Siehe, ich sende euch wie Schafe inmitten von Wölfen; so seid nun klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben.
Elberfelder 1871 – Matthäus 10,16
Macht euch klar: Ich selbst entsende euch als Boten wie Schafe inmitten von Wölfen. Erweist euch daher als klug wie Schlangen und rein wie Tauben!
Gottes Agenda – Matthäus 10:16
Ich mute euch viel zu! Ihr seid bei eurem Auftrag wie Schafe, die in ein Wolfsrudel hineingeschickt werden. Deshalb verhaltet euch vorsichtig und klug wie die Schlangen, die immer auf der Hut sind. Gleichzeitig sollt ihr offen und ohne Hinterlist sein, wie Tauben.
das Buch: Neues Testament – Mt 10,16
Man kann nicht sagen, daß Jesus seinen Aposteln in bezug auf das Ergebnis ihres Wirkens besonderen Mut machte. Ihre Aufgabe würde schwierig sein, denn sie würden als Schafe mitten unter die Wölfe kommen (vgl. Mt 7,15 ,wo die falschen Propheten als „reißende Wölfe“ bezeichnet werden). Daher war es lebenswichtig für sie, daß sie sich klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben verhielten, d. h., Gefahr klug vermieden und ihre Gegner nicht provozierten. „Ohne Falsch“ ist die Übersetzung des griechischen Wortes akeraioi („unvermischt, rein“). Es taucht nur noch zweimal im Neuen Testament auf, in Röm 16,19 und in Phil 2,15. In der Ausübung ihres Amtes sollten die Apostel ihrer eigenen jüdischen Gerichtsbarkeit überantwortet und gegeißelt werden (vgl. Apg 5,40), und sie würden vor die römischen Statthalter und die herodianischen Könige geführt werden. Doch sie sollten sich nicht sorgen, denn der Heilige Geist, „eures Vaters Geist“, würde ihnen eingeben, was sie reden sollten, um dem Gefängnis zu entgehen.
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
Die gefährliche Situation der Jünger »als Lämmer mitten unter den Wölfen« und ihr Verhalten in solch einer Lage veranschaulicht Jesus symbolisch in V. 16 durch das Bild »Lamm und Wolf« und V. 17 durch das Bild »Schlange und Taube«.
Fritz Rienecker – Wuppertaler Studienbibel
Die Sendung wird also keine angenehme und leichte Angelegenheit sein, sondern voller Gefahr für Leib und Leben. Welch ein unheimliches Bild: ein Lamm mitten unter Wölfen! Die Wirklichkeit dieser Tatsache ist weithin von den Christusboten nicht immer genügend berücksichtigt worden, nämlich, daß dieses Bild »Lamm unter Wolf« nicht das anormale, sondern das normale ist. – Und da gilt es dann, nicht Haß gegen Haß, Gewalt gegen Gewalt zu setzen, sondern »das freudige Martyrium«. »Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen« (Offb 13,10). Jesu Wort: »Ich sende euch« hat einzigartige Bedeutung.
Das Bild »Schlange und Taube« ist ein anderes Bild als das erste: »Lamm und Wolf«. Wir fragen: Inwiefern? »Lamm« bezeichnete den Apostel – »Wolf« deutete hin auf den Feind. – In dem zweiten Bild »Schlange und Taube« beziehen sich beide Bildworte auf ein und dieselbe Person, nämlich auf den Apostel. Der Sendbote Jesu braucht Klugheit, um in all den schwierigen Situationen immer wieder das Rechte zu finden und den Menschen recht zu begegnen. Diese Klugheit muß aber immer mit Lauterkeit und Aufrichtigkeit und Geradheit gepaart sein, damit nichts geschehe, was den Feinden Handhabe zur berechtigten Klage werde. Die Sendboten Jesu stehen ja unter harten Widersachern, die keine Rücksicht kennen, die ohne Gnade über die Apostel herfallen, falls sich irgendwie ein kleiner Anlaß bietet. Darum gilt es, nach Schlangenart den Gegner scharf im Auge zu halten, wachen Auges und nüchternen Sinnes die Situation zu übersehen und dann ohne List und lügnerische Taktik, lauter und wahr in allen Handlungen und Worten, Herr der Situation zu bleiben, also Taubenart unter Beweis zu stellen.
Klugheit und Lauterkeit ergeben die rechte Weisheit. Klugheit, welche Taktik ist, d. h. die die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge ein wenig verwischt und die um des Zweckes willen das Mittel, auch das nicht ganz korrekte Mittel, heiligt, – Klugheit, welche solche Taktik ist – ist keine biblische Klugheit, ist einseitig nur Schlangenart. Es muß die Aufrichtigkeit der Taubenart hinzukommen! – Jesus will also eine Klugheit, mit der wir uns nicht beflecken (nicht Taktik, nicht Diplomatie, nicht Politik, nicht Kompromisse machen), und Jesus will eine Lauterkeit, mit der wir unseren Dienst nicht belasten (d. h. unkluge Ehrlichkeit und unvorsichtige Offenherzigkeit, die also nicht darauf bedacht ist, Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen). Anders ausgedrückt: Das schlichte Vertrauen auf Gottes Hilfe schließt die kluge Vorsicht den Menschen gegenüber nicht aus.
Das Bild von den »Wölfen« war uns schon in Mt 7,15 begegnet, vgl. die Erklärung dort. Die »Schafe« sind uns ebenfalls bekannt als Bildwort für Israel bzw. dessen treuen Teil (vgl. 4 Mose 27,17; 2 Sam 24,17; Ps 74,1; 77,21; 78,52; 80,2; 95,7; 119,176; Jes 53,6; Hes 34,5; Sach 11,4ff.); Sir 13,21). Offenbar rechnet Jesus jetzt mit einer zahlreichen Gegnerschaft in Israel, sonst hätte er nicht den Vergleich mit den Wölfen gebraucht. Aber nun gewinnt ja das Bild von den Schafen seine Prägnanz gerade durch diesen Vergleich. Was ist die Position der Jünger solchen Feinden gegenüber? Es ist die Position derer, die ohne den Hirten völlig verloren sind. Schafe können Wölfe nicht überwinden. Sie können aber bewacht werden. Also nur die göttliche Bewahrung und Fürsorge ist die Waffe der Schafe. Die Schafe können von sich aus nie zurückschlagen.
Gerhard Maier – Edition C
Im Bild der Schafe steckt auch schon das Leiden, das das Geschick der Jünger prägen wird. Welche Strategie sollen sie dann befolgen? Dazu sagt Jesus mit zwei Bildworten ein Doppeltes: sie sollen »klug wie die Schlangen« und »arglos wie die Tauben« sein. Das »klug wie die Schlangen« bezieht sich auf 1 Mose 3,1 (vgl. 2 Kor 11,3). Also nicht wie die Schlangen sollen die Jünger sein, sondern nur die Klugheit der Schlangen zum Vorbild nehmen (vgl. Mt 7,24; 24,45; 25,2.4; Lk 12,42; 16,8). Solche Klugheit ist ein Geschenk Gottes, um das wir beten können (Eph 1,8). Fehlt diese göttliche Weisheit, dann läuft unser Dienst trotz allen guten Willens und trotz allen Einsatzes Gefahr, ins Leere zu stoßen und Misserfolg zu bewirken. Aber die Klugheit steht ja selbst in Gefahr, unehrlich zu werden, auf taktische Raffinessen und Diplomatie zu vertrauen! Dem wehrt die andere Leitlinie, »arglos wie die Tauben« zu sein. Nach Hoheslied 2,14; 5,2; 6,9 ist die »Taube« die Braut des Freundes, d. h. des Messias. Zweimal ist hier die Taube zugleich die »Reine«. Für die alttestamentlichen Leser und für die Judenschaft der damaligen Zeit war also klar, was Jesus meinte. Nichts Hinterlistiges, Undurchschaubares, Bösartiges sollte der Wirksamkeit der Jünger anhaften.
Diese Verse führen uns von der apostolischen Zeit, als der Herr auf Erden war, zur Zeit des Zeugnisses des Überrestes Israels, vor dem Kommen des Herrn in Macht und Herrlichkeit. Die Knechte des Herrn würden wie Schafe unter den Wölfen sein – jedoch nicht als Schafe ohne Hirten (Matthäus 9,36), sondern unter dem sanften Stab des großen Hirten der Schafe, den Gott wiederbrachte aus den Toten (Hebräer 13,20). Wölfe würden allezeit auf der Pirsch sein und versuchen, in die Herde einzudringen und das Volk und Zeugnis Gottes zu verderben (Matthäus 7,15) und in die örtlichen Versammlungen einzudringen (Apg 20,29). Sie würden als Haupt den Wolf, Satan selbst (Joh 10,12) haben. Dieser »geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge« (1 Petrus 5,8). Paulus war vor seiner Bekehrung ein solcher Wolf gewesen (Apg 9,1; 26,9-11). Diese Schafe mußten beides sein – ohne Falsch und klug. Das miteinander zu verbinden, ist gar nicht leicht. Für »klug« steht hier phronimos, das ist praktischer Verstand im Gegensatz zu geistlicher Einsicht in lehrhafte Wahrheiten. Man kann auch in übler Weise klug sein, wie wir am Wirken Satans lernen. Daher müssen wir uns in unserem Leben und Wandel unter den Wölfen sehr in acht nehmen, damit wir weder selbst Schaden leiden noch auch das Zeugnis unter den Wölfen schwächen. Paulus sagt den Philippern entsprechend, die Glaubenden müssen »tadellos und lauter (sein)…inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts« (Phil 2,14). Dort werden uns als Vorbilder dazu der Herr, Paulus, Timotheus und Epaphroditus vor Augen gestellt.
Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt
Weil die Nation als Ganzes seine Messiasschaft ablehnte, warnte Jeschua seine Apostel vor der Verfolgung, der sie bald begegnen würden. Zwei wesentliche Dinge können hier festgehalten werden.
Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive
Zunächst wies Jeschua die Apostel an, wie sie auf Verfolgung reagieren sollten (Matthäus 10,16-20). In Bezug auf Weisheit sollten sie wie Schlangen sein, aber in Bezug auf Handlungen sollten sie wie Tauben sein. Vor dem Hintergrund der Ablehnung, die Jeschua bereits erfahren hatte, hat ihre Aussendung als Schafe inmitten von Wölfen (Matthäus 10,16a) einen negativen Beigeschmack. Deshalb sollten die Apostel die Klugheit und List einer Schlange anwenden, um möglichst nicht verletzt zu werden. Wenn es jedoch nicht möglich war, sollten sie harmlos sein wie Tauben, bereit, verletzt zu werden und doch selbst harmlos zu bleiben. Vermes schreibt über die von Jeschua verwendeten Tiermetaphern, dass die mit Schlangen assoziierte Gerissenheit aus Genesis 3 und dem Bericht über den Sündenfall stammt. Die Unschuld der Taube hingegen resultiert aus „einer wohlwollenden Exegese von Hosea 7,11, in der das Epitheton ‚dumme Taube‘, das auf den Stamm Ephraim angewandt wird, als ‚einfache Taube‘ verstanden wird.“ Vermes merkt an, dass dieselben Bilder später im Midrasch Rabba verwendet wurden, wo es heißt: „So sprach Gott von den Juden: ‚Mir gegenüber sind sie unschuldig wie Tauben, aber unter den Völkern der Welt sind sie so schlau wie Schlangen.'“
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