Seit einigen Wochen suche ich nach dem Text und Erklärungen dazu.
37
καὶ
πάλιν
ἑτέρα
γραφὴ
λέγει
,
Ὄψονται
εἰς
ὃν
ἐξεκέντησαν
.
Und ein anderes Schriftwort sagt: Sie werden auf
den blicken, den sie durchbohrt haben.
Bei dem zweiten Schriftzitat stellen sich eine ganze Reihe von Problemen. Zwar ist klar, daß der
Evangelist hier Sach 12,10 zitiert, doch zitiert er weder nach der Septuaginta noch nach dem –
sprachlich nicht ganz eindeutigen – hebräischen Text. Wahrscheinlich schöpft der vierte Evangelist
aus einem sog. Testimonium, also einer christlichen Sammlung von alttestamentlichen Belegstellen für
christologische Glaubensinhalte. Im Unterschied zum Masoretischen Text fehlt der Bezug auf Gott als
den Durchbohrten („sie werden schauen auf
mich
, den sie durchbohrt haben“), im Unterschied zur
Septuaginta („sie werden schauen auf mich, vor dem sie getanzt haben“) ist von einem Durchbohren
die Rede.
Für die Annahme eines Testimoniums spricht, daß der Bezug von Sach 12,10 auf Jesus Christus unter
Anspielung auf den Kreuzestod in der frühen Christenheit durchaus breit belegt ist (vgl. v.a. Offb 1,7,
aber auch Justin, Dial 14,8; 32,2; 64,7; 118,1, Apol 1,52, sowie Barn 7,7+9), allerdings mit zwei
gewichtigen Unterschieden zum Johannesevangelium: (1.) wird nur im JohEv das „Durchbohren“ des
Sach-Textes auf den Lanzenstich bezogen, die anderen Texte meinen damit wahrscheinlich die
Nägelmale. (2.) wird Sach 12,10 sonst im Kontext des
Wiederkommens
des Gekreuzigten zitiert, also auf
die Parusie und nicht auf das „Sehen des Durchbohrten“ am Karfreitag auf Golgotha bezogen.
Während außerjohanneisch zwar das „Durchbohren“ Jesu am Kreuz stattfindet, erfolgt das „Sehen“
des Durchbohrten bei der Parusie.
Vor diesem Hintergrund wird die eigentliche Absicht des vierten Evangelisten deutlich: das in der
frühen Christenheit sonst auf die endzeitliche Parusie bezogene „Schauen auf den Durchbohrten“
findet laut ihm auf Golgotha statt. Und: indem die Glaubenden auf den Durchbohrten schauen,
schauen sie auf den gekreuzigten Geistspender. Dieses „Schauen des Durchbohrten“ ist natürlich
nicht auf den kleinen Kreis derer beschränkt, die damals auf Golgotha anwesend waren. Dies zeigt
allein die Tatsache, daß sich der Auferstandene im johanneischen Osterbericht Joh 20 dezidiert
anhand seiner durchbohrten Seite identifiziert (Joh 20,20, vgl. 20,25.27). Die durchbohrte Seite
unterscheidet ihn einerseits von anderen Gekreuzigten, weist ihn andererseits aber als den
gekreuzigten Geistspender aus und geht daher der Anhauchung der Jünger mit heiligem Geist voraus
(20,22). Das „Schauen des Durchbohrten“ erfolgt für den vierten Evangelisten also in den liturgischen
Versammlungen der Kirche und ist identisch mit der Begegnung mit dem Auferstandenen im Hl.
Geist.
Sacharja 12,10 – eine bohrende Frage
(Sacharja 12,10; EB)
Und sie werden mich ansehen, den sie durchbohrt haben, und sie werden um ihn klagen, wie man klagt um ein einziges Kind, und werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübt um den Erstgeborenen.
Diejenigen, die meinen, dass Jesus der gleiche ist wie Jehova im AT, führen des öfteren Sacharja 12,10 an als einen Bibeltext, der diese Gleihhheit nachweisen soll. So las ich im Internet u.a. folgende Frage:
wie kann Jahwe von sich sagen, das man auf „Ihn“ schauen wird, den man durchstochen hat, wenn er nicht selbst als „Sohn“ zur Erde kam (Sach, 12,10)? Ist Jesus nicht derjenige der „Durchstochen“ wurde
Die implizite Schlussfolgerung ist: da der gleiche Sachverhalt von beiden ausgesagt wird, muss es sich um die gleiche Person handeln.
Einige gehen noch weiter und werfen der NWÜ Fälschung vor, da dort steht: „und sie werden gewiß auf DEN schauen, den sie durchstochen haben, und sie werden sicherlich um IHN klagen wie bei der Klage um einen einzigen [Sohn]“. Hier gibt es keine Bezugnahme mehr auf „mich“, d.h. Jehova, stattdessen wird hier gesagt „den“, womit ein anderer gemeint ist.
Hat die NWÜ hier den Bibeltext verfälscht?
Diese Frage ist sehr einfach zu beantworten, indem wir uns andere Bibelübersetzungen anschauen. Das Ergebnis? Eine ganze Reihe anderer Bibelübersetzungen wird dieser Vers ähnlich formuliert wie in der NWÜ:
Hfa: Voller Reue werden sie auf den sehen1, den sie durchbohrt haben
GN: Sie werden schuldbewusst zu mir aufblicken wegen des Mannes, den sie durchbohrt haben.
EÜ: Und sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben
NL: Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben
Menge: so daß sie auf den hinblicken werden, den sie durchbohrt haben
Eine große Zahl von Übersetzungen hat offensichtlich keine Probleme damit, diese Aussage aus Sacharja jemandem anders als Jehova zuzuschreiben.
Warum die zwei unterschiedlichen Wiedergaben? Die Fußnote der EB sagt dazu auszugsweise: „Eine Reihe von hebr. Handschr. ändert in: und sie werden auf ihn blicken.“ Es gibt also bereits in der Überlieferung dieses Verses zwei Varianten. Bevor man also etwas aus diesem Vers schlussfolgern kann, muss man erst mal feststellen, welche Variante „die richtige“ ist. Aber genau das machen diejenigen nicht, die hier der NWÜ Fälschung vorwerfen. Daher ist dieser Vorwurf substanzlos.
Welche Variante ist richtig?
Welche Hinweise haben wir? Wir haben die Stelle im NT, die auf Sacharja 12,10 Bezug nimmt. In Johannes 19,37 gibt es keine Textvariante, hier lautet der Text einheitlich:
(EB) Und wieder sagt eine andere Schrift: „Sie werden den anschauen, den sie durchstochen haben.“
Der Schreiber des Johannesevangeliums kannte also Sacharja in der Variante, die auch in der NWÜ wiedergegeben wird und er benutzt diese Variante, um zu zeigen, dass sich der Text an Jesus erfüllt.
Damit ist klar, dass die Christen im ersten Jh. die gleiche Variante kannten, wie die NWÜ heute.
Und diese Variante sagt nicht aus, dass Jesus Jehova ist.
Nun meine Frage an die letzte Quelle: Warum steht in der „neuen Weltübersetzung“ richtiger Weise „DEN“ – denn die Übersetzer waren sich bewusst, dass sich Sacharja tatsächlich auf das Tetragrammaton bezieht?
Neueste Kommentare