(Kommentar zu dem Artikel „Vertreibung aus dem Brotparadies“)
Der Prozeß der „Abnabelung“ der Jungschwäne von den Elterntieren, also die Auflösung des Familienverbandes, geschieht nicht von einem Tag auf den anderen und auch nicht in gleicher Weise.
Je mehr Jungschwäne das Elternpaar hat um so länger dauert dieser Prozeß in der Regel.
Bis spätestens Ende Februar muß das Brutrevier für die Elterntiere wieder frei sein von Artgenossen, auch den eigenen diesjährigen Abkömmlingen. Brutschwäne, die nur 1 oder 2 Nachkommen hochbrachten führen diese allerdings oft bis in den März und Anfang April der neuen Brutsaison hinein im Revier!
Außerhalb des Brutreviers, z.B. beim Feldern oder Grasen, bleiben die Jungschwäne/Kinder unbehelligt von ihren Eltern und der Familienverband lebt dort in Eintracht. So ist das Verhältnis von Eltern- und Kindern unter den Schwänen bei Nichtziehern – Überwinterern – zu denen die Malchower Schwäne gehören.
Eltern, Kinder und Geschwister scheinen sich ein Leben lang zu kennen und auch auf dem Schwanenzug bleiben Geschwister meist zusammen, wie ich an eigenen Ringablesungen bestättigen kann.
Ganz anders verläuft die Familienverbandsauflösung bei streichenden oder gar ziehenden Schwänen. Dort werden ihre Jungschwäne von den Eltern in die benachbarten Schwanenstuben gebracht, bleiben dort noch 1 – 2 Wochen bei ihren Jungen und „verabschieden“ sich dann von ihnen um in ihr Revier zurückzukehren. Alle Brutreviere sind derzeit (09.01.2012) von ihren Revierschwänen besetzt, die Jungen aber daraus „verbissen“, was zwar sanft aber beharrlich erfolgt.
Bei jungen Zugschwänen (7 – 8 Monate alt) , wie ich sie jedes Jahr aus Böhmen/Tschechien an der Niederbayerischen Isar habe, die 50 – 70 km um Pilsen beringt wurden, herrscht noch der Zugtrieb vor. Sie ziehen südwestwärts.
Das Besondere an diesen 7 – 8 Monate alten beringten Jungschwänen im Alter von 7 – 8 Monaten und auch ältere ist, daß sie futterzahm sind und mir sogar aus der Hand fressen. Sie sind also schon in Tschechien an die HAND des Menschen gewöhnt (habituiert). Das liegt an der synanthropen Lebensweise der Höckerschwäne.
Wenn sie dennoch aus ihrem „Brot-Paradies“, 50 – 70 km um Pilsen, hunderte Kilometer weit hinwegzogen, dann sicherlich
nicht um das dortige Brotparadies zu verlassen, sondern weil ihnen ihre Elterntiere und ihr Zugtrieb gebot das elterliche Revier zu verlassen und zu räumen damit es frei ist für die neue Reproduktionsfolge wo die jungen „Geister“ nur stören würden.
Das Zugverhalten spricht für sie, nämlich für einen noch gut erhaltenen Zugtrieb, nicht aber für eine Vertreibung aus dem „Brot-Paradies“. Auch die Zugschwäne schließen sich den SCHWANENSTUBEN an!
CICONIA-Horst
Eine übermäßige Fettreserve und damit “angemästete” Fettdepots besitzen die Jungschwäne nicht, denn sie besitzen noch nicht einmal am mittleren Teil des Bauches das sogenannte “Fettwammerl”, eine Fettschürze, die in nahrungsarmer und kalter Zeit als Energie- und Wärmequelle dient. Sie haben einen guten aber mittleren Ernährungszustand.
Mit der Flugfähigkeit hat das Fettdepot nichts zu tun. Je größer es ist, um so besser sind die Überlebenschancen in futterarmen Kältewintern.
Der “Abnabelungsprozeß” von den Elterntieren und dem Aufzuchtrevier braucht seine Zeit; und diese sollte man den Jungschwänen auch lassen! Es bedarf dazu keinesfalls der Mithilfe des Menschen. Das regeln die Eltern- und Jungtiere unter sich auf ihre Weise, nicht auf menschliche Weise durch Umsetzen der Jungtiere in andere Gewässer! Die “Abnabelung” ist für die Jungtiere ein Lernprozeß, und den sollte man durch solche Eingriffe wie Umsetzung in andere Gewässer tunlichst unterlassen! Der Schwan bedarf dazu der “Hilfe” des Menschen nicht.
Jungschwäne, schon gar nicht die Juvenilen mit 6 – 8 Monaten, besitzen kein Revier. Sie finden sich nach erfolgter “Abnabelung” von den Eltern in den Schwanenstuben zusammen, wo sie mit anderen Schwänen unterschiedlichen Alters bekannt- und konfrontiert werden und das soziale Verhalten erlernen, die Rangordnung. Auch die Paarfindungen finden in solchen Schwanenstuben statt. Dazu bedarf es ebenfalls nicht des menschlichen Zutuns.
Das Selbständigwerden müßen die Tiere erlernen, und zwar auf ihre Weise, nicht auf der vom Menschen und nach menschlichen Maßstäben und Kriterien bemessenen.
Es ist absolut obsolet den Elterntieren beim “Abnabeln” nach menschlichen moralischen Vorstellungen und Ethikwerten in das “Handwerk” zu pfuschen, denn sie wissen am allerbesten, wie jeder ihrer einzelnen Abkömmlinge dabei zu behandeln ist.
Das sollte man als Tierfreund beachten und beherzigen.
Jungschwäne sind keine kleinen Menschenkinder, sondern Wildtiere!