Christen vertrauen darauf, dass Gott sie leitet und ihnen bei ihren Entscheidungen hilft, und sie glauben, dass sein Wille der beste ist.

Ich wandte mich und sah (O. Wiederum sah ich) unter der Sonne, daß nicht den Schnellen der Lauf gehört, und nicht den Helden der Krieg, und auch nicht den Weisen das Brot, und auch nicht den Verständigen der Reichtum, und auch nicht den Kenntnisreichen die Gunst; denn Zeit und Schicksal trifft sie alle.
Elberfelder 1871 – Kohelet 9,11

Wieder war es zu sehn unter der Sonne:
nicht ist der Schnellen der Wettlauf
und nicht ist der Helden der Krieg
und auch nicht der Weisen ist Brot
und auch nicht der Klugen Reichtum
und auch nicht ist der Erkennenden Gunst,
denn Frist und Zufall widerfährt ihnen allen.
Buber & Rosenzweig – Prediger 9,11

Wiederum sah ich unter der Sonne, dass nicht den Schnellen der Lauf gehört und nicht den Starken der Krieg und auch nicht den Weisen das Brot und auch nicht den Verständigen Reichtum und auch nicht den Wissenden Gunst, denn Zeit und Geschick treffen sie alle.
Die Philippson-Bibel – Prediger 9:11

Die Feststellung, daß die Weisheit der Ungewißheit der Zukunft unterworfen ist, wird mit einer Aufzählung von fünf menschlichen Eigenschaften eingeleitet, die allesamt nicht zum Erfolg führen. Die drei letzten dieser Eigenschaften beziehen sich auf den Weisen: geschickt, klug, daß er etwas gut kann . Ebenso wie der schnellste Läufer nicht immer beim Laufen gewinnt und der Sieg im Kampf nicht immer von den stärksten Soldaten gewonnen wird, gelingt es auch dem Weisen nicht zu jeder Zeit, seinen Lebensunterhalt (seine Nahrung) zu bestreiten, Reichtum zu erwerben oder Popularität zu erlangen (sich angenehm zu machen).
Der Grund für derartige Mißerfolge liegt darin, daß alle Menschen bisweilen schwere Zeiten durchmachen ( Zeit und Glück ist ein Beispiel für ein Hendiadyoin), von denen sie vorher nichts ahnten ( auch weiß der Mensch seine Zeit nicht ; Pred 9,12 ). Dies bezieht sich auf alle Zeiten des Unglücks (V. 11 ), nicht nur auf den Tod. Wenn Salomo solche Zeiten mit einem Netz und mit dem Garn vergleicht, mit dem man Vögel und Fische fängt, so meint er damit, daß solche bösen Zeiten plötzlich und unerwartet über die Menschen kommen und ihr ganzes Wirken zunichte machen.

Walvoord Bibelkommentar

Kohelet eröffnet seine Überlegungen in 9,11 mit Beispielen: Nacheinander berichtet er von Fällen, in denen den «Schnellen», den «Helden», den «Weisen», den «Verständigen» und den «Einsichtigen» der Erfolg verwehrt blieb. Seine Beispiele bilden nicht die Regel, sondern die Ausnahmen. Doch gerade als solche führen sie vor Augen, dass der Mensch bei noch so geschicktem Handeln keine Erfolgsgarantie hat. Schnelligkeit, Heldenhaftigkeit, Weisheit etc. führen zwar häufig zu Erfolg, aber keineswegs immer. Die beiden Beispiele zu den Schnellen und den Helden dienen Kohelet zur Veranschaulichung der abstrakteren Aussagen über die Weisen, die Verständigen und die Einsichtigen. Wenn er diese mit «Brot», «Reichtum» und «Gunst» in Verbindung bringt, nimmt er damit klassisch weisheitliche Vorstellungen auf (zu Brot/Nahrung vgl. Spr 12,11; 20,13; zu Reichtum vgl. Spr 8,18; 24,4; zu Gunst vgl. 10,12; Spr 3,4; 13,15). Gegenüber der traditionellen Weisheit, die aus wiederholten Alltagsbeobachtungen Regeln dafür abzuleiten sucht, was im Leben zu Glück und Erfolg führt, erinnert Kohelet dabei aber gerade daran, dass Glück und Erfolg der Verfügungsgewalt des Menschen entzogen bleiben. Nach den fünf Beispielen formuliert er diesen Gedanken allgemeiner und spricht davon, dass «Zeit» und «Zufall» alle «trifft». Im nächsten Vers macht Kohelet explizit, dass er v. a. an Unglücke denkt. Hier in 9,11 formuliert er zunächst offener, deutet dies durch die Wortwahl aber bereits an: Mit «Zeit» gebraucht er zwar ein neutrales Wort, doch dieses erinnert an 3,1–8 und damit auch daran, dass es neben den guten auch schlechte Zeiten gibt. «Zufall» wird im nachbiblischen Hebräisch v. a. im negativen Sinn von «schlechtes Ereignis» gebraucht. Im AT begegnet es sonst nur noch in 1Kön 5,18 und zwar ebenfalls in negativer Bedeutung (dort wird «schlecht/böse» allerdings noch eigens gesagt). Das Verb «treffen» (qrʿ) ist an sich neutral, erinnert bei Kohelet aber an das eine «Geschick» (miqrǣ) Tod – nicht nur, weil er in 2,14–15 beide Wörter zusammen gebraucht, sondern v. a. auch, weil sie im Hebräischen eng miteinander verwandt sind.

Schellenberg – Zürcher Bibelkommentare

Wären immer die Stärkeren und die Schnelleren Sieger, dann müssten wir urteilen, dass kein Gott sei – oder bestenfalls der passive Gott der Deisten; denn dann hätte der Mensch sein Schicksal in seiner Hand. Nun aber mag der Mensch sich manches vorsetzen, Gott aber lenkt ihn anders, als der Mensch es geplant hatte:

»Das Herz des Menschen erdenkt seinen Weg, aber der HERR lenkt seine Schritte« (Spr 16,9).

Wir danken Gott, dass er über dem Tun der Menschen waltet und die Geringen erhöht und die Mächtigen stürzt (1Sam 2,7.8; Ps 113,7–9; Lk 1,51–53), die Elenden befreit und die Weisen erhascht in ihrer List (Hi 5,12; 1Kor 3,19), den Schwachen Sieg gibt über die Starken (1Sam 17,50). Täte Gott es nicht, gäbe es in dieser Welt der Sünde und Sünder keine Errettung – wie wir an dem Umstand erkennen, dass alle eben genannten Bibelstellen Gottes Handeln in der Heilsgeschichte kommentieren.
Gehörte immer den Helden der Sieg, hätte David nie über Goliath, hätte Christus, »in Schwachheit gekreuzigt« (2Kor 13,4), nie über die Macht des Bösen siegen können. Nun aber ist »das Schwache Gottes stärker als die Menschen« (1Kor 1,25).
Da mag einer im Lauf noch so schnell und im Krieg ein noch so großer Held sein – er hat sein Leben nicht in seiner Hand. Der gleiche Josua, der vor Jericho, einer bis zum Himmel verriegelten Stadt, siegreich gewesen war, erlitt vor dem kleinen Ai eine Niederlage. Der Weise verdankt nicht seiner Weisheit das Brot und der Verständige nicht seinem Verstand den Reichtum. Darum sage niemand:

»Meine Kraft und die Stärke meiner Hand hat mir dieses Vermögen verschafft! Sondern du sollst dich daran erinnern, dass der HERR, dein Gott, es ist, der dir Kraft gibt, Vermögen zu schaffen« (5Mo 8,17.18).

Benedikt Peters – Kommentar zum Buch Prediger

In Erwartung der Reaktion seiner Zuhörer (und seiner Leser) wandte sich Salomo von seiner Diskussion über den Tod ab und begann, über das Leben zu sprechen. „Wenn der Tod unvermeidlich ist“, würde jemand argumentieren, „dann ist das Klügste, was wir tun können, uns auf unsere Stärken zu konzentrieren und auf das Leben. Wenn der Tod kommt, haben wir wenigstens die Genugtuung zu wissen, dass wir hart gearbeitet und etwas erreicht haben.“

„Sei dir da nicht zu sicher“, antwortete Salomo. „Man kann nicht garantieren, was im Leben passiert, denn das Leben ist unvorhersehbar.“

Zunächst einmal sind unsere Fähigkeiten keine Garantie für den Erfolg (V. 11-12). Es stimmt zwar im Allgemeinen, dass die schnellsten Läufer die Rennen gewinnen, die stärksten Soldaten die Schlachten gewinnen und die klügsten und geschicktesten Arbeiter die besten Jobs bekommen, aber es stimmt auch, dass dieselben begabten Menschen aufgrund von Faktoren, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, kläglich scheitern können. Der erfolgreiche Mensch weiß, wie er das Beste aus „Zeit und Verfahren“ (8,5) macht, aber nur der Herr kann „Zeit und Zufall“ (V. 11).

Salomo bestätigte bereits, dass Gott für alles eine Zeit hat (3:1-8), einen Zweck, der in dieser Zeit erfüllt werden soll (8:6), und dass am Ende „etwas Schönes“ dabei herauskommen soll (3:11). Das Wort „Zufall“ bedeutet einfach ein Ereignis oder eine Begebenheit. Es hat nichts mit Glücksspiel zu tun. Wir könnten sagen: „Ich war zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und ich habe den Job bekommen. Die Fähigkeit hatte damit sehr wenig zu tun!“

Natürlich verlassen sich Christen nicht auf solche Dinge wie „Glück“ oder „Zufall“, denn sie vertrauen auf die liebende Vorsehung Gottes. Ein engagierter Christ trägt keine Hasenpfote bei sich und vertraut nicht auf Glückstage oder -zahlen. Der kanadische Humorist Stephen Leacock sagte: „Ich glaube fest an das Glück. Ich finde, je härter ich arbeite, desto mehr habe ich davon“. Christen vertrauen darauf, dass Gott sie leitet und ihnen bei ihren Entscheidungen hilft, und sie glauben, dass sein Wille der beste ist. Sie legen „Zeit und Zufall“ in seine fähigen Hände.

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series Prediger

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