinen Schuh aus.« Schuhe dienten in alttestamentlicher Zeit nicht nur als Fußbekleidung, sie spielten bei symbolischen Handlungen eine entscheidende Rolle. Seinen Schuh auf etwas werfenb ist Zeichen der Besitznahme. Das Ausziehen des Schuhesc ist die symbolische Handlung für Besitzabtretung bzw. Besitzverzicht. Als der Verwandte, der Rut am nächsten stand, »der sogenannte Löser«, seine Rechte abgetreten und zu Boas gesagt hatte: »Kaufe du es für mich«, da zog er seinen Schuh aus (Rt 4,8).
Wenn Gott zu Mose sagt: »Zieh deinen Schuh aus«, so ist dies als Symbolhandlung zu verstehen. Mose soll auf alles eigene Übersich-Verfügen-Wollen verzichten. Er soll das Recht, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, abtreten. Er soll sich ganz und gar in Gottes Hand geben und ihm die Führung seines Lebens und aller Geschicke überlassen. So verstanden, ist der Gestus des Schuhausziehens das Übergabegebet: »Sei du mein Herr, ich übergebe mein Leben dir.« Das Ausziehen des Schuhs ist mehr als eine äußere Gebärde der Ehrfurcht. Die Aufforderung: »Zieh deinen Schuh aus« heißt: »Gott will als der Herr erkannt und anerkannt sein.«
Den beiden Aufforderungen: »Tritt nicht näher heran!« und »Zieh deinen Schuh aus« ist die Begründung beigegeben: »denn der Ort, auf dem du stehst, ist Boden der Heiligkeit«. Die Übersetzung, der Ort ist heiliger Boden, ist falsch oder zumindest mißverständlich. Im hebräischen Denken gibt es keine »heiligen Stätten«. Selbst der Sinai ist nicht heilig. Heilig ist nur Gott, deshalb wird ein Platz, an dem sich Gott dem Menschen kundtut, »Boden der Heiligkeit« genannt. Wann immer sich Gott in seiner Heiligkeit einem Menschen offenbart, erfordert dies vom Menschen ein entsprechendes Verhalten. Mose hört die Worte: »Tritt nicht näher heran! Zieh deinen Schuh aus.«

Bräumer – Wuppertaler Studienbibel

eine große Volksmenge

Nach diesem sah ich: und siehe, eine große Volksmenge, welche niemand zählen konnte, aus jeder Nation und aus Stämmen und Völkern und Sprachen, und sie standen vor dem Throne und vor dem Lamme, bekleidet mit weißen Gewändern, und Palmen waren in ihren Händen.
Elberfelder 1871 – Offb 7,9

Nach diesem sah ich, und siehe! eine große Menge (vieles Gedränge), die niemand zählen konnte, aus allen Völkerschaften und Stämmen, und Völkern und Zungen vor dem Thron und vor dem Lamme stehen, mit weißen Gewändern umkleidet und Palmen in ihren Händen; 3Mo 23,39.40; Ps 92,13.14; Joh 12,12.13.
Tafelbibel mit hinzugefügten Sachparallelstellen – Offenbarung 7,9

Anschließend konnte ich sehr viele Leute auf einem Haufen sehen. Es waren zu viele, um sie zu zählen. Sie kamen aus allen Ländern, aus verschiedenen Nationen und Kontinenten auf dieser Welt, mit unterschiedlichen Sprachen. Alle standen vor dem Chefsessel, wo das Lamm draufsaß. Sie waren mit weißen Kleidern gestylt und trugen als Zeichen, dass sie gewonnen hatten, eine Medaille um den Hals.
VolxBibel – Offenbarung 7:9

Offb 7:9-12 : Weiße Gewänder wurden im Tempelgottesdienst getragen, auch bei der kultischen Verehrung der kleinasiatischen Gottheiten; Palmzweige gehörten vor allem in den Rahmen des Laubhüttenfestes. In der Zukunft sollten die Übriggebliebenen, der Rest der Gerechten aus allen Völkern, hinaufgehen nach Jerusalem, um beim Laubhüttenfest anzubeten ( Sach 14,16 ); wie in den apokalyptischen Schriften ist das künftige irdische Reich in gewissem Sinn im Himmel schon Realität. Mit Palmzweigen war der Sieg des Auszugs der Israeliten aus Ägypten gefeiert worden, und bei diesem Fest gedachte Israel der Treue Gottes zu seinem Volk, als es während der Wüstenwanderung ganz auf ihn angewiesen war. Manche Forscher sehen in der großen »Schar« hier die Märtyrer oder auch die Märtyrerin Kirche von 6,11 . Die Wendung »die niemand zählen konnte« bedeutet, dass die Menge riesenhaft war, nicht aber unendlich (* 3.Makk 4,17; sie könnte auch eine Zahl bezeichnen, die so groß war, dass sie auch mit dem Bild vom Sand am Meer hätte beschrieben werden können).

Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

Der Seher sieht eine Riesenversammlung. Sie ist übernational und überkonfessionell, auch die Rassenfrage ist hier gelöst. Johannes als Jude zeigt mit diesem Bericht, wie er selbst mit allem falschen jüdischen Denken bereits gebrochen hat. Auf jeden Fall ist der Ertrag der Verkündigung von Jesus sehr groß. Ihre Kennzeichen sind die Vergebung und Reinigung, die sie erhalten haben (weiße Kleider), und der Sieg, der ihnen geschenkt wurde (Palmzweige). Keiner schreibt sich selbst irgendein Verdienst zu, alle preisen den lebendigen Gott und den gekreuzigten Herrn.

Bruns – Die Bibel mit Erklärungen

Die Menschen, die in diesem Abschnitt beschrieben werden, sind Heiden aus »jeder Nation und aus Stämmen und Völkern und Sprachen«. Sie stehen »vor dem Thron und dem Lamm, bekleidet mit weißen Gewändern« (die gerechten Taten der Heiligen; s. 19,8). Sie halten »Palmen in ihren Händen«, ein Symbol des Sieges.
7,10 Dies sind Heiden, die während der Großen Trübsal gerettet werden, indem sie ihr Leben Christus anvertrauen. In ihrem Lied besingen sie ihr »Heil« und sprechen es ihrem »Gott … und dem Lamm« zu.

MacDonald – Kommentar zum Neuen Testament

Als der Apostel Johannes auf der Insel Patmos über die Jahrhunderte hinweg die Zeit der Wiederherstellung Israels auf der neu erschaffenen Erde schaute, bezeugte er: »Danach sah ich eine riesige Menschenmenge – viel zu groß, um sie zählen zu können – aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen vor dem Thron und vor dem Lamm stehen. Sie waren mit weißen Gewändern bekleidet und hielten Palmzweige in ihren Händen. Und sie riefen laut: ›Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm!‹ Und alle Engel standen rings um den Thron und um die Ältesten und die vier lebendigen Wesen. Und sie fielen vor dem Thron nieder und beteten Gott an. Sie riefen: ›Amen! Lob und Herrlichkeit und Weisheit und Dank und Ehre und Macht und Stärke gehören unserem Gott für immer und ewig. Amen!‹ … [das Lamm ist] Herr über alle Herren und König über alle Könige …; und die, die zu ihm gehören, werden die Berufenen und die Auserwählten und die Treuen genannt.« (Offenbarung 7,9–12;17,14 NLB) »Dann hörte ich das Rufen einer großen Menge. Es klang wie das Tosen des Meeres und wie lautes Donnerrollen. Sie riefen: ›Halleluja – Preist den Herrn! Der Herr hat nun die Herrschaft angetreten, er, unser Gott, der Herrscher der ganzen Welt! Wir wollen uns freuen und jubeln und ihm die Ehre geben!‹« (Offenbarung 19,6.7a GNB)

Ellen White – Macht und Ohnmacht: Das geteilte Israel und die große Verheißung

Den Lobpreis, welchen die Heiligen (und wie mir scheint auch die heidnischen Gläubigen) darbringen. Beachten Sie:
Die Körperhaltung dieser Heiligen bei ihrem Lobpreis: Sie „standen vor dem Thron und vor dem Lamm“, vor dem Schöpfer und vor dem Mittler. Während der heiligen Anbetung kommen wir ganz nah zu Gott und dürfen uns als in seiner ganz besonderen Gegenwart begreifen. Und wir müssen in Christus zu Gott kommen. Der Thron Gottes wäre für Sünder unnahbar, wenn es keinen Mittler gäbe.
Ihre Kleidung: Sie waren „bekleidet mit weißen Kleidern, und Palmzweige waren in ihren Händen“, wie Sieger in ihrem Triumph aufzutreten pflegten: Was für eine glorreiche Erscheinung werden die treuen Diener Gottes am Ende sein, wenn sie „den guten Kampf gekämpft“ und „den Lauf vollendet“ haben.
Was sie taten: „Und sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Das Heil ist bei unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und bei dem Lamm!“ Dies kann man entweder als ein Hosianna verstehen: dem Anspruch Gottes und des Christus in der Gemeinde und in der Welt wohlgeneigt zu sein. Oder als ein Halleluja: Gott und dem Lamm den Lobpreis für die große Erlösung zu geben. Der Vater und der Sohn werden in diesem Lobpreis zusammengefasst; der Vater plante dieses Heil, der Sohn erwarb es, und diejenigen, die es besitzen, müssen und werden den Herrn und das Lamm loben.

Der Neue Matthew Henry Kommentar – Offenbarung


Und – siehst du dich selbst auch als jemandem, der es nicht verdient hat – und durch Gnade von Gott erhört wird – und IHM deshalb lobt und preist – auch heute schon???

Wer regiert?

Elohim steigt unter Jauchzen empor, (Gott ist gleichsam von seinem himmlischen Thron herabgestiegen, um für sein Volk zu streiten. Jetzt, nach erfochtenem Sieg, kehrt er unter dem Jauchzen seines Volkes wieder in den Himmel zurück. Dieser V.6b ist die Ursache, daß Ps. 47 der Himmelfahrtspsalm der Kirche geworden ist. Denn hat nicht auch Christus durch seine Auffahrt den himmlischen Königsthron bestiegen, als er durch seinen Tod die Macht der Finsternis gebrochen hatte?) / Jahwe beim Klange des Widderhorns. (Das Schofar oder Widderhorn sollte u.a. beim Beginn des Jobeljahres geblasen werden (3Mos 25:8-19): auch Christus bringt den Seinen das große Jahr der Befreiung.)
Ludwig Albrecht – Psalm 47,6

Gott ist emporgestiegen unter Jauchzen, Jehova unter Posaunenschall.
Elberfelder 1871 – Ps 47,6

Unter dem Jubel seines Volkes ist Gott wieder in den Himmel emporgestiegene,
der Schall der Posaunen begleitet ihn, den HERRN.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Ps 47:6

Dem Messias, der als Kriegsmann gekommen war, um seine Feinde zu unterwerfen, wurde nun zugejubelt, weil er unter dem Jauchzen seines Volkes seinen Thron in Jerusalem bestiegen hatte und unter Trompetenklang seinen überwältigenden Sieg verkündete.

MacDonald – Kommentar zum Alten Testament

Aber die Erkenntnis der Weltherrschaft, die sich durch die Epochen der Geschichte hindurch immer mehr ausweitet, bis sie am Tage des sichtbaren Wiederkommens Christi vollendet wird, bedarf dazu des menschlichen Echos, welches das Lob der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde ist. Indem Jauchzen und Posaunenschall sich erheben und den Ort der versammelten Gemeinde erfüllen, wird Gottes Weltherrschaft erfahrbar und Realität. Das meint die Wendung: Gott ist emporgestiegen.

Wuppertaler Studienbibel

Gott fähret auf mit Jauchzen usw. Das ist eine Anspielung auf einen alten Gesetzesbrauch. Bei den heiligen Festen wurde mit Posaunen geblasen. Wie durch den Schall der Posaune ein König bei seinem prächtigen Einzug um die Verehrung seines Volkes warb, so wurde dadurch die Festversammlung aufgefordert, in den begeisterten Lobpreis der göttlichen Macht auszubrechen. Indes weist der Prophet mit diesem vorbildlichen Brauch ohne Zweifel auf eine andere Auffahrt hin, nämlich auf die Auffahrt Christi, da er über alle Himmel sich erhoben, die Herrschaft über die ganze Welt erlangt und mit himmlischer Kraft allen Stolz und Hochmut gebeugt hat. Sehr bemerkenswert ist, dass der Gottesname „Jehovah“, oder wie wir ihn wiederzugeben pflegen: „Herr “, auf die Bundeslade übertragen wird. Wenn darin auch das Wesen oder die Majestät Gottes nicht eingeschlossen oder seine Kraft festgebunden war, so war sie doch auch kein leeres Symbol der göttlichen Gegenwart. Denn wie Gott verheißen hatte, inmitten des Volkes zu wohnen, so lange es nach dem Gesetz ihm diente, so bewies er auch in der Tat, dass er wahrhaft unter ihnen war und nicht vergeblich angerufen wurde. Noch mehr aber gilt das von der Offenbarung der Herrlichkeit, die zuletzt in Christi Person erstrahlte. Alles in allem: wenn die Hörner nach der Vorschrift des Gesetzes bei den Juden geblasen wurden, so war dies nicht ein leerer Schall, der bloß die Luft erfüllte; denn Gott, der in der Bundeslade ein Pfand und Wahrzeichen seiner Gegenwart gegeben hatte, war wahrhaftig in jener Versammlung zugegen. Das gibt dem Propheten Anlass, die Gläubigen zu ermahnen

Jean Calvin – Aus dem Psalmenkommentar

Psalm 47 ist ein hervorragendes Zeugnis für diese Sichtweise. Hier wird das Thema der Himmelfahrt Jahwes angekündigt: Gott (Jahwe) ist unter Jubelrufen und mit dem Klang des Schofars (der Trompete) „aufgefahren“ (aufgefahren):

Anderson – Kurse der alttestamentlichen Theologie
       Gott ist mit einem Jubelruf aufgestiegen,
         der Herr [Jahwe] mit dem Schall der Trompete.
       Singt Gott ein Loblied, singt Loblieder;
         lobt unseren König, lobt ihn.
                       -Ps. 47:5-6

Da jedoch der irdische Tempel als Gegenstück zum himmlischen betrachtet wurde, symbolisierte das Drama nach dem Prinzip der Beziehung zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos Jahwes Aufstieg zum himmlischen Thron.11 So regiert „der große König“ (47:2) nicht nur in Zion, wo Lobeshymnen gesungen werden, sondern über die ganze Erde.

Anderson – Kurse der alttestamentlichen Theologie

„Liebe Geschwister / Brüder“?

der Versammlung Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christo Jesu, den berufenen Heiligen, samt allen, die an jedem Orte den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, sowohl ihres als unseres Herrn
Elberfelder 1871 – 1 Kor. 1,2

an die Gemeinde Gottes in Korinth, an alle, die durch die Verbindung mit Jesus Christus für Gott ausgesondert und zu seinem heiligen Volk berufend sind. Darüber hinaus gilt unser Brief allen, die sich zu Jesus Christus, unserem gemeinsamen Herrn, bekennen und seinen Namen anrufen, wo sie auch sind.
Gute Nachricht Bibel 2018 – 1.Kor. 1,2

Paulus, Apostel Jesu Christi, von Gott selbst berufen und beauftragt, an die Gemeinde Gottes in Korinth. Zusammen mit dem Bruder Sosthenes grüße ich euch, die ihr durch Jesus Christus Gottes Eigentum geworden seid. Gott hat euch berufen, und ihr gehört zu seinem heiligen Volk, genauso wie an jedem anderen Ort alle dazugehörena, die den Namen Jesu Christi im Gebet anrufen, den Namen ihres und unseres Herrn.
– wörtlich:
Paulus, berufener Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, und der Bruder Sosthenes 2 an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist, die Geheiligten in/durch Christus Jesus, die berufenen Heiligen, mit allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, ihres und unseres ´Herrn. – Nach anderer Auffassung bezieht sich ihres und unseres auf Ort, sodass zu übersetzen wäre: … anrufen, ob bei euch ´in der Provinz Achaia oder bei uns hier ´in Ephesus / in der Provinz Asien`.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 1.Korinther 1:1–2

an die herausgerufene wesentliche Gottesgemeine in Korinth, ein für allemal Geheiligte in Dem Gesalbten Jesus, berufene Heilige, zusammen mit allen Anrufern des Namens unsres Kyrios Jesus, Des Gesalbten, an jeglichem Ort bei ihnen und bei uns:
Pfleiderer-Übersetzung – 1.Korinther 1:2

Die Heiligen« sind die »Ausgesonderten« ; »Geheiligt« bedeutet soviel wie »ausgesondert für Gott«. Diese Bezeichnung wurde im A.T. für Israel gebraucht, das Volk, das Gott, als er es erlöste, für sich selbst ausgesondert hatte, damit es – im Gegensatz zu den es umgebenden Völkern – ganz für ihn lebe.

Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

τῇ ἐκκλησίᾳ erg. ἐπιστέλλομεν schreiben, m. flgd. Dat. des Adressaten (A376a). οὔσῃ Ptz. Fem. εἰμί, attr. Κόρινθος ἡ Korinth, Stadt in der röm. Provinz Achaia. ἡγιασμένοις Pf. Ptz. Pass. ἁγιάζω91 heiligen; subst. ἐπι-καλουμένοις Ptz. Med. ἐπι-καλέω37 anrufen, herbeirufen; Med. (für sich) anrufen (B 2b); subst.; σὺν πᾶσιν τοῖς ἐπικαλουμένοις τὸ ὄνομα τοῦ κυρίου ἡμῶν erweitert die Adressatenangabe, also etwa: mit diesen zusammen an alle, die den Namen unseres Herrn anrufen. αὐτῶν καὶ ἡμῶν auf τόπος od. auf κύριος bezogen: bei ihnen und bei uns od. ihres wie auch unseres (Herrn).

Neuer Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament

Nach dem Absender wird nun der Empfänger dieses Briefes genannt: »Der Gemeinde Gottes zu Korinth.« Was wir von der christlichen Gemeinde in Korinth wissen (vgl. Einleitung), wissen wir eben aus den beiden Korintherbriefen und den knappen Angaben der Apostelgeschichte (vgl. Apg 18,1-8; 19,1). Historisch gesehen stehen wir also bei der Erhellung der damaligen Zeitumstände und Lage dieser Gemeinde in einem Kreis: Wir müssen die geschichtlichen Umstände aus den Briefen des Paulus erheben und sie doch zur Auslegung der Briefe schon zugrunde legen. Das kann nur in größter Zurückhaltung geschehen. Sicher ist der historische Hintergrund für das Verständnis der biblischen Texte unverzichtbar. Doch wird gerade heute in der Bibelauslegung das Historische oft weit überschätzt, ja zur bestimmenden Norm der Auslegung gemacht. Wer die Historie kennt, kennt noch nicht die Wahrheit, und das gilt ganz besonders für das Wort der Offenbarung Gottes, das die Bedingtheiten und Grenzen historischen Geschehens in Zeit und Raum überschreitet. Gott handelt ganz gewiss in der Historie, ebenso gewiss aber ist er nicht Teil der Geschichte; vielmehr: Gott erst setzt Geschichte. Historische Aussagen sind immer Wahrscheinlichkeitsangaben; mit letzter Genauigkeit lässt sich kein vergangenes Ereignis festhalten. Doch gilt: Ohne seine Geschichtlichkeit steht das biblische Wort in Gefahr, unverbindlich zu werden. Deshalb sehen wir die historische Erforschung der biblischen Texte als notwendig an, allerdings nicht als allein bestimmend für das Verständnis des Wortes. Gerade für die historische Gründung der biblischen Berichte gilt der Grundsatz: Nicht Tradition schafft Geschichte, sondern Geschichte schafft Tradition. Die biblischen Berichte stehen auf historisch sicherem Grund – so urteilen gerade heute Historiker, sogar streng orthodoxe Juden.

Wir lassen uns durch Apostelgeschichte und Korintherbriefe hineinnehmen in die historische christliche Gemeinde in der griechischen Hafenstadt Korinth, mit ihren Problemen, Kämpfen und Freuden, und wollen dem allem gewissenhaft nachgehen. Doch sehen wir mehr in diesen Briefen als historische Dokumente; wir hören hier das durch die Zeiten bis heute lebenschaffende, geistdurchhauchte göttliche Wort, ausgerichtet durch den inspirierten Apostel Paulus und geistmächtig auch heute unter uns. In diesem Brief begegnen wir so nicht nur der historischen Gemeinde in Korinth. Wir begegnen hier dem lebendigen Christus, der in seinem Wort unser Leben verwandelt und erneuert. Die Kategorie der Begegnung mit dem biblischen Zeugnis ist personal.

Paulus sagt eben dasselbe in seinen knappen Worten. Zwar ist er der Gründer der christlichen Gemeinde in Korinth; er nennt sich ihr »Vater« (1Kor 4,14ff.; vgl. Apg 18,1-17), doch redet er sie nicht als »seine« Gemeinde an. Historisch geht die christliche Gemeinde auf die Predigt des Paulus zurück; der geistgeleitete Blick aber sieht hinter das Historische: Die Gemeinde ist »Gemeinde Gottes zu Korinth« (wörtlich: »Gemeinde Gottes, die in Korinth ist«). Gott selbst hat sich in der Stadt Korinth Gemeinde erweckt. Er ist und war der Handelnde. Der Apostel war Werkzeug, aber damit Ausführender des göttlichen Willens. Hier ist die geistliche Tiefe der Gründung der christlichen Gemeinde in Korinth aufgedeckt, wo das Historische nur die Oberfläche sieht. Alles historische Geschehen ist erst recht erfasst mit dem Bekenntnis: Gott ist der Handelnde. Gott wirkt Geschichte, Gott allein setzt Geschichte. Mit dieser Kennzeichnung als »Gemeinde Gottes« ist die Gemeinde in Korinth aber auch jeder menschlichen Verfügung entnommen. Schon die wörtliche Bedeutung von Gemeinde« (nämlich: »Herausgerufene«) vermag vor dem Missverständnis zu bewahren, als ob Menschen in der christlichen Gemeinde das Sagen hätten. Christliche Gemeinde ist von ihrem Anfang her, von ihrem Fortgang bis zu ihrer Vollendung, ganz allein Gottes Handeln. »Gemeinde« ist die Schar der von Gott Gerufenen, die seinen Ruf beantwortet. Er allein baut, erhält und vollendet seine Gemeinde (vgl. Ps 74,2; Mt 16,18; Apg 2,47; 1Kor 12,28; Eph 1,22; 5,23-29; Kol 1,18-24).

»In Korinth«, in der sprichwörtlich lasterhaften, Götzen dienenden Hafenstadt (vgl. Einleitung), hat sich Gott Menschen gerufen und damit seiner Herrschaft Ausdruck verliehen. Die Gemeinde Gottes lebt nie im zurückgezogenen, stillen und ausgegrenzten Winkel, sondern inmitten der Welt. Gott greift den Satan an seinen stärksten Bastionen an und baut sein Reich auch und gerade dort, wo der Satan seine größten Triumphe der Verführung und Herrschaft zu feiern scheint (vgl. Offb 2,13). Gottes Gemeinde lebt in der Welt, ist aber nicht von der Welt (vgl. Ps 93,1; Mt 5,14; Joh 8,12.23; 15,19; 17,14-18; 18,36; Röm 12,2; 1Kor 5,10; Phil 2,15; 1Joh 2,15-17; 3,1-13; Jak 1,27; 4,4.8; auch 1Mose 20,1; 21,23-24; Apg 7,6; Eph 2,19; 1Petr 1,1; 2,11; Hebr 11,9-13). Das macht die Grußanrede des Apostels deutlich. Er nennt die Christen in Korinth »Geheiligte in Christus Jesus«. »Heilige« sind herausgerufen aus ihrem alten Sein. Sie sind abgesondert von der Welt und Gott selbst zugeordnet.

»Heilige« sind nicht sündlos (vgl. 1Joh 1,8-10), aber sie dienen nicht mehr der Sünde (vgl. Röm 5,20-21); »Heilige« können nicht auf einen Schatz selbstgeleisteter guter Werte verweisen; sie sind »in Christus Jesus« geheiligt, dessen Werk sie rettet. »Heilige«, das ist keine Oualitätsaussage zuerst, sondern vielmehr eine Beziehungsaussage. Damit ist der neue Herr benannt. »Heilige« sind die Christen in Korinth, weil sie dem Heiligen gehören (vgl. 2Mose 2Mose 15,11; 2Mose 19,6; 22,30; 3Mose 11,44-45; 5Mose 7,6; Jos 24,19; 1Sam 2,2; Ps 71,22; 99,5; Jes 6,3; 43,15; Mk 1,24; Apg 3,14; 1Petr 1,16; 1Joh 2,20; Offb 3,7; 4,8; 15,4). Sie sind zur Gemeinschaft mit Christus berufen. Paulus nennt sie ausdrücklich »die berufenen Heiligen« – sie konnten sich nicht selbst heilig machen. Nur unter der Herrschaft Jesu Chrisi, als Bürger des Reiches Gottes, werden Menschen zu »Heiligen«. Sie leben von Jesus Christus her, umgestaltet vom Heiligen Geist und seinem Dienstauftrag gehorsam. Nur von diesem Herrn her, von »Christus Jesus«, dem König Gottes aus, sind wir als Nachfolger »Heilige«. Das benennt unseren Herrn, der uns selbst heiligt (vgl. Joh 17,17-19).

Mit den »Heiligen« in Korinth grüßt Paulus auch alle die, »die den Namen unsers Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, bei ihnen und bei uns«. Sein Brief ist zwar zunächst an die Gemeinde in Korinth gerichtet und nimmt deren Fragen und Situation auf, doch ist der Empfängerkreis schon von vornherein ausgeweitet. Paulus rechnet ganz offensichtlich damit, dass der Brief auch in anderen Gemeinden gelesen wird, sicher zunächst in den Nachbargemeinden, etwa in der korinthischen Hafenstadt Kenchräa (vgl. Röm 16,1), wohl aber auch darüber hinaus, etwa in ganz Achaja (vgl. 2Kor 1,1), dem heutigen Südgriechenland. Dreierlei wird daran deutlich: Erstens sehen wir, dass die apostolischen Briefe für die ganze Kirche gedacht sind, also von vornherein den Rahmen eines »Situationsschreibens« an einen beschränkten Empfängerkreis sprengen, obwohl der Anlass gewiss historische Situationen konkreter Gemeinden sind (vgl. auch 2Kor 1,1; Gal 1,2; Eph 1,1; Kol 1,2; 1Petr 1,1; 2Joh 1; Jak 1,1; Jud 1,1). Das Wort Gottes redet in die geschichtliche Situation konkret hinein, aber es geht darin nicht auf. Zum zweiten wird in dieser Empfängerangabe deutlich, dass eine Gemeinde nicht für sich allein besteht, sondern zur ganzen Gemeinde, zur universalen Schar der »Herausgerufenen« gehört. Paulus sieht den »Leib Christi« umfassender als eine Ortsgemeinde; Gott baut sein Reich weltweit (vgl. Mt 28,16-20; Apg 1,8). Korinth ist Teil der »Gemeinde Gottes«, aber nicht allein solche Gemeinde.

Darin liegt auch eine demütige Einordnung, und gerade hier wird Paulus den geistlichen Hochmut der Korinther zu tadeln haben (vgl. 1Kor 11,16; 14,34; auch 1Kor 16,1ff.). Und zum dritten wird darin ein Grundsatz der paulinischen »Missionsstrategie« deutlich: Korinth war für ihn Zentrum der Verkündigung für mehr als eineinhalb Jahre (vgl. Apg 18,11). Dann aber zog er weiter, ohne die umliegenden Dörfer und Städte alle zu missionieren. Das war nun Aufgabe der Gemeinde in Korinth. So kann er in Römer 15,23 davon sprechen, dass »er nun nicht mehr Raum habe in diesen Ländern« und weiterreisen wolle nach Rom und Spanien. Der Apostel macht mit seiner Verkündigung den Anfang; nun sind die jeweiligen Ortsgemeinden in die Pflicht genommen, die frohe Botschaft in ihrem Umkreis zu verkündigen. »Das Haus des Stephanas« (vgl. 1Kor 1,16 und 1Kor 16,15), die Mitglieder dieser Familie, von ihm selbst getauft, nennt Paulus deshalb »die Erstlinge in Achaja«. Wo die Flamme des Evangeliums angezündet ist, da leuchtet sie hinaus und wird weitergetragen. Mit der Umkehr und Taufe des Stephanas und seiner Familie in Korinth ist das Licht für ganz Achaja angezündet (vgl. Mt 5,13-16; Röm 1,8; 2Thess 1,4; auch 1Petr 2,12-17; 4,16; Offb 2,13; 3,8-9).

Der Apostel schließt sich in der Beifügung »an jedem Ort, bei ihnen und bei uns«, mit allen Christen dieser Gemeinden zusammen. Er selbst steht nicht über oder außerhalb der Gemeinden Gottes, sondern ist »Glied am Leibe«, betraut mit einer besonderen Aufgabe. Gerade Paulus, der Demütige, hat sich nie als Herrscher der Gemeinden verstanden, vielmehr immer als berufener Diener, gewürdigt zum Dienst an, in und für die Gemeinde Gottes.

Es weist auch in die konkrete Versammlung der jeweiligen Gemeinde, wenn Paulus die Christen als solche grüßt, »die den Namen unsers Herrn Jesus Christus anrufen«. Das Gebet zu Jesus Christus als dem Herrn unterscheidet Christen von Juden und Heiden. »Herr ist Jesus Christus«: so bekennt die christliche Gemeinde die Göttlichkeit Jesu, und von dorther ruft sie ihn im Gebet in Bitte, Fürbitte, Dank und Anbetung an. »Den Namen des Herrn anrufen« ist ein bekannter Ausdruck aus dem AT, der die lebendige Verbindung Israels zu seinem Gott kennzeichnet (vgl. 2Mose 20,7; 5Mose 32,3; 2Sam 22,50; 1Kön 18,24; Ps 7,18; 25,11; 31,4; 63,5; 72,19; 79,9; 92,2; 116,4; 148,5; Jes 41,25; Jer 14,7; 14,21; Joel 3,5; Zeph 3,9). Gott hat seinen Namen Israel wissen lassen (vgl. 2Mose 3,1-15) und diesem Volk damit die volle Gemeinschaft gewährt. Nun ist in Jesus Christus Gottes »neuer, letzter« Name uns Menschen gegeben, damit wir ihn anrufen (wörtlich: »herbeirufen, zu Hilfe rufen«) können. Christen sind Menschen, die beten (vgl. Mt 6,5-13; 26,41; Mk 13,33; Lk 18,1ff.; Lk 21,36; Apg 1,14; 9,11; 12,5-12; 13,3; Röm 15,30; Eph 6,18; 1Thess 5,17; Jak 5,13; Jud 1,20). Sie beten Jesus Christus an und erwarten alles von ihm. Das Wort Joel 3,5: »Wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll errettet werden« wird mit letzter Klarheit in Jesus Christus deutlich. »In keinem andern ist das Heil, ist auch kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden«, als allein der Name Jesu (Apg 4,12; vgl. zu Joel 3,5; Apg 2,21 und Röm 10,13). In Jesus Christus ist das Rettungshandeln Gottes Person geworden: Christen sind Leute, die den Retter kennen und ihn im Gebet anrufen.

Gerhardt Maier – Edition C

Die Gemeinde in Korinth wird von Paulus vierfach charakterisiert. Er nennt sie „Versammlung / ekklesia Gottes“. Das Wort hat noch seinen profanen Sinn: Versammlung an einem konkreten Ort – wie in Korinth so auch an anderen Orten (16,1.19). Diese Ortsversammlungen haben untereinander z. T. rege Kontakte. Doch denkt Paulus noch nicht an eine „Kirche“ im übergreifenden Sinne. Für ihn ist jede einzelne Versammlung von Messiasgläubigen Volk Gottes an diesem Ort. Sie beerbt Israel nicht, sondern kommt in Solidarität hinzu. Das Wort ekklesia knüpft neben seiner profanen Bedeutung an die alttestamentliche Geschichte Gottes mit dem Volk Israel an. Kahal Adonaj wird in der Septuaginta auch mit ekklesia Gottes wiedergegeben und bezeichnet z. B. die Vollversammlung Israels am Sinai (Dtn 4,10) oder die gottesdienstliche Gemeinde (Ps 35,18). Das Wort synagoge kann im selben Sinne gebraucht werden. Ein Neben- oder Gegeneinander von Ekklesia als christlicher Kirche und „der“ Synagoge als Judentum gibt es zu dieser Zeit noch nicht. In der Stadt Korinth gab es Raum für große Versammlungen zu unterschiedlichen politischen Zwecken (s. z. B. Apg 18,12–17). Solche Versammlungen standen den Menschen vor Augen, wenn sie das Wort ekklesia hörten. Deshalb hat das Wort eine deutliche politische Doppelsinnigkeit: Die Versammlung Gottes ist eine Alternative zur städtischen Volksversammlung, in der die jeweils politisch Herrschenden ihre Interessen darstellen und durchsetzen. So ist die Gemeinde als „alternative Gesellschaft […] in der Geschichte Israels verwurzelt und steht im Gegensatz zur pax Romana.“
Dass die an den Messias Glaubenden Gerufene und Heilige genannt werden, stellt erneut ihre Beziehung zum Gott Israels in den Mittelpunkt. Gott hat sie gerufen wie er den Apostel gerufen hat (1,1). Diese Berufung (z. B. 7,17) oder auch Erwählung (1,28) hat ihr Leben grundlegend verändert. Sie leben nun dem göttlichen Auftrag entsprechend nach der Tora (7,17 s. dort). Die Bezeichnung „Heilige“ knüpft an die Heiligkeit des Volkes Israel an (Lev 19–20). Die Heiligkeit der Gemeinde wird im 1 Kor nachdrücklich herausgestellt. Die Gemeinde ist Ort der Gegenwart Gottes (3,16) und sie ist Leib Christi (12,12.27).
Die ausführliche theologische Würdigung der Gemeinde in der Adresse des Briefes schließt Paulus ab, indem er diese Gemeinde in die weitere Gemeinschaft aller, die den Namen unseres Kyrios Jesus Christus rufen, einbezieht.
Die Wendung ist durchaus wörtlich zu nehmen: Die Glaubenden rufen öffentlich: „Jesus ist unser Befreier“ / kyrios Jesus (s. 12,3). Der Name, der gerufen wird, ist der Name „Jesus“. Jesus ist ein alltäglicher Name für jüdische Männer (Joschua, Jeschua). Im frühen Christentum erhält dieser alltägliche Name als Eigenname dieses Messias, der von Rom gekreuzigt und von Gott erweckt wurde, theologische Bedeutung. Jesus erhält diesen Namen von Gott, damit in diesem Namen sich die Knie der „himmlischen, irdischen und unterirdischen“ Mächte beugen sollen (Phil 2,10). Mit diesen Mächten sind Kräfte bezeichnet, die die Erde und die Menschenwelt knechten (s. 3,22; 15,24; weitere Erklärung s. zu 15,24). Der Name Jesus verkörpert die von Gott bewirkte Befreiung, denn Jesu Schicksal war bestimmt von der Erniedrigung. Gott setzte seinem Tod und seiner Erniedrigung ein Ende. Er wurde von Gott erhöht. Eine weitere Theologie des Namens Jesus findet sich in Mt 1,21.23. Wenn die Menschen den Namen Jesu anrufen, stellen sie sich in die Gemeinschaft mit dem von Gott aus der Gewalt und dem Tod befreiten jüdischen Mann. So wird er für sie zum Kyrios / Herrn, zum Befreier.
Das Wort kyrios ist ebenfalls ein Wort aus dem gesellschaftlichen Alltag zur Zeit des römischen Reiches. Es bezeichnet gängige Herrschafts- und Hierarchieverhältnisse: über Sklavinnen und Sklaven, Abhängige (vom pater familias) innerhalb der Familie, des oikos / Haushalts, und politische Herrschaftsverhältnisse. Der Kaiser in Rom ist kyrios / dominus der Völker im Imperium Romanum. Wenn in diesem Kontext Menschen Jesus für sich zum alleinigen (s. 8,6) kyrios erklären, werden zum mindesten alle anderen Herrschaftsverhältnisse, in denen jede Frau und jeder Mann leben, relativiert und in Frage gestellt. So verändert der Gebrauch dieses Wortes die Beziehungen, in denen die Einzelnen leben. In den christlichen Handschriften der LXX und in neutestamentlichen Schriftzitaten wird das Wort kyrios als Platzhalterwort für den Gottesnamen verwendet. Deshalb ist diskutiert worden, ob die kyrios-Bezeichnung Jesus auf eine Stufe mit dem Gott Israels stellt. Diese Schlussfolgerung blendet den Alltagsbezug des Wortes aus. Sie ist zudem auf dem Hintergrund des jüdischen Monotheismus problematisch. Eher ist anzunehmen, dass das Wort kyrios durch seinen Alltagsbezug für Herrschaftsbeziehungen für Jesus gebraucht werden kann, ohne dass eine Gleichbenennung mit dem Ersatzwort für das Tetragramm empfunden wird. Es erhält seinen Sinn durch den Gegensatz zu den alltäglichen Herrschaftsverhältnissen.

Schottroff 2013 – Theologischer Kommentar zum Neuen Testament

Wenn ich mir die Kommentare so durchlese – auch die die ich hier nicht zitiert habe – dann kommt das Gefühl hoch, dass die meisten Menschen, die sich heute „Christen“ nennen, NICHT zu den von Gott berufenen gehören! Denn das Leben dieser Menschen spiegelt in keiner Hinsicht Gottes Wirken wieder. Aber zum Glück ist die Entscheidung, wer zur „Familie“ gehört, die Entscheidung Gottes!

Lichtspender?

Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: daß Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist.
Elberfelder 1871 – 1 Joh 1,5

Das ist die Botschaft,
die wir von Jesus Christus* gehört haben
und die wir euch verkünden:
Gott ist Licht (- Das Licht ist das erste Werk in Gottes Schöpfung. Im übertragenen Sinn bedeutet das Licht Leben, während Dunkelheit für den Tod steht. Im Neuen Testament wird Jesus als Licht der Welt bezeichnet, weil die Menschen durch ihn das ewige Leben erhalten. -):
in ihm gibt es keine Spur von Dunkelheit.
BasisBibel – 1.Johannes 1,5

Dies ist die Botschaft, die wir von ihm* gehört und euch verkünden: «Gott ist Licht -sein Wesen ist Licht (vollkommne Heiligkeit und Wahrheit).- , und in ihm ist keine Finsternis.»
Ludwig Albrecht – 1.Johannes 1:5

Aber die Formulierung „Vater der Lichter“ vermittelt mehr als Gottes Rolle als Schöpfer. Sein Charakter und seine Natur unterscheiden sich grundlegend von denen aller anderen göttlichen Wesen. Wie in anderen antiken Kulturen ist auch in jüdischen Schriften der Glaube weit verbreitet, dass die Sterne himmlische Wesen sind. Diese Vorstellung findet sich im Alten Testament, wo die Söhne Gottes metaphorisch als „die Sterne Gottes“ bezeichnet werden (Hiob 38,7). Jakobus‘ Beschreibung von Gott als „Vater der Lichter“ spricht dann von Gott als dem Schöpfer aller himmlischen Wesen – und betont damit, dass sie erschaffen sind und daher minderwertig sind. Gott allein ist ungeschaffen.
Diese Idee wirft auch Licht (Wortspiel beabsichtigt) auf 1 Johannes 1:5, wo Johannes schrieb, dass „Gott Licht ist“. Sein Punkt war nicht, dass Gott Energieteilchen ist – was bedeuten würde, dass Gott Teil der Schöpfung ist, was Johannes an anderer Stelle ausdrücklich verneint (Johannes 1,1-3). Vielmehr verwendet Johannes den Satz metaphorisch und relativiert ihn, indem er sagt, dass in Gott „überhaupt keine Finsternis ist.“ Nur Gott ist ganz und gar wahr und gut.
Unser Vater der Lichter steht allein als derjenige, der die Zeit und ihre Markierungen geschaffen hat. Die Himmelskörper bewegen sich so, wie er es bei der Schöpfung bestimmt hat, während sein Wesen konstant bleibt. Der Urheber der Veränderung ändert sich selbst nicht. Sein Wesen schwankt nie. Der Vater der Lichter schuf die geistigen Wesen, die seine himmlische Heerschar sind (1. Könige 22,19), aber nur er ist beständig wahr und gut. Ihr Wesen mag schwanken. Sein Wille nicht.

Michael S. Heiser – Die Bibel ungefiltert – Annäherung an die Heilige Schrift nach ihren eigenen Bedingungen

Auch in anderen jüdischen Schriften (vor allem in den Schriftrollen vom Toten Meer) wird das Bild von Licht und Finsternis eingesetzt, um den Gegensatz zwischen den Anhängern der Gerechtigkeit und den Anhängern der Sünde deutlich zu machen, wobei Gott als vollkommen gerecht verstanden wird (vgl. im A.T. z.B. Ps 92,16 ).

Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

Aufbauend auf Johannes 8-9, wo der Messias sich selbst als das Licht der Welt erklärte, betont auch dieser Abschnitt den Begriff des Lichts. Infolge seines Kommens als das Licht haben diejenigen, die in der Finsternis wandeln, die nicht in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes wandeln, keine Gemeinschaft mit Gott. Diejenigen, die im Licht wandeln, haben Gemeinschaft mit Gott, und sie haben Gemeinschaft mit anderen, die auch in diesem Licht wandeln.

Sobald jemand gläubig wird, wird er ein Kind des Lichts. Gläubige werden immer Kinder des Lichts sein, auch wenn sie vielleicht nicht immer im Licht wandeln. Die Verpflichtung des Gläubigen ist es, im Licht zu wandeln. Das bezieht sich besonders auf das Licht des Wortes Gottes, denn es ist das Wort, das dem Gläubigen die notwendige Erleuchtung gibt, damit er weiß, wie er wandeln muss. Wenn der Gläubige im Licht wandelt, dann hat er Gemeinschaft mit Gott. Der Gläubige hat nicht nur Gemeinschaft mit Gott, indem er im Licht wandelt, er hat auch Gemeinschaft mit anderen, die im Licht wandeln. Man kann immer erkennen, dass ein Gläubiger in Sünde lebt, wenn es einen plötzlichen Bruch der Gemeinschaft zwischen ihm und anderen Gläubigen gibt.

Arnold Fruchtenbaum – Channukah (Das Fest der Einweihung)

Ohne jede weitere Einleitung stellt Johannes nun einen Hauptsatz an den Anfang seines Schreibens: »Gott ist Licht.«
Das ist eine Seinsaussage und eine Handlungsbeschreibung Gottes. Johannes beruft sich dabei auf das, was er bei und von Jesus gehört hat. Er fasst die Verkündigung des Herrn mit diesem Satz zusammen (denn uns ist kein direktes Jesuswort überliefert); »Gott ist Licht.«
Der Sache nach aber trifft er damit die Gottesverkündigung des Sohnes genau. Der Sohn verkündet die Herrlichkeit des Vaters (vgl. Mt 6,13; 16,27; 19,28; 25,31; vgl. auch Joh 1,14; 11,40; Apg 7,2; 7,55; Röm 1,23; 6,4; Eph 1,17; Tit 2,13; Offb 15,8; 21,23).
Auch das AT bezeugt die Lichtsgestalt und Herrlichkeit Gottes (vgl. Ps 36,10; 43,3; 44,4; 89,16; 104,2; Dan 2,22; vgl. auch Mt 17,2; Joh 1,7f.; Kol 1,12; 1Tim 6,16; Jak 1,17; Offb 22,5).
Jesus redet von sich selbst als dem Licht und zeigt sich damit in seiner Einheit mit dem Vater (vgl. Joh 8,12; 9,5; 12,35f.; Joh 12,46; vgl. auch Lk 2,32; Jes 9,1; 42,6; 60,1.19). So sagt Johannes, was er von Jesus gehört hat.
Die »Botschaft«. die er im Hören auf Jesus weitersagt, ist nicht nur wortgetreues Nachsprechen, sondern geistgewirktes Zusammenfassen und eben darin Gotteswort. Der griechisch Begriff für »Botschaft« (angelia) steht nur hier und in 1Joh 3,11 und unterstreicht damit in seiner Grundbedeutung, dass es »Gotteskunde, Gottesnachricht« ist.
»Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen«, damit ist noch einmal der geschichtliche Weg des Gotteswortes eindeutig festgehalten: Vom Herrn über die Apostel an die Gemeinde. »Erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist«, fasst Paulus zusammen (Eph 2,20), und Jesus selbst sagt im Missionsbefehl: »… und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe« (Mt 28,20).
Martin Luther drückt es in seiner Erklärung zum dritten Glaubensartikel aus: »… sondern der Heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen…« So geht die Kette des Glaubens. Den Aposteln fällt hier die Grundlegung, die erste Nachricht zu. Das ist auch eine deutliche Absage an alle gnostische Selbstanmaßung damaliger und heutiger »Lehrer«, die sich auf unmittelbare Gottesoffenbarungen, geheimstes unmittelbares Wissen berufen. Alle Gottesverkündigung muss sich am »Wort des Herrn« und damit am biblischen Wort messen lassen. Widerspricht es dem biblischen Wort, ist es ein anderer Geist. Die Bibel, das Zeugnis, die Gottesnachricht der berufenen Urzeugen ist alleiniger Maßstab des Glaubens. Von dorther wird deutlich, dass auch der Verfasserfrage der biblischen Schriften ein wichtiger Rang zukommt. Allzu oft führt die Bestreitung der bezeugten Verfasserschaft zu einer Bestreitung des göttlichen, geistdurchhauchten Wesens der Schrift selbst.

Die Bekenntnisaussage »Gott ist Licht« wird von Johannes ergänzt durch »in ihm ist keine Finsternis« (griechisch mit stärkster doppelter Verneinung, etwa: »Finsternis ist in ihm nicht keine«, also etwa: »Es gibt überhaupt keine Finsternis in ihm«).
Auch hier steht eine klarste Absage an gnostische Irrlehrer im Hintergrund, die Gott zum Prinzip machen, das »Eine« etwa, und die alles, Licht und Dunkel, Gutes und Böses, von ihm ableiten und so ihre Welterklärung stimmig machen. Sehr schnell wird dann die eigene Finsternis, das Dunkle und Böse, entschuldbar, denn es kommt ja auch aus Gott.
Nein, sagt Johannes: »Gott ist Licht.« Sein Wesen und Sein ist klarste, ungetrübte Heiligkeit, Glanz und Lauterkeit. Nicht er ist der Wirker des Bösen.
Woher kommt das Böse? Die Bibel gibt darauf keine letzte Antwort, sondern behaftet uns Menschen dabei: »Du Mensch bist böse« (vgl. 1Mose 8,21). Alle anderen Antworten würden nur von uns ablenken und zu Entschuldigungsargumenten missbraucht werden, die letztlich dann alles doch Gott zuschieben. Auch die biblische Andeutungslinie von Satan, dem gefallenen Engel (vgl. 2Petr 2,4; Jud 1,6; auch Jes 14,12ff.; Hes 28,12-19), lässt vieles offen und ist zur Selbstentschuldigung unbrauchbar. Die Lichtklarheit Gottes und die Finsternis des Bösen haben nichts miteinander zu tun. So ist das »Gott ist Licht« auch ein Trostsatz für den Glaubenden: Er braucht sich nicht vor einem Drohenden, bis jetzt noch nicht Bekannten in Gott zu fürchten. »Gott ist Licht« – das preist ihn in seiner Herrlichkeit und gründet unser Vertrauen zu seiner Klarheit für uns. Denn »Gott ist Licht« ist auch Tunbeschreibung: Das Licht scheint, wärmt, heilt. Gott bleibt nicht ein Lichtglanz der Dreieinigkeit, sondern er macht unsere Finsternis heil, denn »das Licht scheint in der Finsternis« (Joh 1,5). »Gott ist Licht« und macht es so bei uns Menschen hell. Darin ist seine Gnade und sein Heilswille verdeutlicht.

Gerhardt Maier – Edition C

Gott ist Licht; das sagt uns nicht bloß, wie er für sich selbst ist, sondern zugleich, wie er sich uns gegenüber verhält und was er uns tut. Das Licht strahlt in die Welt hinaus, und sein Werk ist, zu scheinen. Es ist nicht nur selbst hell, sondern macht alles hell; denn es geht in unser Auge ein und versetzt uns selbst in die Helligkeit. Gott gleicht dem Licht seiner herrlichen Gnade und vollkommenen Güte wegen. Wie ein heller Strahl kommt seine Wirkung und Gabe zu uns, pflanzt die Wahrheit in unsere Erkenntnis und die Gerechtigkeit in unseren Willen und macht uns dadurch licht.

Schlatter – Erläuterungen zum Neuen Testament