Erziehe den Knaben seinem Wege gemäß; (O. seiner Weise (d. h. der Natur des Knaben) angemessen) er wird nicht davon weichen, auch wenn er alt wird.
Elberfelder 1871 – Sprüche 22,6
Erzieh den jungen Mann am Anfang seines Weges; selbst wenn er alt wird, weicht er nicht davon ab.
Die Philippson-Bibel – Sprüche 22:6
Bring einem Kind am Anfang seines Lebens gute Gewohnheiten bei, es wird sie auch im Alter nicht vergessen.
Gute Nachricht Bibel – Spr. 22,6
Gewöhne den Geschmack dem Knaben an auf Grund seiner Beschäftigung; auch wenn er ein Greis geworden sein wird, wird er nicht davon weichen.
Pfleiderer Übersetzung – Spr 22:6
Mir wurde klar: Verheißungen Gottes, die in der Bibel stehen, sind keine „Wenn-dann“-Aussagen, sondern vielmehr biblische Prinzipien. Grundsätzlich gültige Wahrheiten. Ein klassisches Beispiel ist dieser Grundsatz: „Bring dein Kind schon in jungen Jahren auf den richtigen Weg, dann hält es sich auch im Alter daran“ (Sprüche 22,6). Klingt sehr geradlinig. Es funktioniert aber nicht nach dem Muster „Wenn-dann“. Denn uns allen ist klar, dass Kinder eigene Entscheidungen treffen. Die Wirklichkeit zeigt tausendfach, dass da kein Automatismus ist. Der Satz „Erziehe dein Kind … dann …“ ist also kein Versprechen, sondern beschreibt, wie es im Grundsatz läuft: Denn wenn ich meinem Kind gar nichts von Gott und seinen guten Maßstäben erzähle oder vorlebe, dann wird es ihm später schwerer fallen, nach Gottes Maßstab gute Entscheidungen zu treffen.
Faszination Bibel 1/2020
Genauso ist es nun auch bei den Zusagen von Heilung, Bewahrung, Hilfe, Segen. Es sind geistliche Grundmuster: Sie wollen sagen: So gelingt das Leben. Gott vertrauen, ihm gehorchen, auf ihn erwartungsvoll warten, an seiner Hand mutig vorwärts gehen ist grundsätzlich der richtige Weg. Aber diese Sätze lassen sich nicht nach Belieben herauspicken und ohne Gottes persönliches Wort in jede Situation „anwenden“. Sonst könnten wir ja Gott damit manipulieren, dann auch so handeln zu müssen, wie wir denken, dass es hier richtig wäre. Aber er ist Gott und hat den Überblick und wir nicht.
Sprüche 22:6 ist ein religiöser „Hasenfuß“, auf den sich viele besorgte Eltern und Großeltern verzweifelt berufen, wenn ihre Kinder vom Herrn abkommen: „Erziehe ein Kind in dem Weg, den es gehen soll, und wenn es alt ist, wird es nicht davon abkommen.“ Sie interpretieren dies so, dass es heißt: „Sie werden eine Zeit lang abirren, aber dann wieder zurückkommen“, aber das ist nicht das, was hier steht. Es heißt, dass sie, wenn sie in der Weisheit und dem Weg des Herrn erzogen werden, überhaupt nicht vom Weg abkommen werden. Selbst im hohen Alter werden sie der Weisheit Gottes folgen.
Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series
(- In The New American Commentary übersetzt Duane A. Garrett den Vers: „Erziehe ein Kind so, wie es sich für ein Kind gehört, und selbst wenn es alt wird, wird es sich nicht davon abwenden“ (Nashville: Broadman Press, 1993), Band 14, 188. Siehe auch die Erklärung von Gleason Archer in The Encyclopedia of Bible Difficulties (Grand Rapids: Zondervan, 1982), 252-53. Wir wissen nicht, wie viel geistliche Unterweisung Salomo von seinem Vater David erhielt, aber als Salomo alt war, wandte er sich vom Herrn ab (1 Könige 11,1-8). Einige Studenten sind der Meinung, dass Prediger sein „Glaubensbekenntnis“ ist, das er nach seiner Rückkehr zum Herrn schrieb, aber das Buch sagt das nicht, und es ist nicht klug, darüber zu spekulieren. -)
Sicherlich ist es wahr, dass Kinder, die in der Obhut und Ermahnung des Herrn erzogen werden, von Gott abweichen können, aber sie können sich niemals von den Gebeten ihrer Eltern oder dem Samen, der in ihre Herzen gepflanzt wurde, lösen. Die Eltern sollten niemals verzweifeln, sondern weiter beten und darauf vertrauen, dass Gott ihre missratenen Kinder wieder zur Vernunft bringt. Aber das ist nicht das, wovon Sprüche 22:6 spricht. Wie die anderen Sprichwörter gibt er keine unumstößliche Garantie, sondern legt einen allgemeinen Grundsatz fest.
Im Herbst 1993 ersetzten wir eine Pin-Eiche, die ein Tornado aus unserem Vorgarten gerissen hatte, und die Baumschuler befestigten drei Abspanndrähte am Stamm des neuen Baumes, um sicherzustellen, dass er gerade wachsen würde. Außerdem befestigten sie Metallstangen an zwei Ästen, die nach unten und nicht gerade nach außen wuchsen. Wenn man diese Dinge nicht tut, solange der Baum noch jung und biegsam ist, wird man es nie schaffen, ihn zu fällen. „Wie der Zweig gebogen ist, so ist der Baum geneigt“, sagt ein altes Sprichwort, eine Paraphrase von Sprüche 22:6.
Gott hat bestimmt, dass Eltern älter und erfahrener sind als ihre Kinder und deshalb ihre Kinder liebevoll leiten und sie auf das Erwachsenenleben vorbereiten sollen. Wenn eines ihrer Kinder als Faulpelz (10:5), Vielfraß (28:7), Hurenbock (29:3), Rebell (19:26; 20:20; 30:11-12, 17vgl. Dtn 21,18-21) und Räuber (28,24) werden, dann trotz und nicht wegen der Erziehung durch die Eltern.
Die Familiengeschichte Isaaks geht weiter: „Und Isaak hatte Esau lieb, denn Wildbret war nach seinem Mund; Rebekka aber hatte Jakob lieb“ (1 Mose 25,28). Die Unterschiedlichkeit der beiden Brüder hätte größer nicht sein können. Das ist für Eltern manchmal eine große Herausforderung. Sie sollen die Kinder ihrem „Weg entsprechend“ erziehen (Spr 22,6), das bedeutet, das Wesen jedes Kindes individuell zu berücksichtigen und darauf einzugehen. Zugleich sollen die Kinder gerecht behandelt werden; keins sollte von einem Elternteil bevorzugt behandelt werden. Das fällt uns oft nicht leicht, da wir uns – wie Isaak – gern von unserem natürlichen „Geschmack“ leiten lassen. Wenn wir als Eltern nicht geistlich mit den Unterschieden unserer Kinder umgehen, dann besteht die Gefahr, dass die Unterschiedlichkeit der Kinder unsere Ehe und Familie aus dem Gleichgewicht bringt.
Im Glauben leben 2017
Mit den natürlichen Unterschieden der Kinder müssen Eltern geistlich umgehen.
Gläubige Eltern haben die Aufgabe, ihre Kinder in der Zucht und Ermahnung des Herrn zu erziehen (Eph 6,4). Oberstes Ziel sollte dabei sein, dass „Christus in ihnen Gestalt gewinnt“ (Gal 4,19). Natürliche Unterschiede sind gottgewollt und lassen sich nicht aufheben. Wichtig ist nur, dass wir als Gläubige keine menschlichen Ideale hegen, sondern unsere Identität und die unserer Kinder in Christus suchen. Sympathie und Antipathie spielen dann eine untergeordnete Rolle. Und „Lieblingskinder“ gibt es dann auch nicht.
Das ist möglicherweise der am besten bekannte Vers in den Sprüchen zum Thema Kindererziehung. Die anderen Verse dazu (Sprüche 13,24;19,18;22,15;23,13-14;29,17 ) beziehen sich alle auf die Zucht. Das hebr. Wort für erziehen (HAnaK) bedeutet weihen oder hingeben. Es wird für die Einweihung eines Hauses (5Mo 20,5), des Tempels (1Kö 8,63; 2Chr 7,5) und eines Bildes gebraucht (Dan 3,2). Das Nomen HAnukkCh meint die Weihung eines Altars (4Mo 7,10; 2Chr 7,9) und die Weihung der Mauern Jerusalems (Neh 12,27). Nur in Sprüche 22,6 wird das Verb mit „erziehen“ übersetzt. (AnaK umfaßt wohl auch, daß etwas beiseite gelegt oder gesetzt, eingeschränkt oder eingegrenzt oder eingezäunt wird. Der Begriff wird bisweilen in dem Sinne von „Anfang“ oder „Aufbruch“ gebraucht. Die Erziehung eines Kindes schließt die „Abgrenzung“ des kindlichen Wandels von der Bosheit und die Hinführung zur Gottesfurcht ein. Die Eltern lassen das Kind in die richtige Richtung aufbrechen. Gleason L. Archer hat festgestellt, daß dieses hebr. Verb dem ägyptischen H-n-k gleicht, das „den Göttern übergeben“ oder „etwas zum Dienst für die Götter hinstellen“ bedeutet. Er nimmt an, daß in Vers 6 damit „die folgenden Bedeutungen möglich wären: >Weihe das Kind dem Herrn< ; >Bereite das Kind auf seine zukünftigen Verpflichtungen vor< ; oder >Erziehe das Kind für die Zeit seines Erwachsenseins< “ (Encyclopaedia of Bible Difficulties, Grand Rapids, 1982, S. 252).
John F. Walvoord u. Roy B. Zuck – Die Bibel erklärt und ausgelegt
Die Wendung den Weg, den er gehen soll heißt wörtl.: „auf den Mund seines Weges“. „Auf dem Mund von“ ist ein hebr. Idiom und bedeutet „gemäß“ oder „in Übereinstimmung mit“. Ein Knecht reagierte „auf den Mund von“ oder auf den Befehl seines Herrn. Aber was bedeutet „der Weg“? Die Ausleger haben das verschieden ausgelegt. Ist damit gemeint, der Weg, den er gehen sollte, und zwar entweder beruflich oder ethisch? Oder bezieht es sich, wie andere Ausleger angenommen haben, auf die Erfordernisse seiner Persönlichkeit, seines Wandels oder seines Lebensabschnittes? Da „Weg“ in den Sprüchen nicht die Persönlichkeit eines Menschen oder einen Lebensabschnitt meint, nimmt man wohl besser an, daß mit „Weg“ der rechte Weg gemeint ist, der Pfad des weisen, gottesfürchtigen Wandels, der in den Sprüchen so oft hervorgehoben wird – im Grunde der Weg der Weisheit. Von diesem rechten Verhalten eines gottesfürchtigen Lebenswandels wird er sich nicht abwenden, wenn er alt ist, d. h. wenn er erwachsen geworden ist.
Manche Eltern haben nun versucht, diesen Weg zu beschreiten, haben aber damit nicht immer Erfolg gehabt. Ihre Kinder haben von der Erziehung zur Gottesfurcht seitens ihrer Eltern Abstand genommen. Dadurch wird der Charakter eines „Spruches“ veranschaulicht. Ein Spruch ist ein Sinnspruch im literarischen Gewand, durch den eine allgemeine Wahrheit auf eine besondere Situation angewandt wird. Viele der Sprüche enthalten keine absolute Gewähr, denn sie bringen Wahrheiten zum Ausdruck, die notwendigerweise durch die obwaltenden Umstände bestimmt werden. So sind z. B. die Verse 3-4.9.11.16.29 keine Verheißungen, die zu jeder Zeit verbindlich sind. Die Sprüche sind zwar im allgemeinen und gewöhnlicherweise wahr, aber es kann ab und zu auch Ausnahmen geben. Das mag durch den Eigenwillen eines Menschen oder seinen vorsätzlichen Ungehorsam der Fall sein, daß er sich dafür entschieden hat, seinen eigenen Weg zu gehen – den Weg der Torheit anstatt den Weg der Weisheit (vgl. V. 15 und den Kommentar dort). Dafür wird er zur Verantwortung gezogen. Es trifft aber dennoch im allgemeinen zu, daß die meisten Kinder, die unter dem Einfluß gottesfürchtiger Eltern, die Gottes Maßstäbe lehren und selbst leben (vgl. Eph 6,4), in einem christlichen Elternhaus aufwachsen, weiter diesen Weg gehen.
Sowohl gute als auch schlechte Eigenschaften bilden sich bereits in der Kindheit aus. Ein Sprichwort sagt: „Jung gelernt, alt getan.“ Daher ist eine sorgfältige Erziehung unerlässlich und muss unbedingt unter Beachtung der Natur des Kindes erfolgen: „seinem Weg entsprechend“.
Leben in Weisheit: Das Buch der Sprüche Vers für Vers praxisnah erklärt
Jedes Kind hat andere Fähigkeiten, andere Neigungen und andere Schwächen. Weise Eltern erkennen das und berücksichtigen es bei der Erziehung. Es kann sein, dass ein Kind mehr Zucht braucht als ein anderes. Ein zaghaftes, schüchternes Kind kann man nicht mit denselben Aufgaben betrauen wie ein keckes, selbstbewusstes; dieses muss dafür öfter mal „gedeckelt“ werden. Ein krankes Kind ist anders zu behandeln als ein gesundes, und ein intelligentes anders als ein weniger begabtes. Um bei alledem gerecht zu bleiben, muss uns Gott zu Hilfe kommen.
Es gibt nicht viele Beispiele im Alten Testament, die diesen Vers bestätigen. Im Gegenteil: Bei vielen Lebensbeschreibungen finden wir im Alter ein Abweichen von dem guten Weg. Sogar bei Salomo, dem Verfasser dieses Verses. Lag es an der Erziehung? Oder an den äußeren Umständen? Auf jeden Fall war die sündige Natur tätig. Positive Beispiele sind aber Mose und Samuel. Sie erhielten offenbar eine gute Erziehung in frühester Kindheit und waren bis ins hohe Alter treu. (- 2. Mo 2,7–10; 4. Mo 12,7; Samuel: 1. Sam 1,22–24; 7,15–17. -)
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