Einen älteren Mann fahre nicht hart an, sondern ermahne ihn als einen Vater, jüngere als Brüder; ältere Frauen als Mütter, jüngere als Schwestern, in aller Keuschheit. (O. Reinheit)
Elberfelder 1871 – 1.Timotheus 5,1–2
Fahre einen Älteren nicht hart an. Wenn du ihn zurechtweisen musst, dann sprich zu ihm, als ob er dein Vater wäre. Ebenso sollst du die jungen Männer ermahnen wie Brüder, die älteren Frauen wie Mütter und die jungen Frauen wie Schwestern, mit der gebotenen Zurückhaltung.
Gute Nachricht Bibel 2018 – 1.Timotheus 5:1–2
Einem älteren Mann begegne mit Achtung, und rede mit ihm wie mit einem Vater, wenn du ihn ermahnen mußt. Die jungen Männer behandle als deine Brüder. Sei zu den älteren Frauen wie zu deiner Mutter und zu den jüngeren wie zu deinen Schwestern, aufrichtig und zurückhaltend.
Hoffnung für alle – 1996 – 1.Tim 5,1–2

Schon spannend heute, wie man übers Internet und Zoom heute miteinander umgeht! Gelten diese biblischen Regeln denn heute nicht mehr?
Vom Umgang untereinander
Edition C Bibelkommentar Neues Testament
Daß unter Umständen geredet werden muß, ist keine Frage, nur wie zu reden ist. Paulus sieht, was Geschlecht und Alter betrifft, in den verschiedenen Gruppen der Gemeinde Parallelen zu den natürlichen Familien. So schreibt er:
»Einen Älteren fahre nicht an!« Das griech. Zeitwort bedeutet »draufschlagen«, »schelten«, »schroff anfahren«. Da wird es z. B. in der Gemeinde bekannt – was auch Timotheus beobachtet daß einer seine vielleicht kränkliche Frau nicht der Liebe Christi gemäß behandelt (vgl. Eph 5,25–33), oder daß jemand lieber nach dem Wein greift als seine Pflicht zu erfüllen und für die Seinen zu sorgen, oder daß sich ein anderer von evangeliumswidrigen Gedanken der Umwelt infizieren läßt und diese sogar in Gesprächen mit Gemeindegliedern weiterverbreitet. Hier soll Timotheus bei der Begegnung mit diesen Menschen nicht seinem Ärger freien Lauf lassen. Nicht der Zorn soll seine Worte bestimmen; denn »des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist« (Jak 1,20). Mit rotem Kopf läßt sich auch die Erziehungsarbeit unter Kindern nicht recht tun und ebensowenig der Dienst des Ermahnens unter Erwachsenen, insbesondere unter Alten. Dabei soll der junge Timotheus auf jeden Fall die Ehrerbietung nicht vergessen. So schreibt ihm Paulus: »Einen Älteren … ermahne wie einen Vater.« So wird ihm auch viel eher etwas abgenommen. Wenn wir von der Fürbitte herkommen und unter Gebet ermahnen, dann werden wir in solcher Weise »von Gottes Geist gezügelt« (so kann Röm 8,14 übersetzt werden).
»Die jüngeren Männer (ermahne) wie Brüder«: So bleibt, auch wenn auf einige Fehler aufmerksam gemacht werden muß, die zurechthelfende Liebe bewahrt und ebenso auch die Demut in dem Wissen: »Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an« (1 Sam 16,7). Der Ermahnende weiß, daß auch er, vielleicht im Blick auf andere Lebensbereiche, der Ermahnung bedürftig ist, möglicherweise gerade jetzt, mehr als er’s bisher erkannt hat. Verächtlich und lieblos darf er den andern auf keinen Fall behandeln.
»Die älteren Frauen (ermahne) wie Mütter«: Auch wenn sie hier etwas falsch gemacht haben oder über eine längere Zeit hin in ein Fehlverhalten hineingeraten sind, so mögen sie doch während vieler Jahre in großer Treue ihre Aufgaben erfüllt und auch willig ein Kreuz getragen haben. Auf jeden Fall ist ihnen gegenüber Respekt geboten. Timotheus mußte bedenken: Ich bin erst kurz hier und weiß im Grund wenig über die Gemeindeglieder. Auch können die Auskünfte, die ich von andern erhalten habe, einseitig und verzeichnet sein. Manches Mal kann eine Beurteilung, die wir über jemanden erhalten, mehr über den Urteilenden als über den zu Beurteilenden aussagen.
»Die jüngeren Frauen (ermahne) wie Schwestern, mit allem Anstand«, aller »Keuschheit«, »Zurückhaltung«: Einerseits war Timotheus unter Umständen auch zur Seelsorge an ihnen gerufen; dazu war eine offene Begegnung unerläßlich. Andererseits durfte er als junger, wohl unverheirateter Mann eine taktvolle Distanz nicht vergessen. Es wäre Schwärmerei, zu meinen, ein solch entschiedener Christ wie Timotheus sei – bis hin zu den Gedanken (vgl. Mt 5,28) – auf diesem Gebiet nicht mehr versuchlich. Wir sind noch nicht im Himmel, sondern in dieser Welt hier und tragen irdische Leiber; das gehört zu dem heilsgeschichtlichen Ort, an dem wir uns noch zu bewähren haben. Es wäre Schwärmerei, so zu tun, als ob wir über den gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Ort schon hinaus wären. Die innere Vollmacht des Timotheus im Dienst und die Erhörlichkeit seiner Gebete könnten in Frage gestellt sein, wenn er sich hier auch nur ein wenig gehenließe. Auch wäre die Gemeinschaft der Gemeinde empfindlich gestört, wenn ein so wichtiger Mann wie Timotheus irgendwelche Gemeindeglieder bevorzugen würde; das würde auch den übrigen nicht entgehen.
Alles in allem: Es ist für den klaren Gang einer Gemeinde, für die Fruchtbarkeit ihres Wirkens und für das Bestehen der Anfechtungen auch von außen her entscheidend wichtig, daß diejenigen, die im Dienst der Gemeinde stehen, auch bei den seelsorgerlichen Gesprächen mit den einzelnen Gemeindegliedern den Gesamtcharakter der Gemeinde Jesu als einer Familie der Kinder Gottes im Blick behalten und bedenken, wen sie im einzelnen vor sich haben und welche Haltung – auch rein menschlich – ihnen gegenüber geboten ist. Jakobus schreibt: »Wenn es jemandem unter euch an Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der jedermann gern gibt …« (Jak 1,5). Und die Väter sagten: »Der Heilige Geist hat Takt.«
Wie der Mitarbeiter bestimmte Personen vor Falschem bewahren kann, schließt Paulus anhand konkreter Beispiel an. Das Verb ἐπιπλήσσω wird von ἐπί („darauf“) und πλήσσω („schlagen“) abgeleitet, d.h. Timotheus sollte nicht auf Ältere verbal daraufschlagen, d.h. sie nicht hart anfahren oder tadeln oder rügen. Vgl. Aesopus, Fabulae 1.13: „παῖς ἐκ διδασκαλείου τὴν τοῦ συμφοιτητοῦ δέλτον ἀφελόμενος τῇ μητρὶ ἐκόμισε. τῆς δὲ οὐ μόνον αὐτὸν μὴ ἐπιπληξάσης, ἀλλὰ καὶ ἐπαινεσάσης αὐτὸν ἐκ δευτέρου ἱμάτιον κλέψας ἤνεγκεν αὐτῇ“. „Ein Knabe, der einem Mitschüler eine Schreibtafel entwendete, gab sie seiner eigenen Mutter. Diese nun rügte ihn nicht nur nicht, sondern bewunderte es sogar, als er als nächstes sogar ein Gewand, das er gestohlen hatte, ihr brachte“.
P. Streitenberger – 1. Timotheus
Die Konstruktion setzt sich fort, indem Frauen wie Mütter zu ermahnen bzw. ermuntern sind. Im Umgang mit jüngeren Schwestern ist auf Reinheit zu achten, d.h. zwischenmenschliche Dinge zwischen den Geschlechtern spielen keine Rolle.
Während das Wort „älterer“ Mann (presbyteros) das gleiche ist, welches in V. 17 im Plural erscheint, so ist doch aus seiner Verbindung mit den verschiedenen Altersgruppen her klar, daß es hier nicht um ein Glied der Ältestenschaft von 4,14 geht, sondern einfach um einen „älteren“ Mann. Die Aussage setzt voraus, daß in seinem Leben etwas nicht stimmt. Mit dem Alter kommt nicht automatisch Immunität gegenüber Fehlern. Jedoch ist dem Alter gegenüber immer Respekt angebracht, daher die Anweisung „fahre nicht hart an, sondern ermahne“. Das Zeitwort „hart anfahren“ (epiplesso) findet sich nur hier im Neuen Testament und ist weit stärker als das in 2.Tim. 4,2 gebrauchte Wort. Es bedeutet buchstäblich „schlagen“, „mit einem Schlag hämmern“, und deshalb ist die übertragene Bedeutung des Wortes: jemanden „mit Worten erschlagen“.
Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt
Der Aorist zeigt, daß er mit solcher Härte gar nicht erst beginnen sollte. Vielmehr sollte er „ermahnen“ (parakaleo), das eine gute Übersetzung des bereits in 1,3; 2,1 verwendeten Zeitwortes ist und Trost und Ermunterung umfaßt aber auch, soweit er angebracht ist, einen ermahnenden Ton enthält. Es geht hier nicht darum, daß falsches Verhalten heruntergespielt wird, sondern daß die Sache wie von einem pflichtbewußten Sohn behandelt werden sollte, der das Versagen eines geliebten Vaters korrigieren möchte. Höflichkeit und Respekt sind unbedingt nötig.
Grammatikalisch werden alle Altersgruppen von dem Zeitwort „ermahne“ regiert, es wird also Torheit oder Versagen vorausgesetzt. Es gibt aber wenig Zweifel, daß Paulus von diesem speziellen Punkt auf die Beziehungen im allgemeinen übergeht. Das gesamte Verhalten gegenüber jedem einzelnen sollte familiäre Zuneigung offenbaren und vor allem individuellen Respekt. Jüngere Männer (die Steigerungsform des Komperativ wird bei allen Eigenschaftswörtern verwendet) sollen als Brüder behandelt werden (nicht mit hochnäsiger Herablassung), ältere Frauen sollen behandelt werden, wie ein pflichtbewußter Sohn seine Mutter behandelt (nicht mit geringschätzender Verachtung), jüngere Frauen als Schwestern (nicht mit ungebührlicher Vertraulichkeit). Während streng genommen „in aller Keuschheit“ mit dem Zeitwort konstruiert werden kann und dann alle Anweisungen regieren würde, ist es natürlich besonders angebracht in Verbindung mit den jüngeren Frauen. Keuschheit (hagneia) ist das gleiche Wort wie in 4,12 und beinhaltet eine innere Reinheit der Gedanken, die sich in völliger Integrität des Verhaltens offenbart.
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