Die sich auf Schiffen aufs Meer hinabbegeben, auf großen Wassern Handel treiben, Diese sehen die Taten Jehovas und seine Wunderwerke in der Tiefe: Er spricht (O. sich hinabbegaben… trieben… sahen… sprach usw.) und bestellt einen Sturmwind, der hoch erhebt seine Wellen. Sie fahren hinauf zum Himmel, sinken hinab in die Tiefen; es zerschmilzt in der Not ihre Seele. Sie taumeln und schwanken wie ein Trunkener, und zunichte wird alle ihre Weisheit. Dann schreien sie zu Jehova in ihrer Bedrängnis, und er führt sie heraus aus ihren Drangsalen. Er verwandelt den Sturm in Stille, (O. Säuseln) und es legen sich die (W. ihre) Wellen. Und sie freuen sich, daß sie sich beruhigen, und er führt sie in den ersehnten Hafen. Mögen sie Jehova preisen wegen seiner Güte, und wegen seiner Wundertaten an den Menschenkindern.
Elberfelder 1871 – Ps 107,23–31
Die aufs Meer niederzogen in Schiffen,
Werktätige auf großen Wassern,
selber da SEINE Taten sahen,
seine Wunder im Strudel
– wie er sprach und bestellte den Wind,
den Sturm, und er hob seine Wogen – ,
himmelan stiegen, urwirbeltief sanken,
ihre Seele berstend im Übel,
sich drehten, schwankten wie ein Trunkner,
all ihre Weisheit verwirrt,
die zu IHM schrien in ihrer Drangsal,
die er führte aus ihren Nöten,
bannte den Sturm zur Stille
daß ihre Wogen sich legten,
und sie freuten sich, daß die ruhten,
und er leitete sie zum Hafen ihres Wunsches:
danken sollen sie IHM seine Huld,
seine Wunder an Menschenkindern,
Buber – Psalm 107,23–31
Die zur See gingen auf Schiffen, schafften auf großem Gewässer;
sie sahen die Taten Jehovas, und seine Wunder in den Fluten.
Er sprach, und erregte einen Sturmwind, der türmte die Wellen des Meeres;
sie stiegen gen Himmel, sanken zum Abgrund; ihr Mut zerrann in der Not;
sie schwindelten und taumelten wie Trunkene, und all ihre Weisheit war vernichtet.
Da schrieen sie zu Jehova in ihrer Drangsal, und aus ihrer Beklemmung riß er sie;
er hemmte den Sturm zu leisem Wehen, und es schwiegen die Wellen;
und sie freuten sich, da sie sich legten, und er führte sie zur erwünschten Küste.
Preisen sie vor Jehova seine Gnade, und seine Wunder vor den Menschenkindern;
de Wette Bibel – Psalm 107:23–31
Ob sich die Apostel an diese Verse erinnerten, als sie in den Sturm gerieten und Jesus schlief??
Und wie oft fühlen wir uns so hilflos wie Matrosen auf einem tobenden Meer? Wie oft haben wir nur wenig, oder gar nichts, in unserem Leben wirklich im Griff?
Gott errettete Seeleute aus ihrer Not auf dem Meer. Die auf dem Meer fuhren, sahen seine Werke, wenn er einen Sturm herbeirief. Ihr Mut schwandt dahin, sie waren am Ende ihrer Weisheit (wörtl.: „all ihre Weisheit wurde verschlungen“), sie riefen zu ihm, und er beruhigte den Sturm, er errettete sie aus der Gefahr und brachte sie sicher ans Ziel. Deshalb sollte der Herr in der Versammlung gepriesen werden.
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
Das letzte Bild ist sehr plastisch. Es handelt von Seeleuten, die auf hochseetüchtigen Schiffen arbeiteten. Sie hatten Erfahrung mit der Kraft des HERRN, wenn sie auf See in einen Sturm gerieten. Erst nahm gewöhnlich der Wind in erschreckendem Maß zu, dann bildeten die Wellen riesige Wasserberge. Dann wurde das Schiff von den Wellen emporgehoben, sodass die Balken krachten. Auf dem Wellenkamm begann es meistens zu zittern, um danach in die Tiefe zu stürzen. Das stabilste Schiff wird dadurch zu einer hilflosen Nussschale in einem schäumenden, quirlenden Kessel. In einem solchen Sturm sinkt auch den zähesten Seeleuten der Mut. Ihnen bleibt nichts, als wie Betrunkene auf Deck herumzuschwanken und ihre Pflichten zu erfüllen. Sie empfinden ihre eigene schreckliche Bedeutungslosigkeit und sind mit ihrer Weisheit am Ende.
MacDonald_2010 – Kommentar zum Alten Testament
107,28–30 Da überrascht es nicht, wenn fluchende, gottlose Matrosen in solchen Zeiten zu beten anfangen. Und der Herr ist barmherzig genug, solche Gebete der Verzweiflung zu erhören. Er verwandelte den Sturm in Stille. Welch eine Errettung! Nun können die Männer wieder navigieren, und bald schon erreichen sie den ersehnten Hafen, den sie ansteuerten.
107,31–32 Die erretteten Seeleute sollten nicht vergessen, den HERRN für seine unwandelbare Gnade und für das Wunder der Erhörung ihrer Gebete zu preisen. Sie sollten ihm ihre Gelübde erfüllen, indem sie sich seinem gläubigen Volk anschließen, um ihn zu erheben, indem sie alle ihn in der Sitzung der Ältesten loben.
Überdehnen wir die Angelegenheit, wenn wir sagen, dies beschreibe Israels letztes Sturmerlebnis und den darauffolgenden Einzug in das Reich des Friedens? Der Sturm erinnert an die Große Drangsal. Das Meer stellt die brodelnden, ruhelosen Heidenvölker dar. Die Seeleute sind das Volk Israel während der Zeit der Drangsal Jakobs. Ein gläubiger Überrest des Volkes ruft den Herrn an. Er greift dann persönlich ein, kehrt auf die Erde zurück und richtet seine Herrschaft des Friedens und des Wohlstands auf.
Anspielungen im Neuen Testament. Die synoptischen Erzählungen über die Stillung des Seesturms durch Jesus inspirieren sich an der vierten Rettungserzählung unseres Psalms (V 23–32). Die wohl älteste Fassung Mk 4,35–41 ist zwar auch eine Geschichte über die Rettung der Jünger aus Seenot, aber dies ist nur eine untergeordnete Aussageperspektive. Wie in Ps 107 geht es auch in Mk 4,35–41 um das Vertrauen in die Macht Gottes über das Chaos. Mk 4,35–41 stellt plastisch dar, dass diese Macht Gottes in und durch Jesus wirksam ist. Anders als in der Jonageschichte, wo die Schiffsleute durch Gebet und schließlich durch die Opferung des Jona, den sie ins Meer werfen, Gott zum Eingreifen bewegen wollen, bringt Jesus kein Opfer dar und er betet auch nicht zu Gott, sondern er handelt in der Kraft Gottes und bringt (wie JHWH in Ps 107,29) den Sturm und das Meer zur Stille. »Die wunderbare Rettung der Jünger aus der Seenot bringt Jesu hoheitsvolle Macht über den Sturm und über das Meer zur Darstellung. Die Erzählung provoziert jene Frage, welche die abschließende und in Frageform gefaßte Akklamation formuliert: ›Wer ist denn dieser, daß der Sturm und das Meer ihm gehorchen?‹ (Mk 4,41). Die Antwort kann nur heißen: Jener, der in der Macht Gottes den Sturm und das Meer beherrscht und so zum Heil der Menschen handelt« (F. Schnider, Rettung 21987, 393). Diese Macht über das Chaos und den Tod wird dann in den anschließenden Erzählungen Mk 5,1–20 (Heilung des von einem Dämon Besessenen in Gerasa) und Mk 5,21–43 (Auferweckung der Tochter des Jairus und Heilung der an Blutfluss leidenden Frau) expliziert. Auch im Lukasevangelium steht die Erzählung Lk 8,22–25 in diesem Zusammenhang und illustriert die Macht des Wortes Jesu (und der in seiner Nachfolge geschehenden Verkündigung seines Evangeliums). Das Matthäusevangelium stellt seine »Seewundergeschichte« Mt 8,23–27 in einen anderen Zusammenhang. Eigentlich beginnt die Erzählung bereits in Mt 8,18 mit dem Befehl Jesu an die Jünger, ihn ans andere Ufer des Sees zu bringen, was dann auch in Mt 8,23–27 geschieht. Dazwischen aber stehen zwei kleine Szenen über das Thema »Nachfolge« (Schriftgelehrter: 8,19f.; reicher Jüngling: 8,21f.), sodass die Geschichte der Sturmstillung nun im Licht der Nachfolgethematik gelesen werden soll. Das Schiff wird so transparent auf die (junge) Kirche hin und der Kleinglaube der Jünger ist die eigentliche Gefährdung, aus der Jesus seine Jünger bzw. seine Kirche retten muss.
Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament