Der Weise wird (O. möge) hören und an Kenntnis zunehmen, und der Verständige wird (O. möge) sich weisen Rat (Eig Steuerungen, d. h. Verhaltensregeln, weise Lenkung) erwerben; um einen Spruch zu verstehen und verschlungene Rede, (d. h. rätselhafter Spruch, bildliche Rede) Worte der Weisen und ihre Rätsel. –
Elberfelder 1871 – Sprüche 1,5–6
Wer weise ist, der hört darauf und vermehrt seine Kenntnisse,
und wer verständig ist, eignet sich weise Lebensführung an,
damit er den Spruch und die bildliche Rede verstehe,
die Worte der Weisen und ihre Rätsel.
Schlachter 2004 – Sprüche 1,5–6
Ein Weiser wird zuhören und mehr Unterweisung in sich aufnehmen, und ein Verständiger ist der, der sich geschickte Lenkung erwirbt, um einen Spruch und eine schwerverständliche Rede zu verstehen, die Worte von Weisen und ihre Rätsel.
neue Welt Übersetzung – Sprüche 1:5–6
Was kann mit älteren Büchern geschehen, die die Versammlung noch in ihrem Literaturvorrat hat?
Königreichsdienst 09-1970
Zunächst möchten wir empfehlen, daß ihr bei eurem Literaturdiener einige dieser Veröffentlichungen erwerbt. …
Es wäre auch gut, diejenigen, bei denen ihr Nachbesuche macht und mit denen ihr Studien durchführt, zu ermuntern, einige dieser älteren Veröffentlichungen zu lesen. Wenn sie dies tun, ist das für sie von großem geistigen Nutzen. — Sprüche 1:5.
Wie viele dieser älteren Veröffentlichungen hast du gelesen, sofern du noch nicht lange mit Jehovas Organisation verbunden bist? …
Auch wenn jemand etwas Erkenntnis der Bibel haben und am Predigtdienste Anteil nehmen mag, ist er doch nur dann weise, wenn er weiterhin den Worten Jehovas Gehör schenkt und so die Erkenntnis, die er schon besitzt, mehrt. In der Schrift steht geschrieben, daß ‚ein Weiser hören und mehr Belehrung in sich aufnehmen wird und ein Verständiger sich geschickt Lenkungsfähigkeit aneignet‘. (Sprüche 1:5, NW) Christen werden mit Lernen nie zu Ende kommen, sondern „der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Licht, das heller und heller leuchtet bis zum vollen Tag“. (Sprüche 4:18, NW) Jede Person, die Jehova zu dienen begonnen hat, muß in ihrem Interesse und zum Wohle derer, denen sie mit dem Evangelium dient, notwendigerweise zu größerer Reife voranschreiten. Es gibt viele Theorien und Philosophien, die von Menschen der Welt vorgebracht werden und gegen die der Christ zu kämpfen hat. Millionen Menschen haben sich von Lügen und falschen Ansichten gefangennehmen lassen und sind geistig krank.
Wachtturm – 15.Juli 1958
Wer aufwächst, muß lernen, wie man lernen soll. Dies trifft besonders in bezug auf geistiges Wachstum zu. Eine weise Person wird nicht nur willig hören, ja lauschen, sondern wird noch „mehr Belehrung“ annehmen, wird also nicht ‚immerdar lernen und dabei nie imstande sein, zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit zu kommen‘. Lernen ist ein Prozeß, durch den man an Wissen zunimmt. Vermehrtes Lernen weckt in uns den Wunsch, zu einer vollständigen und genauen Erkenntnis der Wahrheit voranzuschreiten, um Jehova zu gefallen und seine Anerkennung zu finden. — Sprüche 1:5; 2 Timotheus 3:7; Kolosser 1:9, 10, NW.
Wachtturm – 1.September 1958
Jehova wird an Stelle der genauen Erkenntnis keinen billigen Ersatz dulden. Und auch wahre Christen dürfen sich solcher Ersatzmittel nicht bedienen. Die Führer der Christenheit machen viele Menschen zu Kirchenstuhlmietern, zu ‚Säulen der Kirche‘, aber wie viele rüsten sie dazu aus, ihre Mitmenschen Gottes Wort zu lehren? Über den heutigen Mangel an genauer Erkenntnis erklärte Jehova durch seinen Propheten: „Mein Volk wird vertilgt aus Mangel an Erkenntnis . . . Und wie dem Volk ergeht es dem Priester.“ Niemand gelangt zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit, es sei denn, die Lehren, die er annimmt, führen zur Wahrheit. Möge sich jeder von uns fragen: Stimmen die Lehren, die mir mitgeteilt worden sind, mit der Bibel überein? Haben sie mich befähigt, ja begeistert, ein tätiger Diener Gottes zu sein und „Tag für Tag die gute Botschaft der von ihm bewirkten Rettung“ zu erzählen? — Hos. 4:6, Elb; Vers 9, AB; Psalm 96:2, NW.
Der weise Lehrer in den Sprüchen ist ein Wegweiser für seine Schüler: „Der Weise höre und lerne, und der Verständige lasse sich leiten“ (Spr 1,5). Der Begriff, der in diesem Vers für Führung verwendet wird, bezieht sich an anderer Stelle des Buches auf Fachwissen in der Navigation (11:14). Die Lehrkraft fungiert also als Navigator oder Coach, der dem Lernenden hilft, den Weg der Weisheit zu finden und zu gehen. Dieses Bild des Lehrers als Wegweiser kommt auch in Sprüche 4:11 zum Ausdruck: „Ich habe dich den Weg der Weisheit gelehrt; ich habe dich auf den Pfaden der Rechtschaffenheit geführt.“ In Anlehnung an Deuteronomium 6:7 heißt es in Sprüche 6:22: „Wenn du gehst, werden sie dich führen; wenn du dich niederlegst, werden sie über dich wachen; und wenn du erwachst, werden sie mit dir reden.“
Jason S. Derouchie – Was den Autoren des AT wirklich wichtig war: Ein Überblick über die Bibel von Jesus
Das Hauptziel des weisen Lehrers ist es, den Lernenden anzuleiten, weise in Jehovahs Welt zu leben. Wenn der/die Lernende jung und unerfahren ist, gibt der Lehrer/die Lehrerin ein hohes Maß an Anleitung, aber wenn der/die Lernende in seiner/ihrer Fähigkeit wächst, gute Entscheidungen zu treffen, tritt der Lehrer/die Lehrerin zurück, damit der/die Lernende seine/ihre unabhängige Kompetenz entwickeln kann. Mit seinem klugen Rat gibt der Lehrer einen Rahmen vor, innerhalb dessen der Lernende lernen kann, weise Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Die Rolle des Lehrers besteht darin, den Lernenden zu einer persönlichen Reife zu führen, die ihn ein Leben lang auf den Weg der Weisheit bringt.
Der weise Lehrer bemüht sich, den Lernenden Verständnis oder Einsicht beizubringen. Der hebräische Begriff für Einsicht bezieht sich auf die Fähigkeit, zwischen konkurrierenden Alternativen zu unterscheiden. Ohne Einsicht würde sich der Lernende wahrscheinlich für das entscheiden, was ihm am attraktivsten oder am bequemsten erscheint, anstatt die Alternative zu wählen, die Jahwe respektiert. Deshalb ruft die personifizierte Weisheit in Sprüche 9,6: „Verlasse deine einfachen Wege und lebe und wandle auf dem Weg der Einsicht.“
Was für das Studium der Sprüche gilt, gilt für das Studium jedes Buches der Bibel: Wenn wir nicht geistlich vorbereitet sind, fleißig und diszipliniert studieren und dem gehorsam sind, was Gott uns sagt, werden wir nicht viel von Gottes Wort verstehen. Die Bereitschaft zum Gehorsam ist wesentlich (Johannes 7,17). F.W. Robertson sagte, dass „Gehorsam das Organ der geistlichen Erkenntnis ist“. Der Heilige Geist lehrt den Ernsthaften, nicht den Neugierigen.
Warren W. Wiersbe – Sei Commentary
Mindestens ein Dutzend Mal findet man in den Sprüchen die Imperative „höre“ oder „höre zu“ (Spr 1,8; 4,1, 10; 5:7; 7:24; 8:6, 32-33; 19:20; 22:17; 23:19, 22); viele andere Verse erklären die Segnungen, die denen zuteil werden, die dem Wort Gottes gehorchen (die es hören und beherzigen) (1:5, 33; 8:34; 12:15; 15:31-32). Salomo warnt uns sogar davor, auf Belehrungen zu hören, die uns in die Irre führen (19,27; vgl. Ps 1,1). Das bedeutet nicht, dass christliche Studenten nicht die Klassiker und Bücher von Ungläubigen studieren können, aber sie müssen darauf achten, sie im Licht der Heiligen Schrift zu lesen. Der Ratschlag des gottesfürchtigen Robert Murray M’Cheyne ist hilfreich: „Hüte dich vor der Atmosphäre der Klassiker“, schrieb er an einen Studienfreund. „Wir sollten sie zwar kennen, aber nur so, wie Chemiker mit Giften umgehen – um ihre Eigenschaften zu entdecken, nicht um ihr Blut damit zu infizieren.“
Aber nicht nur der junge Mensch hat es nötig, auf die Lehre zu achten, sondern auch und gerade der Weise. Hier wird er zum Hören aufgefordert. Denn auch das Hören vermehrt seine Einsicht. Er rechnet damit, daß Gott auch anderen Menschen Einsicht gegeben hat. Es lohnt sich, sie aufzunehmen (»erwerben«, V. 3, und »Einsicht« haben denselben Stamm). Der Weise wird durch die Einsicht der anderen nicht nur bereichert, sondern sie ist ihm lebensnotwendig, denn sie verhindert, daß er einseitig wird. Man vergleiche unser: Man wird von Tag zu Tag klüger (Dies diem docet) oder Sokrates’ Wort, das er nicht etwa am Anfang, sondern am Ende seines Gelehrtenlebens gesprochen hat: »Ich weiß, daß ich nichts weiß« (Nosco ut nihil nosco).
Wuppertaler Studienbibel
Interessant ist, daß die Steuerleute (hier erinnert Lenkungskunst an ihre Fähigkeit) in Hes 27,8 als Weise bezeichnet werden. Das Wort der LXX findet sich auch in 1Kor 12,28 (LÜ: Regierer). Es ist das Grundwort für unser Lehnwort Kybernetik. Lenkungskunst zu erwerben wird dem Verständigen helfen, sein eigenes Leben zu führen. Aber sicher nicht nur das. Die Weisen brauchen ja Nachwuchs: Er wird auch andere leiten können.
Mehrte nach V. 5 die Beschäftigung mit den Sprüchen die Weisheit allgemein, so wird hier ein engerer Kreis gezogen. Wer Sprüche studiert, wird natürlich auch Erfahrung gewinnen im Umgang mit dieser und ähnlichen Kunstformen. Er wird Einsicht gewinnen in Spruch und Anspielung, die Worte der Weisen und ihre Rätsel.
Wieder ist es nicht erforderlich, die einzelnen Begriffe scharf zu trennen. So leiten Hab 2,6 drei von ihnen nebeneinanderstehend den folgenden Text ein. Die hebr. Begriffe für Anspielung und Rätsel sind sehr selten, außerdem in recht verschiedenen Zusammenhängen gebraucht. Sie lassen sich also schwer bestimmen. Außerdem überlagern sich die Bedeutungen: Hebr. ist die Wurzel für Anspielung das Wort »spotten«. Aber auch Spruch/maschalkann ein Spottlied meinen (s.o.A. II). Ebenso ist uns Rätsel schon als mögliche Vorform der Zahlensprüche begegnet. Worte der Weisen scheint eine stehende Wendung zu sein. Pred 9,17; 12,11