Er aber sprach zu ihr: Deine Sünden sind vergeben.
Und die mit zu Tische lagen, fingen an, bei sich selbst zu sagen: Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt?
Elberfelder 1871 – Lukas 7,48–49
Und zu ihr gewendet fuhr er fort: „Deine Sünden sollen von dir genommen werden!“ Da dachten die andern Gäste bei sich: „Wer ist denn dieser, dass er sogar Sünden wegnehmen will?“
Johannes Greber – Lukas 7:48–49
Dann sprach er die Frau direkt an: „Du kannst dich wirklich freuen, deine Sünden sind dir vergeben.“
Da begannen die übrigen Gäste, sich hinter vorgehaltener Hand zuzuflüstern: „Was glaubt er eigentlich, wer er ist? Wie kann er jemandem zusagen, seine Sünden seien ihm vergeben?!“
Willkommen daheim – Lukas 7,48–49
Worüber regen sich die Leute denn auf? Sollen wir nicht alle „unserem Nächsten die Sünden vergeben“??
Aber vielleicht sollten wir uns beim Lesen des Verses erst einmal fragen: was hatte die Frau den schlechtes an Jesus getan? Oder anders gefragt: Hatte die Frau eine Sünde an Jesus begangen, die Jesus nun vergeben konnte?
Wie würdest du dich fühlen, wenn dir jemand auf die Füße tritt, und eine andere beistehende Person dann sagt: „nicht so schlimm, ich vergebe dir?“ – wahrscheinlich würdest du der beistehenden Person klarmachen, dass nur du hier das Recht hast zu vergeben!?!
Deine Sünden sind dir vergeben (vgl. 5,20). Wie in 5,20-25 wird die Aussage Jesu als Ausübung des göttlichen Vorrechts der Sündenvergebung verstanden und wird von einer ähnlichen Frage gefolgt: Wer ist dieser, der sogar Sünden vergibt? Lukas stellt diese Frage absichtlich, damit seine Leserinnen und Leser über die Bedeutung und die Auswirkungen dessen nachdenken, wer Jesus ist.
Die ESV Studienbibel
Dass ein Mensch Sünden vergeben konnte, ging über die Grenzen des Gesetzes hinaus, wie die Pharisäer es verstanden (siehe 5,21). Doch Christus war nicht einfach ein Mensch, sondern der Gesetzgeber selbst. „Wer könnte Dinge verkünden, die über dem Gesetz stehen, wenn nicht der, der das Gesetz verordnet hat?“ (CyrAl).
Die orthodoxe Studienbibel
Der folgende Vers (48) bedeutet eine Überraschung. »Dann sagte er (= Jesus) zu ihr: Deine Sünden sind vergeben.« Ja, waren sie denn nicht schon vergeben? Warum spricht Jesus offensichtlich ein zweites Mal aus, was er schon einmal gesagt haben muss (vgl. V. 41ff.)? Wer diese Fragen beantworten will, der findet im dankbaren Samaritaner von Lk 17,15ff. einen Schlüssel. Aus der Liebe der Frau schließt Jesus die Annahme der zugesagten Vergebung. Der Sinn von V. 48 ist also: Jetzt ist die Vergebung endgültig in Kraft getreten, ebenso wie der Samaritaner von Lk 17,15ff. durch seine Dankbarkeit die endgültige Hilfe gefunden hat. Was nützt denn die Zusage der Vergebung, wenn wir sie nicht annehmen? Zugleich bestätigt Jesus die frühere Zusage und setzt damit die Frau in glänzender Weise ins Recht gegenüber den innerlichen Vorwürfen des Pharisäers. Drittens aber spricht er mit solcher Vollmacht vor den Ohren der Zuhörer, dass klar wird, dass er selbst die Quelle der Vergebung ist.
Gerhard Maier – Edition C
Wir zitieren dazu die Bemerkung J. A. Bengels: »Die größten Sünder sind oft die herrlichsten Gefäße der Gnade geworden.«
Die Überlegungen der »anderen Gäste« (V. 49) sind genauso verständlich wie in Mt 9,2ff.; Mk 2,5ff.; Lk 5,20ff. »Sünden vergeben« darf ja nur Gott (2Mose 34,7; 4Mose 14,20; Ps 130,4; Jes 55,7). Die Frage: »Wer ist dieser?« spricht also das Problem an, ob Jesus mehr ist als ein bloßer Mensch, Die jüdischen Zeitgenossen haben sich mit der Gottessohnschaft Jesu meist intensiver befasst als der moderne Mensch. Die Formulierung »der sogar Sünden vergibt« lässt das Außergewöhnliche der Erscheinung Jesu durchschimmern. Wie viel Erstaunliches tat dieser Jesus – und nun vergibt er »sogar« die »Sünden!« Das letzte Wort Jesu gilt der Frau, die Stärkung und Trost braucht: »Dein Glaube hat dich gerettet« (V. 50). Wie Mt 9,22; Mk 5,34; 10,52; Lk 8,48; 17,19; 18,42 zeigen, hat Jesus ein solches Wort öfter gesprochen. Lukas liebte es besonders. Aber was heißt das: »Dein Glaube hat dich gerettet«? Wenn ein heutiger Christ so etwas sagen würde, würden ihm viele Theologen ins Wort fallen und rufen: »Falsch! Nur Gott rettet! Nicht der Glaube!« Aber so steht es nun einmal da: »Dein Glaube hat dich gerettet.« Das bedeutet erstens: Gottes Vergebung kommt auf dem Weg des Glaubens und nicht irgendwelchen Verdienste.
Das bedeutet zweitens: Die Zusage der Vergebung wird erst dann zur Lebenswirklichkeit, wenn wir sie im Glauben annehmen. Röm 3,21ff., ja die gesamte Glaubenslehre des Paulus, ist schon keimhaft in diesen Jesusworten enthalten. Das bedeutet drittens: Die Sünderin ist durch ihren Glauben zur Jüngerin geworden. Sie ist jetzt ein Mitglied des Reiches Gottes. Deshalb hat sie nun auch Frieden mit Gott (vgl. Röm 5,1) und kann wirklich »im Frieden hingehen«. D. h. sie kann ihren Weiterweg als gläubige, zu Jesus gehörende Frau antreten. Oder, um es mit Worten aus Kol 1,13 zu sagen: Sie ist errettet aus der Macht der Finsternis und versetzt in das Reich Jesu. Und dies alles aus »Glauben«! Hier enthüllt sich das Lukasevangelium als ein strahlendes Glaubensevangelium, das dem Theophilus Mut zum Glauben macht.
Bengel hat auch hier Wesentliches formuliert: »Nicht der großen Liebe, sondern dem Glauben wird das Heil zugeschrieben. Der Glaube ist die wesentliche Bedingung auf unserer Seite. Die Liebe gibt den äußerlichen Beweis für Andere.«
Als Jeschua sich an die Frau wandte und sagte: „Deine Sünden sind dir vergeben“ (Lukas 7:48), machte er eine Aussage, die nur Gott machen kann. Das Vergeben von Sünden ist das exklusive Vorrecht der Gottheit. Die Reaktion kam sofort: „Und sie, die mit ihm zu Tisch saßen, fingen an, bei sich selbst zu sagen: Wer ist dieser, der sogar Sünden vergibt? (Lukas 7:49). Ihre Theologie war richtig: Niemand kann Sünden in einem heilsgeschichtlichen Sinn vergeben außer Gott allein. Also war Jeschua entweder ein Gotteslästerer oder er sprach die Wahrheit: Er war der Messias.
Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive
Wie königlich war doch Jesu Verhalten der Sünde gegenüber. So stark die Sünde den Menschen auch von Ihm und dem Nächsten trennte, die Sünde trennte jedoch nicht Ihn vom Menschen. Er spricht zur Samariterin am Jakobsbrunnen, Er tritt in das Haus eines Zöllners, Er deckt die Sünderin zu seinen Füßen, Er seht sich zu den Zöllnern und Sündern, Er verspricht einem Verurteilten das Paradies seines Vaters. Welch eine Welt war das, die Ihm diese Vollmacht gab? Er lebte in der Welt des Vaters, daher fürchtete Er die Verunreinigung durch die Sünde des Nächsten nicht.
Jakob Kroeker – ER sprach zu mir
Das ist eine königliche Stellung auch der Sünde gegenüber. Auch der Sünde gegenüber behält Er sich das Recht der persönlichen Entscheidung vor. Sie bestimmt nicht Ihn, Er bestimmt über sie. Er spricht zu dem Gichtbrüchigen: „Mensch, dir sind deine Sünden vergeben!“ Und zur Sünderin zu seinen Füßen sagt Er: „Gehe hin, sündige hinfort nicht mehr! Für Ihn gibt es kein Nichtvergeben – können! Gäbe es ein solches, dann wäre sein absolutes königliches Können der Sünde gegenüber in Frage gestellt.
Wenn so viele in seinen Tagen – und die Menschheit bis heute – ohne Vergebung bleiben, so geschieht es nicht“ weil die Sünde Ihn vom Menschen trennt. Er hat sie bis zu ihrer letzten Scheußlichkeit und Bosheit unter die Vergebung seines Vaters gestellt und damit seine königliche Stellung ihr gegenüber für immer geoffenbart. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Er hat den Weg zum Mensch en auch über dessen Sünde hinweg gefunden.
Die Sünde trennt aber den Menschen von Ihm. Und da der Mensch in seinem Unglauben vor Ihm und seiner Reichsgotteswelt flieht wenn Er sich ihm offenbaren will, daher bleibt er unter dem Druck seiner Schuld und in der Knechtung durch die Sünde. Denn auch in der Vergebung bleibt Er der Erlöser.
Er stellt auch seine Heilandsmission unter seinen königlichen Adel.
Er kann mit seiner Rettung warten, bis der Mensch in seinem inneren Bankrott nach einem Retter ruft. Er drängt sich denen nicht auf, die noch wie der jüngste Sohn im Gleichnis mit den vom Vater empfangenen Gütern „auch ohne Ihn auskommen. So stark die Liebe des Vaters auch auf die Heimkehr des Sohnes wartet, sie erzwingt keine unfreiwillige Heimkehr und keine ablehnende Tischgemeinschaft im Vaterhause. Der Vater will nur eine Gemeinschaft auf Grund einer freiwilligen Hingabe an seine Liebe.
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