Tag: 9. August 2024

Wir Christen haben schon immer eine Hoffnung, die über uns selbst hinausgeht und die das übersteigt, was wir je aus eigener Kraft leisten könnten.

dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden.
Elberfelder 1871 – Matthäus 6,10

Komm und richte deine Herrschaft auf.
Verschaff deinem Willen Geltung,
auf der Erde genauso wie im Himmel.
Gute Nachricht Bibel 2018 – Matthäus 6:10

Deine Königsherrschaft soll kommen. Dein Wille soll wie im Himmel auch auf Erden Wirklichkeit werden.
Andreas Eichberger – Gottes Agenda – Matthäus 6,10

Gottes Königreich soll hier auf der Erde kommen??
Scheinbar wissen die wenigsten, worum sie beten – die einen glauben, dass alle guten Menschen in den Himmel kommen würden, die anderen glauben, dass Jesus schon seit Jahren zurück gekommen wäre…. Dabei ist Jesus seit seiner Auferstehung immer bei seinen Anhängern gewesen – aber noch ist er nicht „wieder gekommen“ – aber Christen beten, dass seine Wiederkunft bald Wirklichkeit wird.

Wörtlich: „Es komme deine Königsherrschaft“. Die Formulierung „wie im Himmel, so auch auf Erden“ stellt die Bereiche des Göttlichen und Menschlichen – auf Erden scheint nach Auffassung des Beters der Wille des Vaters wenig Geltung zu haben – einander gegenüber.

Die Bibel: Herder-Übersetzung mit Kommentar und Erläuterungen

Die zweite Bitte Dein Reich komme meint, dass Gott sein »Reich« (örtlich) bzw. seine »Herrschaft« (funktional) in Kürze aufrichten soll (→ Reich Gottes). Das kann nur er tun, nicht Menschen (vgl. Mk 4,28). Die erste und dritte Bitte sprechen ebenfalls von Gottes Handeln (vgl. Hes 36,23; 38,23; 39,7: Gott heiligt seinen Namen vor den Völkern), doch sind Menschen beteiligt, wenn sie den → heiligen → Namen Gottes ehren (vgl. 2. Mose 20,7; 3. Mose 22,32; Jes 29,23) und den im Himmel waltenden Willen Gottes auf Erden tun (vgl. 7,21; 12,50).

Stuttgarter Erklärungsbibel

Dein Wille geschehe, die Rabbinen betonen den Gehorsam gegenüber dem göttlichen Willen (mAv 1,11; tBer 3,7; bBer 29b; bMeg 29b; bJom 53b; 86b). Wie im Himmel, Engel haben keine eigene, unabhängige Macht (vgl. z.B. Hiob 1–2).

Das Neue Testament – jüdisch erklärt

Christen beten oft im Vaterunser: „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden“ (Mt 6, 10). Haben Sie sich schon einmal gefragt, was das heißt?
Manche Menschen beschränken ihre Hoffnungen sehr bewusst auf das Heute: auf Dinge, die sie versprechen und aus eigener Kraft einhalten können – Dinge, von denen sie wissen, dass sie sicher sind. Sie wollen ihr Herz nicht an etwas anderes hängen. Sie wollen sehr vorsichtig und auf der Hut sein, was ihr Herz betrifft. Sie sind schon zu viele Male verletzt worden. Sie werden nicht noch ein weiteres Mal ihr Vertrauen auf irgendein Versprechen setzen, dessen Erfüllung sie nicht garantieren können.
Doch das Christentum war noch nie so. Wir Christen haben schon immer eine Hoffnung, die über uns selbst hinausgeht und die das übersteigt, was wir je aus eigener Kraft leisten könnten. Petrus schreibt: „Wir erwarten aber nach seiner Verheißung neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt“ (2.Petr 3, 13). Das weist auf die Erfüllung dieser letzten und ersten Hoffnung der Bibel hin – der Hoffnung, dass die ganze Welt wieder heil wird, da sich Gottes allmächtiger Plan von Christus über sein Bundesvolk bis auf die Schöpfung selbst erstreckt.
Diese Hoffnung finden wir ganz am Ende der Bibel. Im Buch der Offenbarung werden die prophetischen Traditionen des Alten Testaments wieder aufgegriffen, jedoch mit einigen Veränderungen. Die Offenbarung wird als die Erfüllung von Gottes Plan dargestellt, ein Volk in einer heilen Beziehung zu ihm zu haben. Wenn die kämpfende Gemeinde zur siegreichen Gemeinde wird, dann werden Himmel und Erde neu geschaffen (s. Offb 21, 1–4; 21, 22–22, 5). Hier sehen wir den Gipfel der Erfüllung aller Verheißungen Gottes für sein Volk. Die Heiligkeit des Volkes Gottes ist endlich vollkommen. Endlich ist Gottes Volk wirklich heilig und bei Gott. Der Garten Eden ist wiederhergestellt. Gott ist wieder bei seinem Volk gegenwärtig. Die Heilige Stadt (s. Offb 21, 2) hat die Form eines Würfels, genau wie das Allerheiligste im Alten Testament, wo Gott gegenwärtig war – nur dass dieses nun sein ganzes Volk aus allen Zeiten und Orten mit einschließt. Die ganze Welt wird zum Allerheiligsten.
Das ist die gute Nachricht, die wir als Christen anzubieten haben. Das ist unsere Vision für die Zukunft – nicht, weil wir uns das ausgedacht hätten, auch nicht, weil irgendeine Kommission es verfasst hätte, auch nicht, weil es nur eine Reaktion auf das wäre, was wir gerne hätten – wie mein Freund Bill –, sondern weil es das ist, was Gott geoffenbart hat.
Während wir darauf warten, ist es ganz passend, dass das Neue Testament mit diesem Buch endet. Das Buch der Offenbarung ist nicht von jemandem geschrieben worden, der auf dem höchsten Gipfel saß und das Reich Gottes ankommen sah, weil sein Schiff gerade angelegt hatte, und der deswegen sicher war, dass das Glück aller Menschen schon auf dem Weg war. Nein, sondern das Buch der Offenbarung ist von einem alten Mann geschrieben worden, dessen Leben so gut wie vorbei war. Er war in der Verbannung, zutiefst verzweifelt und hilflos, und dennoch voller Hoffnung auf einen allmächtigen Gott, weil er wusste: wer auch immer in Rom auf dem Thron saß, würde nicht letztendlich entscheiden, was in der Welt geschehen würde. Er wusste, dass es im Himmel einen Gott gibt, der alle seine Verheißungen zur Erfüllung führen würde. Johannes konnte dort in Patmos voller Hoffnung sein, weil er wusste, wie dieser Gott war.
Diese Art der biblischen Theologie ist praktisch. Sie bewirkt etwas. Die Verheißungen, die Gott über das Erfülltsein der Erde mit der Erkenntnis des Schöpfers gegeben hatte, würden in seiner neuen Schöpfung erfüllt werden. Der Gott der Bibel gibt Verheißungen, und der Gott der Bibel wird sie in seiner Allmacht auch erfüllen.
Sehen Sie, wie wichtig all das ist? Gott bringt seine Pläne zum Ziel. Er erfüllt seine Verheißungen. Und als Christen müssen wir wissen, dass Gott auch weiterhin für uns sorgen wird und dass seine anhaltende Fürsorge nicht auf unserer Treue gründet, sondern auf seiner. Für kurze Zeit mag es vielleicht spannender sein, durch die Gegend zu rennen und so zu tun, als ob die Welt in einer Art geistlichem Laserschwertkampf zwischen den Mächten der Finsternis und den Mächten des Lichts steckt. Und ganz sicher gibt es auch sehr reale böse Mächte, gegen die wir als Christen in der Welt und in unserem eigenen Herzen ankämpfen. Doch das Resultat steht nicht auf der Kippe. Unser Gott ist ein allmächtiger Gott. Johannes, der Verfasser der Offenbarung, hatte Hoffnung, nicht weil er wusste, was er tun würde, sondern weil er wusste, was Gott tun würde.

Mark Dever – 9 Merkmale einer gesunden Gemeinde

Die zweite Bitte schreitet von der Person des Vaters fort zu seinem Reich: »Dein Reich komme!« Dies entspricht der Zusammenfassung der Predigt Jesu und des Täufers: »Die Gottesherrschaft ist nahe herbeigekommen« (Mt 3,2; 4,1). Das »Reich« bzw. die Gottesherrschaft ist das vollendete und sichtbare Herrschen Gottes über die ganze Schöpfung. Dann sind die Feinde beseitigt. Johannes beschreibt jenes Ereignis der vollendeten Durchsetzung in Offenbarung 19,6: »Halleluja! Denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat das Reich eingenommen!«
Der biblische Reichsbegriff, auch der im Vaterunser, ist immer wieder falsch verstanden worden. Das sog. spiritualistische Missverständnis versteht das Reich als einen rein geistigen Begriff, z. B. als die Sittlichkeit des inneren Menschen. Das individualistische Missverständnis denkt nur an die Veränderung des Einzelnen. Das synergistische Missverständnis geht davon aus, dass Gott nur den Auftrag gibt, das Reich aber von den Menschen geschaffen wird. Das Missverständnis der sog. »präsentischen Eschatologie« bestreitet ein Ende der Geschichte und eine Verwirklichung in einem kommenden Äon. Aber Jesus spricht von einem Reich, das leiblich, kosmisch, gottgeschaffen (theurgisch) und erst künftig im Vollsinn vorhanden ist. Er lehrt ja nicht: »Mögen wir schaffen das Reich in dieser Welt!«, sondern: »Dein Reich komme!« Wiederum ist klar, dass es sich um eine endzeitliche Bitte handelt.
Erst dann ist auch die dritte Bitte erfüllt: »Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden!« Wie in den beiden vorangehenden Bitten lehrt uns Jesus alles Sein und Geschehen vom Vater aus betrachten. Der »Himmel« ist der Bereich, in dem der Vater gelobt wird und in dem sein Wort Befehl ist. Engel und Heerscharen tun seinen Willen gern und ohne Zweifel (Ps 103,20ff.). Die Sonne als herrlicher »Bräutigam« und Lampe des irdischen Lebens zieht in Freude ihre Bahn (Ps 19,6). Dort, unter den himmlischen Gottessöhnen, spielt auch Satan als Werkzeug seine zugestandene Rolle, bis er im Engelsturz der Zeitenwende auf die Erde beschränkt wird (Hiob 1,6ff.); Offb 12,9; Lk 10,18). »Wie« es bereits »im Himmel« ist, »so soll es künftig »auch auf Erden« sein. Die Erde der Gegenwart ist gewissermaßen das Nest gottfeindlicher Gewalten. Hier kreuzigen die menschlichen und übermenschlichen Herrscher dieser Welt den Gottessohn (1 Kor 2,8). Hier treten die Mächtigen die Beherrschten nieder (Mt 20,25). Hier leben die Menschen »jenseits von Eden«, in einer gefallenen Welt. Hier »ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer«
(Röm 3,12). Seit Satan als Ankläger und Verführer der Menschen nach Auferstehung und Himmelfahrt Jesu auf die Erde gestürzt ist (Off 12,5ff.), wächst die Gottfeindlichkeit auf Erden noch an, weil der Satan »weiß, dass er wenig Zeit hat« (Off 12,12). Am Ende ballt sich die Gewitterwolke der Verfolgung über der Gemeinde Jesu und kommt es zu den letzten verzweifelten Rebellionen gegen den Christus Gottes (Off 13-20,10). Es ist also noch ein gutes Stück Weg bis zur Erfüllung der dritten Bitte. Auf der anderen Seite sollten wir sehen, dass das Tun des Willens Gottes auf Erden schon begonnen hat. Das Ringen von Gethsemane bringt den vollständigen Sieg des Gotteswillens im Leben Jesu (Mt 26,42). Hier hat Jesus nach dem Vaterunser gebetet und überwunden. Und von ihm greift das Tun des Gotteswillens über auf seine Jünger (Mt 12,50; Joh 7,17; Röm 12,2). Dabei müssen wir nüchtern sehen, dass unser Tun immer wieder gebrochen wird durch das Gesetz der Sünde in unseren Gliedern (Röm 7,22ff.). Erst im Sterben gelangen wir zur Vollständigkeit. Desto dringender wird die dritte Vaterunserbitte.

Gerhard Maier – Edition C