Tag: 21. Oktober 2024

wie lange soll ich noch um Hilfe schreien

Wie lange, Jehova, habe ich gerufen, und du hörst nicht! Ich schreie zu dir: Gewalttat! und du rettest nicht.
Elberfelder 1871 – Habakuk 1,2

»Bis wann noch, DU!«
habe ich gefleht
und du hörst nicht,
ich schreie zu dir: »Gewalt!«
und du befreist nicht.
Buber & Rosenzweig – Habakuk 1:2

Wie lange, Ew’ger, flehe ich und du hörst nicht? Ich schreie zu dir: Gewalt!, und du hilfst nicht?
Die Philippson-Bibel – Hab. 1,2

Wie zur Zeit des Habakuks, ist auch heute unter Gottes Volk Ungerechtigkeit und Gewaltat weit verbreitet. Aber Habakuk macht es richtig: er wendet sich an Jehovah, um seine Sorgen los zu werden – und um Hilfe zu schreien! Und Jehovah beantwortet auch heute unsere Bitten und Fragen. Und es wird sicher nicht mehr lange dauern, und Jehovah wird für Gerechtigkeit sorgen – denn nur ER kann diese Gerechtigkeit weltweit durchsetzen.


Der Kummer, den der Prophet schon so lange mit sich herumtrug und der nun zu diesem wilden Ausbruch der Klage führte, mündete in zwei große Fragen. Er möchte wissen, warum Gott so gleichgültig erscheint: Warum hört Gott nicht? Und er will wissen, warum Gott so unempfindlich erscheint: Warum hilft Gott nicht?
Habakuks Worte “ Wie lange? “ zeigen, wie sehr es ihn quält, daß Gottes Anwort anscheinend so lange auf sich warten läßt. Vielen Christen geht es heute ebenso. Sie fragen sich, warum Gott zu schweigen scheint, wenn sie beten. Wie mehrere andere Psalmisten (David: Ps 13,1-3; 22,2.12.20-22 ; Asaf: Ps 74,1-2.10-11 ; die Söhne Korach: Ps 88 ) trat Habakuk vor Gott, um ihm seine Sorgen und die Sorgen seines Volkes zu klagen. Er beschrieb die Ungerechtigkeit, von der er umgeben war, und fragte dann: „Wie lange?“ ( Hab 1,2 ) und „Warum?“ (V. 3 ). Noch einmal, etwas später, gebrauchte er dieselben Worte: „Warum?“ (V. 13 ) und „Wie lange?“ ( Hab 2,6 ).
Dieser Prophet hatte mehr von einem Sänger als von einem Seher. Der israelitische Gottesdienst kannte leidenschaftliche Hilferufe zu Gott in Zeiten der Verzweiflung. Israel brachte seine Beschwerden normalerweise nicht in „Leserbriefen“ vor. Es richtete seine Bitten im Gottesdienst direkt an Gott. Aber Habakuk ging es nicht nur darum, daß seine Hilferufe ungehört verhallten, sondern auch um das ungestörte Weiterwuchern der Verderbnis. Er rief zu Gott: Frevel , doch Gott schien nicht zu reagieren. Das ausdrucksvolle Wort „Frevel“ faßt das ganze Chaos, das Habakuk um sich herum sah, zusammen. Es erscheint immer wieder ( Hab 1,2; 2,17 ) wie Tintenflecke auf einer zerknitterten Seite im Buch der Geschichte.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Am Anfang der Herrschaft von Josia – und auch schon einige Jahre zuvor – fragten sich Gottgetreue in Juda, ob Gottes Verheißungen an das alte Israel je erfüllt werden könnten. Menschlich gesehen schien es unmöglich zu sein, Gottes Ziel für das auserwählte Volk zu erreichen. Der Abfall früherer Jahrhunderte war noch schlimmer geworden. Zehn Stämme waren bereits unter die Heiden zerstreut worden, nur Juda und Benjamin waren übrig geblieben. Selbst sie schienen nun vor dem sittlichen und nationalen Zusammenbruch zu stehen. Die Propheten hatten begonnen, die völlige Zerstörung ihrer schönen Stadt Jerusalem und des Salomonischen Tempels vorauszusagen, auf den sich alle ihre Hoffnungen auf nationale Größe konzentrierten. Würde Gott vielleicht von seiner erklärten Absicht abgehen, die zu erretten, die ihr Vertrauen auf ihn setzten? Konnten angesichts der anhaltenden Verfolgungen der Aufrichtigen und des scheinbaren Wohlergehens der Gottlosen die Gottgetreuen auf bessere Tage hoffen?
Diese bangen Fragen bewegten den Propheten Habakuk. Die Lage der Frommen seiner Tage bedrückte ihn so sehr, dass er fragte: »Wie lange noch, Herr, soll ich um Hilfe schreien, ohne dass du mich hörst? ›Um mich herum herrschen Zerstörung und Gewalt‹, schreie ich dir zu, doch du greifst nicht ein. Warum lässt du mich Unrecht erleben und warum siehst du dem Elend zu? Um mich herum herrschen Unterdrückung und Gewalt; Zank und Streit erheben sich. Das Gesetz findet bei uns keine Beachtung mehr, und es werden keine gerechten Urteile gefällt. Die Bösen umzingeln die Unschuldigen, und das Recht wird in Unrecht verdreht.« (Habakuk 1,2–4 NLB)

Ellen G. White – Die Geschichte der Hoffnung

Von Beginn des Buches an erleben wir eine enge Unterhaltung zwischen Habakuk und seinem Gott. Der Prophet offenbart die Qualen seines Herzens. Er ist bedrückt wegen eines Urteils oder einer Offenbarung, die er nicht nur gehört, sondern gesehen hat. Habakuk ruft aus: „Wie lange?“ (V.2). Dies ist der Schrei des Glaubens, der die Gewissheit besitzt, dass Gott eines Tages eingreifen wird. Aber dieser Glaube hat es nötig, gestärkt und erleuchtet zu werden. Angesichts des Bösen, der Sünde und der Ungerechtigkeit ist eben dieser Schrei schon viele Male von der Erde zu Gott aufgestiegen. David drückt ihn allein in dem Psalm 13 schon vier Mal aus. Asaph war ebenso entmutigt, als er den Wohlstand der Gottlosen sah (Ps 73,3.12). Ja, warum, wie, bis wann … all diese Gewalt, diese Bosheit, diese Ungerechtigkeit, die unbestraft bleibt? Und Gott, der weiß, kennt, hört und vor allem vermag, scheint nicht zu antworten.
Nicht weniger als 15 Fragen werden in den drei Kapiteln dieses Buches gestellt! Der scheinbare Triumph des Bösen über den Gerechten hat zu allen Zeiten Unverständnis, Verwirrung und Empfindungen der Ungerechtigkeit hervorgerufen. Man denkt an den einen vollkommenen Gerechten, der zu den Menschen gekommen ist, den die menschliche Bosheit nicht ertragen konnte (V.4) und den diese mit einem verdrehten Recht verurteilte!
Angesichts der heutigen Entwicklungen auf moralischem, wirtschaftlichem, sozialem oder politischem Gebiet, angesichts einer Gesellschaft, in der „die Grundpfeiler umgerissen werden“ (Ps 11,3), spüren wir die ganze Aktualität der Ratlosigkeit, die in den ersten Versen dieses Buches enthalten ist (V.1–4). Die zahlreichen Zitate, die wir daraus im Neuen Testament finden, bestätigen dies: Außerhalb des historischen oder des prophetischen Aspekts möchte Gott dort wie immer auch zu uns reden. Und über die Fragen hinaus sind es die Antworten des souveränen Gottes, welche die Offenbarung ausmachen.     

Eric Guignard – Der Prophet Habakuk

Habakuk ist einzigartig unter den prophetischen Büchern, weil er einen direkten Dialog mit Gott führt. Wie sein Zeitgenosse Jeremia will Habakuk wissen, warum die Bösen Erfolg haben (vgl. Jer 12,1-2). Später wird das Buch Hiob diese Frage nach dem Erfolg des Bösen aufgreifen (vgl. Hiob 21,7). Nur bei Habakuk gibt es eine so direkte Antwort auf diese Frage.

David J. Zucker – Die Propheten der Bibel – Eine Einführung für Christen und Juden

Als scharfsinniger Mann wusste Habakuk, dass sich das Königreich Juda rapide verschlechterte. Seit dem Tod von König Josia im Jahr 609 V. CHR. waren seine religiösen Reformen in Vergessenheit geraten, und sein Sohn und Nachfolger Jojakim hatte das Land der Katastrophe entgegengeführt. (Wenn Sie wissen wollen, was Gott über Jojakim dachte, lesen Sie Jer. 22:13-19.)

Die Sorge des Propheten (Hab. 1:2-3). Habakuks Wortschatz in diesem Kapitel deutet darauf hin, dass die Zeiten schwierig und gefährlich waren, denn er verwendet Wörter wie Gewalt, Ungerechtigkeit, Kummer (Elend), Verderben (Zerstörung), Streit, Zank (Streitigkeiten) und Ungerechtigkeit. Habakuk betete, Gott möge etwas gegen die Gewalt, den Streit und die Ungerechtigkeit im Land tun, aber Gott schien ihn nicht zu erhören. In Vers 2bedeutet das erste Wort, das mit „schreien“ übersetzt wird, einfach „um Hilfe rufen“, aber das zweite Wort bedeutet „schreien, mit lauter Stimme schreien, mit aufgewühltem Herzen schreien“. Während er über die Schlechtigkeit im Land betete, wurde Habakuk immer mehr belastet und fragte sich, warum Gott so gleichgültig zu sein schien.

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series

Der Prophet macht zwei grundlegende Beschwerden. Die erste ist in Vers 2: wie lange? Habakkuk erklärt, dass er viele Male über die Sündhaftigkeit des Volkes gebetet hat, besonders über die Sünde der Gewalt, aber Gott schien nie zu antworten. Für Habakuk ist das Schlüsselproblem die Gewalt, die er sechsmal erwähnt: hier, in 2,8, zweimal in 2,17 und in 3,9. Wie lange also wird Gott diese Sünde unter dem Volk tolerieren?

Das führt zu einer zweiten Klage in Vers 3: Warum? Um die Dinge noch schlimmer zu machen: Überall, wohin Gott Habakkuk führte, sah er die Zunahme der Sünde: Er sieht Frevel, das ist moralisches Übel mit einigen tragischen Folgen; er sieht Perversität; er sieht Zerstörung, das ist Habgier und grausame Ausplünderung 2:17; er sieht auch Zwietracht; und er sieht das Aufkommen von Streitigkeiten. Was aus diesen Versen deutlich wird, ist, dass Habakuk eine echte Sensibilität für Sünde entwickelt hat. Wenn er von ihr umgeben ist, versteht er nicht, warum Gott nichts dagegen zu tun scheint. Je mehr er betet, dass die Sünde abnimmt, desto mehr sieht er die Sünde zunehmen.

Arnold Fruchtenbaum – Das Buch Habakuk