Wenn ihr jemandem etwas verzeiht, dann tue ich es ebenfalls

Wem ihr aber etwas vergebet, dem vergebe auch ich; denn auch ich, was ich vergeben, wenn ich etwas vergeben habe, habe ich um euretwillen vergeben in der Person Christi,
Elberfelder 1871 – 2. Kor 2,10

Wem ihr aber eine Verfehlung verzeiht, dem verzeihe auch ich; denn auch ich habe das, was ich verziehen habe – wenn ich überhaupt etwas zu verzeihen hatte – um euretwillen vor dem Angesicht Christi verziehen.
Hermann Menge Uebersetzung – 2.Korinther 2:10

Wen ihr aber in irgendeiner Weise froh macht,
den lasse auch ich froh werden.
Denn wenn ich überhaupt wieder froh geworden bin,
dann nur wegen euch –
durch die Gegenwart von Christus.
BasisBibel 2012 – 2.Korinther 2,10

Paulus geht es in dieser Sache nicht um seine persönliche Rechtfertigung oder nur darum, einen irrenden Bruder wieder auf den richtigen Weg zu bringen, sondern darum, daß die korinthische Gemeinde öffentlich demonstriert, daß sie zu ihm hält (vgl. 2Kor 7,2). Durch den Gehorsam gegenüber seinen Anweisungen soll sie ihre Liebe und Ergebung zum Ausdruck bringen (vgl. Joh 15,14).
Diese Solidarität beruht auf Gegenseitigkeit. Weil sie eins mit Paulus ist, kann die Gemeinde dem Übeltäter, der sie gekränkt hat, indem er Paulus kränkte, vergeben. Wie ihre eigene Betrübnis (2Kor 7,8) sie zu fruchtbarer Reue brachte (vgl. 2Kor 7,9), so daß Paulus ihnen vergeben konnte, so soll die Gemeinde auch in diesem Fall, wo der in die Irre Gegangene echte Reue zeigt, verfahren. Wenn ihm jedoch die Vergebung verweigert wird, wird Satan, indem er sie verbittert, alles, was Paulus oder die Korinther getan haben, hinfällig machen. Es ist also überaus wichtig, daß die Gemeinschaft zwischen Paulus, den Korinthern und dem Übeltäter wiederhergestellt wird, damit der Satan nicht die Gelegenheit ergreifen kann, den Apostel und seine Gemeinde auseinanderzubringen (vgl. 2Kor 11,13-14 ) – ein Unglück, gegen das Paulus immerzu angekämpft hatte.

Walvoord Bibelkommentar

Obwohl Gott zuerst kommt und seine Heiligkeit an erster Stelle steht, sollten wir doch nie vergessen, dass mit der Zucht auch die Wiederherstellung des Fehlbaren verbunden ist. Gott möchte nicht nur uns persönlich vergeben, so dass wir Ihm wieder in die Augen schauen können. Er möchte, dass ein Fehlbarer oder eine Fehlbare sowohl mit dem Herrn als auch mit den Geschwistern wieder in Ordnung kommt. Siehe dazu die Hinweise über das Züchtigen in Hebräer 12,10 und die Bemerkung zum Zuchtfall in Korinth (2 Korinther 2,5-10).
In Korinth gab es also eine ganze Wiederherstellung, eine Vergebung auch vonseiten des Apostels. Dieses Ziel ist die friedsame Frucht der Gerechtigkeit, die hervorkommen sollte, wenn andere sich mit einer Sünde im Leben eines Gläubigen beschäftigen müssen.

Halte fest 2001

Tragischerweise ist dieses Szenario nur allzu häufig. Da sie nie die wahre Bedeutung von Vergebung gelernt haben, bewahren viele Menschen eine Aufzeichnung über das Unrecht anderer auf und bringen es immer wieder zur Sprache. Dieses Muster zerstört ihre Beziehungen und beraubt sie des Friedens und der Freiheit, die durch echte Vergebung entstehen.
Jemandem zu vergeben bedeutet, ihn oder sie von der Verpflichtung zu entbinden, eine Strafe oder Bestrafung zu erleiden. Aphiemi, ein griechisches Wort, das oft mit „vergeben“ übersetzt wird, bedeutet „loslassen“, „entlassen“ oder „erlassen“. Es bezieht sich oft auf Schulden, die vollständig bezahlt oder erlassen wurden (z. B. Mt. 6,12; 18,27.32). Charizomai, ein anderes Wort für „vergeben“, bedeutet, Gunst frei oder bedingungslos zu gewähren. Dieses Wort zeigt, dass Vergebung unverdient ist und nicht verdient werden kann (Lk 7,42-43; 2 Korinther 2,7-10; Eph 4,32; Kol 3,13).
Wie diese Worte zeigen, kann Vergebung eine kostspielige Aktivität sein. Wenn jemand sündigt, macht er eine Schuld, und jemand muss sie bezahlen. Der größte Teil dieser Schuld ist Gott geschuldet. In seiner großen Barmherzigkeit sandte er seinen Sohn, um diese Schuld am Kreuz für alle zu bezahlen, die ihm vertrauen (Jesaja 53,4-6; 1 Petrus 2,24-25; Kolosser 1,19-20).
Aber wenn jemand gegen Sie gesündigt hat, haben Sie auch einen Teil seiner Schuld zu tragen. Das bedeutet, dass Sie eine Wahl zu treffen haben. Sie können entweder Zahlungen auf die Schuld nehmen oder Zahlungen leisten. Sie können auf viele Arten Zahlungen für die Sünde anderer annehmen oder leisten: indem Sie Vergebung verweigern, indem Sie im Unrecht verharren, indem Sie kalt und distanziert sind, indem Sie die Beziehung aufgeben, indem Sie emotionalen Schmerz zufügen, indem Sie tratschen, indem Sie zurückschlagen oder indem Sie Rache an demjenigen suchen, der Sie verletzt hat. Diese Handlungen mögen für den Moment ein perverses Vergnügen bereiten, aber auf lange Sicht fordern sie einen hohen Preis von Ihnen. Wie jemand einmal sagte: „Unvergebung ist das Gift, das wir trinken, in der Hoffnung, dass andere sterben.“

Ken Sande – Der Friedensstifter – Ein biblischer Leitfaden zum Lösen von persönlichen Konflikten

»Vergeben« (wörtlich: »Gnade, Gunst, Freundlichkeit erweisen«) gibt die Gnade Gottes dem Bruder, dem reuigen Sünder weiter. Wie könnten wir dem andern Gnade, Freundlichkeit verweigern, die wir doch selbst jeden Tag von Gottes Gnade und Freundlichkeit leben (vgl. Mt 6,12; auch Klgl 3,22f.)? Paulus schließt sich hier mit der Gemeinde zusammen; er vergibt, wie sie dem Unrechttäter vergibt. Die Gemeinde hat ihre Echtheit erwiesen, den Sünder bestraft, und kann nun auch in der Vollmacht Christi »lösen«. Wieder wird deutlich, daß es Paulus nicht etwa um die eigene Ehre geht, wenn er schreibt: »… wenn ich etwas zu vergeben hatte …« Seine persönliche Kränkung steht nicht im Vordergrund. »Um euretwillen« vergibt der Apostel. Es liegt ihm alles an der Gemeinschaft der Liebe mit der Gemeinde. Nach dem gehorsamen Handeln der Korinther ist solche geistliche Gemeinschaft wieder möglich, und Paulus stellt sich wieder ganz in die Gemeinde.
Seine Vergebung geschah »vor Christi Angesicht«, unterliegt nicht dem Belieben des einzelnen, sondern ist Gebot und Wille des Herrn selbst. Wie die Gemeinde bei der Frage und Bestrafung des Sünders gehorsam war, so betont jetzt der Apostel den Gehorsam bei der Vergebung (vgl. 1 Mo 18,26; 1 Sam 15,25; Ps 103,3; Mt 6,12; 6,14ff.; 18,21 ff.; Lk 6,37; 7,47; 11,4; 17,3; 23,34; Eph 4,32; Kol 3,13; Jak 5,15). So will es Jesus Christus.

»Es ist genug«, spricht die brüderliche Liebe. Wie schwer ist das unter uns, den Bruder nach bereuter Sünde wieder ganz gelten zu lassen, in die Gemeinschaft wieder aufzunehmen! Darin aber bewährt sich die Liebe. »Vergebung« heißt biblisch, wieder Gnade zu erweisen, mit ungeteilter Freundlichkeit einander zu begegnen. Wo Gott vergibt, da vergißt er. Die Sünde ist ganz ausgeräumt, ist nicht nur durchgestrichen, sondern ausgelöscht. Die Gemeinde wird deshalb ermahnt, wieder Liebe zu erweisen, d. h. die brüderliche Liebe zu bestätigen. Das sind wirkliche Schritte, sogar öffentlich. Gemeindezucht stellt die Frage nach der Gemeindeliebe. So bewährt sich der Glaube. Er kann und will aus der von Gott gewährten Liebe vergeben. Das ist auch der Wille Jesu. Er gewährt Vergebung gern. Beispiel: Petrus. Jesus lebt das, betet das: »… wie wir vergeben unseren Schuldigem …« Er gibt sein Leben als Siegel für die Vergebung. Vergeben heißt, den Liebeswillen, das Gesetz Christi zu erfüllen. Deshalb: Vergebung vor Christi Angesicht – nach seinem Willen.

Edition C Bibelkommentar

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