Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind vergeben, oder zu sagen: Stehe auf, nimm dein Ruhebett auf und wandle? Auf daß ihr aber wisset, daß der Sohn des Menschen Gewalt hat auf der Erde Sünden zu vergeben… spricht er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, stehe auf, nimm dein Ruhebett auf und geh nach deinem Hause
Elberfelder 1871 – Markus 2,9–11
Was ist denn leichter? Zu dem Behinderten hinzugehen und zu sagen: ‚Dein Mist ist vergeben und vorbei‘‚ oder zu ihm zu sagen: ‚Steh auf, nimm dein Zeug unter deinen Arm und lauf wieder‘? Aber ich werde Ihnen jetzt beweisen, dass der Auserwählte Gottes die Vollmacht hat, den Mist zu vergeben und die Schulden zu erlassen, die man bei Gott hat.“ Dann beugte er sich zu dem Typen runter und sagte ihm: „Los, steh auf! Nimm deine Sachen und geh nach Hause! Du bist jetzt wieder gesund.“
VolxBibel – Markus 2:9–11
Was ist leichter: dem Gelähmten zu sagen: ,Deine Sünden sind vergeben‘, oder zu sagen: ,Stehe auf und nimm dein Bett und wandle‘? -Mt 9,5. Damit ihr aber wißt, daß der Sohn des Menschen Vollmacht hat, Sünden auf Erden zu vergeben», sagt Er dem Gelähmten: «Ich sage dir, stehe auf, nimm dein Bett und gehe in dein Haus!»
Abraham Meister – Markus 2,9–11
Ein ähnliches Thema hatten wir schon
Wie sind Jesu Wunder zu deuten?
Richard Reschika – Christentum – 50 Fragen – 50 Antworten
Wie das Alte Testament überliefert uns auch das Neue Testament gleich eine ganze Palette an seltsamen und seltsamsten Wundergeschichten. Hier ist es vor allem Jesus, Gottes Sohn, der Wunder wirkt. Wir erinnern uns: Er treibt den Besessenen die Dämonen aus. Er heilt durch Handauflegen — zuweilen sogar aus der Ferne — Aussätzige, Gichtbrüchige, Blutflüssige, Lahme, Stumme, Taube, Blinde und Schlafwandler. Er speist fünftausend Menschen mit nur fünf Broten und zwei Fischen. Er verwandelt Wasser in Wein, stillt einen Seesturm, wandelt auf dem See und erweckt gar Tote zu neuem Leben … Schließlich wird Jesus selbst von den Toten auferweckt – was für christlich Gläubige das wohl alles entscheidende Wunder, das Wunder schlechthin ist: »Wer glaubt, glaubt an Wunder. Das Wunder ist der Inhalt jeder Theologie«, schreibt in diesem Sinne — nicht ganz zu Unrecht — der 1921 geborene Schweizer Gemeindepfarrer und Schriftsteller Kurt Marti in seinem Gedicht Von Ur an …
Wie die Wunder Jesu zumindest zu seiner Zeit aufgenommen wurden, steht für Gustav Mensching (1901 – 1978), den bedeutenden Vertreter der »Religionswissenschaft des Verstehens«, aber auch für viele zeitgenössische Theologen außer Frage: »Die ›Wundertaten‹ Jesu werden griech. Dynameis (Krafttaten) oder Semeia (Zeichen) genannt, womit ausgesprochen wird, dass man in ihnen der Kraft Gottes begegnete. Die Reaktion der Augenzeugen auf solche Krafttaten Jesu zeigt in aller Klarheit, dass hier nicht ein Widerspruch zum Naturgesetz, das man gar nicht kannte, mit Verwunderung festgestellt wurde, sondern die Kraft Gottes.«
Trotzdem tut man sich – nicht zuletzt in den eigenen Reihen der Theologen, katholischen wie vor allem evangelischen – spätestens seit dem Zeitalter der Aufklärung und des Rationalismus äußerst schwer mit dem Verständnis dieser »übernatürlichen«, die Naturgesetze vermeintlich aufhebenden (paranormalen) PSI-Phänomene. Wissen wir doch inzwischen alle, dass infolge des dominanten naturwissenschaftlich-technischen Denkens einer zusehends entzauberten Welt »dem Modernen fast nichts mehr Wunder sein kann« – im Gegensatz etwa zu den »primitiven«, archaischen, traditionsgebundenen Menschen, für die fast alles Wunder sein konnte, wie der niederländische evangelische Theologe und Religionshistoriker Gerardus van der Leeuw (1890 — 1950) weiß.
Sieht man von der Möglichkeit, die Wundererzählungen einfach als Wiedergabe der historischen Realität zu begreifen, einmal ab, wie lassen sich folglich die Wunderberichte des Neuen Testaments auslegen? Wir überspringen hier die Kirchenväter wie auch die Theologen des Mittelalters und der Renaissance, die – ungeachtet interpretatorischer Nuancen – die Wunderberichte des Neuen Testaments unisono als Demonstrationen von und für Jesu Göttlichkeit verstanden: So etwa gehen für Aurelius Augustinus (354 — 430) die Wunder Jesu auf Gottes Allmacht zurück. Genauso für Thomas von Aquin (1224 — 1274), der in den Wundern ein Geschehen gegen die Naturordnung (contra naturam) sah.
Der evangelische Theologe und Schriftsteller im Zeitalter der Aufklärung Karl Friedrich Bahrdt (1741 – 1792) versuchte natürliche Ursachen für die in den Wundern berichteten Vorgänge zu finden: Jesus sei beim Seewandel im Nebel am Seeufer oder auf dort im Wasser liegenden Bauhölzern entlanggegangen und daher von den Jüngern für ein Gespenst gehalten worden, das auf dem Wasser gehen könne. Bei der Sturmstillung habe er die verängstigten Jünger angeherrscht: Schweigt still, was diese auf Wind und Wellen bezogen, die sich zufällig im selben Moment legten. Dies hätten die Jünger dann auf seinen »Befehl« zurückgeführt.
Desgleichen suchte der evangelische Theologe Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1761 — 1851) nach »vernünftigen« Erklärungen der Wunder: Bei der Massenspeisung hätten genügend Zuhörer Nahrungsvorräte bei sich gehabt. Jesus habe seine Nahrung mit seinen Jüngern geteilt und damit die anderen Zeugen ebenfalls dazu angeregt, dies zu tun. Derlei rationalistische Erklärungsversuche sollten späterhin von Albert Schweitzer (1875 – 1965) in seiner Geschichte der Leben-Jesu-Forschung von 1906 köstlich karikiert werden, indem er etwa vorschlug, die Totenerweckungen neu zu betiteln: »Man sollte diese Erzählung gar nicht ›Totenauferweckungen‹ überschreiben, sondern etwa ›Jesus bewahrt vor zu frühem Begrabenwerden‹«, da es sich ja augenscheinlich um Scheintote gehandelt haben müsse!
Im Gegenzug sah David Friedrich Strauß (1808 — 1874) in Jesu Wundergeschichten lediglich Mythen, die eine bestimmte Idee zum Ausdruck bringen sollten. Diese hatten vor allem die Aufgabe, das im Alten Testament von den Propheten Erzählte noch zu überbieten und dergestalt Jesus als den verheißenen Messias darzustellen. Und dies, obgleich Jesus selbst Wunder eher abgelehnt habe, jedoch die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen musste. Strauß deutete einige Heilwunder mithin gleichsam »psychosomatisch«, während er in anderen Volkssagen sah, die auch ohne historische Grundlage einen religiösen Sinn hätten.
Folgt man Rudolf Bultmann (1884 – 1976), dem protestantischen Theologen und Entmythologisierer par excellence, ist ein Großteil der Wunderberichte erst nach Jesu Tod im Urchristentum entstanden. In seiner Geschichte der synoptischen Tradition aus dem Jahre 1921 vertritt er die These, dass hellenistische Motive auf Jesus übertragen wurden, und führt als Beispiel dafür das Weinwunder von Kana an, das aus dem Dionyskult stamme. In ähnlicher Art und Weise bewertete auch der Neutestamentler Martin Dibelius (1883 – 1947) in seiner Formgeschichte der Evangelien von 1919 die meisten Wundertexte, nämlich als spätere Anpassung der kirchlichen Verkündigung an profane Legenden der antiken Umwelt. Für den Altphilologen Ludwig Bieler (1906 — 1981) wurde die Figur Jesus nach dem antiken Typus eines Wundertäters, eines »göttlichen Menschen« – griechisch: Theios Aner – konstruiert; vergleiche dazu sein gleichnamiges Buch von 1936.
Diese theologische Blockadehaltung dem »Wunder« gegenüber wurde in den letzten Jahrzehnten jedoch etwas aufgebrochen. Man schlussfolgert heute nicht mehr zwingend, dass die Heilungstätigkeit Jesu historisch nicht wahr sei beziehungsweise dass es sich bei den Wundererzählungen lediglich um reine Symbolerzählungen handeln würde: »Ein heilsgeschichtliches Verständnis sieht die Wunder als Zeichen, als Hinweise und nicht als Beweise. Sie weisen auf die Nähe des Gottessohnes hin und stehen im Dienste der Verkündigung der Botschaft Jesu. Das eigentliche Zeichen Gottes ist dabei das Erscheinen Jesu selbst.«
Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen Wunder noch heutzutage im Christentum im Bereich der Wallfahrten und der Marien- und Heiligenverehrung der katholischen Kirche. So hat das I. Vatikanuum von 1869/70 festgelegt, dass Wunder grundsätzlich möglich und erkennbar sind. In Heilungsbewegungen sowie bei den Pfingstlern und Charismatikern gelten Wunder als Ausweis des Wirkens des Heiligen Geistes. Auch für die Heiligsprechung ist der Nachweis eines Wunders eine Grundvoraussetzung.
Man versucht also die Wunder Jesu zu streichen? Warum?
Es gibt auch eine Reihe von intertextuellen Verbindungen zu diesem Abschnitt, insbesondere Mt 11,2-5. In diesem Abschnitt schickte Johannes der Täufer, der im Gefängnis saß, eine Nachricht an Jesus, um ihn zu fragen, ob er „derjenige ist, der kommen soll, oder sollen wir einen anderen erwarten?“ (Mt 11,3). Die Zweifel von Johannes dem Täufer an der Messiasschaft von Jesus sind verständlich. Er hatte von dem einen gepredigt, der kommen und sowohl Gericht als auch Segen bringen würde. Jetzt hörte er nur noch von Jesus, der den Segen bringt, ohne einen Hinweis auf das Gericht. Außerdem sollte der Messias die Gefangenen befreien, und stattdessen fand sich Johannes als Gefangener im Gefängnis von Herodes Antipas wieder.
Moody Handbuch messianische Prophezeiungen – Studien und Darlegungen zum Messias im AT
Jesus antwortete auf die Frage des Johannes, indem er auf die Wunderheilungen hinwies, die er vollbrachte (Mt 11,4-5), indem er Jesaja 35,5 und 61,1 miteinander verknüpfte; Jesaja 35 beschreibt die Rückkehr der Erlösten nach Zion mit begleitenden Zeichen wie der Wiederherstellung des Seh- und Hörvermögens. Jesus verband diese physischen Wunder eindeutig mit der Erfüllung der messianischen Mission. Das vielleicht stärkste Argument dafür, Jesaja 35 als messianisch zu betrachten, ist, dass der Messias Jesus selbst dies tat.
In Kapitel 4 – 5 sind vier Wunder
ERF – Bibelkunde Neues Testament Teil I
Der Zweck dieser Wunder: Diese Wunder zeigen den Aposteln, dass Jesus der Messias ist und dass sie ihm vertrauen sollen. Er ist nicht nur ein hervorragender Prediger und Lehrer! Hier gibt Jesus ausreichenden Beweis, damit seine Jünger ihm vertrauen. Die Wunder liefern die Grundlage und Vorbereitung für die weitere Lehre über Vertrauen in Kapitel 6-9. Hätte irgendjemand anders als nur Gottes Sohn über die Autorität und Kraft verfügt, solche Wunder zu tun wie Jesus sie tat?
(1) Die Stillung des Sturms – 4,35-41
Hier ist der Hinweis, dass Jesus, der alles erschaffen hat (Joh 1,3.10; Kol 1,16-17; Hebr 1,2), auch unbegrenzte Autorität und Kraft über die Natur hat.
(2) Die Heilung des von vielen Dämonen besessenen Geraseners – 5,1-20
Jesus hat Autorität und Kraft sowohl über Dämonen, wie in dieser Stelle, als auch über Satan, der Jesus in der Wüste nicht zum Bösen verleiten konnte und auch am Ende der Zeit von Jesus die prophezeite, endgültige Niederlage und ewige Strafe empfangen wird (1Mose 3,15; Offb 20,10).
(3) Auferweckung der Tochter des Jairus – 5,21-24.35-43
Dieses Wunder zeigt, dass Jesus Autorität und Vollmacht über den Tod hat. Diejenigen, die an Jesus glauben, werden eigentlich nie sterben (Joh 11,25-26). Wenn sie diese Erde verlassen, werden sie bei Jesus leben (Phil 1,23).
(4) Heilung der blutflüssigen Frau – 5,25-34
Jesus hat Kraft und Autorität über Krankheit, auch über „unheilbare“ Krankheiten. Die Folgen des stellvertretenen Opfers Jesu für die Sünden der Menschen haben mannigfaltige Auswirkungen für diejenigen, die ihn annehmen. Uns wird nicht verheißen, dass wir auf der Erde von jeder Krankheit geheilt werden, aber in der Ewigkeit werden wir, als Folge des Opfers Jesus, von allen Krankheiten frei sein (Jes 53,4; Offb 21,4).
genau!! Jesus wollte zeigen, WER er ist! Deshalb genau diese Wunder!
Anschließend legt er ihnen selbst eine Lehrentscheidung vor: »Was ist leichter: Zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben, oder zu sagen: Steh auf und nimm die Matte und geh umher?« (Mk 2, 9). Auf diese Frage erhält er keine Antwort (vgl. Mk 2, 10). Beides ist ja auch gleich schwer. Aber diese Frage hat es in sich. Denn beides, das Schöpferwort zur Herstellung der Gesundheit und das Wort der Vergebung, kann eigentlich nur Gott sprechen. Im Übrigen: Selbst wenn Jesus lediglich für die Heilung beten würde, könnte er nach pharisäischer Lehre nur erhört werden, wenn er ein »Gerechter« wäre (vgl. Ps 66,18; Spr 15,29; Jes 1,15; Joh 9,31). Ganz gleich also, wie man sich zu den Einzelheiten stellt: Wird der Gelähmte auf Jesu Befehl hin gesund, dann ist Jesus kein Lästerer, sondern ein Gerechter, ja einer, der mit göttlicher Vollmacht Sünde vergeben kann. Die Schriftgelehrten wissen um diese Konsequenz und schweigen deshalb – so wie sie öfter auf die Fragen Jesu hin geschwiegen haben (vgl. Mk 3,4; 11,33; Mt 22,46).
Im Fortgang der Erzählung wechselt Markus zu einem Bericht, in dem Jesus nur noch in der 3. Person vorkommt: »Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sagt er zu dem Gelähmten…« (Mk 2, 10). Er vollzieht jetzt die Heilung, um seine »Vollmacht« zur Sündenvergebung zu begründen. Obwohl Jesus voll Erbarmen ist und mit unserem menschlichen Elend Mitleid hat (Mk 1,41), darf nicht daran gerüttelt werden, dass der Mensch die Vergebung viel nötiger braucht als die körperliche Heilung.
Edition C
n Mk 2, 10 fallen uns drei Punkte besonders auf. Der erste ist der Begriff »Menschensohn«. Dieser Begriff taucht hier zum ersten Mal im Markus – Evangelium auf. Er stammt aus Dan 7,13 und wurde von Jesus besonders gern benutzt. Von Dan 7,13 her ist es klar, dass es sich um eine himmlische Gestalt handelt, die aber von außen betrachtet »wie ein Mensch« erscheint. Im Grunde sagt Jesus damit, dass er vom Himmel gekommen ist (vgl. Mk 1,38 mit Joh 3,12f.). Der zweite Punkt ist der Begriff »Vollmacht«. Wie in Mk 1,22 ist damit die besondere Gabe gemeint, die ihm vom Vater im Himmel verliehen worden ist (vgl. Joh 3,35ff.). Im Umgangsdeutsch würden wir sagen: »Der Vater im Himmel steht voll dahinter.« Drittens bestätigt Jesus in Mk 2, 10, dass er selbst es ist, der »Sünden vergeben« kann. »Auf Erden« heißt: Unbegrenzt bei allen Menschen, die »auf Erden« leben (vgl. Joh 17,2)
In die Spannung jenes Augenblicks hinein gebietet also Jesus: »Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Matte und geh heim in dein Haus!« (Mk 2, 11). Einfache Worte! Hier wird nichts Zweideutiges formuliert. Jesus macht sich ohne jeden Abstrich kontrollierbar. Wie er es sagt, geschieht’s (vgl. Ps 33,9): »Und er stand auf und nahm sogleich die Matte und ging hinaus vor aller Augen« (Mk 2, 12). »Die Matte«, das »Bett des armen Mannes«, ließ sich leicht zusammenrollen und davontragen. Das geradezu Schockierende liegt darin, dass Jesu Befehlswort wirklich ein Schöpfungswort ist, das die Lähmung in einem einzigen Augenblick (»sogleich«) wegnimmt. »Aller Augen« konnten es beobachten, ganz gleich, ob es die Augen Glaubender oder Nichtglaubender waren. Sogar die »Augen« der Schriftgelehrten! Ein wenig seltsam ist es, dass kein Wort des Geheilten erwähnt wird, weder ein Dank noch ein Staunen. Allerdings muss zu seiner Ehrenrettung gesagt werden, dass er in Wirklichkeit doch Gott gelobt und gedankt hat (Lk 5,25).
Markus aber lässt dies weg – vermutlich deshalb, weil er unseren Blick völlig auf die Herrlichkeit Jesu konzentrieren will. Diese Herrlichkeit leuchtet jetzt in der Reaktion der Anwesenden auf: »Sie gerieten alle außer sich (oder: verloren völlig ihre Fassung) und priesen Gott mit den Worten: So etwas haben wir noch nie gesehen.« Israel hat zwar auch damals Wunder erlebt, so z. B. die Gebetserhörungen frommer Rabbinen. Aber »so etwas« hat es nach ihrer Erinnerung »noch nie« gegeben (vgl. Mt 9,33). Trifft ihre Feststellung zu, dann liegt in diesem Vorkommnis ein deutlicher Hinweis auf die Einzigartigkeit Jesu. Man könnte auch sagen: Ein Hinweis darauf, dass er der Messias ist. Denn gerade der Messias sollte unglaubliche Wunder vollbringen (Jes 9,5ff.; Jes 11,10ff.; Jes 42,6ff.; Jes 49,6; 61,1ff.; Jer 23,5ff.; Mt 11,1ff.). Ob das Wort »alle« in diesem Zusammenhang auch die Schriftgelehrten einschließt oder nur »alle« Anwesenden außer den Schriftgelehrten meint, bleibt offen. Mt 9,8 deutet jedoch an, dass die Schriftgelehrten reserviert blieben.
Bei ähnlichen Gelegenheiten fuhr Jeschua einfach fort, zu heilen, aber nicht dieses Mal. Stattdessen entschied er sich, eine Ankündigung zu machen. Matthäus bemerkte, dass Jeschua mit den Worten begann: „Sohn, sei guten Mutes“ (Matthäus 9:2). Im Neuen Testament wird diese Aussage nur von Jeschua verwendet. Alle drei Evangelien zitieren ihn dann mit den Worten: „Deine Sünden sind dir vergeben. Er wusste sehr wohl, dass die Behauptung der Autorität, Sünden im Sinne der Errettung zu vergeben, in den Köpfen der Leiter einige ernsthafte Fragen aufwerfen würde, und so war es auch – und das umso mehr, als er es im Passiv sagte: „Eure Sünden sind euch vergeben“. Man muss sich vor Augen halten, dass Jeschua auf Hebräisch sprach. Die hebräische Form des Passivs, eure Sünden sind euch vergeben, wird nur in einem Abschnitt der gesamten hebräischen Bibel verwendet: in Levitikus 4-6. Der Kontext dieser Kapitel ist die Sühne, da sie die Blutopfer beschreiben, die für die Vergebung der Sünden notwendig sind. Die Aussage der Vergebung im Passiv folgt dem Opfer (z. B. Lev. 4:20, 26, 31, 35; 5:10, 13, 16, 18; 6:7). Das hebräische „nislechu lecha chatoteicha“ bedeutet „Deine Sünden sind dir vergeben“. Außerdem wird das hebräische Wort für „Vergebung“, salach, von Gott verwendet. Das Passiv bedeutet, dass Gott vergibt. Da diese Leute Pharisäer waren, kannten sie sowohl die Thora als auch das Hebräische, und sie verstanden die Verbindung, die er herstellte. Er beanspruchte die Autorität, die Gott in Levitikus 4-6 für sich selbst beanspruchte: dass Gott ihnen durch die Blutsühne ihre Sünden vergeben hatte. Im Neuen Testament wurde diese Phraseologie nur von Jeschua selbst verwendet. Jeschua sprach also so, als ob er Gott wäre.
Arnold Fruchtenbaum -Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive
…
Jeschua tat das Schwierigste, indem er den Gelähmten heilte: „Und er stand auf und hob alsbald das Bett auf“ (Markus 2:12). Lukas schreibt: Und alsbald stand er auf vor ihnen (Lukas 5,25). Es gab einen sofortigen Beweis, dass Jeschua den Gelähmten tatsächlich geheilt hatte. Das Aufführen des Schwierigeren wurde zum Beweis dafür, dass Er das Leichtere behaupten konnte, dass Er dem Gelähmten sagen konnte: Deine Sünden sind dir vergeben. Wenn er das Leichtere sagen konnte, weil er gerade das Schwerere vollbracht hatte, bedeutete das, dass er der messianische Gottmensch ist. Alle drei Evangelienschreiber haben dieses Gott-Mensch-Konzept hervorgehoben (Matthäus 9,6; Markus 2,10; Lukas 5,24). Als Jeschua sich Menschensohn nannte, gab er sich den messianischen Titel, der seine Menschlichkeit betonte. Als er die Vollmacht beanspruchte, Sünden zu vergeben, betonte er seine Gottheit, und als Gott-Mensch hat er die Vollmacht, Sünden in einem heilsgeschichtlichen Sinne zu vergeben.