aus „die Wildschwäne Europas“
Nahrungsaufnahme
Schwäne verfügen über verschiedene Techniken für die Nahrungsaufnahme. Ruhig, auf der Wasseroberfläche schwimmend tauchen sie den langen Schnabel in das Wasser ein und nehmen alles Pflanzliche auf, was auf diese Weise erlangbar ist. Tiefere Gewässer werden zur Nahrungssuche nur dann aufgesucht, wenn die untergetauchte Vegetation bis nahe an die Wasseroberfläche reicht. Um tiefer ins Wasser zu gelangen, kippt der Schwan mit dem Körper nach vorn, so daß sich der Hinterkörper anhebt und Hals und Kopf weiter ins Wasser hineinreichen. Das erlaubt die Nutzung eines Unterwasserbereiches, den andere Wasservögel nicht auswerten können. Gründelenten nutzen lediglich die oberflächliche Wasserschicht, die Tauchenten dringen tiefer ein. Am ehesten konkurrieren Bleßrallen (REICHHOLF, 1976). Nach REICHHOLF (1983) erreicht der Höckerschwan eine maximale Tiefe von 135 cm (Halslänge knapp 1 m, Vorderkörper 27 cm).
Die hoch aufgerichteten Hinterleiber gründelnder Schwäne gleichen weißen Zelten, die auf dem Wasser zu schwimmen scheinen. Nicht selten ist zu beobachten, daß gruppenweise schwimmende Schwäne wie auf Kommando den Hals gleichzeitig eintauchen. Gemeinsames Gründeln läßt sich im Sinne von LORENZ als „Mach–mit–Verhalten“ deuten. Schwäne sind gesellig lebende Tiere und auch andere Bewegungungsweisen, so das Putzen und Streckbewegungen, werden häufig zeitgleich von mehreren Tieren ausgeführt.
Beim Gründeln mit gekipptem Körper werden die Füße nahezu senkrecht nach oben gehalten, die Schwimmhäute sind gespreizt, was dazu beiträgt, das Gleichgewicht zu halten. Für die beschriebene Form des Gründelns hat THIEDE (1984) die Bezeichnung „Aufkipp–Gründeln“ gewählt. Er führte sie auf NAUMANNN (1842) zurück, der schreibt: „Die meisten Nahrungsmittel angeln sie mittels des langen Halses und, wo dieses nicht ausreicht, durch das gleichseitiges Aufkippen des Rumpfes aus der Tiefe heraus ….“
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Beim Aufkipp-Gründeln taucht der Schwan mit mehr als der Hälfte des Körpers ins Wasser ein. Um das Wasser zu verdrängen, wird kräftig mit den Beinen gerudert. Das Aufkipp-Gründeln ist ernergetisch aufweniger als die Nahrungsaufnahme durch einfaches Eintauchen des Halses. Dem sich zum Gründeln anschickenden Schwan bereitet es sichtliche Mühe, den Körper nach vorn zu kippen.Deshalb wird Aufkipp-Gründeln vermieden, wenn sich Nahrung einfacher erlangen läßt.Eine andere Freßbewegung ist das Schnattern. Dabei wird der Körper nahezu ruhig gehalten, nur Hals und Kopf werden bewegt. Die Bezeichnung Schnattern bezieht sich also nicht auf Lautäußerungen wie im Sprachgebrauch üblich. Beim Schnattern werden Nahrungsteilchen aus dem Wasser gesiebt, indem die fleischige stempelartige Zunge zurückgezogen und dadurch Wasser eingesogen wird, das dann durch die Schnabelränder ausgepreßt, wobei Nahrungsbestandteile zurückbleiben.
Blätter und Blattstiele von Wasserpflanzen werden abgebissen oder mit den scharfen Schnabelrändern abgeschnitten und dann als Ganzes verschlungen, genauso auf dem Wasser treibende Pflanzenteile. Neben grünen Pflanzenteilen werden auch vom Gewässergrund Sämereien verschiedener Art hochgeholt. Im Flachwasser und im Uferschlamm stochern Höcker- sowie Singschwäne mit dem Schnabel im Morast umher, um Genießbares zu finden. Dabei „trampeln“ sie mit den Füßen im Schlamm, wühlen ihn dadurch auf und legen Wurzeln und Teile von Wasserpflanzen frei (LuMSDEN, 1985). …
Beim Weidegang an Land werden Gras oder andere grüne Pflanzenteile nach Gänseart mit dem Schnabel gerupft. Bei seitlich gehaltenem Kopf
werden Pflanzenteile zwischen die Schnabelhälften genommen und dann ruckartig abgebissen.Trinken: Getrunken wird gewöhnlich auf dem Wasser. Der flach auf der Oberfläche gehaltene Schnabel schöpft Wasser, der Vorderhals wird etwas angehoben, der Schnabel aufwärts gerichtet und das Wasser mit Schluckbewegrungen aufgenommen.
Nahrungserwerb bei Schwanenküken: Die frisch geschlüpften Küken nehmen die Nahrung, die ihnen die Eltern vorlegen oder sie finden, pickend oder die Wasseroberfläche durchseihend auf. Frühestens im Alter von einer Woche sind sie in der Lage, den Kopf unterzutauchen. Anfangs können sie das nur für 1 … 2 Sekunden, erst im Alter von etwa 2 Monaten länger als 7 Sekunden. Die Jungen bekommen von den Altvögeln auch Wasserpflanzen vorgelegt.
Schnattern können Dunenjungen bereits am 2. Lebenstag. Die Kopfbewegungen sind jedoch ruckartiger als bei den Altvögeln, gewissermaßen „pickend“. Die Jungen trinken in gleicher Weise wie Altvögel.
Zerkleinerung der Nahrung: Zum ständigen Mageninhalt gehört Sand und kleine Steine, was für Pflanzenfresser nicht ungewöhnlich und auch von Gänsen und Enten bekannt ist. Mit Hilfe dieser Einschlüsse und Magenmuskulatur werden die aufgenommenen Pflanzenteile nach dem Mühlsteinprinzip zerkleinert. Sie sind dann besser verdaubar.
Magenanalysen beim Höckerschwan ergaben ein breites Spektrum von Nahrungspflanzen. Gefunden wurden nahezu alle Arten, die in der Uferzone und untergetaucht vorkommen. Mit Vorliebe werden Laichkräuter und Wasserknöterich gefressen. Laichkräuter werden bereits von wenige Tagen alten Jungen verzehrt. Nachgewiesen wurden auch Bestandteile von Seerosen, Wasserpest, vom Rohrkolben und anderen häufigen und seltenen Pflanzen.
…Schwäne suchen auch Brackwasser zur Nahrungsaufnahme auf. Das dabei aufgenommene Salz wird durch Salzexkretionsdrüsen entfernt, die sich unterhalb der Augen befinden. ….
Ökologische Aspekte der Ernährung
Oft wird behauptet, daß Höckerschwäne Unterwasserpflanzen überweiden, und sie sich dadurch die eigene Nahrungsgrundlage entziehen. Das trifft nicht zu. Zwar besteht kein Zweifel daran, daß Schwäne bei hoher Dichte die oberflächennahe Vegetation beträchtlich reduzieren können, doch submers lebende Pflanzen wachsen rasch wieder nach. Zu einem Schwanenrevier gehören in der Regel etwa 10 ha Wasserfläche. Ein so großes Gebiet kann nie vollständig abgeweidet werden.
Schwäne und andere Wasservögel fördern die Vegetation, weil sie zur Ausbreitung von Samen und Winterknospen beitragen. Da die Submersvegetation im Winter ohnehin zugrunde geht, wird durch deren Verwertung auch der Stoffkreislauf im aquatischen Ökosystem günstig beeinflußt. Je weniger absterbende Pflanzen zurückbleiben, desto geringer ist die Faulschlammbildung und die Eutrophierung. REICHHOLF (1973) hat diesen Zusammenhang am Beispiel des lininischen Ökosystem „Hagenauer Bucht“ am Unteren Inn quantitativ dargestellt. Dort befanden sich auf 70 ha Wasserfläche geschlossene Unterwasserrasen aus Armleuchteralgen, Laichkräutern, Tausendblatt und Wasserpest. 1971 und 1972 lag lao, die durchschnittliche Biomassenproduktion bei 1 kg bis 1,25 kg. Das Gesamtgebiet bot Nahrung von 600 … 800 t Frischmasse, das Schwäne,. und andere Wasservögel nutzten..
Durchschnittlich 85 % aller Schwäne des Inn–Stauseengebietes sammeln sich im August und September in diesem Gebiet. Die Schwäne bleiben zusammen mit anderen Wasservögeln bis zur Vereisung des Gebietes, und die Unterwasservegetation wird im Nutzungsbereich fast vollständig abgeweidet. Das Nahrungsangebot wird im Herbst bis zu 90% von Wasservögeln genutzt, woran Schwäne bis zu 30 % beteiligt sind. Der hohe Nutzungsgrad ist für den Pflanzenbestand und dessen Dynamik belanglos. Wenn die von Schwänen erlangbaren Unterwasserpflanzen schon vor Beginn der Vereisung abgeweidet sind, dann ziehen sie vor dem Zufrieren ab. Je besser das Nahrungsangebot desto mehr Schwäne sind anwesend.
In wasserpflanzenarmen Jahren die Nahrungskapazität jedoch so zurück, daß der Höckerschwanbest: deutlich reduziert bzw. gedrosselt (REICHHOLF, 1982). Die Höckerschwäne sind in das Ökosystem integriert. Die Bestandsdichte hängt vom Nahrungsangebot ab. Sie bedarf keines regulierenden Eingriffes von außen.
Auf den engen Zusammenhang zwischen der Ausdehnung der Wasserpflanzen und der Ansammlung nichtbrütenden Höckerschwäne ist auch von BERNDT (1986) hingewiesen worden. Mit dem Rückgang der Wassserpflanzen verschwinden die Schwäne.
Wenn in einem Gewässer die Unterwasserpflanzenbestände zurückgehen, dann liegen die Ursachen in Verädnerungen des Wasserchemismus, nicht aber bei den Schwänen. Starke Eutrophilierung wird von Laichkräutern und anderen Pflanzen nicht vertragen. Ihr Verschwinden ist eine zwangsläufige Folge der Wasserverschlechterung. An stark eutrophen Gewässern bestehen selbst bei intakter Ufervegetation keine Brutmöglichkeiten weil die Ernährungsbedingungen für die Jungenaufzucht nicht gegeben sind.
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