Wer sich absondert, trachtet nach einem Gelüst; gegen alle Einsicht (S. die Anm zu Kap 2,7) geht er heftig an. (Eig fletscht er die Zähne) Elberfelder 1871 – Sprüche 18,1
Wer sich absondert, sucht nur nach eigenem Verlangen, er geht heftig gegen alles an, was heilsam ist. Die Philippson-Bibel – Sprüche 18:1
Dem Wunsch nur trachtet der sich Absondernde nach, gegen alle Besinnlichkeit platzt er los. Buber & Rosenzweig – Spr 18,1
Vorwände sucht ein Mann, der beschlossen hat, sich von Freunden zu trennen, zu jeder Zeit aber wird er dem Tadel ausgesetzt sein. Septuaginta Deutsch 2009 – Spr 18:1
Der Eigenbrötler tut nur, was ihm in seinen Kram passt; heftig wehrt er sich gegen jede bessere Einsicht. Gute Nachricht Bibel 2018 – Sprichwörter 18,1
Der ursprüngliche Text dieses Verses ist schwierig. Manche sehen ihn als Zurechtweisung affektierter Überlegenheit. Wenn ein Mensch stolz darauf ist, sich von den Gefühlen und der Gemeinschaft mit anderen abzusondern, allem widerspricht, was gesagt wird, und eigene Vorstellungen vorantreibt, dann will er sein Verlangen befriedigen zu prahlen. Er sucht und mischt sich in Dinge, die ihn nicht betreffen, und beurteilt die Lage aller Menschen. Unsere Übersetzung (KJV) andererseits scheint den Vers als einen Ansporn zu verstehen, der Weisheit fleißig nachzujagen. Wenn wir Weisheit erlangen wollen, müssen wir danach verlangen. Wir müssen uns von all dem absondern, was uns dabei bremsen würde, ihr nachzujagen, wir müssen uns von dem Gedränge nach den wertlosen Dingen dieser Welt zurückziehen. Dann müssen wir mit allen Mitteln und Weisungen der Weisheit suchen und uns einmischen, das heißt, eine Reihe von Meinungen kennenlernen, damit wir alles prüfen und das Gute behalten können (1.Thess 5,21).
Der Neue Matthew Henry Kommentar
Der Vers ist schwierig und hat viele Deutungen erfahren. LXX hat statt Erfüllung »Vorwand, Gelegenheit«. Schließt man sich ihr an, kann man in dem Abgesonderten einen Menschen sehen, der seinen Freund, vielleicht weil er verarmt ist, loswerden will. Oder der Abgesonderte ist jemand, der aus der Gemeinschaft ausgeschlossen worden ist, der nun mit »aller Kraft losbrechen« will – so wird dann der zweite Halbvers formuliert –, um sich zu rächen. Das hebr. Wort bedeutet »Gelüst, Begierde, erfüllter Wunsch«. Gern wird »eigenes« Gelüst o.ä. ergänzt. Aber man braucht den Spruch nicht nur so negativ zu sehen. Der Abgesonderte hat sich von der Gemeinde oder Volksgemeinschafty isoliert und trachtet nach Erfüllung seines Lebens oder eines besonderen Zieles ohne die Gemeinschaft, außerhalb ihres Bereiches. Vielleicht ist er von ihr enttäuscht, vielleicht hat sie (noch) kein Verständnis für sein Anliegen. Sie kann ihm also nicht raten, was gut ist oder erfolgversprechend. Er ist überzeugt, daß nur er den rechten Weg weiß. Deshalb begehrt er gegen alle Hilfe auf. Solche Menschen wird und muß es immer geben. Wenn diese Lebensweise zur Regel wird, sollte man die Mahnung von Hebr 10,25 beachten.
Wuppertaler Studienbibel
In Frieden – mit allen Menschen!
Beziehungen. Sie sind nicht immer einfach. Schlimmer noch: Manchmal sind sie zum Davonlaufen! Hast du dir auch schon mal gedacht: „Ich will mit keinem mehr was zu tun haben! Alleinsein ist immer noch besser als ständig verletzt zu werden“? Ich schon. Immer wieder. Doch sozialer Rückzug ist keine Alternative. In 18,1 (SCH) heißt es: „Wer sich absondert, der sucht, was ihn gelüstet, und wehrt sich gegen alles, was heilsam ist.“ Tatsache ist: Du brauchst andere Menschen, und je näher du ihnen kommst, desto eher wird es Konflikte geben. Um sie zu vermeiden – und zu lösen – will dir Gottes Weisheit helfen.
Vor vielen Jahren stand ich in einer Auseinandersetzung, die bereits einige Jahre andauerte. Die Fronten waren ziemlich verhärtet. Die Verbitterung auf beiden Seiten wuchs, und ein Ausweg schien nicht in Sicht. Ich schilderte die Situation dem Bibellehrer William MacDonald. Er riet mir: „Beuge dich so weit wie möglich, ohne dabei gegen deine Überzeugungen zu handeln.“ Anders gesagt: „Komm deinem Gegner entgegen – und geh dabei an deine persönliche Schmerzgrenze!“
Ein weiser Rat. Er erinnert mich an ein Wort des Apostels Paulus in Römer 12,18 (NeÜ): „Soweit es irgend möglich ist und soweit es auf euch ankommt, lebt mit allen Menschen in Frieden!“ Frieden: mit Eltern, Ehepartner und Kindern. Mit deinen Freunden, deinem Nächsten, deiner Obrigkeit. Nicht um jeden Preis: Wenn es um die Wahrheit des Evangeliums geht, darfst du Konflikten nicht aus dem Weg gehen.a Aber du sollst keiner sein, der Streit anzettelt. Hass schürt. Unruhe stiftet. Wenn du schuldig geworden bist, dann bitte um Vergebung. Sei zur Vergebung bereit. Und zur Versöhnung. Soviel an dir liegt, gib dein Bestes!
Kurze Reden langer Sinn: Ein Kurs zum Buch der Sprüche
Die Aussage dieses Verses erscheint manchem vielleicht sonderbar. Ist Absonderung denn nicht gut? Ja und nein, denn es kommt immer darauf an, wovon man sich absondert und zu wem oder was man sich wendet. Sondern wir uns von der Welt ab und zu dem Herrn Jesus hin, ist das natürlich positiv. Sondern wir uns aber vom Guten ab (z. B. von treuen Glaubensgeschwistern; Jud 19), ist das stets negativ. So auch hier. Man sondert sich ab, um heimlich eigenen Wünschen und Vergnügungen („Gelüst“) nachzugehen. „Wir alle irrten umher wie Schafe“ (Jes 53,6). Das ist ein typisches Merkmal gottloser Menschen. Es kann auch sein, dass man mit den anderen nichts mehr zu tun haben will, weil diese anders denken. Man zieht sich verärgert oder beleidigt zurück, statt sich in Ruhe mit ihnen auszutauschen. „Gegen alle Einsicht“ geht man dann heftig an. – Dieser zweite Versteil kann aber auch bedeuten, dass eine böse Absonderung nicht zum Erfolg führt (FußEÜ).
Leben in Weisheit: Das Buch der Sprüche Vers für Vers praxisnah erklärt
Wenn wir Rat suchen, müssen wir aufrichtig sein, denn ein liebevoller und weiser Freund kann oft Gefahren und Umwege sehen, die uns verborgen sind. Es ist am besten, einem anderen Gläubigen gegenüber Rechenschaft abzulegen und sich der Autorität der geistlichen Leiter in unserer Gemeinde zu unterwerfen. In den mehr als vierzig Jahren meines Dienstes habe ich den schmerzhaften Niedergang mehrerer „einsamer Ranger“ miterlebt, die dachten, sie bräuchten den Rat anderer nicht. „Ein Mann, der sich abkapselt, sucht sein eigenes Verlangen; er wütet gegen alles weise Urteil“ (Spr 18:1, NKJV). Christen sind die Schafe Gottes, und wir müssen uns zusammenschließen. Als Glieder des geistlichen Leibes Christi (1. Korinther 12) gehören wir zueinander und brauchen uns gegenseitig.
Warren W. Wiersbe – Sei Commentary Series Sprüche
»… wer sich absondert«, ist ein Individualist; er mag viele Gründe nennen für sein Handeln, doch im Kern sucht er nur »ein Gelüst«. Er will sich in seiner eigenen Welt selbst verwirklichen, und damit flieht er vor seiner Pflicht am Nächsten. Er ist ein von sich eingenommener, selbstverliebter Mensch. Als solcher verschließt er sich aller Korrektur: »… gegen alle Einsicht bricht er los«, jitgallac (wie in 17,14 und 20,3 [ein Verb, das nur im Buch der Sprüche verwendet wird]). Buber übersetzt »platzt er los«. …. V. 1 – »Wer sich … absondert … setzt sich … wider alles, was gut ist, nämlich gegen die in jener Gemeinschaft vorhandene Weisheit, den Schatz der dem Volke Gottes überlieferten Erfahrung, deren weisen und besonnenen Rat er nicht mehr hören mag« (Dächsel). V. 1 – »Der Weise steht in der Gemeinschaft anderer. Individualismus entspringt dem Trotz oder der Laune. Auch in der Gemeinde Jesu wird der Einspänner leicht zum wunderlichen Heiligen« (Hans Brandenburg, Das Buch der Sprüche, der Prediger und das Hohelied, S. 81).
Und er empfing das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er in der Vorhaut hatte, damit er Vater aller wäre, die in der Vorhaut glauben, damit auch ihnen die Gerechtigkeit zugerechnet würde; und Vater der Beschneidung, nicht allein derer, die aus der Beschneidung sind, sondern auch derer, die in den Fußstapfen des Glaubens wandeln, den unser Vater Abraham in der Vorhaut hatte. Elberfelder 1871 – Römer 4,11–12
´Durch seine Beschneidung` ist Abraham aber auch der Vater der Beschnittenen geworden, und zwar der Vater derer, die sich nicht damit begnügen, beschnitten zu sein, sondern die in seine Fußstapfen treten und dem Beispiel folgen, das er, unser Stammvater, uns durch seinen Glauben gab, noch bevor er beschnitten war. Neue Genfer Übersetzung 2013 – Römer 4:12
Und genauso ist er auch der Stammvater der Menschen, die beschnitten sind. Mit anderen Worten: Abraham ist der Stammvater nicht nur derer, die beschnitten sind, sondern auch derer, die in seinen Fußstapfen gehen. Damit meine ich die, die gerade als nicht Beschnittene genau wie unser Stammvater Abraham ihr Vertrauen auf Gott setzen. das Buch – Röm 4,12
Vers 12 erklärt, wie das funktioniert: und der Vater der Beschneidung für die, die nicht nur aus der Beschneidung sind, sondern auch in den Fußstapfen des Glaubens unseres Vaters Abraham wandeln, den er in der Unbeschnittenheit hatte. Alle werden gerechtfertigt, indem sie in den Fußstapfen Abrahams wandeln, und diese Fußstapfen sind die Erkenntnis, dass die Rechtfertigung aus Gnade durch den Glauben erlangt wird. Die Schlussfolgerung ist, dass Abraham der Vater aller Gläubigen ist.
Arnold G. Fruchtenbaum – Ariel’s Bibelkommentar
Mit stärkstem Nachdruck hat Paulus dem Juden folgende zwei Heilswirklichkeiten nachgewiesen.
Erstens: Die Rechtfertigung aus dem Glauben, und zweitens: Die Teilnahme auch der Heiden an der Glaubensgerechtigkeit. Mit [156] der Feststellung, dass auch ohne Beschneidung die Heiden gerechtfertigt werden können, wollte der Apostel jedoch nicht sagen, dass etwa das Volk aus der Beschneidung von der Teilnahme an der Glaubensgerechtigkeit ausgeschlossen sei.
Stärkstens wollte er aber betonen, dass auch jeder Jude Gerechtigkeit durch den Glauben allein erlangen könnte.
Fragten die Juden nach einer alten Grundlage für des Apostels Behauptungen, in Abraham, diesem auch vom Juden anerkannten Prototyp des Glaubens, sollten sie eine solche finden. An seiner Geschichte sollten sie erkennen, dass ihm die Glaubensgerechtigkeit nicht etwa auf Grund der Beschneidung geworden war. Ein Beschnittener wurde er erst, nachdem er ein Glaubender geworden war. Zwar wurde ihm die Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit geschenkt. Sie wurde ihm aber nicht als Kraft der Vermittlung oder als Inhalt seines Glaubens gegeben. Keine Beschneidung kann Glauben vermitteln. Als menschliche Handlung kann sie auch kein Bestandteil der von Gott geschenkten Gerechtigkeit sein. Für sich selbst braucht Gott die Beschneidung nicht, auch nicht als Siegel der dem Glaubenden geschenkten Gerechtigkeit. Nur für das Verhältnis Abrahams zu seinen Zeitgenossen hatte die Beschneidung als Siegel eine symbolische und praktische Bedeutung. Da Abraham die Beschneidung erst bei der Erneuerung des Bundesschlusses 1 Mose 17,11, also etwa 14 Jahre nach der Rechtfertigung seiner Glaubenshaltung Gott gegenüber als semeion, als Bundeszeichen erhielt, so konnte in ihr selbst weder ein Glaubens- noch ein Gerechtigkeitswert liegen. Als Siegel war sie nur ein Bestätigungszeichen von dem Glauben, den Gott selbst durch sein Wort geweckt, und von der Gerechtigkeit, die dem Abraham geschenkweise geworden war. Auch nach der Beschneidung gründete sich Abrahams Glaubensumgang mit Gott nicht etwa auf das empfangene Bundeszeichen. Sein Glaube lebte allein aus dem Verhältnis Gottes zu ihm. Ein Leben des Glaubens wie das eines Abraham kann nur bestehen und im Gehorsam handeln auf Grund der Wechselbeziehung zwischen Gott und Mensch: Gott in seinem Wort zu Abraham und Abraham in seinem Vertrauen zu Gott.
Alle Siegel, Symbole, Zeichen weisen mithin über ihren Eigenwert hinaus. Sie reden von der Verheißung oder der Tat Gottes als einem Geschenk und vom Glauben als des Menschen Hingabe an Gott. Siegel sind: „die unverkennbare Erinnerung an die dem Menschen von Gott widerfahrene und verheißene Begründung, Aufhebung und Erlösung, an die alle Morgen neue göttliche Treue. Aber als Siegel weisen sie auch auf eine immer noch anstehende, sich immer noch zu bewährende, immer noch zu erwartende [157] Ausführung des Bundes zwischen Gott und Mensch“ (Barth, S. 405).
Sobald das Siegel jedoch mehr sein will als Zeugnis, d. h. wird es vom Menschen zum Inhalt des Glaubens erhoben, so wird es Religion. Hinfort lebt es alsdann nur noch von der Tradition und vom Gesetz, und zwar in der Kirche ebenso wie einst innerhalb der Synagoge und im Tempel. Religionen können Jahrhunderte und Jahrtausende alt werden und nur von der Pflege überlieferter Siegel und Symbole leben. Jede Reichsgotteswirklichkeit lebt jedoch allein von der korrespondierenden Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. Es können mithin zwei Menschen denselben Akt der Beschneidung vollziehen; dem einen in seiner Glaubenshaltung ist sie das Siegel der Glaubensgerechtigkeit, dem andern in seiner Stellung ohne Glauben eine beziehungslose religiöse Kultus- und Gesetzeserfüllung.
Die Beschneidung als menschliche Handlung hat mithin keinen Realitätswert für den auf Grund seines Glaubens von Gott Gerechtfertigten. Sie hat aber einen Zeugniswert im Blick auf alle, die ohne Abrahams Glauben leben, ob sie zu den Beschnittenen oder Unbeschnittenen zählen. Die Beschneidung soll „einladen“, zwar nicht zur Beschneidung, wohl aber zum Glauben, nicht zu einer kultischen Handlung, wohl aber zur Glaubenshingabe an Gott. Abraham, der Gott glaubte, und Gott, der Abraham rechtfertigte – beide bedürfen, wie bereits bemerkt, letzthin der Beschneidung nicht. Erst als lebendiges Zeugnis für die Völker, unter welchen Abraham als Fremdling zu leben und als Prophet zu dienen berufen war, sollte sie einen positiven Wert gewinnen. Je mehr Abraham in seinem gerechtfertigten Glauben ein Freund Gottes wurde, umso fremder musste er dem Geiste Sodoms und den Religionen seiner Nachbarvölker werden. Zu diesen sprach nach der Beschneidung nicht nur Abrahams Leben und Wort, sondern auch sein Beschnittensein. Es zeugte von seinem innerlichen Verpflichtetsein dem Gott gegenüber, der ihm erschienen war. Jedermann sollte wissen: Es ist Gott, der hinfort Anspruch auf Abrahams Leben, Gehorsam und Zukunft erhebt. Gott duldete daher nicht etwa nur die Beschneidung. Nach biblischem Bericht gab er selbst den Auftrag, dass Abraham sie an sich, an Isaak und an allen männlichen Hausgenossen vollzog.
Mithin war es Gott selbst, der ihr in Bezug auf ihren Inhalt die heilsgeschichtliche Grenze und in Bezug auf die Völker ihren bekenntnismäßigen Wert gab.
Durch die Rechtfertigung des Glaubens und durch den später erfolgten Auftrag der Beschneidung konnte Abraham ferner „eine doppelte Vaterschaft“ erlangen. Zuerst wurde er der geistliche Vater aller Glaubenden, die unabhängig von der Beschneidung und vom Gesetz durch Gnade zu demselben Glaubensverhältnis zu Gott gekommen waren wie er. Das waren die [158] Gläubiggewordenen aus den Heiden. Gerade an Abrahams Person hatte Gott bewiesen und vor allen Völkern kundgetan, dass wirkliche Heilsoffenbarung von ihm allein ausgehe. Gott kennt keine ursächlichen Vorbedingungen als sich allein und zwar in seinem Wort und in seiner Tat. Gerade den Heiden, die keine vom Gesetz geforderten Werke der Religion oder der Kultusfrömmigkeit haben, soll die Gerechtigkeit als ein Geschenk der Gnade werden, damit sie allein „Gottes Werk aus Gottes Werk“ sei.
Zweitens wurde Abraham als Beschnittener aber auch der geistige Vater der Gläubigen aus der Beschneidung. Durch Geburt und den kultischen Akt der Beschneidung waren sie bereits dem Fleische oder dem Buchstaben nach dem Volke Israel eingegliedert. Wie wenig ihnen jedoch diese Grundlage allein die Berechtigung gab, sich als Kinder Abrahams anzusehen, musste ihnen einst das entscheidende Wort des Täufers sagen: „Gott vermag aus diesen Steinen Abraham Kinder zu erwecken“ (Mt 3,9)! Denn geschlechtliche Nachkommenschaft ist nicht etwa gleichbedeutend mit Gott gewirktem Abrahamglauben und göttlicher Rechtfertigungstat. „Wer bloß beschnitten ist, ist nicht das, was Abraham war, und hat nicht erlangt, was Abraham empfangen hatte“ (Schlatter). Es war auch unmöglich, dass etwa Abraham seinen Glauben und seine Rechtfertigung hätte vererben können.
Er konnte beide nur als ein Zeugnis weitergeben, dass Abraham-Kindschaft jedem geschenkt werden soll, der nicht Werke des Gesetzes tut, sondern Gott glaubt. Nicht was der Jude von Natur mitbringt oder was er durchs Gesetz empfangen hat, entscheidet über seine Teilhaberschaft an Abrahams Verheißungen. Entscheidend bleiben Gottes Offenbarungen und Werk allein Abraham-Kindschaft setzt zu jeder Zeit und für jeden Gottes Vaterschaft in ihrer Offenbarung, Berufung und Rechtfertigung voraus
Jakob Kroeker – Römerbrief
Wenn Abraham der Vater aller werden sollte, die glauben, dann war es unverzichtbar, daß Gottes Methode der Rechtfertigung eingeführt wurde, bevor er beschnitten wurde. Nach den Plänen und Wegen Gottes sollte Abraham das Vorbild für alle sein, die durch Glauben gerechtfertigt werden. Er sollte das Haupt einer geistlichen Menschenrasse werden, die durch den Ruf Gottes aus allen Völkern herausgenommen sind. Die Juden hielten an ihrer Behauptung fest, daß Abraham der Vater ihres Volkes sei. Für sie war die Beschneidung das äußere Zeichen und Siegel, das dies bewies. Doch Paulus entkräftet ein solches Denken und sagt, daß Abraham der Vater der Beschneidung für die Juden ist, die in den Fußstapfen des Glaubens folgten, den Abraham vor seiner Beschneidung hatte. Das ist für den Stolz der Juden zweifellos ein Schock. Daß Abraham der Vater nur derer war, die in den Fußstapfen seines Glaubens wandeln, war ein schwerer Schlag für ihr Selbstwertgefühl. Die Tatsache, daß die Heiden ihn ebenfalls als ihren Vater beanspruchen konnten, da er der Vater aller Glaubenden war, stand darüber hinaus gänzlich im Gegensatz zu allem, was ihnen bisher heilig gewesen war.
Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt
Wer glaubt, wird ohne Werke für gerecht erklärt (V. 5), und wer gerechtfertigt ist, ist glückselig (V. 6). David, der die Seligpreisung aussprach, war beschnitten, und das war Abraham auch (1Mo 17). Heißt das, dass nur der Beschnittene glückselig werden kann? Paulus wiederholt die oben gemachte Beteuerung, dass »der Glaube [dem Abraham] zur Gerechtigkeit gerechnet« worden sei, und dann stellt er die Gegenfrage: War Abraham damals »beschnitten oder unbeschnitten«? Die Sache ist eindeutig: Er war »nicht beschnitten, sondern unbeschnitten«. In 1Mo 15,6 steht der Satz, dass Abraham Gott glaubte und dass Gott ihm das zur Gerechtigkeit rechnete. Erst in 1Mo 17 erfahren wir, dass Abraham sich beschneiden ließ. Als Ismael geboren wurde, war Abraham 86 Jahre alt (1Mo 16,16); das Wort von der Rechtfertigung hatte er vor der Zeugung und Geburt Ismaels empfangen. Danach vergingen noch einmal 13 Jahre, bis der HERR dem Erzvater erschien und ihm befahl, er müsse sich beschneiden lassen (1Mo 17,1ff.). Damals empfing er »das Zeichen der Beschneidung«. Den Ausdruck »Zeichen« müssen wir gut beachten. Die Beschneidung wirkte an Abraham gar nichts; sie machte ihn nicht gerechter, als er vorher gewesen war. Sie war lediglich ein äußeres Zeichen dafür, dass er bereits gerecht war. Dieses Zeichen nennt Paulus ein »Siegel«, das Gott dem Abraham aufdrückte, um ihn als einen Mann zu markieren, den er selbst für gerecht erklärt hatte. Analog dazu können wir sagen, dass keine sogenannten Sakramente am Menschen irgendetwas bewirken. So wenig die Beschneidung Abraham rechtfertigte, so wenig macht die Taufe irgendeinen Menschen gerecht. Diese ist wie die Beschneidung vielmehr ein Zeichen dafür, dass jemand bereits gerechtfertigt ist. Gott berief Abraham aus einer Familie von Götzendienern (Jos 24,2), redete zu ihm und weckte dadurch in seinem toten Herzen den Glauben, der ihn rechtfertigte. In diesem Glauben zog er aus einer Heimat (Hebr 11,8) und hielt sich auf im Land der Verheißung, ohne dort auch nur einen Fußbreit Boden zu besitzen (Apg 7,5). Damit, dass Gott dem Abraham den Glauben gab, machte er ihn zum »Vater aller …, die als Unbeschnittene glauben, damit [auch] ihnen die Gerechtigkeit zugerechnet werde«. Und er wurde damit auch zum Vater aller Beschnittenen, nämlich derer, die nicht nur beschnitten sind, sondern dazu »auch wandeln in den Fußstapfen des Glaubens, den unser Vater Abraham als Unbeschnittener hatte«. Damit hat Paulus an Abraham drei Dinge bewiesen: 1. Die Rechtfertigung geschieht nicht durch Werke, sondern durch Glauben. 2. Wer glaubt, wird gerechtfertigt – unabhängig davon, ob er beschnitten oder unbeschnitten ist. 3. Der Beschnittene wird nur dann gerechtfertigt, wenn er auch den Glauben Abrahams hat.
indem er mit lauter Stimme sprach: Fürchtet Gott und gebet ihm Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen; und betet den an, der den Himmel und die Erde gemacht hat und das Meer und die Wasserquellen. Elberfelder 1871 – Offenbarung 14,7
Mit lauter Stimme rief er: »Unterstellt euch Gottes Herrschaft und erweist ihm die Ehre, ´die ihm gebührt`! Denn jetzt ist die Stunde gekommen, in der er Gericht hält. Fallt vor ihm nieder und betet ihn an, den Schöpfer des Himmels und der Erde, des Meeres und aller Quellen.« Neue Genfer Übersetzung 2013 – Óffenbarung 14:7
Er rief mit lauter Stimme: »Habt Ehrfurcht vor Gott und preist seine Herrlichkeit! Denn die Stunde ist da, in der er Gericht hält. Betet ihn an, der den Himmel erschaffen hat, die Erde, das Meer und die Wasserquellen!« BasisBibel 2021 – Offb 14,7
Das ewige Evangelium wird nicht undeutlich gemurmelt, sondern erklingt mit lauter Stimme. Es wird über allen Lärm auf der Erde hinaus erklingen. Der Inhalt des ewigen Evangeliums ist einfach: Gott fürchten, Ihm Ehre geben und Ihn anbeten. Die Notwendigkeit dieses Evangeliums ist ebenso einfach, nämlich dass die Stunde des Gerichtes Gottes gekommen ist. Bekehrung beginnt mit der Furcht Gottes (Lk 23,40). Gott ist der furchterregende Gott, der jede Sünde, jeden Ungehorsam und jede Rebellion bestrafen wird. Sobald ein Mensch einsieht, dass er gegen Gott gesündigt hat, bekommt er Angst, denn dann entdeckt er, dass Gott ein zürnender Gott ist. Dann wird der, der von seinen Sünden überzeugt ist, Gott die Ehre geben. Er wird erkennen, dass Gott gerecht ist, wenn Er ihn in die Hölle werfen würde und wenn Er die Welt insgesamt mit Katastrophen und Plagen heimsuchen würde. Jeder Mensch, der das anerkennt, kommt nicht ins Gericht, sondern geht vom Tod in das Leben über (Joh 5,24). Schließlich wird solch ein Mensch zu einem Anbeter Gottes werden, der ihm solch große Gnade geschenkt hat. Gott wird hier als Schöpfer vorgestellt. Als Schöpfer hat Er das Recht auf die Verehrung seitens seiner Geschöpfe. Diese Anbetung wird während dieser Zeit auf der Erde das Tier fordern. Gott gibt seine Rechte jedoch niemals auf. Er ruft dazu auf, Ihn anzubeten, doch Er zwingt (noch) niemanden dazu.
Ger de Koning – Eine Erklärung speziell für dich – Das Buch der Offenbarung
Die „laute“ Stimme unterstreicht, dass diese Botschaft den Vorrang haben muss vor allem lauten Lärm auf der Erde. Drei Imperative nennen die Substanz der Botschaft und betonen gleichzeitig ihre Dringlichkeit:
Fürchtet Gott. Der Mensch verlor die Gottesfurcht durch die Sünde (Röm 3,18), nun aber wird er zur Gottesfurcht zurückgerufen. Die Menschen werden aufgefordert, sich der Realität Gottes, der die Erde richtet, zu stellen. Gebet ihm Ehre. Hat einmal Gottesfurcht das Menschenherz berührt, wird der Mensch Gott das zuschreiben wollen, was er Ihm verweigert hat (siehe Kommentar zu 11,13). Der erklärende Zusatz „denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen“ kann auf zwei Arten aufgefasst werden. Es könnte ein Hinweis auf die Tatsache sein, dass dies für die Menschen die entscheidende Stunde ist, in der ihr Schicksal festgelegt wird. Es gibt keinen neutralen Boden; die Menschen müssen das Tier anbeten oder sie müssen Gott anbeten, beides ist nicht möglich. Die Stunde ihres Urteilens ist also gekommen. Es ist aber vielleicht besser hierin die Ankündigung des herannahmenden göttlichen Gerichts zu sehen, welches dem Ruf zur Buße ihre Dringlichkeit gibt. Und betet den an. Hier werden die Menschen vor die Wahl gestellt: Während das Tier universale Anbetung fordert (13,12), ertönt eine Stimme, die Menschen aufruft, sich vom Geschöpf abzuwenden sich vom dem Schöpfer Gott zu beugen, „der den Himmel gemacht hat und die Erde und das Meer und die Wasserquellen“. Man beachte, dass dies die vier Bereiche der Schöpfung sind, die bereits durch die Posaunengerichte geschlagen worden sind (8,7-12) und noch einmal durch die Schalengerichte heimgesucht werden müssen (16,2-8). Die Menschen können die zentrale Aussage nicht überhören: Der Gott, der alles erschaffen hat, ist der gleiche, der im Gericht handelt. Dies ist der Gott, den sie anbeten müssen. Es versteht sich von selbst, dass die grundlegenden Evangeliumswahrheiten in dieser umfassenden Botschaft enthalten sein müssen, wenn gleich Buße und Glauben nicht ausdrücklich erwähnt werden.
Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt
Nun lässt Gott demnächst zum Sturm blasen. Die Zeit der »letzten Posaune« (Offb 11,15; 1 Kor 15,52; vgl. 1 Thess 4,16) steht unmittelbar bevor. Die Schalengerichte von Offb 16 sind dieser Sturm, das Gericht Gottes über den großen Aufmarsch der Feinde (vgl. Offb 16,16). Doch ist diese Ankündigung »Evangelium«, gute Nachricht, für alle »Geschlechter und Völker, die auf Erden wohnen«? Sie werden doch von dem wiederkommenden Herrn im Bunde mit den gottfeindlichen Mächten, dem Antichrist, dem falschen Propheten und dem Drachen, angetroffen (Offb 13,4.8.14-17), und das bedeutet Gericht für sie (Offb 19,21). bb) »Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre«: Das »ewige Evangelium«, wie es in dieser Stunde verkündigt wird, ist eine Kapitulationsaufforderung: Sie sollen aus den Stellungen heraustreten, in denen sie sich zusammen mit dem Antichrist und dem falschen Propheten, von diesen dazu angestiftet, gegen Gott behaupten wollen. Sie sollen ihren Widerstand gegen Gott aufgeben, das heißt, Buße tun, Gott um Vergebung bitten und sich ihm übergeben. Diese Kapitulationsaufforderung ist »ewiges Evangelium« gute Nachricht mit Ewigkeitsbedeutung. Den Menschen wird noch einmal eine große, wundervolle, einzigartige Chance eröffnet: Sie können noch auf die Seite des Siegers treten; uneingeschränkt können sie noch zu denen gehören, die auf der Seite des wiederkommenden Christus stehen. Wenn in den modernen Kriegen vor dem Sturm auf eine Stellung die, die sich darin verteidigen, über Lautsprecher zur Kapitulation aufgefordert werden und sie dieser Aufforderung folgen, dann werden sie als Kriegsgefangene abgeführt und hinter Stacheldraht gebracht, wo sie unter Umständen entehrt und gequält werden. Hier ist das total anders. Der Herr lässt zur Kapitulation auffordern, der uns geliebt hat, »da wir noch Feinde waren« (Röm 5,10), und Blut und Leben für uns hingab, um die Vergebung unserer Schuld zu ermöglichen. Wer dieser Kapitulationsaufforderung folgt, wer aus den Positionen heraustritt, in denen er sich gegen Gott behaupten wollte, wer ihn um Vergebung bittet und sich ihm unterwirft, der empfängt Vergebung, der gehört ab sofort im Vollsinn zu den Leuten Jesu, zu den Kindern Gottes und »Miterben Jesu Christi« (Röm 8,14.17). So stellte einst der erhöhte Herr Saulus bei Damaskus wie einen Verbrecher: »Saul, Saul, was verfolgst du mich?« Doch als dann Saul, Paulus, Jesus als seinen Herrn anerkannte, da wurde er auch schon von ihm voll auf seine Seite gestellt und dessen gewürdigt, sein Mitarbeiter zu sein, sein »auserwähltes Rüstzeug« (Apg 9,6.15; 1 Tim 1,12-17). cc) Wir sehen in dem Schriftabschnitt nicht, welchen Erfolg diese Worte haben; wenig später auf jeden Fall erfolgt keine Umkehr mehr (Offb 16,9). Doch es ist noch einmal ein Ruf zur Umkehr, eine Gelegenheit zur Buße, Gott endlich im Leben und mit dem ganzen Leben als Gott und Herrn anzuerkennen: »Fürchtet Gott« und nicht die antichristlichen Mächte mit ihren Drohungen. »Gebet Gott die Ehre« und nicht euch selbst, nicht den Menschen, nicht dem Antichrist, nicht dem Drachen (Offb 13,4.8). »Denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen«: Es ist also allerhöchste Zeit. Lange besteht die Möglichkeit zur Umkehr auf jeden Fall nicht mehr. Wir wissen nicht, wie lange sie heute noch besteht, wie lange sie für uns persönlich noch besteht. »Er wartet noch auf mich. Wer weiß wie lang?« (G. Tersteegen). dd) »Und betet den an, der gemacht hat Himmel und Erde und Meer und die Wasserbrunnen«: Betet Gott, den Schöpfer und Herrn, an und nicht mehr den Menschen und was er gemacht hat, auch nicht die Wunderwerke seiner Technik! (vgl. Offb 9,20 und das dort Gesagte). Gott hat »Himmel und Erde gemacht«, die unsichtbare und die sichtbare Welt. Überall und immer hat es der Mensch mit Gott zu tun. Weil Gott alles geschaffen hat, gehört alles ihm, alles haben wir von ihm, deshalb schulden wir ihm für alles und in allem Dank und Hingabe unseres Lebens. Und so allein ist der Mensch in Ordnung gebracht, in Harmonie und selig schon jetzt. Die todgefährliche »Kreislaufstörung« zwischen Gott und Mensch ist allein auf diese Weise ganz geheilt: Gott schenkt, und der Mensch dankt; Gott gibt, und der Mensch gibt sich ihm hin; Gott liebt, und der Mensch liebt Gott wieder. So lebte Jesus, der menschgewordene ewige Sohn. In diesen wunderbaren heilen Kreislauf der Liebe zum Vater will er uns durch sein Wort und seinen Geist in seiner Nachfolge hineinnehmen. Hier mit diesem »ewigen Evangelium« erfolgt die letzte Aufforderung in diesem Äon, dieser Weltzeit, von allem Götzendienst, der »das Geschöpf ehrt statt den Schöpfer«, Abstand zu nehmen und sich in den großen, ewigen, seligen Gottesdienst mit hineinnehmen zu lassen.
Deshalb will ich Sorge tragen, euch immer an diese Dinge zu erinnern, wiewohl ihr sie wisset und in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt seid. Elberfelder 1871 – 2.Petrus 1,12
Daher werde ich euch immer wieder an diese Dinge erinnern, auch wenn ihr sie bereits kennt und fest auf dem Boden der Wahrheit steht, die euch verkündet wurde. Neue Genfer Übersetzung 2013 – 2.Petrus 1:12
Weil ihr dieses herrliche Ziel vor Augen habt, will ich nicht aufhören, euch daran zu erinnern, selbst wenn ich euch damit nichts Neues sage. Ihr seid ja längst davon überzeugt und in der Wahrheit gefestigt, die euch verkündigt wurde. Hoffnung für alle – 1996 – 2.Petr 1,12
Wo ist der Schwerpunkt unserer Gespräche? Suchen wir die Fehler bei anderen Gläubigen, oder unterhalten wir uns über den Schöpfer aller Dinge? Scheinbar haben die Christen des 1.Jahrhunderts schon schnell den Focus verloren – so dass Petrus darauf aufmerksam machen musste.
In dem Bewußtsein, daß seine Tage gezählt sind, legt der Apostel seinen Lesern diesen Brief besonders ans Herz. Dreimal sagt er ihnen: „Darum will ich’s nicht lassen, euch allezeit daran zu erinnern“ (V. 12); „Ich halte es aber für richtig, … euch … zu erinnern“ (V. 13); und „Ich will mich aber bemühen, daß ihr dies allezeit … im Gedächtnis behalten könnt“ (V. 15; vgl. 2 Petrus 3,1). In der zweiten Hälfte des Satzes entschuldigt sich Petrus beinahe für die Dringlichkeit seiner Mahnung. Er möchte nicht, daß seine Leser seine Absicht mißverstehen. Es liegt ihm fern, sie zu kritisieren, und er nimmt auch keinesfalls an, daß sie in ihrem Glauben schwankend geworden sind. Im Gegenteil: Er weiß, daß sie die Wahrheiten, die er ihnen geschrieben hat, kennen (ihr wißt), und er zweifelt nicht daran, daß sie gestärkt … in der Wahrheit sind. Alles, was er möchte, ist, daß ihr Glaube so fest bleibt („gestärkt“ kommt von stErizO; vgl. 1Thes 3,2.13; 2Thes 2,17;3,3; 1 Petrus 5,10). In vielen Gemeinden ist das Problem heutzutage nicht so sehr, daß die Gläubigen nicht wissen, was Gott von ihnen erwartet, sondern daß sie es entweder vergessen haben (vgl. 2 Petrus 1,9) oder nicht bereit sind, nach der Wahrheit, die unter ihnen ist, zu leben.
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
Das »Erinnern« der Hörer an bestimmte zu beherzigende Inhalte war in der Antike ein üblicher Bestandteil der moralischen Ermahnung, vor allem in der durch die Wendung »obwohl ihr’s wisst« gemilderten Form.
Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments
Mit starken Worten im Griechischen, die kaum übersetzbar sind, betont Petrus in Vers 12 seinen festen Willen und Vorsatz, von dem er sich nicht abbringen lassen will, die Gemeinden zu erinnern, auch wenn es ihnen gar nicht gefallen sollte. Auch die Apostel Paulus (Röm 15,15; vgl. 1 Kor 15,1ff; 11,24ff) und Johannes (1 Joh 2,20f) sahen es für ihre Pflicht an, die Gemeinden an das zu erinnern, was ihnen verkündigt ist (vgl. Ps 103,2). Alle Christen haben es nötig, ständig neu auf Jesus ausgerichtet zu werden. Denn von Natur aus haben wir eine ganz andere Vorstellung von Gott. Gottes Heilsplan, Gottes Urteil über diese Welt erscheint dem natürlichen Menschen als Torheit (1 Kor 1,21; 3,18–20). So entsteht in uns ein Kampf zwischen unserem natürlichen Denken und der geoffenbarten Wahrheit Gottes. In diesem Kampf bedürfen wir der »Stärkung« durch die Erinnerung an Gottes Offenbarung. Darum ist uns die öffentliche Predigt und persönliche Andacht so wichtig (Jud 5). Zwar erinnert Petrus und die anderen Apostel an Offenbarung Gottes. Aber »gestärkt« werden wir letztlich durch Jesus selbst, der uns gerade dazu seinen Hl. Geist gesandt hat (Joh 14,26). So benützt er auch Apostel und andere Christen. Darum kann Petrus andererseits sagen, daß die Christen das alles »wissen« und es den Anschein hat, als benötigten sie die Erinnerung gar nicht. Sie haben das Wort bei sich, sind nicht vom Licht getrennt und haben den Hl. Geist. Die »Wahrheit« ist »gegenwärtig«. Die »Wahrheit« ist nicht eine Idee, ist nicht das Christentum, sondern eine Person, ist Jesus Christus selbst als die leibhaftige Treue Gottes. Schon im AT meint das Wort »Wahrheit« die Bundestreue Gottes (Hos 2,19f). Die Psalmen sind voll von dieser Treue (Wahrheit) Gottes, die sich in seiner Güte und Gerechtigkeit bewährt (be-wahr-heitet; vgl. Ps 36,6; 89,34; 96,13; 100,5; 119,75, 90, 137f). So kann Gott kurz als »Gott der Wahrheit« (5 Mo 32,4) besungen werden. Jesus ist die fleischgewordene Wahrheit, d.h. Treue Gottes (Joh 14,6). »Gegenwärtige Wahrheit« ist Jesus, die Mensch gewordene Wahrheit (Jak 1,14ff; beachte 2 Petr 1,16: »Wir sind gefolgt«: Jesus), aber auch sein Hl. Geist (Joh 14,26). Was uns der Hl. Geist lehrt, ist in Joh 16,7–15 deutlich gesagt: Er lehrt Jesus und sein Heilswerk. Dennoch bleibt beides zu beachten: Wir werden an die Wahrheit erinnert werden müssen, obwohl Gottes Wahrheit in uns ist. Erst bei der Wiederkunft Jesu und der Vollendung bedürfen wir nicht mehr, belehrt zu werden (vgl. 2 Mo 18,20; auch 5 Mo 4,1; Ps 119,7; mit Jer 31,34; Hes 39,29; s. auch 2 Tim 1,10; Kol 1,5). »Gerecht« zu werden in seinem Amt, daran liegt Petrus viel. Seine wie jedes Christen Aufgabe ist die Mission (Mt 28,19f) und die Zurüstung der Gemeinde (3,1). Die Gemeinde bedarf es, »erweckt« zu werden, weil auch sie in Gefahr ist, müde und schläfrig zu werden, ja einzuschlafen (Mt 25,1ff). Die ganze Gemeinde, Kirche schläft bisweilen. Dann bedarf sie der Reformation. Wenn die Gemeinde mit der Welt schläft, kommt der Teufel und sät auf dem Acker Unkraut (Mt 13,25). In der Stunde der Anfechtung ist die Gefahr zu schlafen besonders groß (Mt 26,40) wie auch die zu sündigen (Eph 5,11–14; 1 Thes 5,6–10). Wach und nüchtern sein gehören zusammen (1 Thes 5,6ff; vgl. 1 Petr 1,13; 4,7; 5,8). Der biblische Begriff der Erweckung bezieht sich auf schläfrige Gemeinden und Christen, die schon einmal bekehrt waren!
Edition C Bibelkommentar Neues Testament
Im ersten Abschnitt unseres Briefes hat Petrus das Leben der Gemeinde Jesu und aller ihrer wahren Glieder geschildert, wie es sich aus ihrem Glauben durch jene Kette von Haltungen und Handlungen bis zur „Darreichung der Liebe“ (V. 5–7) entfaltet. Das ganze Leben der Gemeinde stand ihm dabei im Lichte der großen Zukunftserwartung. Sehr bedacht und bewußt schreibt er: Darum will ich immer bedacht sein, euch an diese Dinge zu erinnern, obwohl ihr sie kennt und durch die (euch) gegenwärtige Wahrheit gestärkt seid. Die Apostel wenden sich in ihren Briefen an Gemeinden, die die Botschaft kennen, deren Wahrheit in den Gemeinden gegenwärtig ist und die Gemeindeglieder stärkt. Das haben sie vielfach erfahren. Dieses „Stärken“ ist ein „Festigen“ und „Stützen“, gerade auch in den Anfechtungen, denen die Gemeinde ausgesetzt ist. Aber weil es sich um so wichtige Dinge handelt, will Petrus immer bedacht sein, euch an diese Dinge zu erinnern. Wir alle haben dieses Erinnern nötig, es geht ja nicht um ein natürliches, in sich selbstverständliches „Wissen“. Gottes Wahrheit steht in fundamentalem Gegensatz zu allem, was der Mensch nach dem Sündenfall denkt und will. Gottes Botschaft erscheint dieser Welt als „Torheit“, wie umgekehrt diese Welt bei Gott Torheit ist (1Ko 1, 21; 3, 18–20). In dieser Lage sind wir ständig in Gefahr, Gottes Wahrheit abzuschwächen, ja zu „vergessen“ und uns dieser Welt anzupassen. So ist das Erinnern eine wesentliche Aufgabe der apostolischen Schriften, wie auch aller Verkündigung, die jemals in der Gemeinde des Auferstandenen geschehen ist.
Holmer de Boor – Wuppertaler Studienbibel
»Deshalb«, weil so viel davon abhängt, was die Leser des Briefes mit dem »kostbaren Glauben« (V. 1) anfangen, den sie empfangen haben. Befolgen sie die Aufforderung, mit allem Fleiß um Wachstum zu ringen, werden sie fruchtbar sein und nie straucheln, und sie werden einen reichlichen Eingang in das ewige Reich des Herrn Jesus Christus finden. Petrus trägt Sorge um die Geschwister, weil so viel auf dem Spiel steht:
• Fruchtbarkeit oder nicht; • Gewissheit oder nicht; • Straucheln oder nicht; • reichlicher Eingang ins Reich oder nicht.
»will ich Sorge tragen«, wörtlich: »will ich nicht vernachlässigen …«. Das Verb αμελεω, ameleō (»nicht vernachlässigen«) steht auch in Mt 22,5; 1Tim 4,14; Hebr 2,3; 8,9. Petrus kann nicht nachlässig sein, kann die Dinge nicht schleifen lassen, sondern er muss Sorge tragen um die Seelen. Er ist eben der Hirte, den der Herr zu diesem Dienst berufen hatte (Joh 21,15–17; 1Petr 5,1). Jeder Diener muss die Mittel gebrauchen, die ihm Gott in die Hand gegeben hat. Die Ermunterung oder Ermahnung ist eines dieser Mittel. Petrus will deshalb Sorge tragen, die Brüder zu lehren und an das Gelehrte zu erinnern: Er will ihnen dazu verhelfen, dass ihnen ein reichlicher Eingang in das Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus gewährt wird. »euch immer an diese Dinge zu erinnern«: Beachten wir das Wort »immer«. Petrus meint, dass er jede Gelegenheit dazu nutzen will. Die Grundlehren des Christentums – die Lehre über Gott, über den Christus, über den Heiligen Geist, über die Sünde, über das Heil – muss man immer wieder behandeln. Erst wenn man eine Lehre über längere Zeit häufig erklärt und wiederholt eingeschärft hat, sitzt sie wirklich. Was meint Petrus im vorliegenden Zusammenhang mit »diese Dinge«? Er meint die in den Versen 5–11 gemachte Aufforderung, entschlossen danach zu trachten, dass die göttliche Natur in uns sich entfaltet. Wenn wir uns daran erinnern, wie der Herr uns berufen hat (1,3), was wir in dieser Berufung empfangen haben (1,4), woraus er uns berufen hat und wie viel er dazu für uns gelitten hat (1Kor 11,24), wenn wir vor Augen haben, wie herrlich die Vergebung der Sünden ist (1,9) und wie schlimm das Leben in der Sünde war (5Mo 15,15; 16,12; 24,18) und – schließlich – wie groß das Ziel ist, zu dem der Herr uns erlöst hat, dann richten wir unsere Schritte entsprechend. Wir vergessen so schnell, weil wir es so gerne tun: Wie schön wäre es, könnten wir uns einfach gehen lassen! Aber lassen wir uns gehen, wird mit uns passieren, was mit dem Teig passiert, in den die Hausfrau die Hefe eingeknetet hat. Sie muss ihn nun lediglich gehen lassen, und er beginnt aufzuschwellen. Wir müssen uns nur gehen lassen, und dann wird der Sauerteig der alten Natur wachsen und wachsen und wachsen (Mt 13,33; 1Kor 5,6; Gal 5,9), bis alles durchsäuert ist. Wir vergessen so schnell, was wir tun müssen, damit das Gute in uns zunehmen kann:
»obwohl ihr … befestigt seid«, εστηριγμενοι, estērigmenoi. Die Berufenen sind »befestigt« und damit das Gegenteil von den »Unbefestigten«, αστηρικτοι, astēriktoi (2,14; 3,16). Die Geschwister sind »in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt«, aber damit gibt sich Petrus nicht zufrieden: Sie müssen wachgehalten werden, damit sie nicht ihre eigene Festigkeit verlieren und zu Fall kommen (siehe 2,14; 3,17).
»Es ist ein großer Fehler zu denken, weil man eine Sache kenne, müsse man nicht immer wieder an sie erinnert werden. Ich meine, wenn wir wirklich um den Zustand der Gemeinde und der Welt besorgt sind, wenn wir uns wirklich nach Erweckung in der gegenwärtigen Zeit sehnen, dann müssen wir uns mehr auf die Gemeinde konzentrieren als auf die Welt. Die Gemeinde ist die Trägerin der Heilsbotschaft. Wenn die Gemeinde selbst kein Leben hat oder ungewiss und elend ist, wie will sie dann ihre Arbeit tun?« (Lloyd-Jones).
Eine sanfte Antwort wendet Zorn ab, ein kränkendes Wort aber steigert den Zorn. Die Philippson-Bibel – Sprüche 15,1
Eine gelinde Antwort wendet den Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn Elberfelder 1871 – Sprüche 15:1
Eine linde Antwort kehrt die Grimmglut ab, aber eine schnöde Rede macht den Zorn steigen. Buber & Rosenzweig – Spr 15,1
Wenn du stark genug bist, einen Kreislauf des Bösen zu durchbrechen, indem du Gutes tust, dann kannst du einen Kreislauf des Guten in Gang bringen. „Eine gelinde Antwort wendet den Grimm ab.“ Diese gelinde Antwort entspringt nicht etwa der Schwachheit, sondern entspringt der Stärke, und der Zornige fühlt dies. Da so viele Menschen Gleiches mit Gleichem vergelten, wirst du, wenn du das Böse mit Gutem durchbrichst, den Kreislauf des Bösen auf einen Kreislauf des Guten umschalten. „Die segnende Seele wird reichlich gesättigt, und der Tränkende wird auch selbst getränkt.“ „Wirf dein Brot hin auf die Fläche der Wasser, denn nach vielen Tagen wirst du es finden.“ Es mag etwas Zeit erfordern, bis dein gutes Handeln dir von anderen her eine gute Ernte einträgt. Du kannst nicht heute Samen säen und morgen schon Weizen ernten. Aber nichtsdestoweniger: „Was immer ein Mensch sät, das wird er auch ernten; so laßt uns nicht nachlassen, das Rechte zu tun, denn zur bestimmten Zeit werden wir ernten, wenn wir es nicht aufgeben.
Wachtturm 15-September 1956
Lass den Streit – ehe er heftig wird „Eine milde Antwort wendet den Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn.“ Sprüche 15,1
Wenn wir das doch lernen würden: „Gelinde“ zu reagieren, wenn wir uns über die Worte eines anderen ärgern! Unerwartet können wir in eine Situation kommen, wo durchaus eine „milde Antwort den Grimm abwenden“ könnte. Aber – wir reagieren gereizt und ein Wort ergibt das andere … Das kann im Umgang mit Glaubensgeschwistern vorkommen, aber vor allem im Miteinander als Eheleute. Denken wir daran: Der Feind der Seelen lauert nur darauf, uns unglücklich zu machen, indem wir durch ein kränkendes Wort den Zorn des anderen erregen. Deshalb wollen wir die Ermahnung des weisen Salomo beachten. Hanna – eine milde Antwort trotz großer Not Hanna, die Frau Elkanas, ist uns ein Vorbild hinsichtlich einer wirklich „milden“ Reaktion. Mit ihrem Ehemann war sie nach Silo zum Zelt der Zusammenkunft gekommen um das jährliche Opfer zu bringen (s. 1 Samuel 1). Wie niedergeschlagen war sie doch in ihrer Seele: Wie sehr hatte sie sich ein Kind gewünscht, aber der Herr hatte ihren Mutterleib verschlossen (V. 6). In der Seele verbittert, weinte sie und aß nicht (V. 7). Vor dem Herrn betete sie in ihrem Herzen und bat inständig um einen Nachkommen – nicht laut, „nur ihre Lippen bewegten sich“ (V. 13). Dabei beobachtete sie der für die Ordnung im Haus verantwortliche alte Priester Eli – und der hielt sie für eine Betrunkene! In sehr verletzender Weise machte er Hanna den Vorwurf: „Bis wann willst du dich wie eine Betrunkene gebärden? Tu deinen Wein von dir!“ (V. 14). Arme Hanna: Für sie war das ein Stich in eine offene Wunde! Ob sie sich nun mit einem verachtenden Blick von Eli abwendet oder gar gekränkt mit heftigen Worten reagiert? Im Gegenteil! Sie reagiert sehr milde und antwortet: „Nein, mein Herr, eine Frau beschwerten Geistes bin ich; weder Wein noch starkes Getränk habe ich getrunken, sondern ich habe meine Seele vor dem Herrn ausgeschüttet. Halte deine Magd nicht für eine Tochter Belials; denn aus der Fülle meines Kummers und meiner Kränkung habe ich bisher geredet“ (V. 15.16). Eli beruhigt sich bei solch einer Ansprache sofort und muss erkennen, wie unweise er geredet hat. Er spricht nunmehr Worte des Trostes: „Geh hin in Frieden; und der Gott Israels gewähre deine Bitte, die du von ihm erbeten hast“ (V. 17)! Petrus – eine milde Antwort trotz ungerechter Vorwürfe Der Apostel Petrus war auf Geheiß Gottes in Cäsaräa bei dem Hauptmann Kornelius gewesen und hatte ihm die gute Botschaft des Evangeliums überbracht, und zwar, dass „jeder, der an ihn (den Herrn Jesus) glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen“ (Apg 10,43). Das war Balsam für das suchende Herz des Kornelius gewesen: Nicht nur den Juden gilt das Evangelium, sondern auch ihm, einem Mann aus den Nationen. Von Herzen hatte er dem Wort der Wahrheit, dem Evangelium des Heils geglaubt und den Heiligen Geist empfangen. Welche Freude kehrte in dieses Haus ein und wie groß war auch die Freude für den Apostel, als ein Werkzeug in der Hand seines Meisters benutzt worden zu sein. Davon will er gern den Brüdern in Jerusalem berichten. Aber welch eine Enttäuschung: Seine Brüder „aus der Beschneidung“ sind über sein Tun vielmehr aufgebracht. Sie „stritten … mit ihm“ mit recht „grimmigen“ Worten. Sie hielten ihm vor: „Du bist bei Männern eingekehrt, die Vorhaut haben, und hast mit ihnen gegessen“ (Apg 11,2). Geben wir diesem Vorwurf noch eine besondere Betonung, dann merken wir, dass jetzt nur noch eine „milde Antwort“ einen aufkommenden Streit unter Brüdern abwenden kann. (Besser hätten die Brüder gefragt: „Lieber Petrus – entschuldige bitte, aber wir verstehen nicht so ganz, warum du zu Menschen eingekehrt bist, die Vorhaut haben. Kannst du uns das bitte erklären?“) Petrus reagiert weise – der Herr schenkt ihm die rechten Worte als eine „milde Antwort“: Der Reihe nach berichtet er all das, was sich unter der offenbaren Führung des Geistes Gottes im Haus des Kornelius zugetragen hatte. Demütig schließt er seine Ansprache mit den Worten: „Wer war ich, dass ich vermocht hätte, Gott zu wehren“ (V. 17)? Wie schön als Ergebnis der Besprechung zu lesen: „Als sie (die Brüder) aber dies gehört hatten, beruhigten sie sich und verherrlichten Gott und sagten: Also hat Gott auch den Nationen die Buße gegeben zum Leben“ (V. 18). So war dem Feind durch eine milde Antwort gewehrt und der Herr vielmehr verherrlicht worden. Nun blenden wir in unsere Tage: Jens hat einen langen und anstrengenden Arbeitstag hinter sich. Er fährt seinen Wagen in die Garage und betritt die Wohnung. Sein Kopf ist noch nicht frei: Da war die ergebnislose Besprechung, die scharfe Reaktion eines Kunden, die Arbeit ging heute einfach nicht gut „von der Hand“. Da kommt seine Frau Birte aus der Küche. Jens ist immer noch ganz in Gedanken und grüßt nicht so freundlich, wie sie es sonst gewohnt ist. Nun kommt es auf ihre Reaktion an! Kann sie sich einfühlsam in die Situation ihres Mannes versetzen oder nicht? Wenn nicht, wird Birte denken: Was hat er denn heute? Ich habe ihm doch nichts getan! Ich plage mich den ganzen Tag für ihn – und was macht er für ein Gesicht? Und dann schmollt sie und macht ihm Vorhaltungen. Wie schnell gibt dann ein Wort das andere! Sie sagt: „Das hätte ich nicht gedacht, dass du so zu mir sein könntest!“ Und er antwortet: „Du bist doch auch kein Engel!“ Hätte eine „milde Antwort“ die Situation nicht sofort beruhigt? Er: „Liebling – verzeih mir, aber ich hatte solch einen Ärger“. Oder Sie: „Schatz – jetzt wollen wir uns mal nicht mehr ärgern, sondern erst einmal gemütlich zu Abend essen. Und wenn wir nachher zusammen beten, sagen wir alles dem Herrn: Er kann helfen!“ Eine lohnende Übung Wir merken, wie wichtig es ist, den Rat aus Sprüche 15,1 zu beachten! Wollen wir uns darin nicht mehr und mehr üben? Wenn es nicht immer gelungen ist – und wer müsste das nicht bekennen –, was hindert uns, es ab heute mit Gottes Hilfe besser zu machen? Friedhelm Müller
Und es dürstete ihn sehr, und er rief zu Jehova und sprach: Du hast durch die Hand deines Knechtes diese große Rettung gegeben, und nun soll ich vor Durst sterben und in die Hand der Unbeschnittenen fallen! Da spaltete Gott die Höhlung, die zu Lechi ist, und es kam Wasser aus ihr hervor; und er trank, und sein Geist kehrte zurück, und er lebte wieder auf. Daher gab man ihr den Namen: Quelle des Rufenden, (En-Hakore) die zu Lechi ist, bis auf diesen Tag. Elberfelder 1871 – Richter 15,18–19
Ihn dürstete sehr, er rief zu IHM, er sprach: Du selber gabst in die Hand deines Knechts diese große Befreiung, und jetzt soll ich, sterbend vor Durst, in die Hand der Vorhautigen fallen? 19 Gott spaltete die Zahngrube, die im Kinnbackenfels, auf, hervor kam Wasser daraus, und er trank, sein Geist kehrte wieder, er lebte auf. Darum rief man ihren Namen Ruferquell, der springt in Lechi auf, bis auf diesen Tag. Buber & Rosenzweig – Richter 15:18–19
Und als ihn sehr dürstete, rief er zu Jahweh und sagte: „Du selbst hast in die Hand deines Knechtes diese große Rettung gegeben – und jetzt soll ich vor Durst sterben und in die Hand der Unbeschnittenen fallen!“ Da spaltete Gott die Höhlung, die bei Lehi ist, und es kam Wasser daraus hervor. Und er trank. Und sein Geist kehrte zurück, und er lebte wieder auf. Jantzen & Jettel 2022 – Ri 15,18–19
Als nächstes versorgte Gott Simson mit Wasser. Simson war nach dieser Anstrengung in dem heißen, trockenen Klima äußerst durstig. Sein Schrei zum Herrn wurde auf wunderbare Weise beantwortet, als Gott die Höhle öffnete ( maKtMS , wörtl.: „Mörser“) und Wasser herausfloß. Dieser Ort, an dem Simson seine Stärke wiedererlangte, wurde noch En-Kore (Luther: „Quelle des Rufenden“) genannt, als das Buch Richter abgeschlossen wurde ( bis auf diesen Tag ).
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
Da ihn aber sehr dürstete, rief er den Herrn an und sprach: Du hast solch großes Heil gegeben durch die Hand deines Knechtes; nunaber muss ich Durstes sterben und in der Unbeschnittenen Hände fallen. Da spaltete Gott die Höhlung in Lehi, dass Wasser herausging; und als er trank, kam sein Geist wieder, und er ward erquickt. Darum heißt er noch heutigestags »des Anrufers Brunnen«, der in Lehi ist. Und er richtete Israel zu der Philister Zeit zwanzig Jahre.
Simsons Not »Nun aber muss ich Durstes sterben.« Hat Gott die Hand von Simson abgezogen? Schlimmer! Sie widersteht ihm. Es ist noch gar nicht lange her, da hat Simson sich groß gerühmt, welch herrlichen Sieg er erfochten habe. Nun wandert der einsame Mann durch die Wüste, wo ihn der Durst überfällt. Wie gehen ihm hier die Augen auf dafür, dass es mit seiner eigenen Herrlichkeit nicht sehr weit her ist! Diese Umkehr in seinem Herzen wird in unserem Abschnitt deutlich. Nun betet er: »Du, Herr, hast solch großes Heil gegeben durch die Hand deines Knechtes.« Hier tut ein Mann Buße über seinen Hochmut und kehrt um zu der wahren Erkenntnis eines rechten Christen: Ohne Ihn können wir nichts tun. Das Neue Testament sagt (1.Petr. 5,5): »Gott widersteht den Hoffärtigen.« Widersteht!! Das hat seit Simsons Zeiten mancher erfahren müssen. Und vielleicht prüfen wir einmal, wie sehr unser Hochmut den Segen Gottes in unserm Leben hindert.
Des Anrufers Brunnen Ringsumher ist einsame Wüste. Aber Simson ist nicht allein. Der Herr ist da, der ihn hört. Wohl dem, der um die Gegenwart des Herrn weiß und beten kann! Der Herr gibt Wasser. In diesem Sätzlein ist das ganze Evangelium enthalten. Jesus sagt (Joh. 7,37): »Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke.« Und Offenbarung 21,6 heißt es: »Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst.« Am Brunnen in Samaria sagte der Herr Jesus zu einer Frau (Joh. 4,13 f), indem Er auf den Brunnen deutete: »Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten.«
Alfred Christlieb (gest. 1934) sagte zu unserm Text: »Der schönste Brunnen des Anrufers ist der, den Jesus geöffnet in Gethsemane und auf Golgatha. Da war Seine Seele betrübt bis in den Tod. Da hat Er Gebet und Tränen mit Geschrei geopfert. Da ist ein Brunnen des Anrufers entstanden, der die Not vieler Tausender von verschmachtenden Menschen gestillt hat bis auf den heutigen Tag. Da ist der rechte Brunnen des Anrufers. Wer da erquickt und gelabt ist, kann selber durchs Jammertal gehen und graben daselbst Brunnen. Gott schenke uns dies!«
Wilhelm Busch – Bileam Josaphat Simson
Der Erzähler fügt das scheinbar unnötige Detail hinzu, dass Simson den Kieferknochen wegwarf, nachdem er sein Gedicht beendet hatte (V. 17a). Dieses Bild hat etwas sehr Lebendiges – ein tragischer und komplexer Held, der seine Waffe der Bequemlichkeit wegwirft. Unmittelbar nachdem er den Kieferknochen weggeworfen hat (V. 17b), „entreißt er ihn der Vergessenheit, indem er ihn in den Namen des Ortes einbaut, an dem das alles passiert ist: Ramath-lehi (Kieferknochenberg)“. Für den Fall, dass Samsons Lied in Vergessenheit gerät, sorgt die Umbenennung des Kampfplatzes dafür, dass niemand seine epische Leistung je vergessen wird.
Gerade als wir denken, dass diese Episode abgeschlossen ist, fügt der Erzähler einen Epilog ein (V. 17-20). Samsons großer Durst veranlasst ihn dazu, Jahwe zum ersten Mal in diesem Zyklus anzurufen. Die Kommentatoren sind sich uneinig darüber, was man von Samsons Gebet halten soll. Einerseits erklärt sich Simson zum „Diener“ Jahwes, dankt Jahwe für „diese große Rettung“ und scheint seine Abhängigkeit von Jahwe dadurch zu demonstrieren, dass er ihn überhaupt anruft. Block stellt außerdem fest, dass das Gebet darauf hindeutet, dass Simson sich für einen zweiten Mose in der Wüste hält. Nach dieser Interpretation ist Samsons Gebet ein Ausdruck seines Glaubens und Vertrauens in Jahwe, und der Erzähler stellt ihn positiv dar. Andererseits geht es bei Samsons Demuts- und Glaubensbekundungen vielleicht einfach darum, dass er die richtigen Worte findet, um von Jahwe zu bekommen, was er will. In dem Gebet könnte ein Hauch von Anklage stecken – so als würde Simson sagen: „Nachdem ich diesen Sieg errungen habe, Jahwe, willst du mich sterben lassen?“ Außerdem klingt Samsons Verachtung für die Philister, wenn er das abwertende Wort „Unbeschnittene“ verwendet (derselbe Begriff, mit dem ihn seine Eltern in 14,3 davon abbringen wollen, die Timniten zu verfolgen), falsch. Simson hat eine große Vorliebe für die philistäische Kultur und (vor allem) für philitäische Frauen gezeigt, so dass es schwierig ist, diese Distanzierung von den „Unbeschnittenen“ nicht als zweckmäßig anzusehen, wenn er Jahwe darum bittet. Schließlich sind die Parallelen zwischen Simson und den Israeliten in ihrer Wüstenwanderung schwer zu übersehen, und wenn sie absichtlich sind, sind sie wahrscheinlich nicht schmeichelhaft für Simson, Wie sollen wir also Samsons Gebet bewerten? Ich habe den Eindruck, dass es zu seinem bisherigen Charakter passt und darauf hinausläuft, dass Simson die Situation so manipuliert, dass sie sich für ihn auszahlt. Und doch ist Simson ein komplexer Charakter – vielleicht einer der komplexesten menschlichen Charaktere im ganzen Buch der Richter. Samson hat etwas Bewundernswertes, aber auch etwas tragisch Selbstzerstörerisches an sich. In diesem Gebet zeigt er zwar, dass er Jahwe als Quelle der Befreiung kennt, aber es ist fast so, als ob etwas tief in Samson nicht zulassen kann, dass er von jemand anderem als sich selbst abhängig ist. Wenn er das Gebet benutzt, um Jahwe zu manipulieren, dann ist er immer noch die ultimative Quelle seiner eigenen Rettung, anstatt um die Rettung zu bitten und sie als Geschenk Jahwes zu empfangen. Ein ähnliches Muster werden wir in seinem Gebet zu Jahwe in den letzten Momenten seines Lebens finden (16,28-30).
Unabhängig von Samsons Beweggründen sorgt Jahwe für das Geschenk – auf wundersame Weise sprudelt eine Wasserquelle, und Samson wird verjüngt (V. 19ab). Der Ort wird in En Hakkore – „Die Quelle des Rufers“ – umbenannt und erinnert damit erneut an Simson selbst (V. 19c). Dieser mittlere Abschnitt des Simson-Zyklus (Kap. 14-15) endet mit der rätselhaften Bemerkung, dass Simson in den „Tagen der Philister“ zwanzig Jahre lang über Israel richtete (V. 20). Das ist aus mehreren Gründen interessant. Erstens erwarten wir eine solche Notiz am Ende der Erzählung, aber der Samson-Zyklus geht weiter. Zweitens ist es, wie Block betont, schwer vorstellbar, dass Simson eine Führungsrolle als Richter innehatte, geschweige denn zwei ganze Jahrzehnte lang. Drittens deutet die Bezeichnung dieses Zeitraums durch den Erzähler als „Tage der Philister“ darauf hin, dass das Land während Samsons Richterschaft keine Ruhe hatte und Israel trotz Samsons Siegen immer noch ein besetztes und versklavtes Volk war.
im ersten Jahre seiner Regierung merkte ich, Daniel, in den Schriften auf die Zahl der Jahre, betreffs welcher das Wort Jehovas zu dem Propheten Jeremia geschehen war, daß nämlich siebzig Jahre für die Verwüstung (Eig die Trümmer) Jerusalems vollendet werden sollten. Elberfelder 1871 – Daniel 9,2
im ersten Jahr seiner Herrschaft suchte ich, Danijjel, Einsicht in den Büchern in die Zahl der Jahre, die sich erfüllen sollten nach dem Wort des Ewigen an den Propheten Jirmejahu über die Trümmer Jeruschalajims: Siebzig Jahre. Die Philippson-Bibel – Daniel 9:2
Daniel lebte on Babylon – etwa Zeitgleich waren Hesekiel und Jeremia an anderen Orten von Jehovah als Propheten berufen. Das heißt, dass Daniel ja gar nicht wissen konnte, ob das Bibelnuch Hesekiel und das Bibelbuch Jeremia in die „heilige Schrift“ aufgenommen werden würden. Aber scheinbar konnte sich Daniel trotzdem mit den Worten der anderen Propheten seiner Zeit auseinandersetzen – und diesen Glauben schenken! Was wäre, wenn Jeremia „sich geirrt“ hätte? Was wäre, wenn Jeremia, wie heute sogenannte „leitende Körperschaften“ mit den Daten daneben gelegen hätte?
Folgendes Zitat aus „einer religösen Zeitschrift“ zeigt deutlich: Daniel konnte den Worten Jeremias vertrauen, weil Jeremia wirklich vom heiligen Geist inspiriert war (im Gegensatz von den sogenannten „Gesalbten“ mancher Glaubenrichtungen heute)
Wie ist Daniel an das Studium von Prophezeiungen herangegangen? Er hatte das richtige Motiv. Sein Ziel war es, die Wahrheit herauszufinden. Außerdem war Daniel demütig. Er erkannte an, dass Jehova nur denen, die ihn kennen und seine reinen Maßstäbe hochhalten, Verständnis gibt (Dan. 2:27, 28). Seine Demut zeigte sich daran, dass er sich ganz auf Jehova verließ (Dan. 2:18). Daniel ging auch gründlich vor. Er stellte in den Schriften, die ihm zur Verfügung standen, Nachforschungen an (Jer. 25:11, 12; Dan. 9:2).
Wachtturm – August 2023
Ist das also eine Aufforderung, auch heute aus allen christlichen Strömungen zu schauen, was Jehovah zu sagen hat? – und gleichzeitig die auszusortieren, die sich in den letzten über 120 Jahren immer und immer wieder gerirrt haben??
Daniel datiert sein Gebet auf das erste Jahr des Darius und stellt dann die Identität dieses Herrschers, seine ethnische Abstammung und sein politisches Amt dar (Vers 1). Dann wiederholt er die Jahresangabe. Für uns läßt sich daraus entnehmen, dass sich Gebete auf konkrete Situationen beziehen sollen. Beten ist nicht nur frommes Gerede, das mit den alltäglichen Erfahrungen nichts zu tun hat. Wie Daniel sollten wir für das beten, was uns gerade zu schaffen macht. Als Babylon durch die Meder und Perser erobert wurde, war es zu dramatischen Veränderungen gekommen. Inzwischen schrieb man des erste Jahr der neuen Herrschaft, und Daniel wartete gespannt auf das, was nun geschehen würde. Er kannte die Prophezeiungen Jeremias (Jer 25,10–14) und wußte, dass die Gefangenschaft seines Volkes 70 Jahre dauern sollte. Dieser Abschnitt näherte sich dem Ende, denn er selbst lebte nun schon seit fast 70 Jahren in Babylon. Er war im Jahr 605 v. Chr. nach Babylon verschleppt worden. Inzwischen schrieb man das Jahr 538/537 v. Chr. Die Lektüre der Schriftrolle des Propheten Jeremia trieb Daniel ins Gebet (Vers 2). Es wäre gut, wenn wir seinem Beispiel folgen würden. Gottes Wort enthält froh machende Zusagen, auf die wir uns jederzeit im Gebet berufen können, damit sie sich in unserem Leben und in der Gemeinde erfüllen.
William H. Shea_2019 – Studienreihe zur Bibel — Das Buch Daniel
„Im ersten Jahr Darius‘, des Sohnes Ahasveros‘, aus dem Geschlecht der Meder, der über das Reich der Chaldäer König geworden war …“ (9,1). 68 Jahre waren vergangen, seitdem Daniel beim Fall Jerusalems gefangen genommen worden war. Daniel hatte die Auferstehung und den Fall Babylons, des ersten Weltreiches, gesehen. Persien, das zweite Weltreich, hatte jetzt die Vorherrschaft erlangt. In diesem Königreich hatte Daniel eine hohe, autoritäre Position über die Fürsten des Reiches inne. Doch weder seine gehobene Stellung, noch die beanspruchenden staatlichen Angelegenheiten konnten auch nur für einen Moment seine brennende Liebe für das Volk Gottes oder seinen Glauben in das sein Volk betreffende Wort Gottes dämpfen. „Im ersten Jahr seiner Regierung verstand ich, Daniel, in den Schriften die Zahl der Jahre, bezüglich derer das Wort des HERRN an den Propheten Jeremia ergangen war, dass nämlich 70 Jahre für die Verwüstung Jerusalems vollendet werden sollten“ (9,2). Wir haben bereits gesehen, dass Daniel ein Mann des Gebets war. Jetzt erfahren wir, dass er ebenso jemand war, der die Schriften studierte. Obwohl er selbst ein Prophet war, war er bereit, auf andere inspirierte Propheten Gottes zu hören und die Gedanken Gottes in den Büchern der Schrift zu erfahren. So kommt es, dass er beim Lesen des Buches Jeremia entdeckt, dass das Land Israel nach dem Fall Jerusalems in den Tagen Jojakims 70 Jahre zur Einöde werden würde und am Ende dieser siebzig Jahre der König von Babylon gerichtet und das Land der Chaldäer verwüstet werden würde (Jer 25,1.11.12). Darüber hinaus lernt Daniel, dass nicht nur Babylon gerichtet werden würde, sondern dass der HERR zu Jeremia geredet hatte: „Sobald siebzig Jahre für Babel voll sind, werde ich mich euer annehmen und mein gutes Wort an euch erfüllen, euch an diesen Ort zurückzubringen“ (Jer 29,10). Daniel macht diese wichtige Entdeckung im ersten Jahr des Darius. Die eigentliche Rückkehr fand, wie wir wissen, zwei Jahre später im ersten Jahr des Kores statt (Esra 1,1). Zu diesem Zeitpunkt kann es keine aktuellen Ereignisse gegeben haben, die Hoffnung auf eine Rückkehr gerechtfertigt hätten. Dass Gott sich seines Volkes in der Gefangenschaft annehmen und ihnen einen Weg zur Rückkehr eröffnen würde, erkennt er „in den Schriften“, nicht durch die Umstände. Er hatte gerade die Vernichtung des Königs von Babylon und den Fall seines Reiches gesehen, doch er stellt keine Spekulationen über die erschütternden Ereignisse, die um ihn herum stattfinden, an. Auch strebt er nicht danach, aus diesen für das Volk Gottes vorteilhafte Schlussfolgerungen zu ziehen. Er wird in seinem Verständnis von der Schrift, dem Gottes Wort, geleitet, ob die Umstände für oder gegen die Verheißungen Gottes sprechen. Das Wort Gottes ist der wahre Schlüssel zur Prophetie. Wir müssen Prophezeiungen weder durch sich ereignende Umstände erklären, noch die Erfüllung der Prophezeiungen abwarten, um sie auszulegen.
Hamilton Smith – Das Buch Daniel
Der Hintergrund des Kapitels wird in den Versen 1-2 beschrieben. Vers 1 nennt das Datum: Im ersten Jahr des Darius, des Sohnes des Ahasveros , aus dem Geschlecht der Meder, der zum König über das Reich der Chaldäer ernannt wurde . Daniel empfing diese Vision im Jahr 539/538 v. Chr., dem ersten Jahr des Darius. Seit dem Beginn der Babylonischen Gefangenschaft im Jahr 605 v. Chr. waren etwa siebenundsechzig Jahre vergangen. Daniel war etwa einundachtzig Jahre alt und hatte sich bis dahin mit folgenden Visionen beschäftigt: 602 v. Chr., Nebukadnezars Traumbild (2:1-45); 553 v. Chr., die vier Tiere und der Alte der Tage (7:1-28); und 551 v. Chr., der Widder und der Ziegenbock (8:1-27). Jetzt, im Jahr 539 v. Chr., nach dem Fall Babylons , sollte er eine weitere Vision erhalten. Der damalige König war Darius, der Sohn des Ahasverus . Ahasverus ist die biblische Wiedergabe des altpersischen Namens Khashayarsha, der im Griechischen als Xerxes wiedergegeben wird. Einige englische Bibelübersetzungen, wie die NIV und die Berean Standard Bible, verwenden diesen griechischen Namen in Daniel 9:1. Diese Wiedergabe ist jedoch unglücklich, weil sie den Ahasverus von Daniel 9 mit dem Ahasverus von Esther 7,5 und 8,1 und Esra 4,4-6 verwechselt. Bei diesem Ahasverus handelte es sich um Xerxes I. (reg. 485-465 v. Chr.), den Sohn des persischen Königs Darius I. . In Esther und Esra war also Darius der Vater und Ahasverus der Sohn. In Daniel war Darius der Sohn und Ahasverus der Vater. Einige Gelehrte haben Daniel fälschlicherweise beschuldigt, die persischen Könige aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Namen und Abstammung miteinander zu vermengen. Newsom , der an eine spätere Abfassung der Schriften Daniels glaubt, stellt zum Beispiel fest: „In der Abfolge der persischen Könige war Darius I. der Vater von Xerxes I., so dass der Autor die Namen entliehen und die Reihenfolge umgekehrt haben könnte, um die Genealogie von Darius dem Meder zu erstellen (siehe Esra 4:4-6).“ [ 407 ] Offensichtlich glaubt Newsom nicht an die Existenz einer historischen Figur mit dem Namen Darius der Meder. Wie jedoch bereits in der Diskussion über Daniel 5-6 erläutert, beziehen sich die persischen Berichte über die Eroberung Babylons auf den Darius von Daniel 9 als Gubaru . Er war aus dem Geschlecht der Meder, während sein Verbündeter, Cyrus , Perser war. Darius/Gubaru wurde zum König der chaldäischen Provinz Babylon gemacht, während Cyrus zum König des gesamten Medo-Persischen Reiches gekrönt wurde. Nach Vers 2 studierte Daniel die Schriften, die bis dahin zur Verfügung standen, darunter auch Jeremia: „Im ersten Jahr seiner Herrschaft verstand ich, Daniel, durch die Bücher die Zahl der Jahre, von denen das Wort Jehovas zu Jeremia, dem Propheten, kam, für die Vollendung der Verwüstungen Jerusalems, nämlich siebzig Jahre . Der hebräische Begriff für „Bücher“, sepharim, steht im Plural, was darauf hindeutet, dass Daniel mehr als nur die Schriftrolle des Jeremia studierte. Höchstwahrscheinlich studierte er auch Levitikus, Erste Könige, Jesaja und Hosea. Aus Jeremia hätte Daniel die Zahl von siebzig Jahren gelernt, denn der Prophet sagte zweimal voraus, dass die Babylonische Gefangenschaft sieben Jahrzehnte dauern würde (Jer. 25:10-14 ; 29:10-14 ). Aus Jesaja erfuhr Daniel von Kyrus , den der Prophet zweimal nannte (Jes 44,28 ; 45,1 ). Aus Levitikus, 1. Könige, Jeremia und Hosea hätte Daniel gelernt, dass Buße eine Voraussetzung für die Errichtung des messianischen Reiches war (Lev 26:40-43 ; 1. Könige 8:46-53 ; Jer 3:12-18 ; Hos 5:15-6:3 ). Der Prophet Jeremia war Daniels Zeitgenosse. Diese Tatsache hat einige zu der Behauptung veranlasst, dass Daniel sein Buch zu einem späteren Zeitpunkt geschrieben haben muss, da er die Schriften Jeremias nicht gekannt haben konnte und sie auch nicht als göttlich inspiriert betrachten konnte. Solche Behauptungen sind jedoch angesichts all der Beweise, die bereits für ein frühes Abfassungsdatum vorgelegt wurden, nicht stichhaltig. Tatsache ist, dass eine ganze Generation vergangen war, seit Jeremia sein Buch geschrieben hatte, und dass Gläubige schnell erkannten, ob ein Buch göttlich inspiriert war oder nicht. Daniel betrachtete die Werke des Jeremia eindeutig als das Wort Jehovas. Dies ist das erste Mal, dass Daniel den persönlichen Namen Gottes, JHWH , verwendet. Er tat dies noch sechs weitere Male in Kapitel 9, aber nirgendwo sonst in seinem Buch (9:4, 10, 13, zweimal in 14, 20). Es gibt einen guten Grund, warum Daniel in diesem Kapitel den Namen JHWH verwendet. Er betont Gott als den Bewahrer der Bündnisse. Da er durch Jeremia versprochen hatte, dass die babylonische Gefangenschaft siebzig Jahre dauern sollte , würde sie bald zu Ende sein. Daniel wusste das, weil er bei der ersten Deportation im Jahr 605 v. Chr. nach Babylon gebracht worden war . Wir schrieben jetzt das Jahr 539 v. Chr., also würde die Gefangenschaft nach Daniels Berechnungen in drei Jahren enden. Das war tatsächlich der Fall. Es gibt jedoch noch eine zweite Möglichkeit, mit den siebzig Jahren umzugehen, und zwar von 586 bis 515 v. Chr. Im Jahr 586 v. Chr., bei der dritten Deportation , wurden Jerusalem und der Tempel zerstört. Im Jahr 515 v. Chr. wurde der Tempel wiederaufgebaut. Aber Daniels Berechnungen bezogen sich auf das, was er selbst erlebt hatte. Er rechnete nicht von den Jahren der zweiten oder dritten Deportation , sondern vom Beginn der Babylonischen Gefangenschaft im Jahr 605 v. Chr. Seit diesem Jahr, so schätzte er , war die Vollendung der Verwüstung Jerusalems fast erreicht. Im Folgenden werden rabbinische Einschätzungen zur Bestimmung des siebzigjährigen Zeitraums gegeben: Die Weisen schließen aus diesem Satz, dass auch Daniel (wie Belsazar ) sich zunächst bei der Berechnung dieser siebzig Jahre geirrt hat : … Ich habe nachgedacht, was darauf hindeutet, dass er beim Nachdenken etwas erkannte, was ihm zunächst nicht klar war.
die Zahl der Jahre, usw. Ich dachte über die Berechnung der Jahre nach, denn ich dachte daran, was Jeremia (29:10) prophezeite: „Denn nach Ablauf von siebzig Jahren von Babel werde ich an dich denken“, und ich dachte, dass dieses Gedenken der Bau des Tempels ist, und dass die siebzig Jahre im ersten Jahr von Darius dem Meder enden, da das Königreich Babylon seine Hand nach Israel ausstreckte, als Nebukadnezar Jojakim besiegte, um sein Sklave zu sein. Das war im zweiten Jahr der Herrschaft von Nebukadnezar, wie der Herr sagte (Meg. 11b): „Im ersten Jahr eroberte er Ninive ; im zweiten Jahr zog er hinauf und besiegte Jojakim.“ Rechne von diesem Jahr bis jetzt, und du wirst sie [die 70 Jahre] finden. Diese Berechnung findet sich auch in der Mischna von Seder Olam (Kap. 28), und wir haben dort gelernt, dass im Todesjahr von Belsazar 70 Jahre seit dem Tag vergangen waren, an dem Nebukadnezar den Thron bestieg: siebzig minus ein Jahr seit dem Tag, an dem er Jojakim besiegte, und noch ein weiteres Jahr für Babylon, das Darius vollendete. Und als ich [Daniel] sah, dass die Erlösung nicht schneller kam, überlegte ich und rechnete und wusste, dass ich nicht nach der Eroberung Jojakims rechnen sollte, sondern nach der Zerstörung Jerusalems , wenn 70 Jahre vollendet sein werden von der Verbannung Zedekias, als Jerusalem zerstört wurde. Und es werden noch 18 Jahre kommen, denn dieses Exil war im achtzehnten Jahr, gerechnet von der Eroberung Jojakims, wie wir in Seder Olam gelernt haben: „Sie wurden im siebten Jahr verbannt; sie wurden im achten Jahr verbannt; sie wurden im achtzehnten Jahr verbannt; sie wurden im neunzehnten Jahr verbannt.“ Unsere Weisen im Traktat Megilla (11b) erklären, dass sie im siebten Jahr des Exils von Jekonja verbannt wurden, gerechnet ab der Eroberung von Jojakim, also im achten Jahr der Herrschaft von Nebukadnezar. Im achtzehnten Jahr nach der Eroberung Jojakims, dem neunzehnten Jahr der Herrschaft Nebukadnezars, wurden sie ein zweites Mal verbannt.
Die Gemara erklärt: Was ist diese Berechnung? Wie es in Bezug auf Jeremias Prophezeiung einer Rückkehr nach Eretz Jisrael geschrieben steht: „Nachdem siebzig Jahre für Babylonien vollendet sind, werde ich mich an dich erinnern und mein gutes Wort an dir erfüllen, damit du an diesen Ort zurückkehren kannst“ (Jeremia 29:10), und an anderer Stelle steht es in einer etwas anderen Formulierung geschrieben: „Im ersten Jahr seiner Herrschaft dachte ich, Daniel, in den Büchern über die Zahl der Jahre nach, die der Herr dem Propheten Jeremia angekündigt hatte, dass er siebzig Jahre der Verwüstung Jerusalems vollenden würde“ (Daniel 9,2). Er, Belsazar , rechnete wie folgt: Fünfundvierzig Jahre von Nebukadnezar und dreiundzwanzig von Evil-Merodach und zwei von ihm selbst, also insgesamt siebzig Jahre, die ohne Erlösung vergangen waren. Er war sich daher sicher, dass sich die Prophezeiung Jeremias nicht mehr erfüllen würde, und sagte deshalb: Ich werde die Gefäße des Heiligen Tempels herausnehmen und sie benutzen.
Rava sagte: Auch Daniel irrte in dieser Berechnung, wie geschrieben steht: „Im ersten Jahr seiner Herrschaft dachte ich, Daniel, in den Büchern über die Zahl der Jahre nach, von denen das Wort des Herrn an den Propheten Jeremia erging, dass er die Verwüstung Jerusalems siebzig Jahre lang vollenden würde “ (Daniel 9,2). Aus der Tatsache, dass er sagte: „Ich habe nachgedacht“, ein Begriff, der auf das Nachzählen und Berechnen hinweist, lässt sich schließen, dass er sich zuvor geirrt hatte.
Die Gemara kommentiert: Auf jeden Fall widersprechen sich die Verse in Bezug darauf, wie die siebzig Jahre zu berechnen sind. In einem Vers steht geschrieben: „Nachdem siebzig Jahre für Babylonien vollendet sind, werde ich an euch denken [ efkod] und mein gutes Wort an euch erfüllen, indem ich euch an diesen Ort zurückkehren lasse“ (Jeremia 29:10 ), was darauf hindeutet, dass die siebzig Jahre ab dem babylonischen Exil gezählt werden sollten. Und in einem anderen Vers heißt es: „Dass er für die Verwüstung Jerusalems siebzig Jahre vollenden würde“ (Daniel 9:2 ), was darauf hinweist, dass die siebzig Jahre von der Zerstörung Jerusalems an gerechnet werden .
Und im Buch Daniel (9,2) steht geschrieben: „siebzig Jahre bis zur Zerstörung Jerusalems “ – dieselbe Anzahl von Jahren, die Gott dem Propheten Jeremia zugesagt hatte.
Von der Zerstörung Jerusalems : Das Exil von Tzidkiyahu, als die Stadt niedergebrannt wurde. Und es steht ausdrücklich darin geschrieben, dass man von der Zerstörung Jerusalems an rechnen muss. Wie es geschrieben steht (Daniel 9:2), „nach Ablauf von siebzig Jahren für die Zerstörung Jerusalems.“
Nach Goldwurm lassen sich die rabbinischen Einschätzungen der Prophezeiungen Jeremias bezüglich der siebzig Jahre wie folgt zusammenfassen. Die erste Möglichkeit ist, dass Babylon siebzig Jahre nach dem Beginn der Herrschaft Nebukadnezars fallen würde (Jer. 25:12 ). Die zweite Möglichkeit ist, dass die Verbannten siebzig Jahre nach der ersten Unterwerfung Jerusalems durch Nebukadnezar zurückkehren dürfen (Jer. 29:10 ). Die dritte Möglichkeit ist, dass der Tempel siebzig Jahre nach seiner ursprünglichen Zerstörung wieder aufgebaut wird (Dan. 9:2).
Wie immer ist es am besten, das Wort Gottes so zu nehmen, wie es geschrieben steht. Was Daniel in 9:2 sagt, ist Folgendes: Obwohl das Buch Jeremia erst eine Generation vor den in Daniel 9 beschriebenen Ereignissen fertiggestellt wurde, erkannte Daniel es als das inspirierte Wort Gottes an. Jeremia prophezeite, dass Jerusalem siebzig Jahre lang verwüstet werden würde (Jer 25,11-13 ; 29,10 ). Daniel berechnete, dass sich die siebzig Jahre ihrem Ende näherten, denn die ersten Gefangenen waren 605 v. Chr. nach Babylon verschleppt worden und wir schrieben jetzt das Jahr 539 v. Chr., siebenundsechzig Jahre nach diesem Ereignis.
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