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Gleich komplex, gleich kompiziert – „wer hatte denn das erwartet“? Was beweist das wohl eher??
Forscher entschlüsselten Erbgut eines Hornkieselschwamms
Obwohl Schwämme ziemlich primitiv aufgebaut sind, besitzen sie nahezu die gleiche genetische Grundausstattung wie komplexere Tiere – inklusive des Menschen. Das zeigt eine vorläufige Analyse des Erbguts eines Hornkieselschwamms namens Amphimedon queenslandica, die jetzt einem internationalen Forscherteam gelungen ist. Die Ergebnisse helfen nicht nur, die eigenartigen Tiere besser zu verstehen, schreiben die Wissenschaftler, zu denen auch Forscher von der Universität Göttingen gehören. Sie verraten vor allem, welche genetischen Erfindungen und Innovationen nötig waren, damit sich aus den frühen Einzellern mehrzellige Tiere entwickeln konnten. Zudem erlauben sie Rückschlüsse darauf, wie der letzte gemeinsame Vorfahr aller Mehrzeller ausgesehen haben könnte – schließlich hat sich die Abstammungslinie der Schwämme als eine der ersten von der Hauptlinie getrennt. Demnach war dieser Urahn der Tiere bereits komplexer aufgebaut als bisher angenommen.
Schwämme sind sehr einfach strukturiert: Sie besitzen keine Organe, haben keine Nerven und auch keine Muskeln. Trotzdem war die Untersuchung ihres Erbguts eine Herausforderung, sagen die Wissenschaftler um Mario Stanke. Um ausreichend saubere DNA zu erhalten, mussten sie beispielsweise auf Embryonen und Larven zurückgreifen, weil die erwachsenen Tiere häufig stark mit Bakterien besiedelt sind. Die gewonnene Erbsubstanz wurde dann aufwendig aufbereitet, so dass schlussendlich nur die Bereiche übrig waren, die tatsächlich Baupläne für Proteine tragen. Deren Struktur wurde im letzten Schritt mit der anderer Tiere verglichen, darunter Würmer, Taufliegen und Mäuse.
Die Ähnlichkeit zwischen dem Schwamm-Genom und dem komplexerer Tiere war unerwartet groß, schreiben die Wissenschaftler. So sei etwa der gesamte genetische Basis-Werkzeugkasten bereits vorhanden: Die Schwämme besitzen Gene, um den Zellzyklus zu kontrollieren, das Zellwachstum zu steuern und den Tod von Zellen zu überwachen sowie Gene für die Spezialisierung von Keimzellen, das Anheften der Zellen aneinander und für die Verteidigung und das Erkennen von fremden Eiweißstrukturen. All das deutet darauf hin, dass der Übergang vom Ein- zum Mehrzeller die Entwicklung von Mechanismen erfordert habe, mit denen sich Zellteilung, -wachstum und -spezialisierung koordinieren ließen – und dass bereits der gemeinsame Vorfahr der Tiere über diese Mechanismen verfügte, sagen die Forscher.
Für den Menschen besonders interessant ist jedoch die Kehrseite dieser Entwicklung. Denn je komplexer der Organismus und damit auch seine Kontrollmechanismen wurden, desto fehleranfälliger wurden sie. Eine der Folgen davon ist die Entwicklung von Krebs, laut den Forschern eine „Krankheit der gestörten Mehrzelligkeit“, bei der einige Zellen unkontrolliert wachsen. Ein besseres Wissen um die Prozesse, die die Mehrzelligkeit ermöglichten, könnte daher auch neue Erkenntnisse über Krebs und damit neue Angriffspunkte für dessen Behandlung liefern, hoffen die Wissenschaftler.