Warum blieben Joseph und Maria nach Jesu Geburt in Bethlehem, statt nach Nazareth zurückzukehren?

Eine „internationale Zeitschrift“ stellte die oben genannte Frage.
Als Antwort heißt es dann:

Darauf gibt die Bibel keine Antwort. Sie nennt aber mögliche Gründe für diese Entscheidung.
Ein Engel sagte zu Maria, sie würde schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Als er ihr die Nachricht überbrachte, lebten Maria und Joseph in Nazareth, Josephs Heimatort in Galiläa (Lukas 1:26-31; 2:4). Nachdem sie später aus Ägypten zurückgekehrt waren, nahmen sie wieder Wohnsitz in Nazareth. Jesus wuchs dort auf und wurde ein Nazarener (Matthäus 2:19-23). Es liegt daher auf der Hand, warum wir alle drei mit Nazareth in Verbindung bringen.
Maria hatte eine Verwandte namens Elisabeth, die in Juda lebte. Sie war die Frau des Priesters Sacharja und wurde die Mutter von Johannes dem Täufer (Lukas 1:5, 9, 13, 36). Maria hatte Elisabeth in Juda besucht und war drei Monate lang bei ihr geblieben. Dann kehrte sie nach Nazareth zurück (Lukas 1:39, 40, 56). Das Gebiet Juda war ihr also nicht unbekannt.
….
Da Joseph eine göttliche Warnung erhalten hatte, floh er mit Maria und Jesus nach Ägypten, wo sie bis zum Tod von Herodes blieben. Anschließend zog er mit seiner Familie ins nördlich gelegene Nazareth. Warum gingen sie nicht nach Bethlehem zurück? In Judäa war jetzt Archelaus, der tyrannische Sohn von Herodes, an der Macht. Außerdem hatte Joseph wieder eine Warnung von Gott erhalten. In Nazareth konnte Jesus gefahrlos aufwachsen (Matthäus 2:19-22; 13:55; Lukas 2:39, 52).

Wachtturm Studienausgaben Juni 2023

Schade, Chance verpasst, tiefer in diese Frage einzutauchen! – oder war es nur Mangel an Platz in der Zeitschrift? Schauen wir uns also näher an, was die Bibel nicht dazu sagt:

Was erfahren wir über Nazareth?

Nazareth, Nazarener. Nazareth ist weder im A. T. erwähnt, noch von Josephus, welcher manche der benachbarten Dörfer anführt, war also jedenfalls ein kleines, politisch unbedeutendes Dorf des unteren Galiläa, abseits von den Verkehrswegen, in einem Talkessel rings von Hügeln eingeschlossen, an dessen steil ansteigender Bergwand es angebaut ist, die von der Weisheit Gottes erkorene, stille, verborgene Heimat Jesu bis zu seiner Taufe. Nach derselben scheint Jesus wiederholt in N. aufgetreten zu sein, teils unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Judäa, Lu. 4, 16ff., ehe er nach Kapernaum zog, teils auf einer späteren Wanderung durch Galiläa, Mk. 6, 1 ff.; Mt. 13, 54 ff. Er hatte in dem Orte Verwandte, da zwar seine Mutter und Brüder mit ihm nach Kapernaum zogen, Joh. 2, 12, aber seine Schwestern wahrscheinlich verheiratet in N. zurückblieben, Mk. 6, 3. Aber gerade diese genaue Bekanntschaft der Leute von N. mit ihm und seiner Familie wurde ihnen zum Glaubenshindernis; sie vermochten in dem, der ihnen so nahe stand, nicht den von Gott zu ihrem Herrn und König Gesalbten zu erkennen, und Jesu Strafwort über ihren Unglauben reizte sie bis zum Mordversuch. Nachdem das Dorf seit den Kreuzzügen Bischofssitz geworden ist, wuchs seine Bedeutung allmählich, zum Teil wegen der Verödung der Jesreelebene infolge der Einfälle der Araber, und jetzt ist es die größte Stadt des Distrikts mit einer Bevölkerung von über 3000 Seelen, auch mit einer evangel. Gemeinde u. einer hübschen evangel.Kirche. Ins alte N. reicht vom jetzigen Städtchen kaum irgend etwas zurück als der einzige Brunnen desselben, auf den der ganze Ort von jeher angewiesen war (Tafel 18). — Nazarener er, der von Nazareth, hieß Jesus nach der Weise der Zeit, da man zur Unterscheidung gleichnamiger Personen die Herkunft derselben dem Namen beifügte. Diese Benennung gehört mit zu seiner Verborgenheit und Niedrigkeit; sie enthielt für den Juden ein Ärgernis. Das Christusamt und Herkunst aus Nazareth konnte er nicht zusammenbringen ohne einen kräftigen Glaubensgehorsam, der sich der Gottesherrlichkeit in Jesu ergab, vgl. Joh. 1, 45 ff. Darum bezeichnet Matthäus den Namen Nazarener als der Weissagung der Propheten gemäß, Mt. 2, 23. Der Entschluß der Eltern, aus Furcht vor Archelaus nicht in Judäa, sondern in Nazareth sich niederzulassen, gab Jesus jene Verborgenheit, die durch die Weissagung dem Kommenden zugeschrieben war. Matthäus wird dabei besonders an Jes. 11, 1 denken, wo das hebr. Wort für Zweig (nezer) an den Namen Nazareth erinnert. Später hat jüdischer Spott für die Gemeinde den Namen „die Nazarener“ aufgebracht, Ap. 24, 5. Damit war in den Augen der Juden die Torheit der Glaubenden hinlänglich gekennzeichnet, daß sie dem als dem Christus anhingen, der aus Nazareth kam.

Calwer Bibellexikon 1912

Nazareth Vielleicht »Wächterin«
Heimatort Jesu in Galiläa (Mt 2,23; Mk 1,9; Lk 2,39; Joh 1,46). Das Wort »Vaterstadt« in Mk 3,1 muss nicht notwendig einen Geburtsort bezeichnen, sondern kann auch einfach einen Heimatort angeben. Im AT ist N. nicht genannt, heute ist es En-Nazira bzw. Nazareth (32.701,35.303), in einer Höhe von 350–400 m am Südhang des Dschebel es-Sih gelegen, von dem aus man die gesamte Ebene Jesreel überblickt. Der in ntl. Zeit unbedeutende Ort (vgl. Joh 1,46) lag nahe der großen Handelsstraße von Damaskus nach Ägypten. Jesus ist also nahe dem Leben und Treiben des großen Verkehrsweges aufgewachsen. Er fand später keinen Glauben in seiner Vaterstadt (Mk 6,1–6), die er zu Beginn seines öffentlichen Wirkens verlassen hatte (Mt 4,13; Joh 2,12).
N. war in der Eisenzeit, nicht aber in babylon.-persischer Zeit besiedelt. Die Wiedergründung erfolgte in späthellenistischer Zeit, wahrscheinlich durch aus Babylon zugewanderte Glieder der Davidsfamilie, die dem Ort den Hoffnungsnamen »Sprossdorf« (Jes 11,1; vgl. Mt 2,23; → Spross) gaben. Unter der Verkündigungskirche wurden ein jüd. Ritualbad, ntl. Siedlungsreste und spätere judenchristliche Kultbauten gefunden. 2009 grub man in der Nähe dieser Kirche ein Wohnhaus aus dem 1. Jh. n. Chr mit zwei Räumen, einem Hof und einer steinernen Zisterne zum Auffangen von Regenwasser aus. Unter einem Kloster befindet sich ein eindrucksvolles Rollsteingrab. Eine Synagogeninschrift des 3./4. Jhs. aus Cäsarea am Meer bezeugt N. als jüd. Priestersiedlung. Die sog. N.inschrift aus dem 1. Jh. n.Chr. enthält ein kaiserliches Edikt mit Androhung der Todesstrafe für Leichendiebe. Es wird diskutiert, ob das mit der Auferstehung Jesu und den daraus resultierenden Gerüchten (Mt 28,20) in Zusammenhang steht.

Lexikon zur Bibel: Personen, Geschichte, Archäologie, Geografie und Theologie der Bibel

Nazareth. Ein Dorf in der römischen Provinz Galiläa, die Heimat von Josef, Maria und Jesus. Nazareth war schon immer klein und abgelegen und wird weder im Alten Testament noch in den Apokryphen, in den jüdischen Schriften des Intertestaments oder in den Geschichten von Josephus erwähnt. Die Stadt liegt nördlich der Ebene von Esdraelon in den Kalksteinhügeln des südlichen Libanongebirges. Sie liegt in süd-südlicher Richtung auf 3 Seiten eines Hügels. Diese Lage bildet ein geschütztes Tal mit einem gemäßigten Klima, das Früchte und Wildblumen begünstigt. In der Nähe von Nazareth führten Handelswege und Straßen vorbei, aber das Dorf selbst lag nicht an einer Hauptstraße. Nazareth liegt etwa 15 Meilen westlich vom See Genezareth und 20 Meilen östlich vom Mittelmeer. Jerusalem liegt etwa 70 Meilen südlich. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass die antike Stadt höher auf dem westlichen Hügel lag als das heutige Dorf (vgl. Lk 4,29). Zur Zeit Christi lag Nazareth, wie die gesamte Region Südgaliläa, außerhalb des jüdischen Lebens, was den Hintergrund für Nathanaels ironische Bemerkung an Philippus bildete: „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ (Joh 1,46).
Nazareth wird im Neuen Testament erstmals als Wohnort von Maria und Josef erwähnt (Lk 1:26, 27). Einige Zeit nachdem Jesus in der Heimatstadt seiner Eltern, Bethlehem, etwa 80 Meilen südlich, geboren wurde, kehrten Maria und Josef nach Nazareth zurück (Mt 2,23; Lk 2,39). Jesus wuchs dort auf (Lk 2:39, 40, 51) und verließ das Dorf, um sich von Johannes im Jordan taufen zu lassen (Mk 1:9). Als Johannes verhaftet wurde, zog Jesus nach Kapernaum (Mt 4,13). Obwohl Jesus in seiner Jugendstadt oft als „Jesus von Nazareth“ bezeichnet wurde (siehe Mk 10:47; Joh 18:5, 7; Apg 2:22), berichtet das NT nur von einem weiteren Besuch Jesu in Nazareth. Bei dieser Gelegenheit predigte Jesus in der Synagoge und wurde von den Stadtbewohnern abgelehnt (Lk 4,16-30; vgl. Mt 13,54-58; Mk 6,1-6). Die Anhänger Jesu wurden auch spöttisch „Nazarener“ genannt (Apg 24,5).
Nazareth blieb eine jüdische Stadt bis zur Zeit des Kaisers Konstantin (gest. 327 n. Chr.), als sie zu einem heiligen Ort für christliche Pilger wurde. Um 600 n. Chr. wurde in Nazareth eine große Basilika gebaut. Araber und Kreuzfahrer kontrollierten den Ort abwechselnd bis 1517, als er an die Türken fiel, die alle Christen zwangen, ihn zu verlassen. Die Christen kehrten 1620 zurück, und die Stadt ist heute ein wichtiges christliches Zentrum im heutigen Israel.

Baker encyclopedia of the Bible 1988

Die Geschichte von Maria und Josef ist eine Geschichte aus Galiläa, mit wichtigen Ausflügen nach Bethlehem, Jerusalem und Ägypten. Im ersten Jahrhundert n. Chr. gab es in Galiläa eine große jüdische Bevölkerung, die in den Städten und Dörfern, die über die fruchtbaren Hügel und Täler der Region verstreut waren, ein reges kulturelles Leben führte. Das war nicht immer so – die israelitische Besiedlung hatte durch die assyrischen Invasionen im späten achten Jahrhundert v. Chr. einen herben Rückschlag erlitten, und ein ständiger Zustrom von Babyloniern, Persern, Griechen und Römern und anderen entlang der großen internationalen Fernstraßen der südlichen Levante stand den jüdischen Bemühungen entgegen, ihre eigene Präsenz in der Region wiederherzustellen. Historiker sprechen oft von einem Versuch der hasmonäischen Könige – insbesondere von Aristobulus in den Jahren 104-103 v. Chr. – Galiläa zu „erobern“ oder zu „judaisieren“, sei es mit Gewalt oder auf andere Weise, als Teil des ehrgeizigen Versuchs der Hasmonäer, das einst vom alten Israel kontrollierte Land wieder in den jüdischen Schoß zurückzuführen. In den schriftlichen Quellen aus dieser Zeit gibt es jedoch keine konkreten Beweise für ein solches Vorhaben. Josephus zitiert den griechisch-alexandrinischen Historiker Timagenes aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. (Nr. 81) und spricht nur von der Zwangsbeschneidung der Bewohner von Iturea in und um den Berg Hermon und das Huleh-Becken durch Aristobulus (Ant. xiii.11 .3), und von einem Ereignis, über das keine Einzelheiten bekannt sind, bei dem Aristobulus‘ Bruder Antigonus ruhmreich nach Jerusalem zurückkehrte, nachdem er in Galiläa „eine sehr schöne Rüstung mit feinem Kriegsschmuck“ erworben hatte (Ant. xiii.11.1; War i.3.3). Keine dieser Erwähnungen, die Josephus größtenteils beiläufig macht, deutet auf offizielle Feldzüge in Untergaliläa oder am See Genezareth hin, den Regionen, die zur Zeit Jesu im Norden des Landes am dichtesten von Juden besiedelt waren. Nichtsdestotrotz scheint Galiläa ein wichtiger – wenn auch eher peripherer – Teil des hasmonäischen Reiches gewesen zu sein, mit wachsenden Bemühungen eifriger Juden, die – offiziell oder anderweitig – darauf aus waren, das jüdische religiöse, politische und soziale Leben in der Region wiederherzustellen. Sicherlich können wir auch ein gewisses Maß an jüdischer Einwanderung nach Galiläa in den Jahrzehnten vor der Zeit der Evangelien annehmen und folgern, dass einige der Juden, die nach Norden zogen, von den günstigen wirtschaftlichen Möglichkeiten der Region angezogen wurden, während andere zweifellos von einer Ideologie motiviert waren, die von einem „Rückkehrrecht“ in das Land der Könige Israels geprägt war.

Das Galiläa von Maria und Josef. Maria und Josef waren in den Hügeln von Untergaliläa zu Hause, einer Region, die unter der Kontrolle von Herodes dem Großen stand und nach 4 v. Chr. von seinem Sohn Antipas regiert wurde. In den Augen eines Judäers war das ein bisschen wie ein Grenzland, aber für diejenigen, die mutig und bereit waren, hart zu arbeiten, bot Galiläa ein komfortables Zuhause. Gleichzeitig durchzogen Korridore des Hellenismus die Region, die vor allem durch die fruchtbaren Täler Jesreel und Beth Netofa verliefen. Sie boten den Unerschrockenen Wachstumsmöglichkeiten, wurden aber von den vielen Menschen, die nur versuchten, über die Runden zu kommen, mit Misstrauen betrachtet.

Die geografische Beschaffenheit der Region machte dies sowohl wünschenswert als auch schwierig. Im Gegensatz zu den zerklüfteten Hügeln Judäas, wo die Juden Jerusalems eine energische religiöse und kulturelle Identität in einer Region aufbauen konnten, die weitgehend von den Wellen des Hellenismus abgeschirmt war, die in der darunter liegenden Küstenebene an Land gespült wurden, lag Galiläa offen und exponiert. Breite Täler durchziehen die Region und verbinden das Mittelmeer mit dem Grabenbruch und darüber hinaus und laden den Westen ein, den Osten zu treffen und sich auf den fruchtbaren Ebenen niederzulassen. Das Ergebnis war, dass, obwohl Untergaliläa im ersten Jahrhundert n. Chr. wieder eine große jüdische Bevölkerung hatte, ausgeprägte und einflussreiche Korridore des Hellenismus in der Region verblieben, die Ptolemais und Cäsarea mit Tiberias verbanden und die lokale Kultur und Wirtschaft an Rom banden. Diese Korridore verliefen natürlich auch entlang der Täler, als Rom seine Tentakel in alle wirtschaftlich produktiven Gebiete seines Reiches ausstreckte. Nicht umsonst bezeichnete Matthäus das Galiläa der Evangelien mit einem Zitat des Propheten Jesaja als „Galiläa der Heiden“ (Mt 4,15; vgl. Jes 9,1). Jüdische Großgrundbesitzer in den Tälern Jezreel und Beth Netofa (die Täler, die den Nazareth-Kamm im Süden bzw. im Norden einrahmen) erkannten im Allgemeinen – und verständlicherweise – die persönlichen wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus der Teilnahme an dem System ergaben, und wurden dadurch recht wohlhabend. Aber für diejenigen, die in Galiläa angesichts der Versuchungen der Welt eine auf der Tora basierende religiöse Identität wiederherstellen wollten, waren solche Landsleute einfach Kollaborateure. Viele dieser Juden hätten sich wohler gefühlt, wenn sie hoch oben auf den Hügeln über den großen Tälern gelebt hätten oder in Gegenden, die etwas weiter von den Zentren des Hellenismus entfernt waren. Es könnte aber auch sein, dass Juden, die bereits in abgelegeneren Gegenden lebten, es einfach leichter fanden, ihren Platz im Leben zu rechtfertigen, indem sie sich direkter den bewährten Forderungen des Judentums zuwandten.
Auf jeden Fall gibt es unter den jüdischen Dörfern Galiläas im ersten Jahrhundert n. Chr. kaum eines, das näher an den Möglichkeiten dieser „Kollaborateure“ lag als Nazareth, obwohl es im Hinterland lag. Es war ein kleines Dorf mit höchstens ein paar hundert Einwohnern und Häusern, die über nicht mehr als 40 bis 50 Hektar Land verstreut waren. Es war für die Wirtschaft der Region weitgehend unbedeutend und wird außer in den Evangelien in keinem Dokument der ersten Jahrhunderte v. Chr./n. Chr. erwähnt. (Matthäus und Lukas bezeichnen Nazareth gnädigerweise als „Stadt“ [Mt 2,23; Lk 2,4; 4,29], obwohl Hieronymus noch im sechsten Jahrhundert, nachdem der Ort aufgrund seiner Verbindung zu Jesus die Aufmerksamkeit von Pilgern auf sich zog, von einem „Weiler“ sprach; Onomasticon 141). Nazareth lag in einem kleinen Becken aus weichem, kalkhaltigem Gestein hoch auf dem Kamm eines felsigen Bergrückens, der sich 1.100 Fuß aus dem Jesreel-Tal erhob. Das Gefälle in Richtung Norden, nach Sepphoris und dem Beth Netofa Tal, ist sanfter, aber steil genug, um Nazareth von der Hauptroute abzuhalten. Aufgrund der Qualität des weichen Gesteins auf der Spitze des Bergrückens kamen die Bewohner von Nazareth mit relativ schlechten Baumaterialien, einer schwachen, aber ausreichenden Quelle und einem nicht sehr ertragreichen Boden aus. Es war möglich, in Nazareth seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber wenn man die Stadt an die Grenzen ihrer eigenen Ressourcen brachte, würde sie nie sehr wohlhabend werden. Andererseits lieferte der harte Kalksteinrücken hangabwärts gutes Baumaterial und einen reichhaltigen Terra-Rosa-Boden, der sich hervorragend für Oliven, Feigen und Trauben eignete, und einige Dorfbewohner bewirtschafteten diese Gebiete sicherlich. Die wunderbar fruchtbaren Täler am Fuße des Bergrückens von Nazareth dienten dem internationalen Handel in der südlichen Levante. Das Jesreel-Tal im Süden (das der Psalmist „das Weideland Gottes“ nannte; Ps 83,12) und das kleinere, aber ebenso gesegnete Beth-Netofa-Tal im Norden waren der Vergleich zu Nazareths weniger günstiger Lage. Die Einwohner von Nazareth kannten natürlich ihr Schicksal und wussten, dass für diejenigen unter ihnen, die es vorzogen, zu Hause zu bleiben, die Ressourcen unter ihnen nicht in Reichweite lagen. Zu Hause in ihrem kleinen, an ein Becken grenzenden Dorf konnten die Nazarener nur eine schmale Horizontlinie sehen, und obwohl die weite Welt jenseits der Grenze außer Sichtweite war, ging sie ihnen nicht aus dem Kopf. Einige zogen es vor, mit ihr zu interagieren, indem sie in anderen Dörfern der Gegend oder sogar im nahe gelegenen Sepphoris Arbeit, Handel oder soziale Kontakte suchten. Andere klammerten sich an ihre Heimat im Kalksteinbecken und errichteten eine Barriere aus religiösem und politischem Partikularismus gegen die Heiden, die ihnen zu Füßen lagen, wenn man die unverblümte Reaktion der Bewohner von Nazareth auf Jesu wohlwollende Erwähnung der Sidonier und Syrer als Indiz nimmt (vgl. Lk 4,24-29). Das Umfeld von Jesu Heimatdorf hat also in seinen vielen Facetten zu Recht Nathanaels knappen Tadel hervorgerufen: „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ (Joh 1,46).

Rose Then and Now Bibelkartenatlas mit biblischem Hintergrund und Kultur

NAZARETH ist das Dorf, in dem Josef und Maria lebten und in dem Jesus zu Hause war, bis er sein öffentliches Wirken begann. Das Mittelmeer liegt zwanzig Meilen westlich und fünfzehn Meilen östlich liegt der See Genezareth. Die Stadt liegt in der Nähe einer der Hauptverkehrsstraßen zwischen Ägypten und Mesopotamien. Zur Zeit Jesu umfasste das Dorf nicht mehr als sechzig Hektar und die Einwohnerzahl wurde auf etwa fünfhundert geschätzt.
Teile von Nazareth wurden um die Jahrhundertwende von Vlaminek und Viaud und in den 1950er Jahren von B. Bagatti ausgegraben. Unter der Kirche der Verkündigung wurden zwei Höhlen aus dem frühen vierten Jahrhundert nach Christus freigelegt. An den Wänden dieser Höhlen befanden sich eingemeißelte Gebete an Jesus in griechischer Sprache. Bagatti vermutete, dass es sich um eine jüdisch-christliche Synagoge aus dem vierten Jahrhundert mit einem jüdischen Ritualbad handelte, die ebenfalls freigelegt wurde.
Bei Ausgrabungen im Kloster der Damen von Nazareth wurden mehrere Häuser, ein Grab aus der herodianischen Zeit (37 v. Chr. – 53 n. Chr.) und unterirdische Arbeitsräume, die hauptsächlich der Landwirtschaft dienten, freigelegt. Diese Funde vermittelten den meisten Bibelleserinnen und Bibellesern eine Vorstellung von der Kindheit Jesu, die von Szenen des landwirtschaftlichen Lebens in einem kleinen, abgelegenen galiläischen Dorf geprägt war. Spätestens seit 1931, als Leroy Waterman in Sepphoris, nur drei Meilen nordwestlich von Nazareth, grub, weiß man jedoch, dass dieses Bild vom frühen Leben Jesu falsch ist. Josephus nannte Sepphoris die „Zierde von ganz Galiläa“. Die jüngsten Ausgrabungen von F. Strange, E. Netzer und E. Meyers haben unser Wissen über diese geschäftige galiläische Metropole erheblich erweitert.
Sepphoris war seit den Tagen der israelitischen Monarchie bis zum heutigen jüdischen Kibbuz Zippori bewohnt. Herodes der Große eroberte die Stadt während eines Schneesturms im Winter 39 v. Chr. und ernannte sie zu seiner nördlichen Hauptstadt. Nach seinem Tod im Jahr 4 v. Chr. revoltierten die Sepphoren, wurden aber von Varus, dem römischen Statthalter von Syrien, niedergeschlagen und die Stadt zerstört. Herodes Antipas erbte die Stadt und begann sofort mit dem Wiederaufbau in einem atemberaubenden Ausmaß.
Bereits 1926 wurde vermutet, dass Jesus und Josef in Sepphoris reichlich Arbeit als Zimmerleute gefunden haben könnten. Zu den freigelegten Überresten dieser Stadt aus der Zeit Jesu gehören ein Palast, ein Theater mit mindestens dreitausend Sitzplätzen sowie eine Ober- und Unterstadt mit dazugehörigen Märkten und schönen römischen Villen. Mindestens neununddreißig unterirdische Höhlen und Zisternen sind entdeckt worden.

Thompson Chain Archaeological Supplement 1997

Im 19. Jahrhundert glaubten manche, Nazareth habe zur Zeit von Jesus gar nicht existiert, und andere schlossen daraus weiter, auch Jesus habe nie gelebt. In seiner berühmten „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“ musste Albert Schweitzer solchen Behauptungen zwei ganze Kapitel widmen. Heute werden derartige Ansichten vor allem von radikalen Atheisten in den USA vertreten. Die Archäologie hat diese Frage aber eindeutig geklärt . Die moderne Erforschung von Nazareth durch den Franziskaner-Archäologen Bellarmino Bagatti begann vor der Errichtung der mächtigen Verkündigungskirche in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Er legte ein System von natürlichen und künstlichen Höhlen, von Silos sowie Wein- und Ölpressen frei, die in den weichen Kalkstein gegraben waren. Bagatti fand keine Hausmauern und das führte manche zur Annahme, die Nazarethaner seien Höhlenbewohner gewesen. Diese Anschauung von den angeblichen Troglodyten Nazareths hält sich immer noch hartnäckig. Aber die archäologische Evidenz lässt sich besser damit erklären, dass seit der byzantinischen Zeit in der von den Christen verehrten Zone frühere Häuser abgerissen wurden, um eine Kirche und Klöster zu errichten. Einige in gerader Linie in den Felsen gehauene Vertiefungen können als Basis von Hausmauern interpretiert werden. Nach der modernen Identifizierung der Reste von zwei Häusern aus neutestamentlicher Zeit kann Nazareth kaum noch als ein gesichtsloses Dorf gelten.
Die Ausgrabungen zeigen, dass Nazareth eine Neugründung des 1. Jahrhunderts v. Chr. war und das steht in Übereinstimmung mit der Ansiedlung einer davidischen Sippe, wie sie die von Julius Africanus weitergegebene Überlieferung bezeugt [1.14]. Diese Gründungsgeschichte erklärt auch, warum Nazareth weder Im Alten Testament noch in der intertestamentarischen Literatur erwähnt wird. Aufgrund der Umgrenzung durch Gräber kann man schätzen, dass der Ort zur Zeit von Jesus nur 200 bis höchstens 500 Einwohner hatte. Angesichts dessen befremdet es, wenn Nazareth in den Evangelien eine polis (πόλις), also eine Stadt, genannt wird (Mt 2,23; Lk 1,26; 2,4.39; 4,29).

Messias Jesus: Seine Geschichte, seine Botschaft und ihre Überlieferung

Wohin ziehen wir? Wenn wir die Möglichkeit haben – ziehen wir eher in ein kleines, neugegründetes Dorf oder eher in eine größere sehr alte Ortschaft? Wenn wir die Bibel ernst nehmen, suchen wir den Kontakt zu anderen jungen Menschen, die erst vor kurzem Christ geworden sind, oder suchen wir den Kontakt zu Menschen, die schon viele Jahrzehnte mit Jehovah „Hand in Hand“ gehen?
Ich würde an Josephs Stelle auch lieber mit meiner Familie in Bethlehem wohnen wollen, wenn es denn dort eine Wohnmöglichkeit ergeben würde! Und du? Würdest du lieber in einer neugegründeten Ortschaft deine kleine Familie wohnen?

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