Deshalb will ich Sorge tragen, euch immer an diese Dinge zu erinnern, wiewohl ihr sie wisset und in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt seid.
Elberfelder 1871 – 2.Petrus 1,12
Daher werde ich euch immer wieder an diese Dinge erinnern, auch wenn ihr sie bereits kennt und fest auf dem Boden der Wahrheit steht, die euch verkündet wurde.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 2.Petrus 1:12
Weil ihr dieses herrliche Ziel vor Augen habt, will ich nicht aufhören, euch daran zu erinnern, selbst wenn ich euch damit nichts Neues sage. Ihr seid ja längst davon überzeugt und in der Wahrheit gefestigt, die euch verkündigt wurde.
Hoffnung für alle – 1996 – 2.Petr 1,12
Wo ist der Schwerpunkt unserer Gespräche? Suchen wir die Fehler bei anderen Gläubigen, oder unterhalten wir uns über den Schöpfer aller Dinge?
Scheinbar haben die Christen des 1.Jahrhunderts schon schnell den Focus verloren – so dass Petrus darauf aufmerksam machen musste.
In dem Bewußtsein, daß seine Tage gezählt sind, legt der Apostel seinen Lesern diesen Brief besonders ans Herz. Dreimal sagt er ihnen: „Darum will ich’s nicht lassen, euch allezeit daran zu erinnern“ (V. 12); „Ich halte es aber für richtig, … euch … zu erinnern“ (V. 13); und „Ich will mich aber bemühen, daß ihr dies allezeit … im Gedächtnis behalten könnt“ (V. 15; vgl. 2 Petrus 3,1).
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
In der zweiten Hälfte des Satzes entschuldigt sich Petrus beinahe für die Dringlichkeit seiner Mahnung. Er möchte nicht, daß seine Leser seine Absicht mißverstehen. Es liegt ihm fern, sie zu kritisieren, und er nimmt auch keinesfalls an, daß sie in ihrem Glauben schwankend geworden sind. Im Gegenteil: Er weiß, daß sie die Wahrheiten, die er ihnen geschrieben hat, kennen (ihr wißt), und er zweifelt nicht daran, daß sie gestärkt … in der Wahrheit sind. Alles, was er möchte, ist, daß ihr Glaube so fest bleibt („gestärkt“ kommt von stErizO; vgl. 1Thes 3,2.13; 2Thes 2,17;3,3; 1 Petrus 5,10). In vielen Gemeinden ist das Problem heutzutage nicht so sehr, daß die Gläubigen nicht wissen, was Gott von ihnen erwartet, sondern daß sie es entweder vergessen haben (vgl. 2 Petrus 1,9) oder nicht bereit sind, nach der Wahrheit, die unter ihnen ist, zu leben.
Das »Erinnern« der Hörer an bestimmte zu beherzigende Inhalte war in der Antike ein üblicher Bestandteil der moralischen Ermahnung, vor allem in der durch die Wendung »obwohl ihr’s wisst« gemilderten Form.
Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments
Mit starken Worten im Griechischen, die kaum übersetzbar sind, betont Petrus in Vers 12 seinen festen Willen und Vorsatz, von dem er sich nicht abbringen lassen will, die Gemeinden zu erinnern, auch wenn es ihnen gar nicht gefallen sollte. Auch die Apostel Paulus (Röm 15,15; vgl. 1 Kor 15,1ff; 11,24ff) und Johannes (1 Joh 2,20f) sahen es für ihre Pflicht an, die Gemeinden an das zu erinnern, was ihnen verkündigt ist (vgl. Ps 103,2).
Edition C Bibelkommentar Neues Testament
Alle Christen haben es nötig, ständig neu auf Jesus ausgerichtet zu werden. Denn von Natur aus haben wir eine ganz andere Vorstellung von Gott. Gottes Heilsplan, Gottes Urteil über diese Welt erscheint dem natürlichen Menschen als Torheit (1 Kor 1,21; 3,18–20). So entsteht in uns ein Kampf zwischen unserem natürlichen Denken und der geoffenbarten Wahrheit Gottes. In diesem Kampf bedürfen wir der »Stärkung« durch die Erinnerung an Gottes Offenbarung. Darum ist uns die öffentliche Predigt und persönliche Andacht so wichtig (Jud 5).
Zwar erinnert Petrus und die anderen Apostel an Offenbarung Gottes. Aber »gestärkt« werden wir letztlich durch Jesus selbst, der uns gerade dazu seinen Hl. Geist gesandt hat (Joh 14,26). So benützt er auch Apostel und andere Christen. Darum kann Petrus andererseits sagen, daß die Christen das alles »wissen« und es den Anschein hat, als benötigten sie die Erinnerung gar nicht. Sie haben das Wort bei sich, sind nicht vom Licht getrennt und haben den Hl. Geist. Die »Wahrheit« ist »gegenwärtig«.
Die »Wahrheit« ist nicht eine Idee, ist nicht das Christentum, sondern eine Person, ist Jesus Christus selbst als die leibhaftige Treue Gottes. Schon im AT meint das Wort »Wahrheit« die Bundestreue Gottes (Hos 2,19f). Die Psalmen sind voll von dieser Treue (Wahrheit) Gottes, die sich in seiner Güte und Gerechtigkeit bewährt (be-wahr-heitet; vgl. Ps 36,6; 89,34; 96,13; 100,5; 119,75, 90, 137f). So kann Gott kurz als »Gott der Wahrheit« (5 Mo 32,4) besungen werden. Jesus ist die fleischgewordene Wahrheit, d.h. Treue Gottes (Joh 14,6). »Gegenwärtige Wahrheit« ist Jesus, die Mensch gewordene Wahrheit (Jak 1,14ff; beachte 2 Petr 1,16: »Wir sind gefolgt«: Jesus), aber auch sein Hl. Geist (Joh 14,26). Was uns der Hl. Geist lehrt, ist in Joh 16,7–15 deutlich gesagt: Er lehrt Jesus und sein Heilswerk. Dennoch bleibt beides zu beachten: Wir werden an die Wahrheit erinnert werden müssen, obwohl Gottes Wahrheit in uns ist. Erst bei der Wiederkunft Jesu und der Vollendung bedürfen wir nicht mehr, belehrt zu werden (vgl. 2 Mo 18,20; auch 5 Mo 4,1; Ps 119,7; mit Jer 31,34; Hes 39,29; s. auch 2 Tim 1,10; Kol 1,5).
»Gerecht« zu werden in seinem Amt, daran liegt Petrus viel. Seine wie jedes Christen Aufgabe ist die Mission (Mt 28,19f) und die Zurüstung der Gemeinde (3,1). Die Gemeinde bedarf es, »erweckt« zu werden, weil auch sie in Gefahr ist, müde und schläfrig zu werden, ja einzuschlafen (Mt 25,1ff). Die ganze Gemeinde, Kirche schläft bisweilen. Dann bedarf sie der Reformation. Wenn die Gemeinde mit der Welt schläft, kommt der Teufel und sät auf dem Acker Unkraut (Mt 13,25). In der Stunde der Anfechtung ist die Gefahr zu schlafen besonders groß (Mt 26,40) wie auch die zu sündigen (Eph 5,11–14; 1 Thes 5,6–10). Wach und nüchtern sein gehören zusammen (1 Thes 5,6ff; vgl. 1 Petr 1,13; 4,7; 5,8). Der biblische Begriff der Erweckung bezieht sich auf schläfrige Gemeinden und Christen, die schon einmal bekehrt waren!
Im ersten Abschnitt unseres Briefes hat Petrus das Leben der Gemeinde Jesu und aller ihrer wahren Glieder geschildert, wie es sich aus ihrem Glauben durch jene Kette von Haltungen und Handlungen bis zur „Darreichung der Liebe“ (V. 5–7) entfaltet. Das ganze Leben der Gemeinde stand ihm dabei im Lichte der großen Zukunftserwartung. Sehr bedacht und bewußt schreibt er: Darum will ich immer bedacht sein, euch an diese Dinge zu erinnern, obwohl ihr sie kennt und durch die (euch) gegenwärtige Wahrheit gestärkt seid. Die Apostel wenden sich in ihren Briefen an Gemeinden, die die Botschaft kennen, deren Wahrheit in den Gemeinden gegenwärtig ist und die Gemeindeglieder stärkt. Das haben sie vielfach erfahren. Dieses „Stärken“ ist ein „Festigen“ und „Stützen“, gerade auch in den Anfechtungen, denen die Gemeinde ausgesetzt ist. Aber weil es sich um so wichtige Dinge handelt, will Petrus immer bedacht sein, euch an diese Dinge zu erinnern. Wir alle haben dieses Erinnern nötig, es geht ja nicht um ein natürliches, in sich selbstverständliches „Wissen“. Gottes Wahrheit steht in fundamentalem Gegensatz zu allem, was der Mensch nach dem Sündenfall denkt und will. Gottes Botschaft erscheint dieser Welt als „Torheit“, wie umgekehrt diese Welt bei Gott Torheit ist (1Ko 1, 21; 3, 18–20). In dieser Lage sind wir ständig in Gefahr, Gottes Wahrheit abzuschwächen, ja zu „vergessen“ und uns dieser Welt anzupassen. So ist das Erinnern eine wesentliche Aufgabe der apostolischen Schriften, wie auch aller Verkündigung, die jemals in der Gemeinde des Auferstandenen geschehen ist.
Holmer de Boor – Wuppertaler Studienbibel
»Deshalb«, weil so viel davon abhängt, was die Leser des Briefes mit dem »kostbaren Glauben« (V. 1) anfangen, den sie empfangen haben. Befolgen sie die Aufforderung, mit allem Fleiß um Wachstum zu ringen, werden sie fruchtbar sein und nie straucheln, und sie werden einen reichlichen Eingang in das ewige Reich des Herrn Jesus Christus finden. Petrus trägt Sorge um die Geschwister, weil so viel auf dem Spiel steht:
Benedikt Peters – Kommentar zu 2. Petrus
• Fruchtbarkeit oder nicht;
• Gewissheit oder nicht;
• Straucheln oder nicht;
• reichlicher Eingang ins Reich oder nicht.
»will ich Sorge tragen«, wörtlich: »will ich nicht vernachlässigen …«. Das Verb αμελεω, ameleō (»nicht vernachlässigen«) steht auch in Mt 22,5; 1Tim 4,14; Hebr 2,3; 8,9. Petrus kann nicht nachlässig sein, kann die Dinge nicht schleifen lassen, sondern er muss Sorge tragen um die Seelen. Er ist eben der Hirte, den der Herr zu diesem Dienst berufen hatte (Joh 21,15–17; 1Petr 5,1). Jeder Diener muss die Mittel gebrauchen, die ihm Gott in die Hand gegeben hat. Die Ermunterung oder Ermahnung ist eines dieser Mittel. Petrus will deshalb Sorge tragen, die Brüder zu lehren und an das Gelehrte zu erinnern: Er will ihnen dazu verhelfen, dass ihnen ein reichlicher Eingang in das Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus gewährt wird.
»euch immer an diese Dinge zu erinnern«: Beachten wir das Wort »immer«. Petrus meint, dass er jede Gelegenheit dazu nutzen will. Die Grundlehren des Christentums – die Lehre über Gott, über den Christus, über den Heiligen Geist, über die Sünde, über das Heil – muss man immer wieder behandeln. Erst wenn man eine Lehre über längere Zeit häufig erklärt und wiederholt eingeschärft hat, sitzt sie wirklich. Was meint Petrus im vorliegenden Zusammenhang mit »diese Dinge«? Er meint die in den Versen 5–11 gemachte Aufforderung, entschlossen danach zu trachten, dass die göttliche Natur in uns sich entfaltet. Wenn wir uns daran erinnern, wie der Herr uns berufen hat (1,3), was wir in dieser Berufung empfangen haben (1,4), woraus er uns berufen hat und wie viel er dazu für uns gelitten hat (1Kor 11,24), wenn wir vor Augen haben, wie herrlich die Vergebung der Sünden ist (1,9) und wie schlimm das Leben in der Sünde war (5Mo 15,15; 16,12; 24,18) und – schließlich – wie groß das Ziel ist, zu dem der Herr uns erlöst hat, dann richten wir unsere Schritte entsprechend.
Wir vergessen so schnell, weil wir es so gerne tun: Wie schön wäre es, könnten wir uns einfach gehen lassen! Aber lassen wir uns gehen, wird mit uns passieren, was mit dem Teig passiert, in den die Hausfrau die Hefe eingeknetet hat. Sie muss ihn nun lediglich gehen lassen, und er beginnt aufzuschwellen. Wir müssen uns nur gehen lassen, und dann wird der Sauerteig der alten Natur wachsen und wachsen und wachsen (Mt 13,33; 1Kor 5,6; Gal 5,9), bis alles durchsäuert ist.
Wir vergessen so schnell, was wir tun müssen, damit das Gute in uns zunehmen kann:
• ringen (Lk 13,24);
• kämpfen (Kol 1,29; 1Tim 6,12);
• nachjagen (Phil 3,13.14; Hebr 12,14).
»obwohl ihr … befestigt seid«, εστηριγμενοι, estērigmenoi. Die Berufenen sind »befestigt« und damit das Gegenteil von den »Unbefestigten«, αστηρικτοι, astēriktoi (2,14; 3,16). Die Geschwister sind »in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt«, aber damit gibt sich Petrus nicht zufrieden: Sie müssen wachgehalten werden, damit sie nicht ihre eigene Festigkeit verlieren und zu Fall kommen (siehe 2,14; 3,17).
»Es ist ein großer Fehler zu denken, weil man eine Sache kenne, müsse man nicht immer wieder an sie erinnert werden. Ich meine, wenn wir wirklich um den Zustand der Gemeinde und der Welt besorgt sind, wenn wir uns wirklich nach Erweckung in der gegenwärtigen Zeit sehnen, dann müssen wir uns mehr auf die Gemeinde konzentrieren als auf die Welt. Die Gemeinde ist die Trägerin der Heilsbotschaft. Wenn die Gemeinde selbst kein Leben hat oder ungewiss und elend ist, wie will sie dann ihre Arbeit tun?« (Lloyd-Jones).
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