Tag: 13. Januar 2024

Wer vertrauenswürdig ist, kann etwas für sich behalten

Wer als Verleumder (O. Ausplauderer) umhergeht, deckt das Geheimnis auf; wer aber treuen Geistes ist, deckt die Sache zu.
Elberfelder 1871 – Sprüche 11,13

Wer mit Klatschkram umherzieht, offenbart auch Geheimnis,
aber wer treuen Geistes ist, hält die Sache verhüllt.
Buber & Rosenzweig – Sprüche 11,13

Die Verläumdung schleicht umher, um Geheimnisse aufzudecken; aber wer verlässigen Sinnes ist, verdeckt die Sache.
van Ess 1858 – Sprüche 11:13

Ein doppelzüngiger Mann tut Beschlüsse in der Versammlung kund,
ein Verlässlicher aber verbirgt dem Atem die Angelegenheiten.
Septuaginta Deutsch – Sprüche 11:13

Wer klatschsüchtig ist, wird auch anvertraute Geheimnisse ausplaudern; ein zuverlässiger Mensch schweigt.
Hoffnung für alle – 1996 – Sprüche 11:13

Wie kann man jemandem vertrauen, der sich verpflichtet fühlt, alles was wichtig ist, „der Gemeindeleitung“ weiterzusagen? Wie kann man „echte Freunde haben“, die nur dann „Freunde sind“, wenn man mit ihm im „selben Club“ mit ihnen ist?

MARIA arbeitet als medizinisch-technische Assistentin in einem Krankenhaus. Sie ist verpflichtet, was sie beruflich erfährt oder beobachtet, als Berufsgeheimnis zu wahren. Auch muß sie dafür sorgen, daß schriftliche Unterlagen und andere Informationen über Patienten nicht an unbefugte Personen weitergegeben werden. In dem Land, in dem sie wohnt, gibt es ein Gesetz, das die Weitergabe von vertraulichen Informationen über Patienten regelt.
Eines Tages saß Maria in einer Zwickmühle. Als sie Krankenberichte bearbeitete, stieß sie auf eine Information, die besagte, daß eine Patientin, eine Mitchristin, eine Abtreibung vornehmen ließ. Hatte sie die biblische Verpflichtung, diese Information an die Ältesten ihrer Versammlung weiterzugeben, obwohl sie dadurch in die Gefahr geriet, ihre Stelle zu verlieren, gerichtlich belangt zu werden oder ihrem Arbeitgeber rechtliche Schwierigkeiten zu bereiten? Oder würde Sprüche 11:13 es rechtfertigen, die Sache geheimzuhalten? Dieser Text lautet: „Wer als Verleumder umhergeht, deckt vertraulich Gesprochenes auf, wer aber treuen Geistes ist, deckt eine Sache zu.“ (Vergleiche Sprüche 25:9, 10.)

Die Umstände können ganz verschieden sein. Es ist daher unmöglich, eine feste Regel aufzustellen, an die es sich in jedem Fall zu halten gilt, so als müßte jeder ein solches Problem in der Weise lösen, wie Maria es getan hat. Jeder Christ, der sich je in einer derartigen Situation befindet, muß alle damit zusammenhängenden Faktoren erwägen und eine Entscheidung treffen, bei der er biblische Grundsätze sowie eventuelle rechtliche Konsequenzen berücksichtigt und bei der er ein gutes Gewissen vor Jehova hat (1Timotheus 1:5, 19). Handelt es sich um unbedeutende Sünden, um Sünden, die mit der menschlichen Unvollkommenheit zusammenhängen, dann gilt der Grundsatz: „Liebe deckt eine Menge von Sünden zu“ (1Petrus 4:8). Sieht es jedoch so aus, als ob eine schwerwiegende Verfehlung vorliege, sollte dann ein loyaler Christ aus Liebe zu Gott und zu seinem Mitchristen die Verfehlung aufdecken, so daß dem eventuellen Sünder geholfen werden kann und die Versammlung rein bleibt?

Wachtturm – 1.September 1987

Ein weiser Spruch lautet: „Wer als Verleumder umhergeht, deckt vertraulich Gesprochenes auf, wer aber treuen Geistes ist, deckt eine Sache zu“ (Sprüche 11:13). Heißt das, daß es Verleumdung wäre, wenn du von einer schwerwiegenden Sünde berichtest, die jemand im geheimen begeht oder begangen hat und von der du Kenntnis hast? Nein. Natürlich solltest du nicht darüber schwatzen. Du solltest mit dem Übeltäter sprechen und ihn auffordern, die Hilfe der Ältesten zu suchen (Jakobus 5:13-18). Wenn er das nicht innerhalb einer vernünftigen Zeit tut, sollte dich die Sorge um die Reinheit der Versammlung bewegen, den Ältesten von der Angelegenheit zu berichten ( 3Mose 5:1).

Wachtturm – 15.Oktober 1989

Sind das wirkliche Freunde?
Schauen wir uns andere Kommentare dazu an:

Der Vers 13a wird in 20,19 (fast) wörtlich wiederholt (siehe auch 10,18 und Ps 15,3). Wer andere verachtet, der hasst sie, und er wird sich nicht scheuen, sie zu verleumden. »Wer als Verleumder umhergeht«, hôlêk râkîl, ist gemäß 3. Mose 19,16 ein Brudermörder. râkîl ist gebildet vom Verb râkal, das als Partizip rôkel den »Krämer, Händler« bezeichnet (Hes 27,3; Nah 3,16). Der Verleumder ist jemand, der, wie Buber übersetzt, »mit Klatschkram umherzieht«. Er »deckt das Geheimnis auf«, also Dinge, die nicht alle wissen sollen. Doch gerade etwas weiterzureichen, was die meisten nicht wissen, bereitet gewissen Menschen besondere Lust. Welch erbärmliche Ware breiten sie vor den Leuten aus, und wie erbärmlich, dass sie immer Leute finden, die sie ihm abkaufen. Wer Verleumdung ausbringt, ist ein Tor (10,18b), und wer Verleumdung aufnimmt, ebenso. »Verleumderisch« und »Verleumder« ist auf Griechisch diabolos, »Teufel«; Frauen und Männer, die sich hergeben, andere zu verleumden (1Tim 3,11; 2Tim 3,3), heißen Teufelinnen bzw. Teufel (siehe Auslegung zu 19,5).
Wer »treuen Geistes« ist, ist jemand, der Gott fürchtet, und wer Gott fürchtet, verabscheut Verleumdung. Er liebt den Nächsten und »deckt die Sache zu« (siehe 10,12; 17,9; 1Petr 4,8).

Benedikt Peters – Das Buch der Sprüche

V. 13 – »Wer als Verleumder umhergeht, deckt das Geheimnis auf«: »Hier wird ein weiteres Vergehen an der Liebe gerügt. Das Evangelium betrifft nicht nur unsere privaten Interessen, sodass wir keinerlei Mitgefühl für unseren Bruder zu zeigen hätten. Wir sind vielmehr eingebunden in eine alle umfassende Bruderschaft der Liebe. Darum wird der Verleumder [Englisch: talebearer = Ausplauderer oder Zuträger], der mit dem Namen und dem Ansehen seines Bruders hausieren geht und Skandalgeschichten feilbietet, verurteilt – sei es, dass er dabei seinen eigenen Nutzen sucht, sei es aus bloßem Mutwillen. Es ist keine ungefährliche Sache, in die Hörweite eines solchen Mannes zu geraten, der rücksichtslos und gedankenlos mit dem Wohl seiner Brüder spielt (Spr 16,28; 26,22). Denn so leichthin dieser die Geheimnisse deines Nächsten dir gegenüber enthüllt, verrät er dein Inneres einem anderen. Alle Bande des Vertrauens und der Freundschaft werden auf diese Weise zerrissen. Solchen gegenüber verschließe man tunlichst Ohr und Mund. Wenn kein Gefäß da ist, das seine verwerfliche Ware aufnehmen will, werden seine Worte auf den Boden fallen und verwehen.
Der Ausplauderer pirscht nach Familiengeheimnissen. Enthüllungen sind ihm wahre Leckerbissen. Jeder Skandal ist ihm ein Kleinod. Ein Streit, der geschlichtet wird, bevor er dazu kam, ihn zu enthüllen, ist ihm eine Enttäuschung. Vertraut ein Freund dir die Ängste seiner Seele an, dann bereite ihm nicht den Schmerz, hören zu müssen, wie die zu dir im Vertrauen gesprochenen Worte aus deinem Mund purzeln. Es ist für unseren Frieden von großem Gewicht, dass unsere Mitbrüder treuen Geistes sind, die man nicht bei jeder Gelegenheit an ihre Schweigepflicht erinnern muss; die unseren Interessen so ergeben sind wie den eigenen; die sich eher weigerten, sich etwas anvertrauen zu lassen, als es zu verraten; deren Busen ein sicherer Verwahrungsort ist. Unbezahlbar ist ein solcher Freund, aber in unserer verlogenen Welt wahrlich selten (Spr 20,6). Zu christlicher Glaubwürdigkeit gehört ein verlässlicher, ein treuer Geist. Wo er gewohnheitsmäßig fehlt, stellt sich die ernste Frage, ob der Geist Christi nicht vollständig fehle« (Charles Bridges, The Book of Proverbs).

V. 13 – »Der ist ein Narr, wenn nicht ein Schurke, der gestohlenes Gut an sich nimmt. Aufs Verleumden so gut wie aufs Rauben passt das Sprichwort: ›Der Hehler ist wie der Stehler.‹ Gäbe es keine begierigen Abnehmer für üble Nachreden, so würde der Handel mit solcher Ware bald ein Ende haben. John Trapp sagt: ›Der Zuträger [talebearer] hat den Teufel auf seiner Zunge, und wer den Reden klatschsüchtiger Leute lauscht [talehearer], hat ihn im Ohr.‹« (Spurgeon in seiner Auslegung zu Ps 15,3).

V. 13b – »Ich glaube, unter dem Anschein der Ehrlichkeit wird hier etwas als ›natürlich‹ ausgegeben, was doch im Grunde ein Symptom der Sünde ist; es ist wirklich ganz analog dem offenen Reden über sexuelle Dinge. ›Wahrhaftigkeit‹ heißt eben doch nicht, dass alles, was ist, aufgedeckt wird. Gott selbst hat den Menschen Kleider gemacht, d. h. in statu corruptionis sollen viele Dinge im Menschen verhüllt bleiben, und das Böse, wenn man es schon nicht ausrotten kann, soll jedenfalls verhüllt werden; Bloßstellung ist zynisch; und wenn der Zyniker sich auch besonders ehrlich vorkommt oder als Wahrheitsfanatiker auftritt, so geht er doch an der entscheidenden Wahrheit, nämlich dass es seit dem Sündenfall auch Verhüllung und Geheimnis geben muss, vorbei« (Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Hrsg. E. Bethge, München und Hamburg: Siebenstern Taschenbuch Verlag, 1964, S. 87).

Benedikt Peters – Das Buch der Sprüche

In Abwandlung von Vers 12 weist dieser Vers darauf hin, dass die Pflege von Vertrauen Beziehungen stärkt, aber das Geschwätz eines Narren sie zerstört.

The Reformation Study Bible

Ein treuer Freund verbirgt heikle Dinge, die ein untreuer Mensch offenbart. „Die Liebe deckt eine Vielzahl von Sünden zu“ (siehe 10:12; Jakobus 5:20; 1 Petr. 4:8).

Die Nelson Studienbibel

Dies ist ein Nachwort zu den Versen 9-12. Jemandem, der verleumdet, kann man in privaten Angelegenheiten nicht trauen. Wer dagegen im Geiste vertrauenswürdig ist, weiß, wann er etwas vertraulich behandeln muss. Man sollte vorsichtig sein, mit welchen Menschen man vertrauliche Dinge teilt.

Die ESV Studienbibel

eine vertrauenswürdige Person. Jemand, der loyal und treu gegenüber den Interessen anderer ist. ein Geheimnis bewahrt. Gibt keine sensiblen Informationen preis, auch nicht vor Gericht (25:9).

NIV Biblische Theologie Studienbibel

„Wer als Schwätzer umhergeht, verrät Geheimnisse“
(Spr 11,13);

Daher sagt Ben-Sira in seiner unverblümten, aber pointierten Art (man verzeihe mir das Oxymoron):
„Hast du eine Sache gehört? Lass es mit dir sterben;
Sei guten Mutes – es wird dich nicht zerbrechen!“

Judentum und Christentum – das Zeitalter des Übergangs