Ursache des Apostelkonzils

Und etliche kamen von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr nicht beschnitten worden seid nach der Weise (O. der Sitte, dem Gebrauch) Moses’, so könnt ihr nicht errettet werden.
Elberfelder 1871 – Apostelgeschichte 15,1

Damals kamen einige Christen aus Judäa nach Antiochia und erklärten den Brüdern: »Ihr könnt nicht gerettet werden, wenn ihr euch nicht beschneiden lasst, wie es das Gesetz* Moses vorschreibt!«
Gute Nachricht Bibel 2018 – Apostelgeschichte 15,1

Doch dann kamen einige Leute aus Judäa nach Antiochia und forderten die Männer der Gemeinde auf, sich beschneiden zu lassen, wie es im Gesetz des Mose vorgeschrieben ist. (- Mose 12,3; vergleiche 1. Mose 17,10–14. -) »Wenn ihr euch nicht beschneiden lasst«, lehrten sie, »könnt ihr nicht gerettet werden.«
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Apostelgeschichte 15:1

In manchen Kreisen, werden Ursache und Wirkung vertauscht. Dort wird dann erklärt, dass die Streitfrage der Beschneidung in Jerusalem geklärt werden musste, weil es dort eine „leitende Körperschaft“ gab, die bei Fragen alle Antworten gaben. Aber wer den Vers 1 richtig liest, wird feststellen, dass der Grund, warum die Frage in Jerusalem geklärt werden musste, darin lag, dass DORT die Ursache für die Probleme war! Die „Streitpartei“, die Männer, die den Zank verursachten, kamen aus Jerusalem und Umgebung – und aus diesem Grund ging man in deren „Heimatversammlung“ um dort die Frage zu klären! Man kann also, wenn man die Ursache in Vers 1 übersieht, schnell zu einem falschen Schluß kommen 😉

Bei den Männern, die von Judäa herabkamen nach Antiochia, handelte es sich wohl um dieselben, von denen auch in Gal 2,12 die Rede ist. Sie behaupteten, daß die Beschneidung heilsnotwendig sei. Vielleicht stützten sie ihre Theologie auf alttestamentliche Textstellen wie z. B. 1Mo 17,14 und 2Mo 12,48-49 .
Auf jeden Fall bestand die Gefahr, daß sie mit ihrer Lehre eine Kirchenspaltung herbeiführten, denn Paulus und Barnabas hatten einen nicht geringen Streit mit ihnen.
Die Männer aus Judäa beharrten jedoch auf ihrer Lehre, trotzdem sie in keiner Weise von der Urgemeinde in Jerusalem autorisiert waren. Wie sie den Fall des Kornelius (Apg 10) oder auch das Wirken des Barnabas in Antiochia (Apg 11,22-24) erklärten, wird nicht gesagt. Vielleicht hielten sie die Geschichte des ersteren für eine einmalige Ausnahme und erachteten die Gemeinde in Antiochia (Apg 11) als zu unbedeutend, als daß man sie hätte als Beispiel anführen können, sahen sich nun jedoch, angesichts der Größe, die die Bewegung allmählich erreicht hatte, genötigt, Einspruch einzulegen.
Die Gläubigen in Antiochia hielten es für geraten, die Frage mit den Aposteln und Ältesten in Jerusalem zu besprechen. Mit dieser Aufgabe betrauten sie abermals Paulus und Barnabas und schickten klugerweise noch einige andre aus der Gemeinde als Zeugen mit. Diese Zeugen sollten Paulus und Barnabas vor einer eventuellen späteren Anklage, daß sie die Fakten verdrehten, schützen.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Dieses große Konzil in Jerusalem fällt in die Zeit zwischen der ersten und zweiten Missionsreise des Paulus. Einerseits wurde das Jerusalemer Konzil notwendig aufgrund dessen, was auf der ersten Missionsreise mit der Hinwendung vieler, vieler Heiden zur Annahme des Messias, abgesehen vom Gesetz des Mose und der Beschneidung, geschah. Aber auf der anderen Seite wäre jede weitere Missionstätigkeit von Paulus, wie z.B. seine zweite Missionsreise, unmöglich gewesen, bis diese spezielle Frage ein für allemal geklärt gewesen wäre. Das ist also der Grund, warum wir das Jerusalemer Konzil an diesem speziellen Punkt in der Apostelgeschichte haben.

Der Einfachheit halber wurde diese Studie in vier separate Abschnitte unterteilt: der Anlass, die Erklärungen des Konzils, die Entscheidung des Jerusalemer Konzils und der Bericht an die Kirche in Antiochia.

In Vers 1 wird das Thema klar benannt: Die heidnische Beschneidung. Nach der ersten Missionsreise von Paulus und Barnabas, nachdem sie der Gemeinde in Antiochia Bericht erstattet und einige Zeit mit der dortigen Gemeinde verbracht hatten, wurde das Thema aufgeworfen, als: gewisse Männer aus Judäa herabkamen. Diese Männer waren Mitglieder der Beschneidungspartei, die bereits in Apostelgeschichte 11,2 erwähnt wurde und die Petrus herausgefordert hatten, in das Haus eines unbeschnittenen Heiden zu gehen. Diese Männer waren nicht von der Gemeinde in Jerusalem gesandt worden; sie kamen einfach aus eigenem Antrieb nach Antiochia hinunter. Dass sie nicht von Jerusalem gesandt worden waren, wird in Apostelgeschichte 15,24 deutlich. In Galater 2 bezog sich Paulus auf denselben Jerusalemer Rat, und dies waren dieselben Männer, die in Galater 2,4 als falsche Brüder beschrieben wurden.

Sie kamen und lehrten die Geschwister. Die griechische Zeitform bedeutet, dass sie anfingen zu lehren, und sie blieben dabei; sie machten sich daran, mit Entschlossenheit zu lehren. Der Begriff „Brüder“ bezieht sich hier auf die heidnischen Gläubigen, denn sie suchten sich die heidnischen Gläubigen aus, weil sie nicht beschnitten waren. Zu diesen heidnischen Gläubigen sagten sie: Wenn ihr nicht beschnitten werdet nach der Art des Mose, könnt ihr nicht gerettet werden. Das war das Diktum, das die Judaisten den Heiden präsentierten: dass gläubige Heiden nicht gerettet werden, bis sie beschnitten sind. Das ist Errettung durch Werke, Errettung durch Rituale. So wie bestimmte Gruppen heute Gläubige lehren: „Du bist nicht wirklich gerettet, bis du getauft bist“, so gab es eine frühere Irrlehre: „Du bist nicht errettet, bis du beschnitten worden bist.“ Beide sind gleichermaßen falsch. Beide beinhalten eine Errettung durch Werke, eine Errettung durch Rituale.

Arnold Fruchtenbaum – Das Konzil von Jerusalem

Während Paulus und Barnabas nach den mächtigen Freuden und Leiden der ersten Missionsreise stillere Tage in der Gemeinde in Antiochia hatten, geschieht etwas, was wir uns sofort in seiner grundlegenden Bedeutung klarmachen müssen, weil es wieder und wieder die Geschichte der Gemeinde Jesu notvoll beeinflußt. „Und einige, herabkommend von Judäa, suchten die Brüder zu lehren.“ Der Verkehr zwischen der Urgemeinde und Antiochia war lebhaft, das haben wir schon gemerkt. Es mag oft Besucher aus Judäa in Antiochia gegeben haben. Aber nun kommen „einige“, deren Namen wir hier so wenig erfahren wie im Galaterbrief, die aber zu „lehren“ suchten, d. h. also ihre Überzeugung nicht nur in persönlichen Gesprächen hier und da äußern, sondern ausdrücklich und öffentlich als die rechte Anschauung vertreten. Diese Überzeugung lautet: „Wenn ihr euch nicht beschneiden laßt nach der Sitte Moses, könnt ihr nicht errettet werden.“ Die Männer, die so lehren, sind Christen und wollen Christen sein! Sie glauben an Jesus als den Messias Israels und Bringer des Gottesreiches. Aber, so sagen sie, damit ist doch die Gottesforderung nicht aufgehoben, daß alle, die zu Gottes Volk gehören und am Heil der Endzeit teilhaben wollen, beschnitten werden müssen. Sie bestreiten gar nicht die Heidenmission als solche, sie begrüßen die Heiden, die sich zu Jesus bekehrt haben. Nur, das genüge noch nicht, so seien sie noch nicht wirklich errettet. Erst die Beschneidung mache sie zu vollen, sicher erretteten Gliedern der Heilsgemeinde. „Jesus und Beschneidung“, das ist ihr Grundsatz. Aber es wird dabei sofort sichtbar, daß der zweite Faktor unwillkürlich den Vorrang bekommt. Jesus allein kann nicht erretten; wie wichtig ist also die Beschneidung!
In der Kirchengeschichte hat sich dieser Vorgang bis heute immer neu wiederholt. Das Christentum wird nicht nur von außen bestritten und angegriffen, sondern auch in der Gemeinde selbst erheben sich die Männer, die mit Nachdruck und aller Bestimmtheit lehren: Wenn ihr nicht dies tut und das tut, was doch als Gottes Gebot biblisch zu belegen ist, dann könnt ihr nicht errettet sein. „Jesus und …“, das ist immer wieder die Formel. Jesus allein und der Glaube an ihn allein reicht nicht aus. Erst wenn noch dieses oder jenes an Tun oder Leistung hinzukommt, erhalten wir das ganze und eigentliche Christenleben. In naiver Form lebt diese Ansicht weithin in vielen Christen: „An Jesus glauben und die Gebote halten“, das heißt ein Christ sein.
Wir spüren alle die verfängliche Kraft solcher „Lehre“. Wir wollen doch rechte und ganze Christen sein. Und vor allem, wir wollen doch klar und gewiß errettet sein! Das macht alle Fragen im Raum der Kirche so schwer und so brennend, daß es dabei immer um der Seelen Seligkeit geht. Zugleich ist das so schwierig, daß diese neuen Lehrer die mächtige Autorität hinter sich haben: „Nach der Sitte Moses“, sagen sie. War Mose nicht der große Mann Gottes? Gründete sich nicht auf ihn das ganze AT? Konnte, mußte es nicht neben Jesus und mit ihm zusammen gelten?

Wuppertaler Studienbibel