Autor: Thomas

Ich habe vor, euch immer an diese Dinge zu erinnern

Deshalb will ich Sorge tragen, euch immer an diese Dinge zu erinnern, wiewohl ihr sie wisset und in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt seid.
Elberfelder 1871 – 2.Petrus 1,12

Daher werde ich euch immer wieder an diese Dinge erinnern, auch wenn ihr sie bereits kennt und fest auf dem Boden der Wahrheit steht, die euch verkündet wurde.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 2.Petrus 1:12

Weil ihr dieses herrliche Ziel vor Augen habt, will ich nicht aufhören, euch daran zu erinnern, selbst wenn ich euch damit nichts Neues sage. Ihr seid ja längst davon überzeugt und in der Wahrheit gefestigt, die euch verkündigt wurde.
Hoffnung für alle – 1996 – 2.Petr 1,12

Wo ist der Schwerpunkt unserer Gespräche? Suchen wir die Fehler bei anderen Gläubigen, oder unterhalten wir uns über den Schöpfer aller Dinge?
Scheinbar haben die Christen des 1.Jahrhunderts schon schnell den Focus verloren – so dass Petrus darauf aufmerksam machen musste.

In dem Bewußtsein, daß seine Tage gezählt sind, legt der Apostel seinen Lesern diesen Brief besonders ans Herz. Dreimal sagt er ihnen: „Darum will ich’s nicht lassen, euch allezeit daran zu erinnern“ (V. 12); „Ich halte es aber für richtig, … euch … zu erinnern“ (V. 13); und „Ich will mich aber bemühen, daß ihr dies allezeit … im Gedächtnis behalten könnt“ (V. 15; vgl. 2 Petrus 3,1).
In der zweiten Hälfte des Satzes entschuldigt sich Petrus beinahe für die Dringlichkeit seiner Mahnung. Er möchte nicht, daß seine Leser seine Absicht mißverstehen. Es liegt ihm fern, sie zu kritisieren, und er nimmt auch keinesfalls an, daß sie in ihrem Glauben schwankend geworden sind. Im Gegenteil: Er weiß, daß sie die Wahrheiten, die er ihnen geschrieben hat, kennen (ihr wißt), und er zweifelt nicht daran, daß sie gestärkt … in der Wahrheit sind. Alles, was er möchte, ist, daß ihr Glaube so fest bleibt („gestärkt“ kommt von stErizO; vgl. 1Thes 3,2.13; 2Thes 2,17;3,3; 1 Petrus 5,10). In vielen Gemeinden ist das Problem heutzutage nicht so sehr, daß die Gläubigen nicht wissen, was Gott von ihnen erwartet, sondern daß sie es entweder vergessen haben (vgl. 2 Petrus 1,9) oder nicht bereit sind, nach der Wahrheit, die unter ihnen ist, zu leben.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Das »Erinnern« der Hörer an bestimmte zu beherzigende Inhalte war in der Antike ein üblicher Bestandteil der moralischen Ermahnung, vor allem in der durch die Wendung »obwohl ihr’s wisst« gemilderten Form.

Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

Mit starken Worten im Griechischen, die kaum übersetzbar sind, betont Petrus in Vers 12 seinen festen Willen und Vorsatz, von dem er sich nicht abbringen lassen will, die Gemeinden zu erinnern, auch wenn es ihnen gar nicht gefallen sollte. Auch die Apostel Paulus (Röm 15,15; vgl. 1 Kor 15,1ff; 11,24ff) und Johannes (1 Joh 2,20f) sahen es für ihre Pflicht an, die Gemeinden an das zu erinnern, was ihnen verkündigt ist (vgl. Ps 103,2).
Alle Christen haben es nötig, ständig neu auf Jesus ausgerichtet zu werden. Denn von Natur aus haben wir eine ganz andere Vorstellung von Gott. Gottes Heilsplan, Gottes Urteil über diese Welt erscheint dem natürlichen Menschen als Torheit (1 Kor 1,21; 3,18–20). So entsteht in uns ein Kampf zwischen unserem natürlichen Denken und der geoffenbarten Wahrheit Gottes. In diesem Kampf bedürfen wir der »Stärkung« durch die Erinnerung an Gottes Offenbarung. Darum ist uns die öffentliche Predigt und persönliche Andacht so wichtig (Jud 5).
Zwar erinnert Petrus und die anderen Apostel an Offenbarung Gottes. Aber »gestärkt« werden wir letztlich durch Jesus selbst, der uns gerade dazu seinen Hl. Geist gesandt hat (Joh 14,26). So benützt er auch Apostel und andere Christen. Darum kann Petrus andererseits sagen, daß die Christen das alles »wissen« und es den Anschein hat, als benötigten sie die Erinnerung gar nicht. Sie haben das Wort bei sich, sind nicht vom Licht getrennt und haben den Hl. Geist. Die »Wahrheit« ist »gegenwärtig«.
Die »Wahrheit« ist nicht eine Idee, ist nicht das Christentum, sondern eine Person, ist Jesus Christus selbst als die leibhaftige Treue Gottes. Schon im AT meint das Wort »Wahrheit« die Bundestreue Gottes (Hos 2,19f). Die Psalmen sind voll von dieser Treue (Wahrheit) Gottes, die sich in seiner Güte und Gerechtigkeit bewährt (be-wahr-heitet; vgl. Ps 36,6; 89,34; 96,13; 100,5; 119,75, 90, 137f). So kann Gott kurz als »Gott der Wahrheit« (5 Mo 32,4) besungen werden. Jesus ist die fleischgewordene Wahrheit, d.h. Treue Gottes (Joh 14,6). »Gegenwärtige Wahrheit« ist Jesus, die Mensch gewordene Wahrheit (Jak 1,14ff; beachte 2 Petr 1,16: »Wir sind gefolgt«: Jesus), aber auch sein Hl. Geist (Joh 14,26). Was uns der Hl. Geist lehrt, ist in Joh 16,7–15 deutlich gesagt: Er lehrt Jesus und sein Heilswerk. Dennoch bleibt beides zu beachten: Wir werden an die Wahrheit erinnert werden müssen, obwohl Gottes Wahrheit in uns ist. Erst bei der Wiederkunft Jesu und der Vollendung bedürfen wir nicht mehr, belehrt zu werden (vgl. 2 Mo 18,20; auch 5 Mo 4,1; Ps 119,7; mit Jer 31,34; Hes 39,29; s. auch 2 Tim 1,10; Kol 1,5).
»Gerecht« zu werden in seinem Amt, daran liegt Petrus viel. Seine wie jedes Christen Aufgabe ist die Mission (Mt 28,19f) und die Zurüstung der Gemeinde (3,1). Die Gemeinde bedarf es, »erweckt« zu werden, weil auch sie in Gefahr ist, müde und schläfrig zu werden, ja einzuschlafen (Mt 25,1ff). Die ganze Gemeinde, Kirche schläft bisweilen. Dann bedarf sie der Reformation. Wenn die Gemeinde mit der Welt schläft, kommt der Teufel und sät auf dem Acker Unkraut (Mt 13,25). In der Stunde der Anfechtung ist die Gefahr zu schlafen besonders groß (Mt 26,40) wie auch die zu sündigen (Eph 5,11–14; 1 Thes 5,6–10). Wach und nüchtern sein gehören zusammen (1 Thes 5,6ff; vgl. 1 Petr 1,13; 4,7; 5,8). Der biblische Begriff der Erweckung bezieht sich auf schläfrige Gemeinden und Christen, die schon einmal bekehrt waren!

Edition C Bibelkommentar Neues Testament

Im ersten Abschnitt unseres Briefes hat Petrus das Leben der Gemeinde Jesu und aller ihrer wahren Glieder geschildert, wie es sich aus ihrem Glauben durch jene Kette von Haltungen und Handlungen bis zur „Darreichung der Liebe“ (V. 5–7) entfaltet. Das ganze Leben der Gemeinde stand ihm dabei im Lichte der großen Zukunftserwartung. Sehr bedacht und bewußt schreibt er: Darum will ich immer bedacht sein, euch an diese Dinge zu erinnern, obwohl ihr sie kennt und durch die (euch) gegenwärtige Wahrheit gestärkt seid. Die Apostel wenden sich in ihren Briefen an Gemeinden, die die Botschaft kennen, deren Wahrheit in den Gemeinden gegenwärtig ist und die Gemeindeglieder stärkt. Das haben sie vielfach erfahren. Dieses „Stärken“ ist ein „Festigen“ und „Stützen“, gerade auch in den Anfechtungen, denen die Gemeinde ausgesetzt ist. Aber weil es sich um so wichtige Dinge handelt, will Petrus immer bedacht sein, euch an diese Dinge zu erinnern. Wir alle haben dieses Erinnern nötig, es geht ja nicht um ein natürliches, in sich selbstverständliches „Wissen“. Gottes Wahrheit steht in fundamentalem Gegensatz zu allem, was der Mensch nach dem Sündenfall denkt und will. Gottes Botschaft erscheint dieser Welt als „Torheit“, wie umgekehrt diese Welt bei Gott Torheit ist (1Ko 1, 21; 3, 18–20). In dieser Lage sind wir ständig in Gefahr, Gottes Wahrheit abzuschwächen, ja zu „vergessen“ und uns dieser Welt anzupassen. So ist das Erinnern eine wesentliche Aufgabe der apostolischen Schriften, wie auch aller Verkündigung, die jemals in der Gemeinde des Auferstandenen geschehen ist.

Holmer de Boor – Wuppertaler Studienbibel

»Deshalb«, weil so viel davon abhängt, was die Leser des Briefes mit dem »kostbaren Glauben« (V. 1) anfangen, den sie empfangen haben. Befolgen sie die Aufforderung, mit allem Fleiß um Wachstum zu ringen, werden sie fruchtbar sein und nie straucheln, und sie werden einen reichlichen Eingang in das ewige Reich des Herrn Jesus Christus finden. Petrus trägt Sorge um die Geschwister, weil so viel auf dem Spiel steht:

• Fruchtbarkeit oder nicht;
• Gewissheit oder nicht;
• Straucheln oder nicht;
• reichlicher Eingang ins Reich oder nicht.

»will ich Sorge tragen«, wörtlich: »will ich nicht vernachlässigen …«. Das Verb αμελεω, ameleō (»nicht vernachlässigen«) steht auch in Mt 22,5; 1Tim 4,14; Hebr 2,3; 8,9. Petrus kann nicht nachlässig sein, kann die Dinge nicht schleifen lassen, sondern er muss Sorge tragen um die Seelen. Er ist eben der Hirte, den der Herr zu diesem Dienst berufen hatte (Joh 21,15–17; 1Petr 5,1). Jeder Diener muss die Mittel gebrauchen, die ihm Gott in die Hand gegeben hat. Die Ermunterung oder Ermahnung ist eines dieser Mittel. Petrus will deshalb Sorge tragen, die Brüder zu lehren und an das Gelehrte zu erinnern: Er will ihnen dazu verhelfen, dass ihnen ein reichlicher Eingang in das Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus gewährt wird.
»euch immer an diese Dinge zu erinnern«: Beachten wir das Wort »immer«. Petrus meint, dass er jede Gelegenheit dazu nutzen will. Die Grundlehren des Christentums – die Lehre über Gott, über den Christus, über den Heiligen Geist, über die Sünde, über das Heil – muss man immer wieder behandeln. Erst wenn man eine Lehre über längere Zeit häufig erklärt und wiederholt eingeschärft hat, sitzt sie wirklich. Was meint Petrus im vorliegenden Zusammenhang mit »diese Dinge«? Er meint die in den Versen 5–11 gemachte Aufforderung, entschlossen danach zu trachten, dass die göttliche Natur in uns sich entfaltet. Wenn wir uns daran erinnern, wie der Herr uns berufen hat (1,3), was wir in dieser Berufung empfangen haben (1,4), woraus er uns berufen hat und wie viel er dazu für uns gelitten hat (1Kor 11,24), wenn wir vor Augen haben, wie herrlich die Vergebung der Sünden ist (1,9) und wie schlimm das Leben in der Sünde war (5Mo 15,15; 16,12; 24,18) und – schließlich – wie groß das Ziel ist, zu dem der Herr uns erlöst hat, dann richten wir unsere Schritte entsprechend.
Wir vergessen so schnell, weil wir es so gerne tun: Wie schön wäre es, könnten wir uns einfach gehen lassen! Aber lassen wir uns gehen, wird mit uns passieren, was mit dem Teig passiert, in den die Hausfrau die Hefe eingeknetet hat. Sie muss ihn nun lediglich gehen lassen, und er beginnt aufzuschwellen. Wir müssen uns nur gehen lassen, und dann wird der Sauerteig der alten Natur wachsen und wachsen und wachsen (Mt 13,33; 1Kor 5,6; Gal 5,9), bis alles durchsäuert ist.
Wir vergessen so schnell, was wir tun müssen, damit das Gute in uns zunehmen kann:


• ringen (Lk 13,24);
• kämpfen (Kol 1,29; 1Tim 6,12);
• nachjagen (Phil 3,13.14; Hebr 12,14).

»obwohl ihr … befestigt seid«, εστηριγμενοι, estērigmenoi. Die Berufenen sind »befestigt« und damit das Gegenteil von den »Unbefestigten«, αστηρικτοι, astēriktoi (2,14; 3,16). Die Geschwister sind »in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt«, aber damit gibt sich Petrus nicht zufrieden: Sie müssen wachgehalten werden, damit sie nicht ihre eigene Festigkeit verlieren und zu Fall kommen (siehe 2,14; 3,17).

»Es ist ein großer Fehler zu denken, weil man eine Sache kenne, müsse man nicht immer wieder an sie erinnert werden. Ich meine, wenn wir wirklich um den Zustand der Gemeinde und der Welt besorgt sind, wenn wir uns wirklich nach Erweckung in der gegenwärtigen Zeit sehnen, dann müssen wir uns mehr auf die Gemeinde konzentrieren als auf die Welt. Die Gemeinde ist die Trägerin der Heilsbotschaft. Wenn die Gemeinde selbst kein Leben hat oder ungewiss und elend ist, wie will sie dann ihre Arbeit tun?« (Lloyd-Jones).

Benedikt Peters – Kommentar zu 2. Petrus

Eine sanfte Antwort wendet Wut ab, doch ein hartes Wort lässt Zorn aufkommen

Eine sanfte Antwort wendet Zorn ab, ein kränkendes Wort aber steigert den Zorn.
Die Philippson-Bibel – Sprüche 15,1

Eine gelinde Antwort wendet den Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn
Elberfelder 1871 – Sprüche 15:1

Eine linde Antwort kehrt die Grimmglut ab, aber eine schnöde Rede macht den Zorn steigen.
Buber & Rosenzweig – Spr 15,1

Wenn du stark genug bist, einen Kreislauf des Bösen zu durchbrechen, indem du Gutes tust, dann kannst du einen Kreislauf des Guten in Gang bringen. „Eine gelinde Antwort wendet den Grimm ab.“ Diese gelinde Antwort entspringt nicht etwa der Schwachheit, sondern entspringt der Stärke, und der Zornige fühlt dies. Da so viele Menschen Gleiches mit Gleichem vergelten, wirst du, wenn du das Böse mit Gutem durchbrichst, den Kreislauf des Bösen auf einen Kreislauf des Guten umschalten. „Die segnende Seele wird reichlich gesättigt, und der Tränkende wird auch selbst getränkt.“ „Wirf dein Brot hin auf die Fläche der Wasser, denn nach vielen Tagen wirst du es finden.“ Es mag etwas Zeit erfordern, bis dein gutes Handeln dir von anderen her eine gute Ernte einträgt. Du kannst nicht heute Samen säen und morgen schon Weizen ernten. Aber nichtsdestoweniger: „Was immer ein Mensch sät, das wird er auch ernten; so laßt uns nicht nachlassen, das Rechte zu tun, denn zur bestimmten Zeit werden wir ernten, wenn wir es nicht aufgeben.

Wachtturm 15-September 1956

Lass den Streit – ehe er heftig wird
„Eine milde Antwort wendet den Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn.“
Sprüche 15,1

Wenn wir das doch lernen würden: „Gelinde“ zu reagieren, wenn wir uns über die Worte eines anderen ärgern! Unerwartet können wir in eine Situation kommen, wo durchaus eine „milde Antwort den Grimm abwenden“ könnte. Aber – wir reagieren gereizt und ein Wort ergibt das andere …
Das kann im Umgang mit Glaubensgeschwistern vorkommen, aber vor allem im Miteinander als Eheleute. Denken wir daran: Der Feind der Seelen lauert nur darauf, uns unglücklich zu machen, indem wir durch ein kränkendes Wort den Zorn des anderen erregen. Deshalb wollen wir die Ermahnung des weisen Salomo beachten.
Hanna – eine milde Antwort trotz großer Not
Hanna, die Frau Elkanas, ist uns ein Vorbild hinsichtlich einer wirklich „milden“ Reaktion. Mit ihrem Ehemann war sie nach Silo zum Zelt der Zusammenkunft gekommen um das jährliche Opfer zu bringen (s. 1 Samuel 1).
Wie niedergeschlagen war sie doch in ihrer Seele: Wie sehr hatte sie sich ein Kind gewünscht, aber der Herr hatte ihren Mutterleib verschlossen (V. 6). In der Seele verbittert, weinte sie und aß nicht (V. 7). Vor dem Herrn betete sie in ihrem Herzen und bat inständig um einen Nachkommen – nicht laut, „nur ihre Lippen bewegten sich“ (V. 13). Dabei beobachtete sie der für die Ordnung im Haus verantwortliche alte Priester Eli – und der hielt sie für eine Betrunkene! In sehr verletzender Weise machte er Hanna den Vorwurf:
„Bis wann willst du dich wie eine Betrunkene gebärden? Tu deinen Wein von dir!“ (V. 14).
Arme Hanna: Für sie war das ein Stich in eine offene Wunde! Ob sie sich nun mit einem verachtenden Blick von Eli abwendet oder gar gekränkt mit heftigen Worten reagiert?
Im Gegenteil! Sie reagiert sehr milde und antwortet: „Nein, mein Herr, eine Frau beschwerten Geistes bin ich; weder Wein noch starkes Getränk habe ich getrunken, sondern ich habe meine Seele vor dem Herrn ausgeschüttet. Halte deine Magd nicht für eine Tochter Belials; denn aus der Fülle meines Kummers und meiner Kränkung habe ich bisher geredet“ (V. 15.16).
Eli beruhigt sich bei solch einer Ansprache sofort und muss erkennen, wie unweise er geredet hat. Er spricht nunmehr Worte des Trostes: „Geh hin in Frieden; und der Gott Israels gewähre deine Bitte, die du von ihm erbeten hast“ (V. 17)!
Petrus – eine milde Antwort trotz ungerechter Vorwürfe
Der Apostel Petrus war auf Geheiß Gottes in Cäsaräa bei dem Hauptmann Kornelius gewesen und hatte ihm die gute Botschaft des Evangeliums überbracht, und zwar, dass „jeder, der an ihn (den Herrn Jesus) glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen“ (Apg 10,43). Das war Balsam für das suchende Herz des Kornelius gewesen: Nicht nur den Juden gilt das Evangelium, sondern auch ihm, einem Mann aus den Nationen. Von Herzen hatte er dem Wort der Wahrheit, dem Evangelium des Heils geglaubt und den Heiligen Geist empfangen.
Welche Freude kehrte in dieses Haus ein und wie groß war auch die Freude für den Apostel, als ein Werkzeug in der Hand seines Meisters benutzt worden zu sein. Davon will er gern den Brüdern in Jerusalem berichten. Aber welch eine Enttäuschung: Seine Brüder „aus der Beschneidung“ sind über sein Tun vielmehr aufgebracht. Sie „stritten … mit ihm“ mit recht „grimmigen“ Worten. Sie hielten ihm vor: „Du bist bei Männern eingekehrt, die Vorhaut haben, und hast mit ihnen gegessen“ (Apg 11,2).
Geben wir diesem Vorwurf noch eine besondere Betonung, dann merken wir, dass jetzt nur noch eine „milde Antwort“ einen aufkommenden Streit unter Brüdern abwenden kann. (Besser hätten die Brüder gefragt: „Lieber Petrus – entschuldige bitte, aber wir verstehen nicht so ganz, warum du zu Menschen eingekehrt bist, die Vorhaut haben. Kannst du uns das bitte erklären?“)
Petrus reagiert weise – der Herr schenkt ihm die rechten Worte als eine „milde Antwort“: Der Reihe nach berichtet er all das, was sich unter der offenbaren Führung des Geistes Gottes im Haus des Kornelius zugetragen hatte. Demütig schließt er seine Ansprache mit den Worten: „Wer war ich, dass ich vermocht hätte, Gott zu wehren“ (V. 17)?
Wie schön als Ergebnis der Besprechung zu lesen: „Als sie (die Brüder) aber dies gehört hatten, beruhigten sie sich und verherrlichten Gott und sagten: Also hat Gott auch den Nationen die Buße gegeben zum Leben“ (V. 18). So war dem Feind durch eine milde Antwort gewehrt und der Herr vielmehr verherrlicht worden.
Nun blenden wir in unsere Tage:
Jens hat einen langen und anstrengenden Arbeitstag hinter sich. Er fährt seinen Wagen in die Garage und betritt die Wohnung. Sein Kopf ist noch nicht frei: Da war die ergebnislose Besprechung, die scharfe Reaktion eines Kunden, die Arbeit ging heute einfach nicht gut „von der Hand“. Da kommt seine Frau Birte aus der Küche. Jens ist immer noch ganz in Gedanken und grüßt nicht so freundlich, wie sie es sonst gewohnt ist.
Nun kommt es auf ihre Reaktion an! Kann sie sich einfühlsam in die Situation ihres Mannes versetzen oder nicht?
Wenn nicht, wird Birte denken: Was hat er denn heute? Ich habe ihm doch nichts getan! Ich plage mich den ganzen Tag für ihn – und was macht er für ein Gesicht? Und dann schmollt sie und macht ihm Vorhaltungen.
Wie schnell gibt dann ein Wort das andere! Sie sagt: „Das hätte ich nicht gedacht, dass du so zu mir sein könntest!“ Und er antwortet: „Du bist doch auch kein Engel!“
Hätte eine „milde Antwort“ die Situation nicht sofort beruhigt? Er: „Liebling – verzeih mir, aber ich hatte solch einen Ärger“. Oder Sie: „Schatz – jetzt wollen wir uns mal nicht mehr ärgern, sondern erst einmal gemütlich zu Abend essen. Und wenn wir nachher zusammen beten, sagen wir alles dem Herrn: Er kann helfen!“
Eine lohnende Übung
Wir merken, wie wichtig es ist, den Rat aus Sprüche 15,1 zu beachten! Wollen wir uns darin nicht mehr und mehr üben? Wenn es nicht immer gelungen ist – und wer müsste das nicht bekennen –, was hindert uns, es ab heute mit Gottes Hilfe besser zu machen?
Friedhelm Müller

Bleib in mir 04-2016

Quelle des Rufenden

Und es dürstete ihn sehr, und er rief zu Jehova und sprach: Du hast durch die Hand deines Knechtes diese große Rettung gegeben, und nun soll ich vor Durst sterben und in die Hand der Unbeschnittenen fallen!
Da spaltete Gott die Höhlung, die zu Lechi ist, und es kam Wasser aus ihr hervor; und er trank, und sein Geist kehrte zurück, und er lebte wieder auf. Daher gab man ihr den Namen: Quelle des Rufenden, (En-Hakore) die zu Lechi ist, bis auf diesen Tag.
Elberfelder 1871 – Richter 15,18–19

Ihn dürstete sehr, er rief zu IHM, er sprach:
Du selber gabst in die Hand deines Knechts
diese große Befreiung,
und jetzt soll ich, sterbend vor Durst,
in die Hand der Vorhautigen fallen?
19 Gott spaltete die Zahngrube, die im Kinnbackenfels, auf,
hervor kam Wasser daraus, und er trank,
sein Geist kehrte wieder, er lebte auf.
Darum rief man ihren Namen Ruferquell,
der springt in Lechi auf,
bis auf diesen Tag.
Buber & Rosenzweig – Richter 15:18–19

Und als ihn sehr dürstete, rief er zu Jahweh und sagte: „Du selbst hast in die Hand deines Knechtes diese große Rettung gegeben – und jetzt soll ich vor Durst sterben und in die Hand der Unbeschnittenen fallen!“
Da spaltete Gott die Höhlung, die bei Lehi ist, und es kam Wasser daraus hervor. Und er trank. Und sein Geist kehrte zurück, und er lebte wieder auf.
Jantzen & Jettel 2022 – Ri 15,18–19

Den Vers 15 hatten wir ja schon einmal – und dort dann auch ein paar Kommentare über den Glaubensstatus von Simson.

Als nächstes versorgte Gott Simson mit Wasser. Simson war nach dieser Anstrengung in dem heißen, trockenen Klima äußerst durstig. Sein Schrei zum Herrn wurde auf wunderbare Weise beantwortet, als Gott die Höhle öffnete ( maKtMS , wörtl.: „Mörser“) und Wasser herausfloß. Dieser Ort, an dem Simson seine Stärke wiedererlangte, wurde noch En-Kore (Luther: „Quelle des Rufenden“) genannt, als das Buch Richter abgeschlossen wurde ( bis auf diesen Tag ).

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Da ihn aber sehr dürstete, rief er den Herrn an und sprach: Du hast solch großes Heil gegeben durch die Hand deines Knechtes; nunaber muss ich Durstes sterben und in der Unbeschnittenen Hände fallen. Da spaltete Gott die Höhlung in Lehi, dass Wasser herausging; und als er trank, kam sein Geist wieder, und er ward erquickt. Darum heißt er noch heutigestags »des Anrufers Brunnen«, der in Lehi ist. Und er richtete Israel zu der Philister Zeit zwanzig Jahre.

Simsons Not
»Nun aber muss ich Durstes sterben.« Hat Gott die Hand von Simson abgezogen? Schlimmer! Sie widersteht ihm. Es ist noch gar nicht lange her, da hat Simson sich groß gerühmt, welch herrlichen Sieg er erfochten habe. Nun wandert der einsame Mann durch die Wüste, wo ihn der Durst überfällt. Wie gehen ihm hier die Augen auf dafür, dass es mit seiner eigenen Herrlichkeit nicht sehr weit her ist! Diese Umkehr in seinem Herzen wird in unserem Abschnitt deutlich. Nun betet er: »Du, Herr, hast solch großes Heil gegeben durch die Hand deines Knechtes.« Hier tut ein Mann Buße über seinen Hochmut und kehrt um zu der wahren Erkenntnis eines rechten Christen: Ohne Ihn können wir nichts tun.
Das Neue Testament sagt (1.Petr. 5,5): »Gott widersteht den Hoffärtigen.«
Widersteht!! Das hat seit Simsons Zeiten mancher erfahren müssen. Und vielleicht prüfen wir einmal, wie sehr unser Hochmut den Segen Gottes in unserm Leben hindert.

Des Anrufers Brunnen
Ringsumher ist einsame Wüste. Aber Simson ist nicht allein. Der Herr ist da, der ihn hört. Wohl dem, der um die Gegenwart des Herrn weiß und beten kann!
Der Herr gibt Wasser. In diesem Sätzlein ist das ganze Evangelium enthalten. Jesus sagt (Joh. 7,37): »Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke.«
Und Offenbarung 21,6 heißt es: »Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst.«
Am Brunnen in Samaria sagte der Herr Jesus zu einer Frau (Joh. 4,13 f), indem Er auf den Brunnen deutete: »Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten.«

Alfred Christlieb (gest. 1934) sagte zu unserm Text:
»Der schönste Brunnen des Anrufers ist der, den Jesus geöffnet in Gethsemane und auf Golgatha. Da war Seine Seele betrübt bis in den Tod. Da hat Er Gebet und Tränen mit Geschrei geopfert. Da ist ein Brunnen des Anrufers entstanden, der die Not vieler Tausender von verschmachtenden Menschen gestillt hat bis auf den heutigen Tag. Da ist der rechte Brunnen des Anrufers. Wer da erquickt und gelabt ist, kann selber durchs Jammertal gehen und graben daselbst Brunnen. Gott schenke uns dies!«

Wilhelm Busch – Bileam Josaphat Simson

Der Erzähler fügt das scheinbar unnötige Detail hinzu, dass Simson den Kieferknochen wegwarf, nachdem er sein Gedicht beendet hatte (V. 17a). Dieses Bild hat etwas sehr Lebendiges – ein tragischer und komplexer Held, der seine Waffe der Bequemlichkeit wegwirft. Unmittelbar nachdem er den Kieferknochen weggeworfen hat (V. 17b), „entreißt er ihn der Vergessenheit, indem er ihn in den Namen des Ortes einbaut, an dem das alles passiert ist: Ramath-lehi (Kieferknochenberg)“. Für den Fall, dass Samsons Lied in Vergessenheit gerät, sorgt die Umbenennung des Kampfplatzes dafür, dass niemand seine epische Leistung je vergessen wird.

Gerade als wir denken, dass diese Episode abgeschlossen ist, fügt der Erzähler einen Epilog ein (V. 17-20). Samsons großer Durst veranlasst ihn dazu, Jahwe zum ersten Mal in diesem Zyklus anzurufen. Die Kommentatoren sind sich uneinig darüber, was man von Samsons Gebet halten soll. Einerseits erklärt sich Simson zum „Diener“ Jahwes, dankt Jahwe für „diese große Rettung“ und scheint seine Abhängigkeit von Jahwe dadurch zu demonstrieren, dass er ihn überhaupt anruft. Block stellt außerdem fest, dass das Gebet darauf hindeutet, dass Simson sich für einen zweiten Mose in der Wüste hält. Nach dieser Interpretation ist Samsons Gebet ein Ausdruck seines Glaubens und Vertrauens in Jahwe, und der Erzähler stellt ihn positiv dar.
Andererseits geht es bei Samsons Demuts- und Glaubensbekundungen vielleicht einfach darum, dass er die richtigen Worte findet, um von Jahwe zu bekommen, was er will. In dem Gebet könnte ein Hauch von Anklage stecken – so als würde Simson sagen: „Nachdem ich diesen Sieg errungen habe, Jahwe, willst du mich sterben lassen?“ Außerdem klingt Samsons Verachtung für die Philister, wenn er das abwertende Wort „Unbeschnittene“ verwendet (derselbe Begriff, mit dem ihn seine Eltern in 14,3 davon abbringen wollen, die Timniten zu verfolgen), falsch. Simson hat eine große Vorliebe für die philistäische Kultur und (vor allem) für philitäische Frauen gezeigt, so dass es schwierig ist, diese Distanzierung von den „Unbeschnittenen“ nicht als zweckmäßig anzusehen, wenn er Jahwe darum bittet. Schließlich sind die Parallelen zwischen Simson und den Israeliten in ihrer Wüstenwanderung schwer zu übersehen, und wenn sie absichtlich sind, sind sie wahrscheinlich nicht schmeichelhaft für Simson,
Wie sollen wir also Samsons Gebet bewerten? Ich habe den Eindruck, dass es zu seinem bisherigen Charakter passt und darauf hinausläuft, dass Simson die Situation so manipuliert, dass sie sich für ihn auszahlt. Und doch ist Simson ein komplexer Charakter – vielleicht einer der komplexesten menschlichen Charaktere im ganzen Buch der Richter. Samson hat etwas Bewundernswertes, aber auch etwas tragisch Selbstzerstörerisches an sich. In diesem Gebet zeigt er zwar, dass er Jahwe als Quelle der Befreiung kennt, aber es ist fast so, als ob etwas tief in Samson nicht zulassen kann, dass er von jemand anderem als sich selbst abhängig ist. Wenn er das Gebet benutzt, um Jahwe zu manipulieren, dann ist er immer noch die ultimative Quelle seiner eigenen Rettung, anstatt um die Rettung zu bitten und sie als Geschenk Jahwes zu empfangen. Ein ähnliches Muster werden wir in seinem Gebet zu Jahwe in den letzten Momenten seines Lebens finden (16,28-30).

Unabhängig von Samsons Beweggründen sorgt Jahwe für das Geschenk – auf wundersame Weise sprudelt eine Wasserquelle, und Samson wird verjüngt (V. 19ab). Der Ort wird in En Hakkore – „Die Quelle des Rufers“ – umbenannt und erinnert damit erneut an Simson selbst (V. 19c). Dieser mittlere Abschnitt des Simson-Zyklus (Kap. 14-15) endet mit der rätselhaften Bemerkung, dass Simson in den „Tagen der Philister“ zwanzig Jahre lang über Israel richtete (V. 20). Das ist aus mehreren Gründen interessant. Erstens erwarten wir eine solche Notiz am Ende der Erzählung, aber der Samson-Zyklus geht weiter. Zweitens ist es, wie Block betont, schwer vorstellbar, dass Simson eine Führungsrolle als Richter innehatte, geschweige denn zwei ganze Jahrzehnte lang. Drittens deutet die Bezeichnung dieses Zeitraums durch den Erzähler als „Tage der Philister“ darauf hin, dass das Land während Samsons Richterschaft keine Ruhe hatte und Israel trotz Samsons Siegen immer noch ein besetztes und versklavtes Volk war.

David J. H. Beldman – Richter

studiere neue Qellen?

im ersten Jahre seiner Regierung merkte ich, Daniel, in den Schriften auf die Zahl der Jahre, betreffs welcher das Wort Jehovas zu dem Propheten Jeremia geschehen war, daß nämlich siebzig Jahre für die Verwüstung (Eig die Trümmer) Jerusalems vollendet werden sollten.
Elberfelder 1871 – Daniel 9,2

im ersten Jahr seiner Herrschaft suchte ich, Danijjel, Einsicht in den Büchern in die Zahl der Jahre, die sich erfüllen sollten nach dem Wort des Ewigen an den Propheten Jirmejahu über die Trümmer Jeruschalajims: Siebzig Jahre.
Die Philippson-Bibel – Daniel 9:2

Daniel lebte on Babylon – etwa Zeitgleich waren Hesekiel und Jeremia an anderen Orten von Jehovah als Propheten berufen. Das heißt, dass Daniel ja gar nicht wissen konnte, ob das Bibelnuch Hesekiel und das Bibelbuch Jeremia in die „heilige Schrift“ aufgenommen werden würden. Aber scheinbar konnte sich Daniel trotzdem mit den Worten der anderen Propheten seiner Zeit auseinandersetzen – und diesen Glauben schenken! Was wäre, wenn Jeremia „sich geirrt“ hätte? Was wäre, wenn Jeremia, wie heute sogenannte „leitende Körperschaften“ mit den Daten daneben gelegen hätte?

Folgendes Zitat aus „einer religösen Zeitschrift“ zeigt deutlich: Daniel konnte den Worten Jeremias vertrauen, weil Jeremia wirklich vom heiligen Geist inspiriert war (im Gegensatz von den sogenannten „Gesalbten“ mancher Glaubenrichtungen heute)

Wie ist Daniel an das Studium von Prophezeiungen herangegangen? Er hatte das richtige Motiv. Sein Ziel war es, die Wahrheit herauszufinden. Außerdem war Daniel demütig. Er erkannte an, dass Jehova nur denen, die ihn kennen und seine reinen Maßstäbe hochhalten, Verständnis gibt (Dan. 2:27, 28). Seine Demut zeigte sich daran, dass er sich ganz auf Jehova verließ (Dan. 2:18). Daniel ging auch gründlich vor. Er stellte in den Schriften, die ihm zur Verfügung standen, Nachforschungen an (Jer. 25:11, 12; Dan. 9:2).

Wachtturm – August 2023

Ist das also eine Aufforderung, auch heute aus allen christlichen Strömungen zu schauen, was Jehovah zu sagen hat? – und gleichzeitig die auszusortieren, die sich in den letzten über 120 Jahren immer und immer wieder gerirrt haben??


Daniel datiert sein Gebet auf das erste Jahr des Darius und stellt dann die Identität dieses Herrschers, seine ethnische Abstammung und sein politisches Amt dar (Vers 1). Dann wiederholt er die Jahresangabe. Für uns läßt sich daraus entnehmen, dass sich Gebete auf konkrete Situationen beziehen sollen. Beten ist nicht nur frommes Gerede, das mit den alltäglichen Erfahrungen nichts zu tun hat. Wie Daniel sollten wir für das beten, was uns gerade zu schaffen macht.
Als Babylon durch die Meder und Perser erobert wurde, war es zu dramatischen Veränderungen gekommen. Inzwischen schrieb man des erste Jahr der neuen Herrschaft, und Daniel wartete gespannt auf das, was nun geschehen würde. Er kannte die Prophezeiungen Jeremias (Jer 25,10–14) und wußte, dass die Gefangenschaft seines Volkes 70 Jahre dauern sollte. Dieser Abschnitt näherte sich dem Ende, denn er selbst lebte nun schon seit fast 70 Jahren in Babylon. Er war im Jahr 605 v. Chr. nach Babylon verschleppt worden. Inzwischen schrieb man das Jahr 538/537 v. Chr. Die Lektüre der Schriftrolle des Propheten Jeremia trieb Daniel ins Gebet (Vers 2).
Es wäre gut, wenn wir seinem Beispiel folgen würden. Gottes Wort enthält froh machende Zusagen, auf die wir uns jederzeit im Gebet berufen können, damit sie sich in unserem Leben und in der Gemeinde erfüllen.

William H. Shea_2019 – Studienreihe zur Bibel — Das Buch Daniel

„Im ersten Jahr Darius‘, des Sohnes Ahasveros‘, aus dem Geschlecht der Meder, der über das Reich der Chaldäer König geworden war …“ (9,1).
68 Jahre waren vergangen, seitdem Daniel beim Fall Jerusalems gefangen genommen worden war. Daniel hatte die Auferstehung und den Fall Babylons, des ersten Weltreiches, gesehen. Persien, das zweite Weltreich, hatte jetzt die Vorherrschaft erlangt. In diesem Königreich hatte Daniel eine hohe, autoritäre Position über die Fürsten des Reiches inne. Doch weder seine gehobene Stellung, noch die beanspruchenden staatlichen Angelegenheiten konnten auch nur für einen Moment seine brennende Liebe für das Volk Gottes oder seinen Glauben in das sein Volk betreffende Wort Gottes dämpfen.
„Im ersten Jahr seiner Regierung verstand ich, Daniel, in den Schriften die Zahl der Jahre, bezüglich derer das Wort des HERRN an den Propheten Jeremia ergangen war, dass nämlich 70 Jahre für die Verwüstung Jerusalems vollendet werden sollten“ (9,2).
Wir haben bereits gesehen, dass Daniel ein Mann des Gebets war. Jetzt erfahren wir, dass er ebenso jemand war, der die Schriften studierte. Obwohl er selbst ein Prophet war, war er bereit, auf andere inspirierte Propheten Gottes zu hören und die Gedanken Gottes in den Büchern der Schrift zu erfahren. So kommt es, dass er beim Lesen des Buches Jeremia entdeckt, dass das Land Israel nach dem Fall Jerusalems in den Tagen Jojakims 70 Jahre zur Einöde werden würde und am Ende dieser siebzig Jahre der König von Babylon gerichtet und das Land der Chaldäer verwüstet werden würde (Jer 25,1.11.12). Darüber hinaus lernt Daniel, dass nicht nur Babylon gerichtet werden würde, sondern dass der HERR zu Jeremia geredet hatte: „Sobald siebzig Jahre für Babel voll sind, werde ich mich euer annehmen und mein gutes Wort an euch erfüllen, euch an diesen Ort zurückzubringen“ (Jer 29,10).
Daniel macht diese wichtige Entdeckung im ersten Jahr des Darius. Die eigentliche Rückkehr fand, wie wir wissen, zwei Jahre später im ersten Jahr des Kores statt (Esra 1,1). Zu diesem Zeitpunkt kann es keine aktuellen Ereignisse gegeben haben, die Hoffnung auf eine Rückkehr gerechtfertigt hätten. Dass Gott sich seines Volkes in der Gefangenschaft annehmen und ihnen einen Weg zur Rückkehr eröffnen würde, erkennt er „in den Schriften“, nicht durch die Umstände. Er hatte gerade die Vernichtung des Königs von Babylon und den Fall seines Reiches gesehen, doch er stellt keine Spekulationen über die erschütternden Ereignisse, die um ihn herum stattfinden, an. Auch strebt er nicht danach, aus diesen für das Volk Gottes vorteilhafte Schlussfolgerungen zu ziehen. Er wird in seinem Verständnis von der Schrift, dem Gottes Wort, geleitet, ob die Umstände für oder gegen die Verheißungen Gottes sprechen. Das Wort Gottes ist der wahre Schlüssel zur Prophetie. Wir müssen Prophezeiungen weder durch sich ereignende Umstände erklären, noch die Erfüllung der Prophezeiungen abwarten, um sie auszulegen.

Hamilton Smith – Das Buch Daniel

Der Hintergrund des Kapitels wird in den Versen 1-2 beschrieben. Vers 1 nennt das Datum: Im ersten Jahr des Darius, des Sohnes des Ahasveros , aus dem Geschlecht der Meder, der zum König über das Reich der Chaldäer ernannt wurde . Daniel empfing diese Vision im Jahr 539/538 v. Chr., dem ersten Jahr des Darius. Seit dem Beginn der Babylonischen Gefangenschaft im Jahr 605 v. Chr. waren etwa siebenundsechzig Jahre vergangen. Daniel war etwa einundachtzig Jahre alt und hatte sich bis dahin mit folgenden Visionen beschäftigt: 602 v. Chr., Nebukadnezars Traumbild (2:1-45); 553 v. Chr., die vier Tiere und der Alte der Tage (7:1-28); und 551 v. Chr., der Widder und der Ziegenbock (8:1-27). Jetzt, im Jahr 539 v. Chr., nach dem Fall Babylons , sollte er eine weitere Vision erhalten.
Der damalige König war Darius, der Sohn des Ahasverus . Ahasverus ist die biblische Wiedergabe des altpersischen Namens Khashayarsha, der im Griechischen als Xerxes wiedergegeben wird. Einige englische Bibelübersetzungen, wie die NIV und die Berean Standard Bible, verwenden diesen griechischen Namen in Daniel 9:1. Diese Wiedergabe ist jedoch unglücklich, weil sie den Ahasverus von Daniel 9 mit dem Ahasverus von Esther 7,5 und 8,1 und Esra 4,4-6 verwechselt. Bei diesem Ahasverus handelte es sich um Xerxes I. (reg. 485-465 v. Chr.), den Sohn des persischen Königs Darius I. . In Esther und Esra war also Darius der Vater und Ahasverus der Sohn. In Daniel war Darius der Sohn und Ahasverus der Vater. Einige Gelehrte haben Daniel fälschlicherweise beschuldigt, die persischen Könige aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Namen und Abstammung miteinander zu vermengen. Newsom , der an eine spätere Abfassung der Schriften Daniels glaubt, stellt zum Beispiel fest: „In der Abfolge der persischen Könige war Darius I. der Vater von Xerxes I., so dass der Autor die Namen entliehen und die Reihenfolge umgekehrt haben könnte, um die Genealogie von Darius dem Meder zu erstellen (siehe Esra 4:4-6).“ [ 407 ] Offensichtlich glaubt Newsom nicht an die Existenz einer historischen Figur mit dem Namen Darius der Meder. Wie jedoch bereits in der Diskussion über Daniel 5-6 erläutert, beziehen sich die persischen Berichte über die Eroberung Babylons auf den Darius von Daniel 9 als Gubaru . Er war aus dem Geschlecht der Meder, während sein Verbündeter, Cyrus , Perser war. Darius/Gubaru wurde zum König der chaldäischen Provinz Babylon gemacht, während Cyrus zum König des gesamten Medo-Persischen Reiches gekrönt wurde.
Nach Vers 2 studierte Daniel die Schriften, die bis dahin zur Verfügung standen, darunter auch Jeremia: „Im ersten Jahr seiner Herrschaft verstand ich, Daniel, durch die Bücher die Zahl der Jahre, von denen das Wort Jehovas zu Jeremia, dem Propheten, kam, für die Vollendung der Verwüstungen Jerusalems, nämlich siebzig Jahre . Der hebräische Begriff für „Bücher“, sepharim, steht im Plural, was darauf hindeutet, dass Daniel mehr als nur die Schriftrolle des Jeremia studierte. Höchstwahrscheinlich studierte er auch Levitikus, Erste Könige, Jesaja und Hosea. Aus Jeremia hätte Daniel die Zahl von siebzig Jahren gelernt, denn der Prophet sagte zweimal voraus, dass die Babylonische Gefangenschaft sieben Jahrzehnte dauern würde (Jer. 25:10-14 ; 29:10-14 ). Aus Jesaja erfuhr Daniel von Kyrus , den der Prophet zweimal nannte (Jes 44,28 ; 45,1 ). Aus Levitikus, 1. Könige, Jeremia und Hosea hätte Daniel gelernt, dass Buße eine Voraussetzung für die Errichtung des messianischen Reiches war (Lev 26:40-43 ; 1. Könige 8:46-53 ; Jer 3:12-18 ; Hos 5:15-6:3 ).
Der Prophet Jeremia war Daniels Zeitgenosse. Diese Tatsache hat einige zu der Behauptung veranlasst, dass Daniel sein Buch zu einem späteren Zeitpunkt geschrieben haben muss, da er die Schriften Jeremias nicht gekannt haben konnte und sie auch nicht als göttlich inspiriert betrachten konnte. Solche Behauptungen sind jedoch angesichts all der Beweise, die bereits für ein frühes Abfassungsdatum vorgelegt wurden, nicht stichhaltig. Tatsache ist, dass eine ganze Generation vergangen war, seit Jeremia sein Buch geschrieben hatte, und dass Gläubige schnell erkannten, ob ein Buch göttlich inspiriert war oder nicht. Daniel betrachtete die Werke des Jeremia eindeutig als das Wort Jehovas. Dies ist das erste Mal, dass Daniel den persönlichen Namen Gottes, JHWH , verwendet. Er tat dies noch sechs weitere Male in Kapitel 9, aber nirgendwo sonst in seinem Buch (9:4, 10, 13, zweimal in 14, 20). Es gibt einen guten Grund, warum Daniel in diesem Kapitel den Namen JHWH verwendet. Er betont Gott als den Bewahrer der Bündnisse. Da er durch Jeremia versprochen hatte, dass die babylonische Gefangenschaft siebzig Jahre dauern sollte , würde sie bald zu Ende sein. Daniel wusste das, weil er bei der ersten Deportation im Jahr 605 v. Chr. nach Babylon gebracht worden war . Wir schrieben jetzt das Jahr 539 v. Chr., also würde die Gefangenschaft nach Daniels Berechnungen in drei Jahren enden. Das war tatsächlich der Fall. Es gibt jedoch noch eine zweite Möglichkeit, mit den siebzig Jahren umzugehen, und zwar von 586 bis 515 v. Chr. Im Jahr 586 v. Chr., bei der dritten Deportation , wurden Jerusalem und der Tempel zerstört. Im Jahr 515 v. Chr. wurde der Tempel wiederaufgebaut. Aber Daniels Berechnungen bezogen sich auf das, was er selbst erlebt hatte. Er rechnete nicht von den Jahren der zweiten oder dritten Deportation , sondern vom Beginn der Babylonischen Gefangenschaft im Jahr 605 v. Chr. Seit diesem Jahr, so schätzte er , war die Vollendung der Verwüstung Jerusalems fast erreicht.
Im Folgenden werden rabbinische Einschätzungen zur Bestimmung des siebzigjährigen Zeitraums gegeben:
Die Weisen schließen aus diesem Satz, dass auch Daniel (wie Belsazar ) sich zunächst bei der Berechnung dieser siebzig Jahre geirrt hat : … Ich habe nachgedacht, was darauf hindeutet, dass er beim Nachdenken etwas erkannte, was ihm zunächst nicht klar war.

die Zahl der Jahre, usw. Ich dachte über die Berechnung der Jahre nach, denn ich dachte daran, was Jeremia (29:10) prophezeite: „Denn nach Ablauf von siebzig Jahren von Babel werde ich an dich denken“, und ich dachte, dass dieses Gedenken der Bau des Tempels ist, und dass die siebzig Jahre im ersten Jahr von Darius dem Meder enden, da das Königreich Babylon seine Hand nach Israel ausstreckte, als Nebukadnezar Jojakim besiegte, um sein Sklave zu sein. Das war im zweiten Jahr der Herrschaft von Nebukadnezar, wie der Herr sagte (Meg. 11b): „Im ersten Jahr eroberte er Ninive ; im zweiten Jahr zog er hinauf und besiegte Jojakim.“ Rechne von diesem Jahr bis jetzt, und du wirst sie [die 70 Jahre] finden. Diese Berechnung findet sich auch in der Mischna von Seder Olam (Kap. 28), und wir haben dort gelernt, dass im Todesjahr von Belsazar 70 Jahre seit dem Tag vergangen waren, an dem Nebukadnezar den Thron bestieg: siebzig minus ein Jahr seit dem Tag, an dem er Jojakim besiegte, und noch ein weiteres Jahr für Babylon, das Darius vollendete. Und als ich [Daniel] sah, dass die Erlösung nicht schneller kam, überlegte ich und rechnete und wusste, dass ich nicht nach der Eroberung Jojakims rechnen sollte, sondern nach der Zerstörung Jerusalems , wenn 70 Jahre vollendet sein werden von der Verbannung Zedekias, als Jerusalem zerstört wurde. Und es werden noch 18 Jahre kommen, denn dieses Exil war im achtzehnten Jahr, gerechnet von der Eroberung Jojakims, wie wir in Seder Olam gelernt haben: „Sie wurden im siebten Jahr verbannt; sie wurden im achten Jahr verbannt; sie wurden im achtzehnten Jahr verbannt; sie wurden im neunzehnten Jahr verbannt.“ Unsere Weisen im Traktat Megilla (11b) erklären, dass sie im siebten Jahr des Exils von Jekonja verbannt wurden, gerechnet ab der Eroberung von Jojakim, also im achten Jahr der Herrschaft von Nebukadnezar. Im achtzehnten Jahr nach der Eroberung Jojakims, dem neunzehnten Jahr der Herrschaft Nebukadnezars, wurden sie ein zweites Mal verbannt.

Die Gemara erklärt: Was ist diese Berechnung? Wie es in Bezug auf Jeremias Prophezeiung einer Rückkehr nach Eretz Jisrael geschrieben steht: „Nachdem siebzig Jahre für Babylonien vollendet sind, werde ich mich an dich erinnern und mein gutes Wort an dir erfüllen, damit du an diesen Ort zurückkehren kannst“ (Jeremia 29:10), und an anderer Stelle steht es in einer etwas anderen Formulierung geschrieben: „Im ersten Jahr seiner Herrschaft dachte ich, Daniel, in den Büchern über die Zahl der Jahre nach, die der Herr dem Propheten Jeremia angekündigt hatte, dass er siebzig Jahre der Verwüstung Jerusalems vollenden würde“ (Daniel 9,2). Er, Belsazar , rechnete wie folgt: Fünfundvierzig Jahre von Nebukadnezar und dreiundzwanzig von Evil-Merodach und zwei von ihm selbst, also insgesamt siebzig Jahre, die ohne Erlösung vergangen waren. Er war sich daher sicher, dass sich die Prophezeiung Jeremias nicht mehr erfüllen würde, und sagte deshalb: Ich werde die Gefäße des Heiligen Tempels herausnehmen und sie benutzen.

Rava sagte: Auch Daniel irrte in dieser Berechnung, wie geschrieben steht: „Im ersten Jahr seiner Herrschaft dachte ich, Daniel, in den Büchern über die Zahl der Jahre nach, von denen das Wort des Herrn an den Propheten Jeremia erging, dass er die Verwüstung Jerusalems siebzig Jahre lang vollenden würde “ (Daniel 9,2). Aus der Tatsache, dass er sagte: „Ich habe nachgedacht“, ein Begriff, der auf das Nachzählen und Berechnen hinweist, lässt sich schließen, dass er sich zuvor geirrt hatte.

Die Gemara kommentiert: Auf jeden Fall widersprechen sich die Verse in Bezug darauf, wie die siebzig Jahre zu berechnen sind. In einem Vers steht geschrieben: „Nachdem siebzig Jahre für Babylonien vollendet sind, werde ich an euch denken [ efkod] und mein gutes Wort an euch erfüllen, indem ich euch an diesen Ort zurückkehren lasse“ (Jeremia 29:10 ), was darauf hindeutet, dass die siebzig Jahre ab dem babylonischen Exil gezählt werden sollten. Und in einem anderen Vers heißt es: „Dass er für die Verwüstung Jerusalems siebzig Jahre vollenden würde“ (Daniel 9:2 ), was darauf hinweist, dass die siebzig Jahre von der Zerstörung Jerusalems an gerechnet werden .

Und im Buch Daniel (9,2) steht geschrieben: „siebzig Jahre bis zur Zerstörung Jerusalems “ – dieselbe Anzahl von Jahren, die Gott dem Propheten Jeremia zugesagt hatte.

Von der Zerstörung Jerusalems : Das Exil von Tzidkiyahu, als die Stadt niedergebrannt wurde. Und es steht ausdrücklich darin geschrieben, dass man von der Zerstörung Jerusalems an rechnen muss. Wie es geschrieben steht (Daniel 9:2), „nach Ablauf von siebzig Jahren für die Zerstörung Jerusalems.“

Nach Goldwurm lassen sich die rabbinischen Einschätzungen der Prophezeiungen Jeremias bezüglich der siebzig Jahre wie folgt zusammenfassen. Die erste Möglichkeit ist, dass Babylon siebzig Jahre nach dem Beginn der Herrschaft Nebukadnezars fallen würde (Jer. 25:12 ). Die zweite Möglichkeit ist, dass die Verbannten siebzig Jahre nach der ersten Unterwerfung Jerusalems durch Nebukadnezar zurückkehren dürfen (Jer. 29:10 ). Die dritte Möglichkeit ist, dass der Tempel siebzig Jahre nach seiner ursprünglichen Zerstörung wieder aufgebaut wird (Dan. 9:2).

Wie immer ist es am besten, das Wort Gottes so zu nehmen, wie es geschrieben steht. Was Daniel in 9:2 sagt, ist Folgendes: Obwohl das Buch Jeremia erst eine Generation vor den in Daniel 9 beschriebenen Ereignissen fertiggestellt wurde, erkannte Daniel es als das inspirierte Wort Gottes an. Jeremia prophezeite, dass Jerusalem siebzig Jahre lang verwüstet werden würde (Jer 25,11-13 ; 29,10 ). Daniel berechnete, dass sich die siebzig Jahre ihrem Ende näherten, denn die ersten Gefangenen waren 605 v. Chr. nach Babylon verschleppt worden und wir schrieben jetzt das Jahr 539 v. Chr., siebenundsechzig Jahre nach diesem Ereignis.

Arnold G. Fruchtenbaum – Ariels Bibel Kommentar

keine der Gottlosen werden es verstehen, die Verständigen aber werden es verstehen

Viele werden sich reinigen und weiß machen und läutern, aber die Gottlosen werden gottlos handeln; und keine der Gottlosen werden es verstehen, die Verständigen aber werden es verstehen.
Elberfelder 1871 – Daniel 12,10

Viele mögen ausgewählt und ganz weiß gemacht und geläutert werden, und Gesetzlose mögen gesetzlos handeln; und die Gesetzlosen werden nicht verständig handeln, und die Vernünftigen werden verständig handeln.
Septuaginta Deutsch – Daniel 12:10

Viele werden sich vom Bösen fernhalten, sich reinigen und durch Prüfungen geläutert werden. Aber diejenigen, die sich von Gott abgewandt haben, werden weiterhin Böses tun. Sie werden auch bis zum Schluss nichts begreifen, die Klugen aber werden dieses alles verstehen.
Neues Leben – Bibel 2006 – Dan 12,10

Viele werden gesichtet und geläutert und geprüft, aber Frevler werden freveln, und kein Frevler wird es verstehen, doch die Einsichtigen, die werden es verstehen.
Die Philippson-Bibel – Dan 12:10

In welcher Verbindung steht nun V. 10 mit den vorausgehenden Versen? Er bestätigt zunächst, daß Gottes Leute wirklich leiden müssen. »Das Silber reinige die Glut« (EKG 181,3). Nicht nur wenige sind betroffen, nein: »Viele« aus der Gemeinde Gottes im Alten wie im Neuen Bund. Sie »werden gesichtet« (wie Petrus in Lk 22,31!) »und gereinigt und geläutert werden«: zur Förderung ihres geistlichen Wachstums, zur Bewährung vor der Welt und dem Satan, und zur Verherrlichung Gottes. Diese Botschaft begreift der Mensch schwer. Deshalb unterstreicht der Engel, was schon in Kap. 11,33–35 gesagt war. Dort kommen dieselben Begriffe vor (vgl. die Erklärung zu 11,35).
Der Engel macht ferner eine erschütternde Vorhersage: »die Frevler werden weiterhin freveln«. Alle Gerichte Gottes werden hier nicht helfen. Jesus sagt dasselbe in Mt 24,12 und Offb 9,20f; 16,9. Wir sollten die feine Verknüpfung beachten, die zwischen dem »freveln« und dem »nicht verstehen« besteht. Aus dem Ungehorsam entspringt das Unverständnis, so wie aus dem Gehorsam das Verstehen entspringt. Deshalb lautet die Fortsetzung: »und alle Frevler werden nicht verstehen«. D.h. sie werden das bei Daniel Geweissagte nicht begreifen. Also haben sie die Bibel zur Hand. Sie suchen vielleicht, wie die Gottsucher von V.4! Aber sie wollen vom Frevel nicht lassen. Deshalb »verstehen« sie Daniels Botschaft »nicht« – auch wenn sie sie wortreich zu erklären versuchen. Umgekehrt gilt: »Aber die Verständigen werden es verstehen«. Das sind die Glaubenden und Gehorchenden, die nach Spr 1,7 handeln: »Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis«. Man wird geradezu an Jesu Rätselwort in Mt 25,29 erinnert: »Wer da hat, dem wird gegeben«. Hier liegt ein Trostwort für jeden Gläubigen vor: Er wird verstehen, was nötig ist.

Wuppertaler Studienbibel

Die Aussage, dass es „bis zur Zeit des Endes“ geheim gehalten wird, heißt möglichweise: „Erst in der Endzeit wird die wahre Dauer der Frist vor dem Ende bekannt werden.“ (Lebram, 136f.).
Was Daniel aber jetzt schon wissen kann und soll ist, dass „viele … geprüft und gereinigt und geläutert werden“ (vgl. 11,35: Und von den Verständigen werden einige stürzen, damit unter ihnen geläutert und geprüft und gereinigt werde bis zur Zeit des Endes …). Für die „Verständigen“ – und sicher auch für die „vielen“, die sie unterweisen (vgl. 11,33; 12,3) – ist das eine Chance. Sie „werden es verstehen“. Sie werden „Einsicht in den Sinn der ihnen auferlegten Zeit der Läuterung (2Makk 6,12-17) gewinnen und so eine Stütze für das Bestehen der Glaubensprüfung besitzen“ (Haag, 83). Anders „die Gottlosen“. Sie „werden es alle nicht verstehen“ und deshalb auch „weiter gottlos handeln“.

M. Mainka – Daniel

In Vers 10 unterscheidet der Engel zwischen den Weisen und den Bösen und sagt: Viele werden sich läutern und sich weiß machen und geläutert werden; aber die Gottlosen werden Unrecht tun, und keiner der Gottlosen wird es verstehen; aber die Weisen werden es verstehen. Wie bereits erwähnt, bezieht sich der Begriff „weise“ häufig auf Gläubige. In Vers 10 bezieht sich der Begriff speziell auf die Heiligen der Trübsal . Sie werden sich reinigen, weiß werden und geläutert werden. Außerdem werden sie begreifen, was Daniel nicht verstehen konnte. Doch der Grund für ihr Wissen wird Daniels Buch sein. Aufgrund dessen, was er geschrieben hat, werden sie sich selbst reinigen und weiß machen, was auf ihre Errettung hinweist. Die Bösen, die Ungläubigen, werden weiterhin böse handeln. Sie werden niemals zur rettenden Erkenntnis gelangen.

Arnold G. Fruchtenbaum – Ariels Bibel Kommentar

„Das Leben hat den Tod besiegt!“ – II

Wenn das geschieht, wenn das Vergängliche mit Unvergänglichkeit überkleidet wird und das Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann wird das Prophetenwort wahr:

»Der Tod ist vernichtet!
Der Sieg ist vollkommen!
Tod, wo ist dein Sieg?
Tod, wo ist deine Macht?«

 Die Macht des Todes kommt von der Sünde. Die Sünde aber hat ihre Kraft aus dem Gesetz. Dank sei Gott, dass er uns durch Jesus Christus, unseren Herrn, den Sieg schenkt! Darum, meine lieben Brüder und Schwestern, werdet fest und unerschütterlich in eurem Glauben und tut stets euer Bestes für die Sache des Herrn. Ihr wisst, dass der Herr euren Einsatz belohnen wird.
Gute Nachricht Bibel 2018 – 1.Korinther 15,54–58

Und wenn das geschieht – wenn das Vergängliche mit Unvergänglichkeit bekleidet wird und das Sterbliche mit Unsterblichkeit –, dann geht die Aussage in Erfüllung, die in der Schrift steht:
»Der Tod ist auf der ganzen Linie besiegt!«
55 »Tod, wo ist dein Sieg?
Tod, wo ist dein tödlicher Stachel?«
56 Der Stachel, der uns den Tod bringt, ist die Sünde, und dass die Sünde solche Macht hat, liegt am Gesetz. 57 Gott aber sei Dank! Durch Jesus Christus, unseren Herrn, schenkt er uns den Sieg!
58 Haltet daher unbeirrt am Glauben fest, meine lieben Geschwister, und lasst euch durch nichts vom richtigen Weg abbringen. Setzt euch unaufhörlich und mit ganzer Kraft für die Sache des Herrn ein! Ihr wisst ja, dass das, was ihr für den Herrn tut, nicht vergeblich ist.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 1.Korinther 15:54–58

Diesen Vers hatten wir schon einmal.

Der oben erwähnte Text von Hosea 13:14 ist lange Zeit auf die Erlösung der Nachkommen Adams, ihre Erlösung von Sünde und Tod durch das kostbare Blut Jesu, angewandt worden. Doch der Apostel Paulus berichtigt eine solch verkehrte Anwendung und zeigt, dass der Text sich auf Gottes „neue Schöpfung“ im Verein mit Christus bezieht. (2 Korinther 5:17, Moffatt) Zur Bestätigung dieser Folgerung, dass die hier Erlösten die treuen gesalbten Nachfolger Jesu Christi sind, die Zions Kinder werden, führen wir die Worte des Apostels in 1 Korinther 15:52-55 über die Auferstehung der 144 000 gesalbten Christen an: „Die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen. Wenn aber dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: ‚Verschlungen ist der Tod in Sieg‘. ‚Wo ist, o Tod, dein Stachel? wo ist, o Tod, dein Sieg?‘ „Der Apostel entnimmt seine Worte hier dem Text von Hosea 13:14 und zeigt so, dass dieser sich nicht auf die Menschheit im allgemeinen bezieht.

Wachtturm – März 1950

Und was, wenn diese „Schlußfolgerung“ einfach falsch ist, und die „alte Ansicht“ doch richtig war – nämlich dass alle Menschen, die in Christus gestorben sind, und alle dann lebenden Christen (die wirklich Christen sind) dann zu einem „unsterlichen Leben hier auf der Erde“ auferweckt werden??

andere Ansichten über diese Vers:

Die offensichtliche Vollständigkeit des ganzen Vorganges wird durch den Ausspruch aus Jes 25,8 deutlich: „Der Tod ist verschlungen in Sieg.“ (In erster Linie bezieht sich diese Aussage auf Israel und das Reich.) Der Tod wurde gezwungen, die Leiber der Heiligen herauszugeben und muß sich von einer überlegenen Kraft, der Kraft Gottes, als bezwungen ansehen. Die ganze Szene wird Triumph und Sieg sein und die Freude der Heiligen wird gehört werden, wenn sie die Herrlichkeit der Erlösung und Befreiung feiern.
55 Man beachte, daß in manchen Übersetzungen beide Fragen an den Tod gestellt werden, statt daß die zweite an das Grab adressiert ist. Man beachte auch die Übersetzungen, die beide Fragen vertauschen. Egal wie, Paulus singt jedenfalls vom vollbrachten Sieg und verherrlicht Gott darüber, daß der Tod überwunden ist. Zu seiner Hilfe zieht er sprachliche Anklänge an Hos 13,14 herzu. Der erste der beiden Ausrufe könnte das Lied der lebenden Heiligen sein: „Wo ist, o Tod, dein Stachel?“ denn sie haben niemals den Stachel des Todes gespürt. Nach den wunderbaren Absichten Gottes durften sie ohne zu sterben in die Auferstehungswelt hineingehen und sich des Himmels als ihrer Heimat für ewig erfreuen. Die zweite Frage könnte das Lied der Heiligen sein, die auferweckt wurden: „Wo ist, o Tod, dein Sieg?“ Für sie wurde die Macht des Todes gebrochen. Jahrhundertelang schien der Sieg des Todes gesichert, aber jetzt, in einem einzigen Augenblick, wurde er gezwungen, seine Opfer herauszugeben. Auf diese Weise mußte er eine Kraft anerkennen, die Kraft Gottes, die offensichtlich seine eigene überragt. Man kann sich gut die Erregung, die Freude und das Wunder in dem allen vorstellen, das ganz plötzlich entstehende Gefühl des Sieges, und der Erfüllung der Verheißungen Gottes. Einen kurzen Augenblick lang wird in der ganzen Szene, wo der Tod so lange unbestritten regiert hatte, gesehen, wie er völlig besiegt ist und zwar in universalem Maßstab.

„Der Stachel des Todes aber ist die Sünde“ bedeutet, daß die Regierung des Todes auf der Macht der Sünde beruht. Der Tod beauftragt die Sünde, eine Öffnung für sich in die menschliche Natur hineinzustoßen, so kommt „durch die Sünde der Tod“ (Röm 5,12). Durch die Sünde gewinnt der Tod seine Autorität über Menschen. Wenn also etwas gegen die Sünde getan wird, verliert der Tod seine Macht. Als Christus am Kreuz die Frage der Sünde löste, indem Er für Sein Volk starb, nahm Er dem Tod den Stachel, der nun zu einem Tor in die Gegenwart des HERRN wurde. Die Stärke und Macht der Sünde lag im Gesetz, das Maßstäbe setzte, die der Mensch nicht einhalten konnte und ihn so in ständiger Sklaverei hielt (s. Röm 7,7-11). Aber Christus befreite auch vom Fluch des Gesetzes. Sein Sterben bezog sich nicht nur auf die Sünde, sondern auch auf das Gesetz und seinen Fluch. In Seiner Auferstehung überwand er den Tod. So wurde das Gesetz seiner Stärke beraubt, die Sünde ihrer Macht und der Tod seines Sieges. In der Auferstehung wurde der Tod seiner Macht beraubt und hat weder Sieg noch Stachel. Er ist nicht mehr als ein Feind, der völlig besiegt ist.

Jetzt hat der Apostel allen Grund in aufrichtigen Dank für solch einen Sieg auszubrechen. Man beachte, daß er Gott dankt, der uns den Sieg gibt. Doch die Heiligen hatten überhaupt nichts geleistet – Gott hat alles getan. Das stimmt, aber der Sieg ist trotzdem unser, weil er in uns demonstriert wird. An uns wird diese überragende Kraft sichtbar. Wir sind mit dem verbunden, der das alles zustande brachte. Der Sieg ist unser und wir werden uns an jenem Tag voll daran erfreuen. Trotzdem geschah das alles „durch unseren Herrn Jesus Christus!“ (Man beachte den vollständigen Titel.) Ein tiefes Gefühl der Verpflichtung zum Dank erfüllt unsere Seelen, wenn wir von einer Bibelstelle wie dieser her das unglaubliche Werk begreifen, das mit Ihm verbunden ist: wir denken an das überwältigende Werk des Kreuzes, an die Macht Seiner Auferstehung, an Sein gegenwärtiges Werk als Hoherpriester und Anwalt, an Seine Erfüllung der göttlichen Absicht in der gegenwärtigen Ära bei der Entrückung, an die Aufrichtung des Reiches und schließlich, am Ende von allem, an den ewigen Zustand. Wir beugen uns vor der Majestät Seiner Person und Seiner äußersten Kompetenz auf jedem Gebiet.

Paulus bringt seine meisterliche Abhandlung mit einem gewaltigen Aufruf zu Ende: „Daher“ – im Licht und in der Kenntnis aller dieser Wahrheiten – wenn ihr sie wirklich glaubt, reagiert in einer Weise, welche die Wirklichkeit eures Glaubens beweist. „Meine geliebten Brüder“, das sichert ihnen seine tiefe Zuneigung trotz ihrer Anfälligkeit für Einflüsse, die ihren Glauben und ihr Zeugnis bewußt untergraben, zu. Diejenigen, die öffentlich dienen, sollten das zu Herzen nehmen und bestrebt sein, eine aufrichtige Liebe für die Brüder an den Tag zu legen, und das trotz vieler Schwachheit. Diese Liebe zu ihnen beeinflußte den Apostel in keiner Hinsicht in seiner Lehre, wie der ganze Brief zeigt. Treu suchte er die vielen Dinge, die eine Gefahr für ihr Zeugnis darstellten, zu korrigieren. Er sagte ihnen „die Wahrheit in Liebe“. Er rief sie auf, „festzustehen“, standhaft zu sein, beständig, von einer entschlossenen Überzeugung und Absicht im Herzen gekennzeichnet. Sie sollten sich nicht leicht beunruhigen lassen, obwohl viele Dinge um sie herum sie durcheinander bringen könnten. „Unbeweglich“ bedeutet nicht leicht von der Stelle zu bewegen, nicht wankelmütig, nicht leicht beiseite zu setzen. Das bezieht sich auf die Angriffe, denen der Glaube von Zeit zu Zeit ausgesetzt ist, sei es durch falsche Lehre, die den wahren Glauben untergräbt, oder durch Versuchung, sich Gewohnheiten hinzugeben, die die völlige Hingabe an Ihn abstumpfen. Er wünscht ihnen, „allezeit überströmend in dem Werk des Herrn“ zu sein, von nie versiegender Energie und unbändiger Kraft im Werk des HERRN, und nicht von Untätigkeit, sondern von eifriger Anstrengung gekennzeichnet, immer dabei zu sein. „Werk“ bezieht sich auf das, was getan ist, „Mühe“ hingegen auf das Tun, auf die Plage und Anstrengung darin, die hingegebene Kraft, die Ermüdung, die daraus folgt. Diese Mühe wird nie „vergeblich“ sein, umsonst, wertlos. Nachdem die Wahrheit der Auferstehung völlig begründet wurde, wird solche Mühe und Arbeit produktiv sein, Frucht tragen und ihre Belohnung vor dem Richterstuhl verdienen. „Im HERRN“ deutet an: unter Seiner Kontrolle, in Seiner Kraft und zu Seiner Herrlichkeit.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

Paulus weiß sich hier in der Linie des Wortes der ganzen Schrift. Schon im AT ist dieser Vollendungstag ausgerufen. Die beiden Stellen aus den Propheten Jesaja und Hosea stehen für viele andere. Das atl. Verheißungswort drängt zur Vollendung. Der Tod wird nicht mehr sein, er ist »verschlungen« (wörtlich: »hinuntergetrieben, verschluckt«, im Sinne von »vernichtet, ersäuft«) durch den Sieg Jesu Christi. Es ist eine überlegene, triumphierende Frage, gedeckt durch die Siegeskraft Jesu Christi: »Tod, wo ist dein Stachel?« Gemeint ist wohl bildhaft der scharfe Stachel am Stab des Viehhirten und Treibers, mit dem er die Tiere unerbittlich in die von ihm gewünschte Richtung treibt (vgl. auch 4 Mo 33,55; Apg 26,14). Die unerbittliche Zwangsmacht des Todes ist gebrochen, sein »Stachel« gezogen. Vielleicht steht auch hinter diesem Bild der Stachel des Skorpions, mit dem er tödliche Stiche vollzieht. Dem Tod ist alle Macht genommen, er kann nicht mehr siegen. Der Begriff »Hölle«, wie ihn Luther übersetzt, entstammt einer unsicheren Textbezeugung; richtig ist wohl doch auch hier der Tod angesprochen zu sehen in der triumphierenden Feststellung: »Tod, wo ist dein Sieg?«

15,56–57:
Der Tod hat seine Macht auf Grund der Sünde. Er ist nicht Verhängnis, sondern Strafe – Strafe für unsere Sünde. Da wir alle Sünder sind, hat der Tod an uns allen berechtigte Macht. Die Sünde aber hat ihre Kraft durch das Gesetz (vgl. Röm 7,7 ff.). Das Gesetz zeigt den Willen Gottes und deckt daher auf, daß der Mensch nach seinem eigenen, gottwidrigen Willen lebt. In ganz kurzen Strichen zeichnet der Apostel diesen Grund unseres Vergehens, unserer Todesverfallenheit. Weil jeder Sünder ist, unterliegt jeder der Macht des Todes. Weil kein Mensch gegen die Kraft der Sünde aus eigener Kraft ankämpfen kann, darum hat Jesus gekämpft und gesiegt. Rettung kann nur so geschehen, daß Gott uns den »Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus«, und das geschieht im Glauben (vgl. 1 Jo 5,4). Jesus allein kann uns frei machen von dem »Gesetz der Sünde und des Todes« (Röm 8,2; vgl. auch 7,25; 8,31–39). Der Glaubende lebt auf Grund des Sieges Jesu Christi im staunenden Dank vor Gott, der durch seinen Sohn solche Rettung geschaffen hat.

15,58:
Hat Paulus in den vorherigen Versen das Handeln Gottes in der Auferstehung seines Sohnes mit all dessen Folgen für die, die daran glauben, den Korinthern vor Augen geführt, so zeigt er in Vers 58, daß dies Konsequenzen für das tägliche Leben der korinthischen Gemeinde – und so auch für uns – hat. Mit dem »darum« schließt Paulus einen mahnenden und ermunternden Ruf an. Die gewisse Hoffnung des zukünftigen Lebens in der Herrlichkeit Gottes führt nicht zu einem Höhenflug irgendwelcher Gefühle, sondern hat Auswirkungen auf die jetzige, alte Welt, in der die Gemeinde lebt. Was nützt den Korinthern alle rechte Lehre, wenn nicht das ganze Leben davon bestimmt wird? Paulus zeigt hier drei Folgen auf:
a) »Seid fest« (wörtlich: »seßhaft«), also feststehend, beständig, nämlich in dieser glaubenden Gewißheit der Auferstehung. Es ist wichtiges »Tun«, sich nicht umtreiben zu lassen »von jedem Wind der Lehre« (Eph 4,14; vgl. Jak 1,6). Festigkeit auf dem Fundament des Glaubens ist Kennzeichen des hoffnungsgewissen Christen (vgl. 4 Mo 17,12; Ps 16,8; 21,8; Jes 56,4; Apg 11,23; Kol 1,23; 1 Petr 5,9; Hebr 13,1.9; Jak 1,4).
b) Seid »unbeweglich«: das unterstreicht dieses Ruhen auf festem Grund. Wir dürfen auf dem Ort des Glaubensvertrauens, auf den uns der Sieg Christi gestellt hat, stehen. Wir sind »unbeweglich«, wenn es um das Evangelium geht (vgl. Kol 1,23).
c) »Nehmet zu in dem Werk des Herrn.« Solche Festigkeit ist nicht Starrheit, Leblosigkeit – im Gegenteil. Paulus ermahnt die Korinther, »überfließend zu werden« (so wörtlich) im Werk des Herrn, in dem Dienst des Mitbauens am Reiche Gottes. Getragen von der Gewißheit, daß solche »Arbeit« (wörtlich: »Mühe und Anstrengung«) nicht »vergeblich« (leer, nichtig; vgl. V. 14) ist, weil es »Mühe in dem Herrn«, von ihm gewirkt, von ihm gesegnet ist und er schafft solcher Arbeit Frucht, nämlich solche, die in Ewigkeit bleibt (vgl. 1 Kor 15,10; Gal 6,2; Phil 2,16).

Edition C Bibelkommentar Neues Testament

Lasst alle Menschen sehen, wie herzlich und freundlich ihr seid! Der Herr kommt bald.

Laßt eure Gelindigkeit (O. Nachgebigkeit, Milde) kundwerden allen Menschen; der Herr ist nahe.
Elberfelder 1871 – Philipper 4,5

Alle in eurer Umgebung sollen zu spüren bekommen, wie freundlich und gütig ihr seid. Der Herr kommt bald!
Gute Nachricht Bibel 2000 – Philipper 4:5

Verhaltet euch so, dass alle Menschen erkennen, wie liebevoll ihr mit anderen umgeht! Jesus, der Herr, ist ganz nahe!
Roland Werner – Das Buch – 2009 – Phil 4,5

Laßt eure Vernünftigkeit allen Menschen bekanntwerden. Der Herr ist nahe.
neue Welt Übersetzung – Bi12 – Phil 4:5

» Gelindigkeit « , epieikes, (hier wörtlich: Das Gelinde). » Gelinde « zu sein, ist eine der Anforderungen an den Charakter eines Ältesten (1.Tim 3,3). Das soll nach Tit 3,2 jeden Glaubenden kennzeichnen und ist nach Jak 3,17 ein Merkmal der Weisheit, die von oben kommt. Wo es um das Wort Gottes geht, dürfen wir keinerlei Kompromißbereitschaft zeigen (Gal 2,5). Aus dem Thema dieses Briefes wird aber auch deutlich, daß die Haltung der Gläubigen zu Uneinigkeit und Streit führen kann (siehe 2,3). Das hier gebrauchte Wort ist das Gegenteil von Selbstsucht und Streitsucht; es führt zu einem Benehmen, das von allen wahrgenommen werden kann.
    Die Wendung oder Herr ist nahe « kann bedeuten, daß der Herr allezeit nahe ist (Ps 119,151). Bedenken wir aber, daß der Apostel eben vom Kommen des Herrn gesprochen hat (3,20), dann mag er auch an dessen Wiederkunft gedacht haben (Röm 13,11; Hebräer 10,37; Jak 5,8).

Benedikt Peters . Was die Bibel lehrt

Eure Nachgiebigkeit sollen alle Menschen erfahren. Der Herr ist nahe. Es wird der Gemeinde erleichtert, gegen niemand hart zu sein und mit niemand zu streiten, sondern allen den Frieden anzubieten und gegen alle freundlich zu sein, wenn sie bedenkt, daß sie bald vor dem Herrn stehen wird. Das nimmt ihr die Sorge, sie schädige sich durch ihre Freundlichkeit. Der Herr, der alles richtet und in allen Verhältnissen die ganze Gerechtigkeit wirkt, tritt bald hervor. Das macht zugleich, daß sie sich vor ihrem Zorn fürchtet, weil der Herr von denen zu fürchten ist, die nicht verzeihen, sondern an den anderen als die Richter handeln.

Schlatters Erläuterungen zum Neuen Testament

Eure Lindigkeit lasset kund werden (Philipper 4, 5)
Je größer beim Gläubigen die Freude am Herrn ist, desto mehr wird die Umgebung das erfahren. Es ist so, wie schon David gesungen hat: „Viele werden es sehen“. (Psalm 40, 3). Beim Psalmisten hat es nie an der Lindigkeit gefehlt, er ließ sie Freund und Feind erfahren.
I. Ein beachtenswertes Gebot.
„Eure Lindigkeit lasset kund werden.“ Es genügt nicht nur, dass wir uns des Herrn, Seiner Vergebung und Seines Friedens freuen, sondern die Früchte dieser reichen Segnungen sollen sich auch auf andere übertragen. Beachten wir einiges, was die Schrift darüber sagt.
Gläubige sind nicht allein gerettet, um selig zu werden, sie sind auch geschaffen zu guten Werken. Untätig zu sein als Christ, hieße eine göttliche Bestimmung auf Erden versäumen (Epheser 2, 10). Denken wir an den Herrn selbst; wie reich war doch Sein Leben an guten Werken (Johannes 10, 32; Apostelgeschichte 10, 38)! Petrus, der den Herrn beobachten konnte, sagt, dass Er einherging und Gutes tat. Und weil der Herr, unser Vorbild, so reich an guten Werken war und allen Menschen seine Lindigkeit widerfahren ließ, so sollen auch wir desgleichen tun (1 Timotheus 6, 18). Gerade dafür hat der Herr uns gerettet, losgekauft, dass wir ein Volk seien, eifrig in guten Werken (Titus 2, 14), und das nicht nur gelegentlich und notgedrungen; vielmehr sollen wir im Gutestun nie ermatten. Durch unsern Eifer reizen wir andere an, wie in Hebräer 10, 24 so deutlich und schön geschrieben steht: „Einander anreizen zur Liebe und zu guten Werken.“ In guten Werken sollen besonders die Hirten mit dem Beispiel vorangehen und die Herde ermuntern.
Der Endzweck des Ganzen ist die Verherrlichung des Herrn (Matthäus 5, 16; Johannes 15, 8; 1 Petrus 2, 12). Wie wurde z. B. der Herr durch die guten Werke der Dorkas verherrlicht. Wahrlich, sie hatte ihre Lindigkeit vielen kund werden lassen und so wurde sie sehr vermisst, als sie plötzlich heimging (Apostelgeschichte 9, 36). Ihre guten Werke und die darauffolgende Auferstehung aus den Toten wurden in weiter Umgebung bekannt, und viele wurden dadurch veranlasst, den Herrn zu suchen.
II. An wem sollen wir das Gebot der Lindigkeit erfüllen?
An allen Menschen! Doch wer ist damit gemeint? In erster Linie die Glaubensgenossen (Galater 6, 10). Paulus befiehlt, dass wir zu allermeist den Glaubensgenossen Gutes tun sollen. Das ist vor allem andern das Missionswerk; denn wir sollen derer gedenken, die für den Namen des Herrn ausgegangen sind, um Seinen Namen zu predigen. Wir sind verpflichtet, ihnen zu dienen (3 Johannes 8). Gläubige, die das nicht regelmäßig tun, versäumen viel, ja, sie laden sogar Schuld auf sich. Unsre Geschwister, die da und dort in der Mission stehen, dienen an unsrer Stelle. Wir alle sollen Gottes Zeugen sein, wir können aber nicht alle in ferne Länder gehen, so sind wir schuldig, der Botschafter Christi zu gedenken. Da sind ferner viele Bedürftige unter den Gläubigen, und welch eine Wohltat ist es, ihnen unsere Lindigkeit zu erzeigen. Sagt nicht der Herr: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeist, durstig und ihr habt mich getränkt, krank und ihr habt mich besucht“, und meint dabei Seine geringsten Brüder (Matthäus 25, 35 ff.). Versäumen wir auch nicht, unsere Lindigkeit andersdenkenden Gläubigen kund werden zu lassen. Das fördert die Gemeinschaft untereinander.
Die Menschen im allgemeinen. Gemeint sind also nicht nur die, die uns lieben und uns im Glauben nahe stehen. Denken wir an das schöne Beispiel vom barmherzigen Samariter, der einem verletzten Juden diente, der ihn nichts anging. Der Herr hat Sein Blut für alle vergossen und hat alle gleich lieb, und Gott wird der Erhalter aller Menschen genannt (1 Timotheus 4, 10). Auch uns werden die Gelegenheiten, allerlei Liebeserweisungen zu praktizieren, nie fehlen. Es gilt zu helfen, zu tragen, Sanftmut zu üben und Vergehungen zuzudecken (Kolosser 3, 12).
Endlich auch die Feinde. Der Herr hat geboten, die Feinde zu lieben (Matthäus 5, 44. 45) und Er hat es auch selbst getan. Kaum hatten Ihn die Mörder ans Kreuz genagelt, da betete Er für sie. Und welche Wirkung die von Stephanus geübte Feindesliebe auf Paulus hatte, ist uns bekannt. Auch an anderen Stellen ermahnt uns die Schrift, den Feinden in Liebe zu begegnen (Römer 12, 14, 20, 21; 1 Petrus 2, 23). In 1 Korinther 4, 12, 13, gibt Paulus ein anschauliches Bild und eine treffliche Belehrung vom richtigen Verhalten der Gläubigen den verschiedenen Gegnern gegenüber.
III. Warum sollen wir Lindigkeit üben?
Weil der Herr nahe ist. Dieser Ausdruck kann auf verschiedene Weise verstanden werden:
Nahe, weil Er nach Seiner Verheißung alle Tage bei den Seinen ist (Matthäus 28, 20). Sie sind Seiner ständigen Nähe und Gegenwart sicher. Er hat zudem öfters gesagt: „Ich will dich nicht verlassen noch versäumen“ (Hebräer 13, 5).
Nahe, weil Er gesagt hat: „Ich komme bald“. Das erfüllt uns mit Freude, bewegt uns zur Lindigkeit, bewirkt Vertrauen und treibt ins Gebet.
Nahe, weil Er in Seinen Kindern durch den Heiligen Geist wohnt: „Durch Seinen in euch wohnenden Geist“.
Auch in jeder Prüfung lässt Er sie Seine Nähe erfahren. Man denke an jene drei Männer im Feuerofen. Von Josef heißt es im Gefängnis: „Aber der Herr war mit Josef“. Paulus konnte in jenen schweren Stürmen der Romreise sage: „Der Herr stand mir bei“. Und wie wunderbar Petrus die Nähe des Herrn und die Rettung aus dem Gefängnis erfuhr, beschreibt Lukas in Apostelgeschichte 12.
Nahe den Betern und denen, die zerbrochenen Herzens sind. Er ist auch in der Mitte derer, die sich in Seinem Namen versammeln. Sagt Er doch: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte“(Matthäus 18, 20).

Der Herr ist nahe (Philipper 4, 5)
Da der Apostel hier von unserm Verhalten zur Umwelt redet und nachher auch vom Nichtsorgen spricht, so mag er wohl mit dem Ausdruck „der Herr ist nahe“, vornehmlich an die Gegenwart Gottes im Leben des einzelnen Gläubigen gedacht haben. Die Schrift hat ja diesbezüglich viele herrliche Verheißungen (1 Mose 39, 2, 3, 21; 2 Mose 3, 2; Josua 1, 5; Psalm 46, 7, 11; Jesaja 41, 10; Matthäus 28, 20; Johannes 14, 18 ff.; Hebräer 13, 5-6). Aber ebenso nahe liegt die Annahme, dass der Apostel an das Kommen Christi gedacht hat, weil er wiederholte Male vom Tage Christi spricht und gerade in Kap. 3 von der Umgestaltung oder Erlösung unseres Leibes und von unserm Bürgertum im Himmel schreibt. In jedem Fall ist dem Volke Gottes klar, dass der Herr nahe ist. Immer lauter erschallt der Ruf: „Siehe Er kommt“. Zudem sind die Zeichen der Zeit recht auffallend, und jeder denkende Schriftforscher wird ständig daran erinnert, dass der Herr nahe ist.

Georg R. Brinke – Skizzen über den Philipperbrief