Merke auf mein Gebet!

Höre, Gott, mein Schreien, horche auf mein Gebet!
Vom Ende der Erde werde ich zu dir rufen, wenn mein Herz verschmachtet; du wirst mich auf einen Felsen leiten, der mir zu hoch ist.
Elberfelder 1871, Psalm 61,2–3

Gott, höre mein Klagen,
achte auf mein Gebet!
Vom Ende der Erde schreie ich zu dir,
weil mir die Kräfte schwinden.
Bring mich hinauf auf den sicheren Felsen;
ich schaffe es nicht, er ist mir zu hoch!

Gute Nachricht Bibel – Ps 61,2–3

Höre, Gott, meinen Hilfeschrei 
  und achte auf mein Gebet! 
Aus weiter Ferne rufe ich zu dir, 
  denn ich bin am Ende meiner Kraft. 
  Ich selbst kann mich nicht mehr in Sicherheit bringen, 
  darum hilf du mir und rette mich!

Hoffnung für Alle – Ps 61,2–3


Hör, Elohim, mein lautes Flehn, / Merke auf mein Gebet!
Vom Ende des Landes ruf ich zu dir in meines Herzens Schmachten. (Alte Erklärer meinen, David habe Ps. 61 in Mahanaim, jenseits des Jordans an der Grenze Palästinas, gedichtet, als er vor seinem Sohn Absalom floh.) / Auf einen Fels, der mir zu hoch ist, leite mich! (Gott wird David auf einem schützenden Fels, den er aus eigener Kraft nicht erreichen kann, vor allen Gefahren beschirmen: ein Ausdruck des zuversichtlichen Vertrauens auf Gottes Hilfe.)

Ludwig Albrecht – Ps 61,2–3

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Der Beginn des Psalms ist eine persönliche Bitte (Verse 2–5), während die zweite Hälfte (Verse 6–9) ein Gebet für den König ist; „Selah“ teilt den Psalm in zwei Hälften (siehe 3: 3 n.). Es ist unklar, ob zwei getrennte Psalmen kombiniert wurden oder ob eine Person wie in Mesopotamien ein königliches Gebet in eine Petition aufnehmen könnte. 2–5: Der Bittsteller befindet sich hyperbolisch am Ende der Erde, entfernt vom Tempel (Ihr Zelt; so Ibn Esra und Radak; siehe 15: 1 n.), Wo er unter göttlichem Schutz wohnen möchte (siehe 57: 2) n.). Diese Petition enthält die typischen Elemente: Imperative (Höre… beachte), eine Anrufung (O Gott) und eine Motivation (Für dich…). 6–9: Diese zweite Einheit wird durch die Erwähnung des Gelübdes eingerahmt. 7–8: Eine ähnliche hyperbolische Sprache über den König spiegelt sich in Pss wider. 21: 5; 72: 5 und spiegelt die Vorstellung wider, dass der König (nahe) göttlich ist (siehe 45: 7 n.). 9: Ps. 30:13 schließt auf ähnliche Weise.

Die jüdische Studienbibel

Der Psalmist bat den Herrn um Stärke und Sicherheit, weil sein Herz bedrückt war. Er bat darum, daß Gott ihn auf den Felsen leiten möge, der höher war als er selbst . „Fels“ deutet auf einen sicheren Ort hin; aber David wollte auf einen Fels geführt werden, den er nicht selbst erreichen konnte. Wenn Gott so handelte, dann konnte er in Sicherheit sein.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Aus dem Lande des Herrn im engern Sinne1 in das Land jenseit des Jordans hinausgeschleudert war David nicht anders zu Mute, als wäre er, fern von dem Angesichte Gottes, an den äußersten Winkel der Erde (nicht: des Landes, vgl. 46, 20. Dt. 28, 49 u. ö.) verbannt (Hgst.). Es ist die Empfindung der Heimatlosigkeit und der Abgeschiedenheit von der Stätte Gottes, wodurch ihm die an sich so unbedeutende Entfernung (ähnlich wie später den Exulanten) zu einer unermeßlich großen wird. Denn noch immer bedarf er hilfreichen göttlichen Einschreitens; noch immer besteht die Umhüllung, Umflorung, Ohnmacht seines Herzens (עָטַף عطف seiner Wurzelbed. nach: etwas umbiegen und umlegen, so daß es sich deckend über etwas Anderes hinlegt, hinzieht, hier von Selbstumhüllung); noch immer liegt ein Fels von Schwierigkeiten vor ihm, der seiner natürlichen Kraft, seinem menschlichen Vermögen zu hoch, also unerklimmbar ist. Aber er ist getrost: Gott wird ihn sicheren Schrittes dahinauf geleiten, daß er, allen Gefahren entrückt, Felsengrund unter seinen Füßen hat. Er ist getrost, denn Gott hat sich ihm schon als Zufluchtsort bewährt, als starker, jedem Angriff trotzender Turm, der ihn, den Verfolgten, umschlossen, so daß der Feind ihm nichts anhaben kann (vgl. Spr. 18, 10). Er ist schon wieder auf dem Wege nach der Heimat und zwar seiner liebsten eigentlichen Heimat: er will oder soll (nach Gottes Willen) weilen (vgl. den Cohortativ Jes. 38, 10. Jer. 4, 21) in Gottes Zelte (s. zu 15, 1) Aeonen hindurch (was an den gleichzeitigen Ps. 23, 6 gemahnt). Mit גּוּר verbindet sich die Vorstellung des göttlichen Schutzes (vgl. arab. ǵâr ollah der Schützling Gottes und beduinisch ǵaur der schützende Feuerherd; ǵawir, der Form nach = גֵּר: der zum Feuerherd Fliehende); es folgt ein kühnes Bild dieses Schutzes: er soll oder wird trauen d. i. Zuflucht haben unter der Obhut der Flügel Gottes. In der Zeit, wo das Zelt noch wanderte, ist solche Rede vom Wohnen in Gottes Zelte oder Hause noch nicht vernehmbar; erst David hat, indem er der h. Lade eine feste Wohnstätte bereitete, zugleich diesen Ausdruck der Liebesgemeinschaft mit dem Gott der Offenbarung geschaffen. In Ps. der saulischen Zeit findet sich noch nichts dergleichen, denn 52, 7., wo dem Doëg das Gegenteil ewigen Wohnens gewünscht wird, ist nicht das h. Zelt gemeint. Daß Ps. 61 nicht der saulischen Zeit zugehört, zeigt auch dessen 2. Hälfte, denn David redet da nicht wie einer, der dem königlichen Berufe näher gerückt ist (vgl. 40, 8), sondern wie einer, der einen neuen Abschnitt desselben antritt.

Delitzsch – Biblischer Commentar über das Alte Testament

Lässt sich die Abfassungszeit des Psalms auch nicht völlig sicher angeben, so deutet doch manches dahin, dass David schon längere Zeit das Regiment geführt hatte, als ihm das Unglück zustieß, von welchem hier die Rede ist. Ich schließe mich also gern den Auslegern an, welche an die Zeit des Aufstandes Absaloms denken. Denn dass Davids Gebet vom Ende der Welt her erging, deutet doch auf eine Zeit der Verbannung. Aus wie heftiger Gemütsbewegung das Gebet geboren wurde, zeigt schon seine Beschreibung als ein Schreien. So verdient jede Anrufung Gottes zu heißen, die aus einem Andrang des Gefühls und brennendem Eifer aufsteigt, mag der Beter still für sich seine Klagen vor Gott bringen oder vernehmlich seine Stimme erheben. Auch die Wiederholung lässt auf ein anhaltendes Beten schließen: merke auf mein Gebet. Hier sollen auch wir ein Beispiel entnehmen, im Gebet nicht müde zu werden, auch wenn Gott nicht sofort spüren lässt, dass er sich unsern Wünschen zuneigt. Als das Ende der Welt bezeichnet David die Stätte seiner Verbannung, weil er sich dort unendlich weit von Gottes Heiligtum, welches ihm doch der erwünschteste Ort war, und der königlichen Stadt entfernt fühlte. Auch dass (V. 7) er sich als König bezeichnet, was er vor Sauls Tode niemals tat, deutet auf die Zeit, da er vor dem Wüten seines Sohnes Absalom voll Furcht in das Ostjordanland fliehen musste. Wenn nun David noch unter dem schattenhaften Gottesdienst des Gesetzes nicht aufhörte zu beten, obgleich er weit vom Heiligtum entfernt war, so wird vollends heute unsere Trägheit im Gebet unentschuldbar sein: wir müssen trotz aller Hemmnisse, die Satan uns in den Weg wirft, im Glauben zum Himmel aufsteigen, da Gott uns so freundlich einlädt und durch Christi Blut der Zugang offen steht. Also auch Christen, welche von der Gemeinde Gottes etwa fern sind und die Predigt des Wortes und die Sakramente entbehren müssen, sollen nach Davids Beispiel lernen, aus der Wüste und gleichsam über weite Räume hinweg zu Gott zu schreien. Darauf gedenkt David dessen, dass sein Herz in Angst war, und fügt hinzu, dass er keinen Ausgang aus der Gefahr mehr sah, sodass seine nachmalige Rettung desto gewisser als ein Werk der göttlichen Gnade erschien. Trotz aller Angst aber nahm er seine Zuflucht zu Gott. Indessen sehen wir, dass er kein Herz von Eisen hat, noch sich zu einer stoischen Härte gegen Schmerzen und Ängste abzustumpfen vermochte: er führte einen schweren innern Kampf gegen die Traurigkeit und das Zagen seines Herzens. Je mehr also die Gläubigen sich in Krankheit oder Sorge verstrickt fühlen, desto tapferer müssen sie sich mühen, durch viele Hindernisse hindurch zu brechen. Der Hauptinhalt des Gebets Davids ist nun der, dass Gott ihm eine sichere Zuflucht bereite, von welcher er sich jetzt ausgeschlossen sieht: Du wollest mich führen auf einen hohen Felsen. Ein Felsen oder wie es V. 4 heißt, ein Turm, bedeutet einen festen Zufluchtsort. David hat also im Augenblick das Gefühl, dass ihm ein solcher fehlt, und dass er, wenn Gottes Hand ihn nicht emporhebt, keinen Schritt vorwärts setzen kann. Wohin er auch blickt, sieht er alle sicheren und ruhigen Stätten wie in unzugänglicher Höhe über sich schweben: alle Hilfe ist ihm geraubt und in weite Ferne entrückt. Aber obgleich er nicht sieht, wie er gerettet werden könne, zweifelt er doch nicht, dass er unversehrt bleiben müsse, wenn nur Gott seine Hand ausstrecken will. Ohne Bild geredet, ist der Sinn also einfach der: mag alle Hilfe mir genommen sein und die ganze Welt mir den Ausgang versperren, so wirst du doch, Gott, wider alle Hoffnung mich retten. Hier entnehmen wir eine sehr nützliche Lehre. Wir wollen lernen, unser Heil, das allein bei Gott steht, nicht nach den kurzen Begriffen des Fleisches zu messen, noch auf irgendwelche äußeren Mittel zu gründen, sondern es dem Herrn zu überlassen, welche verborgenen Wege zur Rettung er uns führen will. Wer dem Herrn darin eine besondere Weise vorschreiben will, setzt seiner Macht zu enge Schranken.

Jean Calvin – Aus dem Psalmenkommentar