Ich bin umhergeirrt wie ein verlorenes Schaf; suche deinen Knecht! denn ich habe deine Gebote nicht vergessen.
Elberfelder 1871 – Ps 119,176
Heimatlos irre ich umher wie ein Schaf, das seine Herde verloren hat.
Suche doch nach mir, denn ich gehöre zu dir!
Ich habe nicht vergessen, was du befohlen hast.
Hoffnung für Alle – 2015 – Psalm 119,176
Ziellos werde ich sonst und verloren geh’n. Bitte pass auf mich auf, lasse mich nicht im Stich, denn deine Gesetze vergesse ich niemals nicht.
VolxBibel – Psalm 119:176
Der längeste Psalm – und das Thema: ich bin verloren gegangen? Bin ich mir dessen bewußt, dass ich nur der Meinung bin, selbst zu meinem Besten entscheiden zu können – dass aber nur Jehovah wirklich mein Bestes im Sinn hat?
Da haben wir, wie schon im manchem ältern Post geschrieben, den Konflikt zwischen Schaf und Böckchen. Beides süße Tiere – aber so sehr unterschiedlich im Charakter.
Sie sind arme, abhängige Geschöpfe. Sie sind immer auf den Hirten angewiesen, oder der Hirte auf sie.
Thomas Manton – Das Gleichnis von den Schafen und den Ziegen
[1.] Wegen ihrer Verirrung. Sie sind Tiere, die sich gerne verirren; aber wenn sie sich verirrt haben, kehren sie nicht so leicht zurück. Schweine laufen den ganzen Tag umher und finden in der Nacht wieder nach Hause. Domine, errare per me potui, redire non potuissem, sagt Austin. Christus bringt das verirrte Lamm auf seinen eigenen Schultern nach Hause (Lukas 15); und Ps. 119:176: „Wie Schafe sind wir alle in die Irre gegangen“. Wenn Gott uns uns selbst überlässt, werden wir es trotzdem tun.
(2.) Wegen ihrer Schwäche. Sie sind schwache und unbeständige Geschöpfe, die sich nicht wehren können. Andere Lebewesen können sich durch Klugheit, Geschicklichkeit oder Mut schützen, aber Schafe können nur wenig für sich selbst tun; sie sind völlig auf den Schutz und die Versorgung durch ihren Hirten angewiesen. Ihr ganzes Glück liegt in der Weisheit, Fürsorge und Kraft des Hirten. Wölfe, Löwen und Leoparden brauchen niemanden, der über sie wacht. Dornen und Sträucher wachsen von allein, aber der edle Weinstock ist ein zartes Pflänzchen, das gestützt, beschnitten und gepflegt werden muss. Je höher das Wesen, desto bedürftiger ist es und desto mehr wird es in Abhängigkeit gehalten. Es braucht mehr Pflege, um eine Pflanze zu erhalten, als einen Stein; ein Stein kann leicht Moos anhäufen und sammeln. Ein Tier braucht mehr Vorräte als eine Pflanze, und ein Mensch braucht mehr Vorräte als ein Tier.
(3.) Die Gottlosen sind wie Böcke. Sie sind wie Ziegen, weil sie ungehobelt und unrein sind. Widerspenstigkeit: Sie sind nicht sanftmütig wie Schafe, sie sind bereit, jeden Zaun und jede Beschränkung zu durchbrechen; so ist ein böser Mensch jochlos. Sie sind auch mutwillig und abscheulich; es ist eine niedere Art von Tier als das Schaf; deshalb werden sie ausgewählt, um einen bösen und gottlosen Menschen darzustellen.
Der zweite Punkt, der zum Ausdruck gebracht wird, ist der, dass es zwar jetzt eine Vermischung von Frommen und Bösen gibt, wie von Böcken und Schafen auf demselben Feld, aber dann wird es eine vollkommene Trennung geben.
Es wird dann nicht mehr einer von der einen Sorte mit dem anderen zusammen sein: Ps. 50:5: „Er wird seine Heiligen versammeln“; und Hesek. 34:17: „Ich will richten zwischen Vieh und Rindern, Schafen und Böcken“; Ps. 1:5: „Die Gottlosen sollen nicht im Gericht stehen, und die Sünder nicht in der Gemeinde der Gerechten“. Wenn die Heiligen in einer allgemeinen Versammlung zusammenkommen, wird kein einziger Böser unter ihnen zu finden sein. Obwohl sie jetzt zusammen in demselben Reich, in demselben Dorf, in derselben sichtbaren Kirche, in derselben Familie leben, wird es doch eine vollkommene Trennung geben.
Ver. 176. Ich habe mich verirrt wie ein verirrtes Schaf; suche deinen Knecht, denn ich vergesse deine Gebote nicht Der Christ, der sich bewusst ist, dass er sich von Gott entfernt hat
Exell – The Biblical Illustrator
In diesem Vers wird ein Gläubiger beschrieben – nicht wie er sein sollte, nicht wie er sein möchte, sondern wie er ist. Es ist kein Fantasiebild, sondern ein Bild des Lebens.
I. ES IST EIN EHRLICHES BEKENNTNIS. Es ist aufrichtig und ehrlich. Er schiebt die Schuld nicht auf die Verlockungen der Welt und sagt: „Das war ein zu großer Feind für mich, er hat mich überwältigt.“ Er schiebt die Schuld nicht auf Satan. Er schiebt auch nicht die Schuld auf das Fleisch, das in ihm war, obwohl wir wissen, dass es die Quelle des Übels war. Er nimmt die ganze Schuld auf sich: „Ich habe mich verirrt wie ein verlorenes Schaf.“
II. DAS GEBET: „Suche Deinen Knecht“. Das deutet darauf hin, dass er so weit gekommen war, dass er den Weg zurück nicht mehr kannte. Das ist ganz offensichtlich: „Ich habe mich verirrt, suche Deinen Knecht“, ich kann keinen Weg zurück finden.
III. DIE BITTE: „Denn ich vergesse deine Gebote nicht“. Es gibt Zeiten im Leben eines Gläubigen, in denen er nicht nur einen Beweis, sondern hundert Beweise für seine Annahme hat. Aber es gibt auch Zeiten, in denen es fast so aussieht, als wäre es nur ein kleiner Funke auf dem Ozean. Hier ist dieser kleine Funke – „Ich vergesse deine Gebote nicht.“ Glaube nicht, dass es sich dabei nur um eine Erinnerung handelt. Nein, es ist etwas mehr als das. „Obwohl ich mich von dir entfernt habe, obwohl ich deine Gebote verlassen habe, obwohl ich sie nicht so befolgt habe, wie ich sie hätte befolgen sollen, so sind sie mir doch lieb und teuer. Fazit –
Die Tendenz, die in der Sünde steckt. Sie begnügt sich nicht damit, uns unglücklich zu machen; sie will uns zerstören, und zwar für immer.
Die Schwäche des Gläubigen. Wie ein verlorenes Schaf.
Die Treue des Heiligen Geistes. Er legt diese Bitte in das Herz.
Der freundliche Wiederhersteller dieses verirrten Schafes.
Hüte dich vor allem, was dazu führt, in die Irre zu gehen. Die Liebe zur Welt, Müßiggang usw.
Suche nach dem, was das Leben Gottes fördert. Lebe auf Christus hin. (J. H. Evans, M.A.)
Vers 1. [ Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetze des HErrn wandeln!]
Dietrich Bonhoeffer – Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937–1940
Wer so spricht, setzt den geschehenen Anfang voraus. Er gibt zu verstehen, daß das Leben mit Gott nicht nur und nicht wesentlich aus immer neuen Anfängen besteht. Er nennt es darum einen Wandel, ein Gehen im Gesetz Gottes. Damit bestätigt er den geschehenen Anfang, er läßt ihn gelten, er will nicht mehr hinter ihn zurück. Aufgrund des geschehenen Anfangs Gottes mit uns, ist unser Leben mit Gott ein Weg, der im Gesetz Gottes gegangen wird. Ist das Knechtung der Menschen unter das Gesetz? Nein, es ist Befreiung von dem mörderischen Gesetz der unaufhörlichen Anfänge. Einen Tag um den anderen auf den neuen Anfang zu warten, ihn unzählige Male gefunden zu haben meinen, um ihn am Abend wieder verloren zu geben, das ist die vollkommene Zerstörung des Glaubens an den Gott, der den Anfang einmal gesetzt hat, in seinem vergebenden und erneuernden5 Wort, in Jesus Christus, d. h. in meiner Taufe, in meiner Wiedergeburt, in meiner Bekehrung. Gott hat mich ein für allemal zu sich bekehrt, nicht ich habe mich ein für allemal zu Gott bekehrt. Gott hat den Anfang gesetzt, das ist die freudige Gewißheit des Glaubens. Darum soll ich nicht neben den einen Anfang Gottes, noch zahllose eigene Anfänge zu setzen versuchen. Gerade davon bin ich befreit, der Anfang liegt ein für allemal hinter mir, Gottes Anfang nämlich. Nun haben die Glieder der Gemeinde einander nicht mehr auf einen neuzusetzenden Anfang anzureden, vielmehr sprechen sie zueinander als solche, denen der neue Anfang bereits geschenkt ist und die miteinander auf dem Wege sind, dessen Anfang darin bestand, daß Gott die Seinen gefunden hat und dessen Ende immer nur darin bestehen kann, daß Gott sie wieder sucht (Vers 1766).
Der Weg zwischen diesem Anfang und diesem Ende ist der Wandel im Gesetz Gottes. Es ist das Leben unter dem Wort Gottes in seiner ganzen Vielgestaltigkeit, in seinem Reichtum, in seiner unerschöpflichen Fülle der Erkenntnisse und Erfahrungen. Nur eine Gefahr gibt es in Wahrheit auf diesem Wege, nämlich hinter den Anfang zurückzuwollen oder was dasselbe ist, das Ziel aus dem Auge zu verlieren. In diesem Augenblick hört der Weg auf ein Weg der Gnade und des Glaubens zu sein. Er hört auf Gottes eigener Weg zu sein.
Und ich? Blicke ich auf meinem Hirten? Oder bin ich einer Kirche oder Organisation hörig? Folge ich dem Wort Gottes – der geschriebenen Bibel – oder brauche ich „Anleitungsvideos“ um die „Wahrheit“ zu verstehen? Laß nicht zu, dass wir SEIN Wort vergessen – und lassen wir uns durch SEIN Wort zurück holen – zu IHM, der ein persönliches Verhältnis zu jedem einzelnen Mensch haben will.
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