Schlagwort: Bibel

Bist du wirklich frei? – II

Vor dem Gericht Gottes gibt es also keine Verurteilung mehr für die, die mit Jesus Christus verbunden sind. Denn dort, wo Jesus Christus ist, gilt: Du bist befreit von dem Gesetz, das von der Sünde missbraucht wird und zum Tod führt. Denn du stehst jetzt unter dem Gesetz, in dem der Geist Gottes wirkt, der zum Leben führt. Das Gesetz konnte uns Menschen kein Leben bringen, weil es gegen unsere selbstsüchtige Naturd nicht ankam. Deshalb sandte Gott seinen Sohn in der leiblichen Gestalt von uns selbstsüchtigen, der Sünde verfallenen Menschene und ließ ihn sterben als Opfer für die Sündenschuld. So machte er der Sünde den Prozess ebendort, wo sie ihre Macht entfaltet hatte: in der menschlichen Natur.
Gute Nachricht Bibel 2018 – Röm 8,1–3

Müssen wir denn nun noch damit rechnen, verurteilt zu werden? Nein, für die, die mit Jesus Christus verbunden sinda, gibt es keine Verurteilung mehr. Denn wenn du mit Jesus Christus verbunden bist, bist du nicht mehr unter dem Gesetz der Sünde und des Todes; das Gesetz des Geistes, der lebendig macht, hat dich davon befreit. Das Gesetz des Mose war dazu nicht imstande; es scheiterte am Widerstand der menschlichen Natur. Deshalb hat Gott als Antwort aufd die Sünde seinen eigenen Sohn gesandt. Dieser war der sündigen Menschheit insofern gleich, als er ein Mensch von Fleisch und Blut war, und indem Gott an ihm das Urteil über die Sünde vollzog, vollzog er es an der menschlichen Natur.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Römer 8,1–3

Folglich ist jetzt für die mit dem Messias Jesus Verbundenen keine Verdammnis vorhanden. Denn die Gesetzmäßigkeit des Lebensgeistes hat dich einmal durch den Messias Jesus von der Gesetzmäßigkeit der Verirrung und des Todes freigesetzt. Während nämlich das Ohnmächtige am Gesetz mittels der menschlichen Natur schwach macht, hat Gott das Urteil über die Verirrung in der menschlichen Natur vollstreckt, da Er den eigenen Sohn mit Ähnlichkeit zur verirrten menschlichen Natur und in bezug auf Verirrung geschickt hat, sodass der Rechtsanspruch des Gesetzes einmal unter uns erfüllt worden ist, die nicht in Rücksicht auf die menschliche Natur, sondern geistgemäß ihr Leben führen.
Andreas Eichberger – Gottes Agenda – Römer 8:1–4

weitere Bibelstellen – hier von 2020

Nun fragt man sich natürlich: Muß ein Gläubiger sein ganzes Erdenleben lang enttäuschende Niederlagen gegen die Sünde hinnehmen (Röm 7,21-25)? Gibt es keine Macht, die ihm hilft, sie zu besiegen? Die Antwort auf die erste Frage lautet „nein“, die Antwort auf die zweite „doch“. In Kap.8 beschreibt Paulus das Wirken des Heiligen Geistes, der dem Menschen – neben der Sünde – ebenfalls innewohnt. Er ist die Quelle der göttlichen Macht, er vollbringt die Heiligung im Menschen und ist das Geheimnis für den Sieg des Geistes im Alltagsleben. Doch zunächst erinnert Paulus seine Leser nochmals daran, daß es nun – da wir durch Jesus Christus, unsern Herrn, befreit sind (Röm 7,25) – keine Verdammnis (katakrima, „Strafe“) für die, die in Christus Jesus sind, mehr gibt, da sie an Christus glauben und ihm gleich geworden sind (vgl. Röm 6,13; Joh 5,24). Sie sind gerechtfertigt und für gerecht erklärt, stehen in der Gnade Gottes (Röm 5,2), nicht mehr unter seinem Zorn (Röm 1,18), und besitzen das ewige Leben (Röm 5,17-18.21). Christus gibt all denen Sicherheit, die ihm durch den Glauben gleichgeworden sind.

Das Wort denn (gar) verbindet die Wendung „in Christus Jesus“ in diesem Satz mit derselben Wendung in Vers 1. Auf dem Hintergrund des persönlichen Kampfes mit der Sünde, den Paulus in Röm 7,7-25 beschreibt, ist der „lebendig machende Geist“ in Röm 8,2 eindeutig als der Heilige Geist Gottes zu verstehen und nicht etwa als der Geist des neuen Menschen, zu dem der Glaubende wird. Der Heilige Geist ist diejenige Person der dreieinigen Gottheit, die den Menschen zum Wiedergeborenen macht (Tit 3,5) und ihm ein neues Leben (Joh 3,5-8) – das Leben der Auferstehung Jesu Christi (Röm 6,4.8.11) – schenkt. (In Röm 8,2 ist erstmals seit Röm 5,5 wieder vom Heiligen Geist die Rede, doch dafür wird er zwischen Röm 8,2 und Röm 8,27 achtzehnmal erwähnt.) Das Gesetz des Geistes („Prinzip“; vgl. Röm 7,23) hat dich frei gemacht (der griechische Aorist bezeichnet eine Handlung, die ein für allemal geschehen ist) von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Das „Gesetz der Sünde“ ist gleichzeitig das „Gesetz des Todes“, weil die Sünde, wie Paulus wiederholt sagt, zum Tode führt (Röm 5,15.17.21; Röm 6,16.21.23; Röm 7,10-11.13; Röm 8,6.10.13). Als das Gesetz der Sünde steht es in Gegensatz zum Geist; als das Gesetz, das zum Tod führt, widerspricht es dem Geist, der das Leben gibt. Statt des mit dich übersetzten Pronomens steht in manchengriechischen Handschriften „uns“ oder auch „mich“. Dieser Unterschied ist jedoch unwesentlich; die Wahrheit, von der hier die Rede ist, gilt für alle Gläubigen.

Paulus sagt seinen Lesern auch, wie sie in den Besitz der Freiheit, die die Christen haben, kommen können. Wieder verweist er zunächst auf die Unmöglichkeit, sie auf dem Weg über das mosaische Gesetz zu erlangen. Dem Gesetz war es unmöglich, die Menschen von der Sünde zu befreien. Es war zwar nicht selbst schwach (wie manche Übersetzungen nahelegen), denn es war ja gut (Röm 7,12). Doch weil das Fleisch sündig ist, kann das Gesetz es nicht erlösen. „Sündiges Fleisch“ ist die Übersetzung des griechischen Begriffs sarx, der sich bei Paulus sowohl auf die Verderbtheit als auch auf die Schwäche der Menschen beziehen kann (vgl. Röm 7,5.18.25; Röm 8,3-9;12-13).
Gott aber erlöste die Menschen von der Sünde, indem er seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches sandte. Jesus wurde nicht „in sündigem Fleisch“, sondern „in der Gestalt des sündigen Fleisches“ gesandt. Seine menschliche Natur war vor dem Prinzip der Sünde, das seit Adam alle Menschen quält, geschützt (vgl. Lk 1,35). Er kam um der Sünde willen (peri harmartias); mit anderen Worten, um etwas gegen die Sünde zu unternehmen. Durch seinen Tod am Kreuz verdammte er die Sünde (katekrinen, „sprach ein Urteil über“; vgl. katakrima, „Strafe“, Röm 8,1), so daß die, die in Christus sind, nicht verdammt sind. Das tat er, damit die Gerechtigkeit – ein Leben in Heiligung (3Mo 11,44-45;19,2; 3Mo 20,7) -, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist. Die Erlösung aus der Knechtschaft der Sünde geschah durch den Tod Jesu Christi, doch die Manifestation dieser Befreiung im Alltagsleben wird erst durch die Macht des Heiligen Geistes möglich.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Das »also« zu Beginn des Verses verweist offensichtlich zurück. Die Frage ist, wie weit zurück Paulus geht, um die nun folgende Schlußfolgerung zu ziehen. Eine Möglichkeit ist, daß er an den Inhalt von Kap. 6; 7 anknüpft. Wenn diese beiden Kapitel jedoch ein Exkurs sind, der auf die Frage zu Beginn von Kap. 6 eingeht (»Was sollen wir nun sagen? Sollten wir in der Sünde verharren, auf daß die Gnade überströme?«), dann knüpft der Beginn von Kap. 8 an die beiden Erwähnungen von »Verdammnis« in Kap. 5 (V. 16.18) an. Vine meint, »also« führe Kap. 7 fort und sei eine Schlußfolgerung dessen, was dort erklärt wurde. Dennoch merkt er an, daß der Bezug auch bis 3,19 zurückreichen könne, wo das Gesetz eingeführt wurde und wo das Urteil lautete, jeder Mund solle gestopft und die ganze Welt vor Gott als schuldig befunden werden.
    Wie weit der Anknüpfungspunkt auch zurückliegen mag, auf den Paulus zurückverweisen wollte – und die Kommentatoren haben darüber die unterschiedlichsten Ansichten -, ist eines gewiß: Der Gedankengang ist fortlaufend. Es ist keine Aneinanderreihung isolierter Segmente, sondern eine frei fließende Argumentation, auch wenn es hier und da einen Exkurs zu Illustrationen eines Details gibt. Paulus will die Wahrheit der Glückseligkeit des neuen Lebens in Christus aufzeigen und verdeutlichen, wie Gott dieses neue Leben allen zur Verfügung stellt, die an Christus glauben.
    Verdammnis ist das Urteil über alle, die ihren eigenen Weg gehen wollen und nicht bereit sind, sich auf die Barmherzigkeit Gottes zu werfen. Vertrauen auf das Gesetz kann nicht erretten. Auch verdienstliche Werke nützen nichts. Wenn man das Prinzip des Glaubens ignoriert oder verwirft, muß das Gericht folgen. Wer »in Christus Jesus« ist, den trifft hingegen keinerlei Verdammnis. Wer mit Christus identifiziert wird und wessen geistliche und ewige Stellung mit Ihm verbunden ist, wird niemals in irgendeiner Form vor Gericht stehen. Der Heiland sagte: »Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht« (Johannes 5,24). Nichts könnte eindeutiger sein. Was Paulus hier den Römern schreibt, ist wirklich eine Wiederholung dieser gewaltigen Aussage. Es ist der Rettungsanker der Seele.
    Das kleine Wort »jetzt« ( nyn ) trennt die neue Lebensweise von der alten. Das Vergangene, auf das Paulus sich bezieht, stand unter dem Urteil von Tod und Endgericht. Das Neue, das Paulus nun erläutert, ist frei von jedem Aspekt des Alten, und die großartigen Worte des ersten Verses bestätigen, daß »jetzt keine Verdammnis« ist.
    Der TR bringt noch einen weiteren Teil des Verses, der als Einfügung verstanden und ausgelassen werden sollte (»… die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist«; Luther12). Wir finden ihn in V. 4 wieder, wo sein rechtmäßiger Platz ist. Darby merkt an: »Wäre es ein Teil des Textes, müßte das Griechische übersetzt werden: ‚Da ist keine Verdammnis für jene, die in Christus Jesus nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.’« Dies sollte als Beschreibung des Wandels jedes wahren Gläubigen verstanden werden. Wer in Christus gestorben ist, wandelt nunmehr in Neuheit des Lebens (6,4).

Die Erwähnung von »keine Verdammnis« bringt von Anfang an Frieden für den Geist und bahnt den Weg zur Erkenntnis eines neuen, inneren Gesetzes. In Kap. 7 wurde gesagt, daß das Gesetz des Sinnes aufgrund der Sünde und des Fleisches nichts ausrichten konnte. Nun wird jedoch eine neue Kraft vorgestellt. Das neue Leben hat ein neues Gesetz. Das Gesetz der Sünde und des Todes (7,21-23) führte unweigerlich zur Verdammnis. Nun spricht Paulus von einem neuen herrschenden Prinzip: das Gesetz des Geistes des Lebens. Im Gläubigen gibt es eine Kraft, die alle anderen Gesetze und motivierenden Prinzipien übersteigt. Der innewohnende Geist Gottes ist eine aktive Kraft, die den lebensspendenden Geist auszeichnet. Diese Kraft wirkt im Gläubigen als Gesetz und als belebender Geist. Sie gibt und fördert das Leben. Morris führt mit einem Zitat von Manson einen exzellenten Kommentar über die von Paulus erwähnten Gesetze an: »Das mosaische Gesetz ist gerecht, aber kraftlos; das Gesetz der Sünde hat Kraft, ist aber ungerecht; das Gesetz des Geistes ist beides: kraftvoll und gerecht.«
    Der Ausdruck »in Christus Jesus« wird wiederholt und betont somit wiederum die Verbindung mit Christus. Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat Freiheit gebracht. Es ist eine befreiende Macht. Es ist eine lebensspendende Kraft. Der Frieden, um den es hier geht, ist keine fortschreitende Erfahrung. Das Verb steht hier im Aorist, was auf eine vergangene Zeit zurückweist, als dieser Frieden erworben wurde. Das geschah, als der Glaubensschritt getan und das neue Leben empfangen wurde, als der Geist im Gläubigen Wohnung nahm. Doch die Freiheit vom Gesetz der Sünde und des Todes kann man erst dann erfahren, wenn man diese Kraft erkennt.
    Das Gesetz der Sünde und des Todes wurde in Kap. 7 als Verderben bringende Macht gesehen. Diese tyrannische Kraft veranlaßte Paulus zu dem Aufschrei: »Ich elender Mensch!« Nun sehen wir, daß sie einer noch viel größeren Macht untergeordnet ist. Sie kann nicht mehr den Gläubigen gewaltsam beherrschen und seinen Willen kontrollieren. Es gibt nun eine größere Macht, die in ihm und für ihn wirkt.
Die Verwendung von »denn« stellt sicher, daß der Gedankenfluß von Paulus‘ Argumentation beständig weitergeht. Er macht nun deutlich, daß das Gesetz eine Schwäche hatte. Es war unfähig, das zu erreichen, wozu es gegeben worden war. Es konnte keine Freiheit bringen und war kraftlos. Nun wird begründet, warum es die erwünschten Ergebnisse nicht erzielen konnte: Es war durch das Fleisch kraftlos. Wie wir in 7,12 lasen, gab es eigentlich nichts Falsches am Gesetz. Es war heilig, gerecht und gut. Doch das Fleisch befolgte nicht seine Verordnungen, sondern rebellierte und verweigerte die Unterwerfung unter das Gesetz. Die Gebote dienten nur zum Anreiz zur Sünde aus Trotz gegenüber den Forderungen des Gesetzes.
    Gott erlitt jedoch durch eine solche Rebellion keine Niederlage; das wäre undenkbar. Die Unfähigkeit des Gesetzes, das erstrebte Ziel zu erreichen, zwang Gott nicht zu Notfallmaßnahmen. Er hatte einen Plan. Er tat, was das Gesetz nicht tun konnte, und Er tat es, indem Er Seinen eigenen Sohn sandte. In Ihm gab es keine innere Schwachheit. Er war Gott und vollkommener Mensch. Die enge Verbindung zwischen dem Vater und dem Sohn wird durch die Verwendung von heautou (»von ihm«, »sein eigen«) betont. Es war kein Engel, den Er sandte, sondern Sein eigener Sohn, und Er kam als Mensch in diese Welt.
    Das Ausdruck »in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde« hat vielen Schwierigkeiten bereitet. Das Wort, das mit »Gleichheit« übersetzt wurde ( homoiôma ), ist bereits dreimal in diesem Brief vorgekommen (1,23; 5,14; 6,5). Wir finden es auch in Philipper 2,7 : »in Gleichheit der Menschen geworden«, und in diesem Sinne verwendet Paulus es offensichtlich hier. »Gleichheit« sollte nicht als »Ähnlichkeit« (Schlachter) verstanden werden. Zwar unterschied Christus sich wesentlich vom Menschen, aber Er war wahrer Mensch, nur ohne Sünde. Zweifellos ist dieser Ausdruck zur Beschreibung Seiner Person sehr reichhaltig, und die Tiefen der Bedeutung sind unergründlich. Aber die Schrift bietet genug Belege, die sowohl Seine Identifikation mit dem Menschen belegen als auch den wesensmäßigen Gegensatz beschreiben. Die erhabene Tatsache bleibt jedenfalls bestehen, daß Gott das tat, was das Gesetz nicht tun konnte. Er tat das, indem Er Seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des sündigen Fleisches sandte.
    Nun wird der Zweck Seines Kommens erklärt. Er kam, um das Problem der Sünde zu lösen. Albrecht fügt hier »als Opfer« ein, was zweifellos dem Sinn entspricht. Der Apostel sagt das jedoch nicht, und vielleicht ist es besser, die beiden Wörter »für Sünde« so zu verstehen, daß sie das ganze Problem der Sünde umfassen. Das Ergebnis Seines Kommens war, daß Er die Sünde verurteilte. Jede Sünde mit allen ihren Aspekten, im Fleisch und in jeder anderen Sphäre, wurde unter das Verdammungsurteil gebracht und zum letzten Gericht bereitet. Das tat Er, indem Er selber Fleisch annahm. Sein unbeflecktes Leben war eine Verurteilung der Sünde, und Sein Opfer am Kreuz war das Sündopfer, durch das Er das Problem der Sünde zur Ehre Gottes löste. Der Schreiber des Hebräerbriefes machte dies deutlich, als er schrieb: »… jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer … also wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Seligkeit« (9,26.28).

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

Der Inhalt der neuen Verkündigung des Paulus ist hinfort jene gewaltige Botschaft: „Es gibt keine Verurteilung mehr!“ „Sie gilt im vollen Umfang für alle, „die in Christus Jesus sind“. Solange der Mensch sich selbst überlassen bleibt, dient er mit seinem Fleische dem Gesetz der Sünde. Damit steht er aber auch unter dem Gericht der Sünde, unter dem katakrima, unter der Verurteilung. Mit dem Eintritt Christi in das Leben aller Glaubenden wurde das katakrima nun zum „ouden katakrima“, zur „keine Verurteilung mehr“. Was der Mensch zu seiner Erlösung bedarf, ist mithin die totale Aufhebung seiner Verurteilung und des damit verbundenen Gerichts.
Auf sich selbst gestellt, autos ego, oder wie der Mensch in sich selber ist, steht er nach Schlatter unter „einer Mehrzahl göttlicher Verurteilung“. Jede wird aber aufgehoben, sobald Christus durch seinen Ruf Menschen in ihrem bisherigen Fleischesleben überreden und in ihnen sein Sterben und sein Leben wirksam machen kann. Nun wird deren Wollen und Denken von Gott aus bestimmt.
Denn im Gegensatz zum Geist des knechtenden Gesetzes ist das Wirken des göttlichen Geistes schöpferisch. Da er der Geist des Lebens ist, wirkt er das Leben. Sein Wirken muss mithin zur Aufhebung eines jeden verdammenden Urteils werden. Dem Menschen des Glaubens erschließt sich hinfort jene neue Welt, die allein durch die Schöpferkraft des göttlichen Geistes entstehen und wirksam werden kann. Wird von Paulus in allen seinen Ausführungen das Fleisch als das eigentliche Herrschaftsgebiet der Sünde und des Todes bezeichnet, so versteht er unter diesem Fleisch nicht etwa nur des Menschen natürliche Leiblichkeit. Fleisch ist die irdisch gerichtete Gesinnung, die Gestaltung des menschlichen Seins und Lebens ohne Gott. Das Leben des Menschen in seinem unerlösten Zustand ist das Herrschaftsgebiet der Sünde, des Todes und des Gerichts.
Die Welt des Fleisches wird beherrscht durch die Machtentfaltung der Sünde. Sie herrscht hier gleichwie eine Königin und drückt jeder Entfaltung des Lebens ihren Stempel auf. Sie ist ihrem Wesen nach weit mehr als nur eine Summe von Verfehlungen oder als dieser und jener unüberlegte Ungehorsam. Sünde ist Zustand: dauerndes Handeln wider Gott, widergöttliche Kraftentfaltung der Gesinnung und der Energien des menschlichen Geistes. Wo Sünde ist, muss daher auch unbedingt Gesetz sein. Mithin ist die Welt des Fleisches auch der Lebensraum des Gesetzes. In der Welt des Fleisches kann alles Leben und jede Entwicklung nur unter Gesetz auferbaut und erhalten werden. Gesetzlich ist das Verhältnis des Menschen zu Gott, das ganze Gebiet der Religion, also das religiöse Leben. Gesetzlich bestimmt wird auch das Verhältnis von Mensch zu Mensch: die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft, der Gesellschaft und des staatlichen Lebens, also das ethische Leben. Der Buchstabe aber, sagt Paulus, das Gesetz tötet. Die Welt des Fleisches ist daher auch die Machtsphäre des Todes. Man sucht das Leben zu gewinnen, findet aber den Tod. Wie sich diese drei Machtbereiche in der Welt des Fleisches auswirken, erkennt der Mensch erst dann, wenn er auf den Ruf Gottes hin und im Glauben an eine höhere Kraft den Kampf mit Sünde, Gesetz und Tod aufzunehmen wagt.
Niemand hat diesen inneren Kampf des Menschen so zu schildern vermocht wie der Apostel Paulus. Es liegt ja das, was er in Röm 7 schildert, auf derselben Linie wie das, was er im dritten Kapitel seines Philipperbriefes beschreibt. Auch in jenen Jahren, wo er unter dem Gesetz stand, hatte er versucht, Gott zu dienen. Er vermochte es jedoch nicht; daher auch der tiefe Aufschrei seiner Seele: „Ich unglückseliger Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Todesleibe!“ Es war nicht so sehr ein Aufschrei unter seiner schwachen Leiblichkeit: es war der Verzweiflungsschrei seines menschlichen Unvermögens allem Göttlichen gegenüber. Er hatte gefunden, dass das Gesetz als solches ihm keine Erlösung bringen konnte. Bedingungslos und ohne Widerspruch hatte er sich als strenger Pharisäer dem Gesetz unterstellt. Der Versuch war von ihm gemacht worden, durchs Gesetz jene Gerechtigkeit und jene Erlösung zu finden, die vom Alten Bund verheißen waren. Alle seine Anstrengungen waren jedoch vergeblich gewesen. Sein gegenwärtiges, wunderbares Bekenntnis lautet nun: „Gott sei Dank! Er hat’s getan durch Jesus Christus, unseren Herrn!“ Dies ist das Zeugnis, das wir hinfort dauernd in seinen Ausführungen haben. Ob es sich handelt um des Menschen Rechtfertigung vor Gott – sie ist gebunden an Christus. Ob es sich handelt um den Kampf mit dem Fleisch, auch er ist gebunden an die Person des gekreuzigten und auferstandenen Herrn.
In wunderbarer Kraft führt der Apostel diese innere Wendung seines Lebens in unserem achten Kapitel aus. Ihm hat sich eine andere Welt als die bisherige mit ihren drei Machtbereichen erschlossen: es ist die Welt des Geistes auf Grund der Lebensgemeinschaft mit Christus. Hier herrscht jenes Leben des Glaubens, des Geistes und der Kraft, das aus der Lebensgemeinschaft mit Christus entsteht.
Auf demselben ruht nicht mehr das katakrima, die Verurteilung. Darum kann Paulus am Anfang seiner Ausführungen auch sagen: „Es gibt nun keine Verurteilung mehr für diejenigen, welche in Christus Jesus sind.“ Das ist das Herz des paulinischen Evangeliums. Wohl spricht der Apostel von der Vergebung der Sünden. Er spricht auch von allen anderen Segnungen in Christo und durch Christus. Das Zentrum seiner Botschaft ist aber die korrespondierende Lebens- und Geistesgemeinschaft mit Christus. Alles andere verschloss entweder den Weg zu dieser Gemeinschaft, oder es waren immer nur Begleiterscheinungen dieser Gemeinschaft. Auch innerhalb der Kirche Christi ist man vielfach zu sehr stehengeblieben bei den einzelnen Segnungen. Man hat zu wenig die Erkenntnis gewonnen für jenes eigentliche Zentrum des Evangeliums, aus dem alle Segnungen fließen, nämlich für das Sein in Christus.
Was durch die große Gottestat geschehen sollte, indem der Vater der Barmherzigkeit seinen Sohn gab, und was durch die freiwillige Opfertat vollbracht wurde, die Jesus auf Golgatha vollzog, war unendlich Höheres und Wesentlicheres als den Menschen nur von seinen Sünden zu erlösen. Gott wollte ihn für die neue Kindesstellung erretten und damit in die korrespondierende Gemeinschaft mit Christus, dem Erstgeborenen unter vielen Brüdern, versetzen. In dieser Heils- und Glaubensstellung wollte er alsdann selbst mit denen Gemeinschaft pflegen, die einst verlorene Söhne waren, nun aber den Weg ins Vaterhaus zurückgefunden hatten. Was Gott mithin dauernd herbeisehnt, ist: Umgang mit den heimgefundenen, ihm im Geiste verwandten Söhnen. Denn nur Geistesverwandten kann Gott sich in dem pleroma, in der Fülle seiner Heilsoffenbarung, mitteilen.
Nach diesem Sichanvertrauenkönnen sehnt sich Gott. Er hat noch Unendliches, was er denen, die im Sohnesverhältnis zu ihm stehen, offenbaren möchte. In gewisser Hinsicht herrschen in der ewigen Welt dieselben Gesetze, die bereits auch hier das Leben beherrschen. Unendlich viele tragen einen Reichtum von Erfahrung, von Erkenntnis, von Leben in sich. Vergeblich suchen sie die Möglichkeit, sie auch einem anderen mitzuteilen. Erst dann wird ihnen das möglich sein, wenn sie im Nächsten eine ihrem Geiste verwandte Seele entdecken. Gott muss zunächst einen Menschen zu einer Lebens- und Geistesgemeinschaft mit Christus erlösen können, erst dann ermöglicht sich auch ihm die wahre und lebendige Gemeinschaft mit demselben.

Kroeker – Römerbrief

Römer 7:21-25 lässt den Gläubigen vielleicht mit der Frage zurück, ob er sein ganzes Leben auf der Erde damit verbringen muss, gegen die ihm innewohnende Sünde zu kämpfen. Nachdem er gelernt hat, dass das Gesetz nicht die Kraft hat, ihn zu heiligen, fragt sich der Gläubige vielleicht auch, ob es überhaupt eine Kraft gibt, die ihn von der Sünde befreien kann. Paulus beginnt mit der Beantwortung dieser Fragen, indem er in Vers 1 eine Schlussfolgerung zieht: Es gibt nun keine Verdammnis mehr für die, die in Messias Jeschua sind. Die Kombination der beiden griechischen Begriffe ara („also“) und nun („jetzt“) markiert eine interpretative Schlussfolgerung. Deshalb, d. h. im Lichte dessen, was Paulus zuvor gesagt hatte, stehen die Gläubigen nicht mehr unter dem Urteil der Verurteilung. Die Rechtfertigung hat die Schuld der Sünde beseitigt. Die Heiligung ist der Prozess, der die Macht der Sünde beseitigen wird. Deshalb werden die Gläubigen weder wegen der Schuld der Sünde noch wegen der Macht der Sünde verurteilt. Diese Aussage kann auf die logische Last von Kapitel 7 zurückgehen, oder sie kann auf jede Art von Verurteilung wegen der Schuld der Sünde (Röm. 1-5) und wegen der Macht der Sünde (Röm. 6-7) zurückgehen.

In Vers 2 erklärt Paulus, warum es für Gläubige keine Verurteilung mehr gibt: Denn das Gesetz des Geistes des Lebens im Messias Jeschua hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Das griechische Wort gar („für“) leitet die Erklärung ein. Neben dem Prinzip der innewohnenden Sünde, das im vorherigen Kapitel beschrieben wurde, gibt es ein weiteres Prinzip, das im Gläubigen wirkt: das Prinzip des Gesetzes des Geistes des Lebens im Messias. Dies ist das Gesetz, das den Gläubigen frei gemacht hat. Das griechische Wort für „frei gemacht“, eleutheroó, steht im Aorist, was bedeutet, dass die Befreiung ein einmaliges Ereignis war. Der Gläubige ist für immer von dem Gesetz der Sünde und des Todes befreit worden. Die sündige Natur ist zwar noch im Gläubigen, aber sie hat keine rechtliche Macht mehr über ihn. Der Gläubige ist von ihrer Macht gänzlich befreit worden. Der Geist, der in diesem Vers erwähnt wird, wird von Paulus mit dem griechischen Wort Pneumatos tes zoes bezeichnet, was „Geist des Lebens“ bedeutet. Der Geist besitzt zoe, was „Leben“ bedeutet. Als Geist des Lebens kann er sein Geschenk des Lebens mit seiner Schöpfung teilen. Er schenkt das ewige Leben in Messias Jeschua und macht den Menschen zu einem Teilhaber am göttlichen Leben.

In den Versen 3-4 wendet Paulus die Wahrheit über die Stellung des Gläubigen auf das Gesetz an. Der Abschnitt beginnt in Vers 3 mit einer Begründung für die Freiheit vom Gesetz: Denn was das Gesetz nicht vermochte, weil es schwach war durch das Fleisch, das hat Gott getan, indem er seinen eigenen Sohn sandte in der Gestalt des sündigen Fleisches und für die Sünde und hat die Sünde im Fleisch verurteilt. Paulus begann seine Argumentation, indem er das gesamte Kapitel 7 in einer kurzen Aussage zusammenfasste: Denn was das Gesetz nicht vermochte. Das Gesetz konnte die Heiligung nicht bewirken. Auch hier stellte Paulus klar, dass das Problem nicht beim Gesetz lag, sondern bei denen, mit denen das Gesetz arbeiten musste: den Schwachen. Das mosaische Gesetz selbst war nicht schwach. Es war das Fleisch, das schwach war. Gott löste dieses Problem, indem er seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches sandte. Der griechische Begriff für „Gleichnis“, homoióma, bedeutet „das, was wie etwas anderes gemacht ist“. Er bezieht sich auf eine Form oder Ähnlichkeit, also auf eine Ähnlichkeit. Der Messias hatte kein sündiges Fleisch, aber er sah aus wie jeder andere Mensch, weil er in der Ähnlichkeit des sündigen Fleisches kam. Der griechische Begriff lässt keine Möglichkeit der Sünde im Messias zu. Jeschua kam in der Ähnlichkeit des sündigen Fleisches, ohne tatsächlich sündig zu sein. Er kam nicht nur in der Gestalt des sündigen Fleisches, sondern er kam auch für die Sünde. Der griechische Ausdruck dafür ist peri hamartias, was in der Septuaginta ein Fachausdruck für das Sündopfer ist (z. B. Num 7,16; Ps 40,6). Der Messias kam, um das Problem der Sünde zu lösen. Damit hat er die Sünde im Fleisch verurteilt. Um es ganz persönlich zu machen: Als der Messias für unsere Sünden starb, wurden unsere Sünden auf ihn übertragen, und als der Messias für die Sünde verurteilt wurde, wurde unsere Sünde mit ihm verurteilt. Die Sünde wurde nicht nur in Verbindung mit dem Fleisch beseitigt, sondern sie wurde auch im Fleisch verurteilt. Das Ergebnis ist, dass Gläubige im Messias erfolgreich sein können, wo sie zuvor im Gesetz versagt hatten. Wenn sie versuchen, durch die Kraft des Gesetzes geheiligt zu werden, werden sie scheitern. Aber wenn sie versuchen, durch die Kraft des Geistes geheiligt zu werden, werden sie Erfolg haben.

Arnold G. Fruchtenbaum – Ariel’s Bibelkommentar

Und wieder die Frage nach der Freiheit: bibst du frei, wie Jehvoah es will, oder mußt du noch immer bestimmte Dinge unbedingt tun, um IHM zu gefallen?

„Und wenn ich mit Menschen zu tun habe, deren Gewissen empfindlich ist, verzichte ich auf meine Freiheit“

Und wenn ich mit Menschen zu tun habe, deren Gewissen empfindlich ist, verzichte ich auf meine Freiheit, weil ich auch diese Menschen gewinnen möchte. In jedem einzelnen Fall nehme ich jede nur erdenkliche Rücksicht auf die, mit denen ich es gerade zu tun habe, um jedes Mal wenigstens einige zu retten. Das alles tue ich wegen des Evangeliums; denn ich möchte an dem Segen teilhaben, den diese Botschaft bringte.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 1. Kor 9,22–23

Und wenn ich mit Menschen zu tun hatte, deren Glaube noch schwach war, wurde ich wie sie und machte von meiner Freiheit keinen Gebrauch – nur um sie für Christus zu gewinnen.
Ich stellte mich allen gleich, um überall wenigstens einige zu retten. Das alles tue ich für die Gute Nachricht, damit ich selbst Anteil bekomme an dem, was sie verspricht.
Gute Nachricht Bibel 2018 – 1. Korinther 9,22–23

Weil ich also von allem frei sein wollte und von niemandem abhängig, habe ich mich zum Sklaven aller gemacht, damit ich möglichst viele Menschen für Jesus gewinnen kann: Für die Juden bin ich ein Jude geworden, damit ich die Juden für Christus erreiche. Für diejenigen, die auf die strenge Einhaltung des mosaischen Gesetzes achten, bin ich jemand geworden, der genauso die Gesetze einhält, obwohl er durch Christus längst von dem Zwang des Gesetzes befreit wurde. Warum? Um auch diese Menschen zu Jesus zu führen. Genauso habe ich mich gegenüber den nichtjüdischen Völkern verhalten, die sich nicht an das Gesetz gebunden fühlen: Für sie wurde ich wie einer von ihnen, um sie unter das Gesetz Jesu zu bringen. Ich bin für die Anfänger im Glauben ein Anfänger geworden, um sie zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um wenigstens einige zu retten. Das alles habe ich gern getan, weil es mich an der Frohen Botschaft Jesu teilhaben lässt.
Fred Ritzhaupt – Willkommen daheim – 1. Kor. 9:19–23

weitere Übersetzungen des Verses….hier

Sein großes Ziel war, so viele Menschen wie möglich zum Heiland zu führen. Für dieses Ziel war er zu den größten Opfern bereit. Welch ein Beispiel für uns, die wir oft so träge, so gleichgültig und auch so selbstbewusst sind, ohne zu merken, dass wir dadurch ein Hindernis für die Verbreitung des Evangeliums sind!
Seine Haltung erläutert Paulus nun an einigen Beispielen (V. 20-22). Er passte sich seinen Zuhörern so weit wie möglich an, ohne jedoch dadurch seine Abhängigkeit vom Herrn aufzugeben. Wenn er den Juden das Evangelium verkündigte, dann tat er es als Jude, der er ja von Geburt war. Einem möglichen Einwand, dass dies ja nichts Besonderes sei, begegnet er mit dem folgenden Beispiel:
„… denen, die unter Gesetz sind, wie unter Gesetz (obwohl ich selbst nicht unter Gesetz bin), damit ich die, die unter Gesetz sind, gewinne …“ So ließ er Timotheus um der Juden willen beschneiden, obwohl er selbst bei einer anderen Gelegenheit verkündigte, dass die Beschneidung für den Christen keinerlei Bedeutung hat (Apg 16,3; L Kor 7,19). Bei den Heiden, die das Gesetz nicht kannten, setzte er weder die Kenntnis des Gesetzes voraus, noch verhielt er sich wie einer, der unter Gesetz steht. Wenn er auch nicht mehr wie früher als Jude unter dem Gesetz vom Sinai stand, so bedeutete das nicht, dass er gesetzlos war, denn auch jetzt war er vor Gott nicht ohne Gesetz, sondern er war Christus gesetzmäßig unterworfen. Zwischen ihm und seinem Herrn bestand ein festes und enges Band, denn er war ein Sklave Christi. Als drittes Beispiel erwähnt er die Schwachen, von denen er bereits in Kapitel 8 zu den Korinthern gesprochen hatte. Wenn sie sich über ihre schwachen Brüder hinwegsetzten, so ging Paulus auf schwache Ungläubige ein. Alles dies tat er, um so auf jede mögliche Weise Menschen durch das Evangelium der Gnade zu erreichen und zu retten, damit er sich an dessen Früchten erfreuen könnte.

Hilfe und Nahrung – 2000

In seinem Verweis auf die Juden und Heiden in den vorhergehenden Versen hat Paulus erklärt, daß er freiwillig darauf verzichtet, die Freiheit, die er eigentlich hat, in Anspruch zu nehmen, wenn er auf diese Weise Ungläubigen das Evangelium nahebringen kann. Nach Ansicht mancher Exegeten bezieht sich der Ausdruck „die Schwachen“ in diesem Vers auf die Ungläubigen – sowohl unter den Juden als auch unter den Heiden, und Paulus faßt hier gewissermaßen nochmals seine zuvor geäußerten Überzeugungen zusammen (vgl. Röm 5,6 ,wo „die Schwachen“ ebenfalls „Ungläubige“ genannt werden).
Plausibler ist allerdings, daß er nur von den Schwachen in Korinth spricht (vgl. 1Kor 8,9-11; vgl. Juden, Griechen und die Gemeinde Gottes in 1Kor 10,32). Sein Bemühen, sie zu gewinnen, bezieht sich diesmal nicht auf die Rechtfertigung allein durch den Glauben, zu dem Judenund Heiden ( 1Kor 9,20-21 ) erst einmal bekehrt werden mußten, sondern hier geht es ihm darum, die Korinther für die Heiligung und Reife in Christus zu gewinnen (vgl. Mt 18,15) – und sie auf diese Weise für Gottes weiteres Wirken in ihrem Leben zu retten. (vgl. 1Kor 5,5; 8,11). Daher paßt er sich den Vorschriften und Bräuchen der Verschiedenen Gruppierungen (vgl. „jedermann“ in 9,19) soweit als möglich an, und zwar je nach Situation, denn es wäre unmöglich, sowohl Juden als auch Heiden gleichzeitig zufriedenzustellen.
Er tut dies freiwillig, um so viele Hörer wie möglich für das Evangelium zu gewinnen und so als Gottes Mitarbeiter an seinem Segen teilzuhaben (1Kor 3,9) und mit Freuden die Ernte der vielen für Christus Gewonnenen einzubringen (vgl. Joh 4,36).

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Auch in der Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde gilt für Paulus solche Dienstbarkeit aus Freiheit. Er geht auch den Weg der »Schwachen« mit, die noch Hilfen in der Nachfolge brauchen. Er will auch ihnen zu voller Freiheit helfen, sie »gewinnen« für ein ganz vom Geist Gottes durchpulstes Leben. Deshalb setzt er sich für sie in besonderer Weise ein (vgl. Röm 14; 15,1–13; und 1 Kor 8,7 ff.): »Ich bin allen alles geworden«, so faßt der Apostel seine in werbender, dienender Liebe gelebten Schritte mit den Menschen zusammen mit der Zielangabe: »damit ich auf alle Weise etliche rette«. Nicht alle werden so für das Evangelium gewonnen, aber einige. Sehr nüchtern sieht der Apostel auch die Grenzen solchen Bemühens. Es gibt keine Methode, nach der alle gläubig werden. Das ist und bleibt allein Gottes erbarmende Tat (vgl. Röm 9,14ff.), aber es gibt sehr wohl für den Boten des Evangeliums Möglichkeiten, nicht selbst zum Hindernis für die Botschaft zu werden.

Um »des Evangeliums willen«, um der Rettung und Erlösung seines eigenen Lebens willen handelt und dient der Apostel so. Auch ein Apostel, auch ein Verkündiger des Evangeliums hat die Rettung nicht als sicheren Besitz, er ist nicht automatisch »teilhaftig« (wörtlich: »Mitteilhaber«) der Rettungsgnade. In großer Demut spricht hier der Völkerapostel, in die so sicheren Korinther beschämender Demut. Das gibt unserem Dienste seine persönlichste Gewichtigkeit und unserem Tun Verbindlichkeit, daß wir »dem vorgesteckten Ziel« »nachjagen« dürfen (vgl. Phil 3,14), nämlich dem vollendeten Heil im Gottesreich.

Edition C Bibelkommentar

Wie er sich „jedermann zum Knecht gemacht“ hat, verdeutlicht er nun mit mehreren Beispielen. Um …
• … Juden zu gewinnen, berücksichtigt er jüdische Sitten und Gebräuche.
• … Menschen, die „unter dem Gesetz sind“ zu gewinnen, lebt er wie einer, der einer von ihnen ist – obwohl er gar nicht „unter dem Gesetz“ ist, das Gesetz für ihn kein Weg zum Heil ist (Röm 10,4).
• … Menschen, „die ohne Gesetz sind“ zu gewinnen, lebt er auch wie einer von ihnen – obwohl er „nicht ohne Gesetz … vor Gott“ ist, weil er „in dem Gesetz Christi“ ist, also dem Liebesgebot verpflichtet ist (Gal 5,13-15; 6,2).
• … die „Schwachen“ (8,9) zu gewinnen, also die Christen mit einem schwachen Gewissen (8,7) für die der Verzehr von Götzenopferfleisch ein Problem ist, verzichtet er darauf (8,13).
Paulus ist „allen alles geworden“. Das zeigt, dass „die Akkommodation [Anpassung] um des Evangeliums willen grundsätzlich keine Begrenzungen kennt und durch nichts im voraus festzulegen ist.“ (Schrage, 347).

Warum geht Paulus so weit? „Um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben“. Er „möchte vom Heilsgeschehen des Evangeliums mitgerissen werden, mit dessen freien Lauf durch die Welt Schritt halten und nicht zurückbleiben“ (Schrage, 349).
Menschen zu „gewinnen“ und am Evangelium „teilzuhaben“ ist mit Kampf und Verzicht verbunden.

Mainka – 1. Korintherbrief

Unter allen Verschiedenheiten, auf die Paulus in seiner Arbeit stieß, war keine so tief und schwer zu überwinden wie die, die die Juden und Heiden trennte. Jene hatten im Gesetz ihren Herrn, der ihr Verhältnis zu Gott bestimmte; für diese gab es kein Gesetz Gottes. Da brauchte die Liebe Adlersflügel, um zu beiden zu gelangen, und zwar zu beiden gleichzeitig, nicht so, dass Paulus jetzt mit den Juden, hernach mit den Heiden lebte, jetzt Judenmissionar und später Heidenmissionar war; er hatte während seiner ganzen Arbeit sowohl den Juden als den Heiden zu geben, was sie verstanden und bedurften, und das Vertrauen beider zugleich zu gewinnen. Das konnte er nur so, dass er selbst in seinem eigenen Verhältnis zu Gott weder zu dieser noch zu jener Gruppe gehörte, weder dem Gesetz unterworfen noch von ihm geschieden war, sondern im Gesetz Gottes stand, wie es Christus für uns gültig machte, und den Willen Gottes als seinen eigenen Willen in sich trug.

Wäre Paulus im Streit mit dem Gesetz gestanden, so hätten die Juden zu ihm kein Vertrauen gefasst; sie hätten ihn als einen Abtrünnigen und Verächter des Gesetzes verworfen. Nun trat er zu ihnen als Jude, bekannte sich zum göttlichen Ursprung des Gesetzes und zu seiner unverletzlichen Heiligkeit, pries die Erwählung Israels so gläubig wie sie, stützte sich auf die ihnen gegebene Verheißung und schloss sich völlig an die jüdische Sitte an auch in den Stücken, die an ihr kleinlich und vergänglich waren. Die Not der Juden sah Paulus darin, dass sie am Gesetz ihren Herrn hatten und dennoch unfähig waren, sich ihm völlig zu unterwerfen; sie verbanden mit ihrem Gesetzesdienst zugleich die Auflehnung gegen das Gesetz und seine Übertretung und lebten in der heimlichen Angst vor Gott und zugleich in der beständigen Versuchung zu einer eingebildeten Gerechtigkeit. Ihnen konnte Paulus dazu helfen, dass sie sich dem Gesetz völlig untergaben, auf alle Entschuldigungen verzichteten, vom Christus die Rechtfertigung empfingen und durch ihn glauben lernten. Wäre Paulus unter dem Gesetz gestanden, so hätten die Heiden zu ihm kein Vertrauen gefasst, sondern in ihm nur den harten Bußprediger gesehen, der ihnen nehmen wolle, was sie hatten, aber nichts zu geben vermöge. Nun aber trat er unter die Heiden als ihresgleichen, rechnete ihnen ihre Gottlosigkeit und Sünde nicht vor, verkündigte ihnen vielmehr die volle Vergebung und lebte mit ihnen nach ihrer Sitte, ohne ihnen Lasten aufzulegen und sie einem äußeren Gesetz zu unterwerfen. So half er ihnen, die ohne Gesetz in der Geschiedenheit von Gott lebten, dazu, dass sie Gottes gewiss wurden, seinem Willen sich unterwarfen und für ihn ihr Leben führten.

Wer Paulus zusah, mochte sich oft wundern, wie er so verschiedenen Lagen gerecht werden konnte. Bald sah er wie ein Jude aus, bald wie ein Grieche; jetzt hielt er den Sabbat, vollzog die Beschneidung und ging nach Jerusalem in den Tempel; jetzt hielt er den Sabbat nicht, verbot die Beschneidung und war von allem Jüdischen gänzlich frei. Doch das waren keine Schwankungen, vielmehr erwuchs alles aus demselben Grund: Paulus stand im Gesetz des Christus und gehorchte ihm. Durch Christus ist dem Apostel die Liebe gegeben; in ihrer Kraft kann er weder zum Feind der Juden noch zum Feind der Heiden werden; er kann wegen der jüdischen Sünde nicht die Israel verliehene Gabe Gottes verachten und wegen der heidnischen Sünde nicht die Berufung der Heiden für unmöglich halten. Allen zeigt er Christus, in dem alles vollendet wird, was Gott den Menschen gab, und alles geheilt wird, was die Menschen verdarben. Darum vermag Paulus so Verschiedenes; denn er ist zu allem bereit und fähig, nur zu dem einen nicht, dass er das Gesetz Jesu zerbricht.

Darum sieht Paulus auch auf die Schwachen nicht mit Verachtung herab und kehrt im Verkehr mit ihnen nicht seine Stärke hervor; er achtet vielmehr darauf, wie ihr verwirrtes Gewissen urteilt, was ihre dunkle Erkenntnis fassen und ihre geringe Kraft leisten kann, und hält mit ihnen gleichen Schritt. Nichts gibt es im menschlichen Leben, was ihm für sein eigenes Verhalten gleichgültig bliebe, worauf er nicht achtete und was er nicht benützte. Mit allen tritt er in Gemeinschaft in allem. Er kann nicht fortfahren: damit ich alle gewinne; denn das ist im Auftrag, den er von Jesus hat, nicht eingeschlossen. Die Berufung, die jetzt an die Menschen ergeht, stellt eine Auswahl her. Aber das ist sein Ziel, dass er ja gewiss einigen die Hilfe bringe, die ihnen im Christus bereitet ist.

Indem die Liebe allen alles wird, trägt sie die Last der anderen. Sie kann ihre Arbeit, wie Paulus sie beschrieben hat, nicht tun ohne Anstrengung, Kampf und Schmerzen. Aber das Ziel, auf das sie schaut, überwiegt alle Bedenken und trägt über alle Beschwerden hinweg. Es handelt sich für Paulus bei seiner Apostelarbeit darum, dass die gute Botschaft auch ihm gelte, dass Christus auch für ihn gekommen, auch für ihn gestorben und verherrlicht sei und sich auch an ihm zu seinem Heil offenbare. Gilt ihm das Evangelium denn nicht schon längst? Gewiss! Schon längst hat er es gehört, und nicht nur gehört, sondern geglaubt, und weil er es glaubt, begehrt er, seiner teilhaft zu werden. Das Wort Jesu gibt uns aber ein Ziel, an das wir erst dann gebracht sind, wenn wir einst vor ihm stehen und sein Urteil empfangen. Dann wird das, was uns durch die Sendung Jesu, durch sein Kreuz, durch seine Auferstehung und durch seinen Geist bereitet ist, unser Eigentum. Darum verlangt es von uns Fleiß und Arbeit, eine solche Führung des Lebens, die uns zu unserem Ziel bringt. Dazu rechnet Paulus auch die volle, treue Ausrichtung seines Amts. Er kann seinen Christen-Stand nicht für sich allein, losgelöst von seiner Arbeit im Dienst Jesu sehen, als wäre die Art, wie er seinen Dienst tut, für seinen Heilsstand gleichgültig. Weil ihm der Herr sein Amt gegeben hat, bleibt Paulus ihm nur dann verbunden, wenn er es mit Treue vollführt, und die gute Botschaft würde ihm nicht mehr gelten, wenn er seinen Dienst versäumte. Das gibt der Liebe des Paulus ihre Reinheit. Er tritt mit allen in Gemeinschaft, damit er sie gewinne; aber sein Wille bleibt von der Überhebung frei, die nur den anderen sagt, dass sie in Gefahr sind und der Errettung bedürfen; vielmehr behält die Heilsfrage wie für sie, so auch für ihn ihren vollen Ernst. Er sorgt dadurch, dass er die anderen rettet, für sein eigenes Heil. So hat Paulus auch den Korinthern gesagt, dass sie, wenn sie die Schwachen verderben, ihren eigenen Anteil an Christus verlieren.

Schlatter – Erläuterungen zum Neuen Testament

Jesu Auferstehungsleib ?

In einer Telegrammgruppe wurde gefragt:
Welchen Körper hatte Jesus nach seiner Auferstehung?
https://t.me/bibel_forscher/2337

Hier nun ein paar Antworten:

Zum Ort sagt Johannes: »Als nun die Türen dort verschlossen waren, wo sich die Jünger befanden.« »Die Jünger befanden sich« offensichtlich »dort, wo« Maria Magdalena die beiden Jünger Petrus und Johannes getroffen hatte und wohin diese beiden nach der Besichtigung des leeren Grabes wieder zurückgekehrt waren (V. 2.10). Wir haben es also mit einem ganz bestimmten Haus in Jerusalem zu tun. Ist es das in Apg 1,13 genannte? Und ist es zugleich das in Apg 12,12 erwähnte? Also das des Johannes Markus? Oder das des Abendmahlssaales (Joh 13,1ff.)? Wir wissen es nicht. Aber Johannes schreibt so bestimmt, dass es vor seinem inneren Auge gestanden haben muss. Eins können wir mit großer Wahrscheinlichkeit sagen: Die Jünger hatten schon damals ein bestimmtes Versammlungshaus in Jerusalem.
An jenem Abend »waren die Türen verschlossen aus Furcht vor den Juden«. Es handelte sich also um ein Privathaus, sehr wahrscheinlich gehörte auch der Besitzer zum Jüngerkreis. Die kleine Bemerkung »aus Furcht vor den Juden« reißt den ganzen Horizont der leidvollen Geschichte von Juden und Christen auf. Am Anfang waren es die Christen, die vor den Juden Angst haben mussten. Dann kam eine viel längere Zeit, in der die Juden sich vor den Christen fürchten mussten. Die Furcht vor den Juden durchzieht das Johannesevangelium von Joh 7,13 an (vgl. Joh 9,22.34; 12,42; 16,2; 19,38). Damals drohte der Synagogenbann (vgl. Joh 9,22; 12,42; 16,2). Aber Jesus hatte auch schon geweissagt, dass seinen Jüngern der Tod drohe (Joh 16,2). Daher müssen wir vermuten, dass die im Haus versammelten Jünger nach der Hinrichtung des Meisters um ihr eigenes Leben fürchteten. Betrachtet man Apg 7,54ff.; Apg 8,1ff.; Apg 9,2.23-29; 12,1ff., dann war diese Furcht keineswegs grundlos.
Dann geschieht das Unerwartete: »Jesus kam«! Das wird so schlicht gesagt, als sei eben irgendein Besucher hereingekommen. „Er trat in die Mitte« (vgl. Lk 24,36). Das widerspricht der Theorie, es habe sich nur um Visionen gehandelt. Ein Gespenst, ein Geist (vgl. Lk 24,37), eine visionäre Erscheinung tritt kaum »in die Mitte«. Offenbar sitzen die Jünger im Kreis (vgl. Joh 8,3). Wie kann Jesus bei »verschlossenen Türen« hereinkommen? Antwort: Jesu Auferstehungsleib ist nicht materieller Art gewesen und nicht mehr wie ein irdischer Körper an Raum und Zeit gebunden (vgl. V. 26).

Edition C

Bei einigen Gelegenheiten erkannten die Jünger den auferstandenen Jesus nicht mehr. (Matthäus 28:16, 17; Lukas 24:15, 16; Johannes 20:14-16; 21:4-12) Die Erklärung hierfür finden wir im 16. Kapitel des Markusevangeliums, Vers 12, ganz gleich, ob wir diesen Text in der lateinischen Vulgata, in der englischen King James-Bibel, in der deutschen katholischen Allioli-Übersetzung oder in der Luther-Bibel nachlesen. Nach der Übersetzung von Luther lautet dieser Vers: „Danach offenbarte er sich unter einer anderen Gestalt zweien von ihnen unterwegs, da sie über Land gingen.“ Das griechische Wort, das hier mit „Gestalt“ wiedergegeben wird, ist morphe und bedeutet nach dem griechisch-deutschen Wörterbuch „Form, Gestalt, äußere Erscheinung, Äußeres“. Aber selbst ohne die Erklärung nach Markus 16:12 könnte der aufrichtige Forscher — er braucht gar kein Sherlock Holmes zu sein — durch eine sorgfältige Betrachtung der Berichte über die Erscheinungen des Auferstandenen erkennen, daß Jesus verschiedene, den Umständen angepaßte Leiber annahm. Mindestens zweimal erschien er in einem Leib, der dem glich, mit dem er an den Pfahl geschlagen worden war. (Lukas 24:38-40; Johannes 20:20-27) Bei anderen Gelegenheiten dagegen erweckte die Gestalt, die er materialisiert hatte, bei den Jüngern im ersten Moment Zweifel.
9 Einige unserer Leser denken nun vielleicht daran, wie Jesus seine Jünger vor seiner Himmelfahrt zum Ölberg hinausführte, wie er dann vor ihren Augen emporgehoben und von einer Wolke, die ihn ihren Blicken entzog, aufgenommen wurde, ja wie dann zwei Engel zu ihnen sagten: „Dieser Jesus, der aus eurer Mitte in den Himmel emporgehoben worden ist, wird in derselben Weise kommen, wie ihr ihn in den Himmel habt auffahren sehen!“ (Apostelgeschichte 1:9-11, Me) Mit dem Ausdruck „Weise“ in den Worten „in derselben Weise“ wird nicht das griechische Wort morphe, sondern tropos wiedergegeben. Die Engel sagten also nicht, Jesus werde in derselben Form oder Gestalt wiederkommen; sie sagten, er komme in derselben Weise wieder. Sie sagten auch nicht, jene Jünger würden ihn kommen sehen.
Jesus hätte mit seinem menschlichen Leib nicht durch den Van-Allen-Strahlengürtel und durch den Weltraum hindurch in den Himmel gelangen können. Paulus sagte in seinen Ausführungen über die Auferstehung ausdrücklich: „Dies aber sage ich, Brüder, daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können, auch die Verwesung nicht die Unverweslichkeit ererbt.“ Das stimmt auch mit seinen vorangehenden Worten überein: „Es wird gesät in Verwesung, es wird auferweckt in Unverweslichkeit.“ (1 Korinther 15:42, 50) „Ja“, werden nun einige Leser sagen, „Jesus vergeistigte aber seinen Fleischesleib, als er in den Himmel auffuhr.“ Wir fragen aber: Vergeistigten dann auch die Engel, die am Auferstehungstag und am Tag der Himmelfahrt Christi Menschengestalt angenommen hatten, um den Jüngern zu erscheinen, ihren Leib, als sie in das unsichtbare geistige Reich zurückkehrten? Vergeistigte Jesus auch die Kleider, in denen er seinen Jüngern erschienen war?
Jesus muß Kleider materialisiert haben, denn die Kleider, die er trug, bevor er an den Pfahl geschlagen wurde, verteilten die Soldaten hinterher unter sich, und den nahtlosen Leibrock verlosten sie. Die Grabtücher, in die seine Leiche eingehüllt gewesen, und das Tuch, das auf sein Haupt gelegt worden war, lagen nach seiner Auferstehung noch in der Gruft. (Johannes 19:23, 24; 20:5-7) Wenn der auferweckte Jesus neue Kleider materialisieren konnte, dann konnte er doch bestimmt auch jedesmal einen passenden Leib materialisieren, wenn er seinen Jüngern erschien, und ihn danach wieder entmaterialisieren. Er brauchte ihn also nicht zu vergeistigen!

DAS OPFER NICHT VOM ALTAR ZURÜCKGENOMMEN
Was bedeutete es, wenn Jesus mit seinem Leib von Fleisch, Blut und Knochen in den Himmel aufgefahren wäre und nun dort immer noch darin lebte? Es bedeutete, daß niemand von den Toten auferstünde. Warum nicht? Weil Jesus dann sein Opfer wieder vom Altar zurückgenommen hätte!
Jesus sagte: „I c h bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herniedergekommen ist; wenn jemand von diesem Brote ißt, so wird er leben in Ewigkeit. Das Brot aber, das i c h geben werde, ist mein Fleisch, welches i c h geben werde für das Leben der Welt. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und i c h werde ihn auferwecken am letzten Tage; denn mein Fleisch ist wahrhaftig Speise, und mein Blut ist wahrhaftig Trank.“ (Johannes 6:51, 54, 55) Wie könnten wir sein Fleisch essen und sein Blut trinken, um ewiges Leben zu haben, wenn er doch sein Fleisch und sein Blut benötigte, um im Himmel zu leben? Schon ein altbekanntes Sprichwort sagt: Man kann den Kuchen nicht essen und ihn gleichzeitig haben!
Angenommen, Jesus sei in seinem irdischen, menschlichen Leib im Himmel, dann wüßten wir, wie Gott aussieht, denn Geistliche, die lehren, daß Jesus mit seinem menschlichen Leib in den Himmel aufgefahren sei, lehren auch, daß Jesus Gott selbst sei. Gott sähe demnach so aus wie Jesus, als er auf der Erde war. Er wäre wahrscheinlich etwa 1,8 Meter groß, hätte eine jüdische Nase, vielleicht einen Bart, Geschlechtsorgane wie ein Mensch und wöge etwa zweihundert Pfund oder hundert Kilo. Vielleicht sähe er so aus wie in Michelangelos Darstellung des Jüngsten Gerichts in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans. Jesus sagte jedoch zu den Juden: „Der Vater, der mich gesandt hat, der hat von mir gezeugt. Ihr habt niemals weder seine Stimme gehört noch seine Gestalt [morphe̱] gesehen.“ (Johannes 5:37, Lu) Und der Apostel Johannes schrieb an Christen: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder; und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ (1 Johannes 3:2, Lu) Wäre Jesus mit seinem menschlichen Leib in den Himmel aufgefahren, dann stimmten diese Worte des Johannes nicht, denn dann wüßten wir, wie Christen nach ihrer Auferstehung von den Toten im Himmel aussehen werden.
Noch etwas: Wäre Jesus in seinem Fleischesleib im Himmel, so hätte er auch ein vollständiges Verdauungssystem samt Mund und Magen. Auch seine treuen Jünger, die in den Himmel kommen, wären dann mit diesen Organen ausgestattet. Wir erinnern uns, daß Jesus zu ihnen einmal sagte: „I c h verordne euch, gleichwie mein Vater mir verordnet hat, ein Reich, auf daß ihr esset und trinket an meinem Tische in meinem Reiche.“ (Lukas 22:29, 30) Nach dem Essen und Trinken würden Speise und Trank durch den Verdauungskanal befördert, und dann? Jesus sagte: „Begreifet ihr noch nicht, daß alles, was in den Mund eingeht, in den Bauch geht und in den Abort ausgeworfen wird?“ (Matthäus 15:17) Demnach müßte es nun im Himmel auch Aborte geben, öffentliche und private, und Jesus, der nach der Auffassung vieler Geistlicher Gott selbst sein soll, müßte wie ein Mensch seine Notdurft verrichten, etwas, was er vor seiner Menschwerdung nie tun mußte. So müßte es sein, wenn wir ihre Argumente bis zur letzten Konsequenz verfolgen.
Wie vernünftig ist dagegen doch die Bibel, wenn sie sagt, daß „Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können“! (1 Korinther 15:50) In seinen erläuternden Ausführungen über den Versöhnungstag (Jom Kippur), den die Juden jährlich feierten, beweist der jüdisch-christliche Paulus, daß Jesus Christus seinen Fleischesleib nicht in den Himmel mitnahm, sondern ihn als ein menschliches Schlachtopfer zurückließ.
Nach dem 16. Kapitel des 3. Buches Mose ging der jüdische Hohepriester am jährlichen Versöhnungstag mit dem Blut des geopferten Farren oder jungen Stieres und des geopferten Bockes in das Allerheiligste des von Menschen errichteten heiligen Zeltes oder Tempels hinein. Die Häute, das Fleisch und der Mist des Farren und des Bockes mußten beseitigt werden, indem sie außerhalb des Lagers oder der Gemeinde verbrannt wurden. Der Farren und der Bock stellten den sündlosen Jesus Christus als menschliches Schlachtopfer dar. Das Allerheiligste, in das das Blut des Farren und des Bockes hineingebracht wurde, stellte den Himmel selbst dar, in dem Gott, der Schöpfer, wohnt.
Hören wir, was Gottes Wort selbst darüber sagt: „Christus aber, gekommen als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht (das heißt nicht von dieser Schöpfung ist), auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blute, ist ein für allemal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erlangt hatte. Denn der Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen; auch nicht, auf daß er sich selbst oftmals opferte, wie der Hohepriester alljährlich in das Heiligtum hineingeht mit fremdem Blut; sonst hätte er [Christus] oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt an; jetzt aber ist er e i n m a l in der Vollendung der Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer.“ — Hebräer 9:11, 12, 24-26.
Wie wurden die Leiber der am Versöhnungstag geopferten Tiere beseitigt? Hebräer 13:10-13 antwortet: „Wir [Christen] haben einen Altar, von welchem kein Recht haben zu essen, die der Hütte dienen. Denn von d e n Tieren, deren Blut für die Sünde in das Heiligtum hineingetragen wird durch den Hohenpriester, werden die Leiber außerhalb des Lagers verbrannt. Darum hat auch Jesus, auf daß er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten. Deshalb laßt uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend.“
Dem Bild entsprechend, das am Versöhnungstag dargestellt und von Jesus Christus erfüllt wurde, nahm der Sohn Gottes seinen menschlichen Leib nicht in das wirkliche Allerheiligste, den Himmel oder die Gegenwart Gottes, mit. So wie am Versöhnungstag die Leiber der beiden Opfertiere beseitigt wurden, wurde der irdische Leib Jesu nach Gottes Willen beseitigt oder so darüber verfügt, daß gehorsame Menschen durch Glauben davon „essen“ können.
Jesus nahm auch sein buchstäbliches vergossenes Blut nicht in den Himmel mit, sondern nur das, was es versinnbildlichte. Gottes Wort sagt: „Die Seele [das Leben, Lu; nefesch] des Fleisches ist im Blute, und ich habe es euch auf den Altar gegeben, um Sühnung zu tun für eure Seelen [nefesch in der Mehrzahl]; denn das Blut ist es, welches Sühnung tut für die Seele [nefesch].“ (3. Mose 17:11, Fußnote) Demnach war Jesu vergossenes Blut ein Sinnbild seines dahingegebenen menschlichen Lebens. Es stellte den Wert seines geopferten Lebens dar. Der jüdische Hohepriester, der mit dem Versöhnungsblut durch den inneren Vorhang in das Allerheiligste des Zeltes der Anbetung hineinging, stellte somit den von den Toten auferstandenen Jesus dar, der mit dem Wert seines menschlichen Opfers in den Himmel selbst einging, um ihn dort Gott, seinem Vater, darzubringen. Sein Blut, das Symbol seines Lebens, wurde für unser Leben, das von unserem Blut abhängt, geopfert.

Wachtturm 15.April 1963

eine andere Meinung

In Bezug auf die Beschaffenheit des Auferstehungsleibes Jesu sind viel entscheidender als die Texte über das Erscheinen und Verschwinden Jesu jene Texte, die zeigen, dass Jesus eindeutig einen natürlichen Leib mit „Fleisch und Knochen“ (Lk 24,39) hatte, der essen und trinken, Brot brechen, ein Frühstück zubereiten und betastet werden konnte. Anders als die Schriftstellen über das Erscheinen und Verschwinden Jesu lassen diese Texte keine alternative Erklärung zu, die den natürlichen Leib Jesu leugnet – Harris selbst stimmt zu, dass Jesus in diesen Bibelstellen einen Leib aus Fleisch und Knochen hatte. Doch was sollten diese körperlichen Erscheinungen die Jünger lehren, wenn nicht, dass Jesu Auferstehungsleib eindeutig ein natürlicher Leib war? Wenn Jesus in demselben körperlichen Leib von den Toten auferstanden ist, der gestorben war, und wenn er wiederholt in jenem körperlichen Leib den Jüngern erschien, mit ihnen über vierzig Tage aß und trank (Apg 10,41), und wenn er in demselben natürlichen Leib in den Himmel auffuhr (Apg 1,9) und wenn der Engel sofort den Jüngern sagte: „Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird in derselben Weise wiederkommen, wie ihr ihn habt in den Himmel auffahren sehen“ (Apg 1,11), dann lehrte Jesus ihnen eindeutig, dass sein Auferstehungsleib ein körperlicher Leib war. Wenn die „gewöhnliche Form“ seines Auferstehungsleibes nichtkörperlich gewesen wäre, dann hätte Jesus sich bei diesen wiederholten körperlichen Erscheinungen dessen schuldig gemacht, die Jünger (und alle nachherigen Leser des Neuen Testaments) zu der fälschlichen Annahme verleitet zu haben, dass sein Auferstehungsleib körperlich geblieben sei, obwohl er es nicht war. Wenn er üblicherweise nichtkörperlich war und bei der Himmelfahrt für immer nichtkörperlich würde, dann wäre es sehr irreführend, wenn Jesus sagte: „Seht an meinen Händen und meinen Füßen, dass ich es bin! Rührt mich an und schaut, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich es habe“ (Lk 24,39). Er sagte nicht: „… Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich es vorübergehend habe“! Es wäre falsch gewesen, die Jünger zu lehren, dass er einen körperlichen Leib hatte, wenn er ihn in seiner gewöhnlichen Daseinsweise in Wirklichkeit gar nicht hatte.
Wenn Jesus die Jünger hätte lehren wollen, dass er nach Belieben erscheinen und verschwinden könne (wie Harris behauptet), dann hätte er leicht vor ihren Augen verschwinden können, sodass sie dieses Ereignis eindeutig hätten aufzeichnen können. Oder er hätte leicht durch eine Wand hindurchgehen können, während sie ihn beobachteten, anstatt bloß plötzlich in ihrer Mitte zu stehen. Kurz gesagt, wenn Jesus und die Schreiber des Neuen Testaments uns hätten lehren wollen, dass der Auferstehungsleib gewöhnlich und wesenhaft nichtmateriell wäre, dann hätten sie dies tun können, doch stattdessen gaben sie viele klare Hinweise, dass er gewöhnlich körperlich und materiell war, obwohl es sich um einen Leib handelte, der vollkommen gemacht, für immer von der Schwachheit, der Krankheit und dem Tode befreit worden war.
Schließlich ist noch eine weitreichende dogmatische Überlegung in Betracht zu ziehen: Die leibhaftige Auferstehung Jesu und sein ewiger Besitz eines körperlichen Auferstehungsleibes liefern eine klare Bestätigung für die Güte der materiellen Schöpfung, die Gott ursprünglich gemacht hatte: „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte; und siehe, es war sehr gut“ (1. Mose 1,31). Wir als auferweckte Männer und Frauen werden in Ewigkeit in neuen Himmeln und auf einer neuen Erde leben, „in welchen Gerechtigkeit wohnt“ (2. Petr 3,13). Wir werden auf einer erneuerten Erde leben, die „freigemacht werden wird von der Knechtschaft des Verderbnisses“ (Röm 8,21; Elbf) und wie ein neuer Garten Eden werden wird. Dort wird ein neues Jerusalem sein, „und man wird die Herrlichkeit und die Ehre der Völker in sie bringen“ (Offb 21,26), und dort wird sein ein „Strom vom Wasser des Lebens, glänzend wie Kristall, der ausging vom Thron Gottes und des Lammes. In der Mitte zwischen ihrer Straße und dem Strom, von dieser und von jener Seite aus, war der Baum des Lebens, der zwölfmal Früchte trägt und jeden Monat seine Frucht gibt“ (Offb 22,1–2). In diesem sehr materiellen, physischen, erneuerten Universum scheint es so, dass wir als Menschen mit körperlichen Leibern leben werden, die für das Leben in der erneuerten natürlichen Schöpfung geeignet sein werden. Ausdrücklich bekräftigt der körperliche Auferstehungsleib Jesu die Güte der ursprünglichen Erschaffung des Menschen durch Gott nicht als ein bloßer Geist wie die Engel, sondern als eine Kreatur mit einem natürlichen Leib, der „sehr gut“ war. Wir dürfen nicht dem Irrtum verfallen, annehmen zu wollen, dass immaterielle Existenz in irgendeiner Weise eine bessere Daseinsform für Kreaturen wäre:15 Als Gott uns als den Höhepunkt seiner Schöpfung machte, gab er uns natürliche Leiber. In einem vollkommen gemachten körperlichen Leib erstand Jesus von den Toten auf, regiert er jetzt im Himmel und wird er wiederkommen, um uns auf ewig in seine Gemeinschaft aufzunehmen.

Theologisches Lehr- und Studienmaterial des Martin Bucer Seminars

Dieser und der darauf folgende Abschnitt haben zu Recht eine fruchtbare Debatte ausgelöst. Paulus antwortet schließlich in 1 Kor 15,44, dass Gottes Volk einen „geistlichen Leib“ (sōma pneumatikon) erhalten wird, der „unsterblich“ und „unvergänglich“ ist. Die platonischen Anklänge an „einen geistlichen Leib“ lassen leicht das Bild eines ätherischen, immateriellen Körpers entstehen. Aber das ist wahrscheinlich nicht das, was Paulus im Sinn hat. Hier betont er, dass der Körper, den Gott bei der Auferstehung schenkt, vom Geist angetrieben wird und nicht aus Geist besteht. Eine passende Analogie wäre ein „Dampfschiff“ (so auch Wright 2003, 352). Der letztgenannte Ausdruck bezeichnet kein wispy Boot, das aus Dampf besteht, sondern ein Boot, das durch Dampf angetrieben oder mit Energie versorgt wird. Mit dem „geistlichen Leib“ meint Paulus auch keinen Körper, der aus Geist besteht, sondern einen, der von Gottes Geist angetrieben wird (vgl. Engberg-Pedersen 2010, 28-30). Wright (2003, 283) weist darauf hin, dass „die griechischen Formen, die auf nos enden, sich auf das Material beziehen, aus dem etwas besteht, während die Formen, die auf kos enden, entweder ethisch oder funktional sind und sich auf die Sphäre beziehen, zu der es gehört, oder auf die Kraft, die es belebt“ (siehe auch Moulton 1908-1976, 2:378, zitiert in Wright 2003, 351n120).

Der Sprachgebrauch von Paulus unterstützt diese Schlussfolgerung. Zum Beispiel sagt Paulus in 1 Korinther 3,1 aufgrund der eifersüchtigen Spaltungen unter den Gläubigen, dass sie „fleischlich“ und nicht „geistlich“ (pneumatikois) sind. Hier vergleicht er nicht ihre körperliche Beschaffenheit, sondern die Kraft, die ihre Person und damit ihr Verhalten beseelt. Auch in Gal 5,16-17 unterscheidet Paulus zwischen „Geist“ und „Fleisch“ und ermahnt die verwirrten Galater, sich vom Geist leiten zu lassen, statt sich vom Fleisch verführen zu lassen. Noch einmal: Er ermahnt sie nicht, aus ätherischem Geist und nicht aus Haut zu bestehen; er ermahnt sie, sich der Kraft des Geistes zu unterwerfen und nicht der des feindlichen Fleisches. Deshalb kann er sich in Gal 6,1 an die „Geistlichen“ (hoi pneumatikoi) wenden, also an diejenigen, die aufgrund der Führung des Geistes in der Lage sind, einen in Sünde Gefangenen sanft wiederherzustellen. Zahlreiche weitere Beispiele zeigen einen vergleichbaren Gebrauch (Röm 1,11; 7,14; 1 Kor 2,13-15; 10,3-4; 12,1; 14,1; Eph 1,3; 5,19; Kol 1,9; 3,16).

Das Problem, das Paulus mit dem jetzigen Körper sieht, ist also nicht, dass er physisch und nicht ätherisch ist, sondern dass er dem Tod und dem Verfall unterworfen ist. Die Lösung für dieses Problem besteht also nicht darin, einen ätherischen Körper zu bekommen, sondern einen physischen, der nicht dem Tod und der Verwesung unterworfen ist; oder, um es mit den Worten des Paulus zu sagen: „Dieses Vergängliche muss das Unvergängliche anziehen, und dieses Sterbliche muss die Unsterblichkeit anziehen“ (1 Kor 15,53; siehe auch 2 Kor 5,1-4). Seine Aussage, dass „Fleisch und Blut“ das Reich Gottes nicht erben können, sollte als funktionale Parallele zu seinen Aussagen über „sterbliche“ und „vergängliche“ Körper verstanden werden. Mit anderen Worten: Mit „Fleisch und Blut“ meint er nicht die bloße Körperlichkeit oder den Status der Verkörperung; er bezieht sich auf „Fleisch und Blut“ in seinem Zustand der Unterwerfung unter Tod und Verfall (siehe z. B. Jeremias 1956, 153; Maston 2016, 13). Der Auferstehungsleib wird also körperlich sein, von Gottes Geist belebt und nicht dem Tod und der Verwesung unterworfen. Diese Schlussfolgerungen erlauben es uns, etwas über die Beschaffenheit von Jesu Auferstehungsleib zu sagen. Paulus bringt die Leugnung der zukünftigen Auferstehung durch die Korinther mit einer konsequenten Leugnung der Auferstehung Jesu in Verbindung. Wenn die Leugnung der zukünftigen Auferstehung die Leugnung der Auferstehung Jesu beinhaltet, dann beinhaltet Paulus‘ Beschreibung der zukünftigen Auferstehungsleiber vermutlich auch eine Beschreibung dessen, was seiner Meinung nach mit Jesus geschehen ist. Daher beschreibt er in seiner Darstellung der zukünftigen Auferstehung, was bereits mit Jesus geschehen ist; folglich war der Auferstehungsleib Jesu physisch, vollständig vom Geist belebt und unsterblich (vgl. Moffitt 2011).

Craig A. Evans – Ein Handbuch über die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens

und zum Schluß noch die für mich wichtigste Zusammenfassung:

Die Natur des Auferstehungsleibes

Bezüglich der Natur des Auferstehungsleibes, den Jeschua hatte, gibt es neun spezifische Dinge zu beachten. Erstens wurde er, wie bereits bei der Untersuchung des historischen Abschnitts erwähnt, nicht immer sofort erkannt. Es waren genug Veränderungen an seinem Auferstehungsleib aufgetreten, dass das Erkennen nicht sofort möglich war, aber es gab genug Ähnlichkeiten, dass diejenigen, die ihn kannten, ihn schließlich als genau den erkannten, den sie vorher kannten (Lk. 24:16, 31; Johannes 20:15; 21:7). Es gab viele Veränderungen und doch viele Ähnlichkeiten.
Zweitens hatte Jesus die Fähigkeit, zu erscheinen und zu verschwinden (Lk. 24:31-36; Johannes 20:19).
Drittens: Sein neuer Körper hatte kein Problem mit physischen Barrieren. Er konnte durch Wände und geschlossene Türen hindurchgehen (Johannes 20:19).
Die vierte Sache über die Natur Seines Auferstehungsleibes ist, dass es ein materieller Körper war. Obwohl Er die Fähigkeit hatte, zu erscheinen und zu verschwinden und keinen physischen Schranken unterworfen war, war es ein materieller Körper aus Fleisch und Knochen, wie Jeschua selbst beschrieb (Lk. 24:39-40). Normalerweise würde man erwarten, dass die Lesung „Fleisch und Blut“ lautet, aber der Auferstehungsleib enthält kein Blut. Es ist kein bluthaltiger Körper, sondern ein geisthaltiger Körper. Anstelle von „Fleisch und Blut“ heißt es also „Fleisch und Gebein“.
Fünftens hatte der Auferstehungsleib Jesu immer noch die Nagelabdrücke und die Speerwunde (Johannes 20:24-27). Die Spuren der Kreuzigung waren noch sehr deutlich an seinem Körper zu sehen.
Die sechste Sache über die Natur Seines Auferstehungsleibes ist, dass er nicht nur Geist war. Jeschua aß Fisch und Brot, um zu zeigen, dass Er nicht nur ein Geist, eine Erscheinung oder ein Gespenst war (Lk. 24:41-43).
Siebtens: Sein Auferstehungsleib konnte gefühlt werden. Obwohl Er die Fähigkeit hatte, zu erscheinen und zu verschwinden und durch Wände zu gehen, gab es genug Fleisch- und Knochenmaterial, dass Sein Körper gefühlt werden konnte (Matthäus 28:9; Lk. 24:39; Johannes 20:17).
Achtens: Der Auferstehungsleib von Jesus war sichtbar. Es war ein Körper, den man im Alltag sehen konnte. Es war nicht nur eine Vision oder ein Traum, sondern es war ein normaler, alltäglicher Anblick (Johannes 20:20).
Die neunte Sache über die Natur des Auferstehungsleibes des Messias ist, dass er atmen konnte und tat (Johannes 20:22).

Im Licht dieser neun Dinge können drei Schlussfolgerungen gezogen werden. Erstens: Es war derselbe Körper, der gestorben ist. Das war kein neu geschaffener Körper, sondern derselbe Körper, der in das Grab gelegt worden war. Zweitens: Derselbe Körper erfuhr eine Veränderung, keine absolute, totale Veränderung, aber eine große Veränderung in vielen Bereichen. Es gab genügend Veränderungen, so dass Er nicht sofort erkannt wurde; dennoch blieben genügend Elemente erhalten, so dass Er als derselbe Jeschua erkannt wurde. Drittens: Der Auferstehungsleib des Messias war verherrlicht, doch diese Herrlichkeit war während der vierzig Tage des Dienstes nach der Auferstehung noch verhüllt. Als er erschien, sah er wie ein normaler Mensch aus, wie es bei den Frauen im Garten und bei den beiden Jüngern auf der Emmausstraße der Fall war. Während der vierzig Tage des Dienstes nach der Auferstehung war die Herrlichkeit verhüllt, aber nach seiner Himmelfahrt war sie nicht mehr verhüllt (Philipper 3,21; Offenbarung 1,12-18).

Dies sind die Fakten bezüglich der Natur des auferstandenen Körpers von Jeschua. Es ist nicht immer klar, ob einige Dinge wahr sind, weil es ein auferstandener Körper war oder weil Er Gott ist. Einige Dinge werden für unseren auferstandenen Körper wahr sein, aber einige Dinge werden sicherlich nicht für uns wahr sein. Zum Beispiel wird gesagt, dass unser auferstandener Körper perfekt ist, ohne Anzeichen von Alterung oder Beschädigung, aber der Körper von Jeschua hatte immer noch die Nagelabdrücke. Was also für seinen Auferstehungsleib galt, wird nicht unbedingt auch für unseren gelten, obwohl es viele Ähnlichkeiten geben wird.

Arnold Fruchtenbaum – Die Auferstehung des Messias

Frühlingsgefühle in der Bibel? – II

Vorüber ist die Winterzeit; der Regen ist vorbei.
Die Blumen zeigen sich auf Erden, und der Gesänge Zeit ist da. Der Turteltaube Ruf, der läßt in unserm Land sich hören.
Schon reifen an dem Feigenbaum die Früchte; Duft haucht die Rebenblüte aus. Auf, meine Freundin! Du, meine Schöne, komm!
Grünewald – übersetzt von Paul Riessler – Hoheslied 2,11–13

Dieses Jahr stimmt der Spruch nicht mit dem Wetter überein: hier ein Bild von wetteronline.de

Wie schon 2020 geschrieben: „Ein besonderer Blick auf dieses Eheband findest du auch bei J.Fischer, der einen „Crashkurs Leidenschaft“ über das Hohelied geschrieben hat.“

Das Thema der Intimität, die die Entfremdung überwindet, setzt sich fort, als die Frau an ihrem Aussehen zu zweifeln scheint (1,5-7). Diese Haltung ist das Gegenteil der unverhüllten Nacktheit von Adam und Eva im Garten (Gen 2,25).58 Israels König, der hier als guter59 Hirte dargestellt wird, überwindet die Ängste und Scham seiner Geliebten mit beruhigenden Komplimenten (Sg 1,8-11). Durch ihre zuversichtliche Antwort und ihren Jubel über den König (1,12-14) und durch ihre gegenseitige Bestätigung und Freude über die Gesundheit ihrer Beziehung erleben die Zuhörer des Liedes ihre „edeneske“ Freude (1,15-2,6). Dann scheint das Lied vom Vers in den Refrain überzugehen, denn die Töchter Jerusalems werden aufgefordert, die Liebe nicht zu schüren, bis es ihnen gefällt (2,7).

Die Entfremdung taucht in 2,8-15 wieder auf. Als die Braut den König sieht, der zu ihr kommt, sind sie durch eine Mauer, Fenster und Gitter getrennt (2:8-9). Um die Trennung zu überwinden, bittet der König um Intimität. Er fordert die Braut auf, aufzustehen und mit ihm auf die Hügel des Frühlings zu fliehen (2:10-13), damit er ihr Gesicht sehen und ihre Stimme hören kann (2:14), und er fordert, dass die verderblichen Elemente entfernt werden (2:15). Aus der Antwort der Braut in 2:16-17 geht hervor, dass die Trennung erfolgreich überwunden worden ist.

Moody Handbuch messianische Prophezeiungen – Studien und Darlegungen zum Messias im AT

Salomo, der Liebhaber, bat seine Freundin, mit ihm einen Spaziergang in die Umgegend zu unternehmen. Zu Beginn und am Ende seiner Einladung sagte er: Komm mit mir (V. 10.13 ; vgl. Hl 8,14 ). Die ausführliche Beschreibung des Frühlings sollte möglicherweise mehr sein als einfach eine Hervorhebung der Schönheit der Umgebung. Es ist wahrscheinlich, daß damit auch die Beziehung der beiden beschrieben werden sollte. In gewissem Sinne ähneln die Gefühle eines Menschen, der sich verliebt, dem Frühling, denn alles scheint frisch und neu zu sein. Man betrachtet die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Das war auch Salomos Empfinden, wenn er mit seiner Geliebten zusammen war. Mehrere Aussagen sprechen von der Schönheit des Frühlings: (1) Der Winter ist vergangen . Der Begriff für Winter ( s+=Taw ; dieses Wort wird im AT nur an dieser Stelle gebraucht) bezieht sich auf die düstere Jahreszeit von März bis April, wenn der „Spät“regen fällt. (2) Die Blumen kommen im Frühling hervor. Sie geben der Landschaft schöne Farben und bringen die Menschen dazu, vor Freude zu singen. (3) Die Tauben gurren und kündigen so die Ankunft des Frühlings an. (4) Die Feigenbäume bringen ihre ersten Früchte hervor (vgl. Nah 3,12 ). Die ersten Feigen waren entweder die Früchte, die vom vergangenen Sommer her noch unreif am Baum geblieben waren und nun zu Beginn des Frühlings reiften, oder es handelte sich um kleine eßbare Knospen, die im März herauskamen. (5) Die Rebstöcke blühen und verbreiten ihren Duft , noch bevor die Trauben wachsen. Der Begriff Duft kommt vom hebr. s+mADar her, ein Wort, das nur an dieser Stelle und im Hl 2,13 auftaucht. Der Frühling spricht also die Augen, das Gehör, den Geschmacks- und den Geruchssinn an.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Für die Rabbinen war es selbstverständlich, das Hld, das Gott nie erwähnt, wenn es schon Teil der Bibel sein soll, allegorisch zu lesen. Die Bildsprache deuten sie aus der übrigen Bibel, die ja oft die Tora mit Wasser, Wein usw. vergleicht und den Bund Gottes mit Israel als Liebes- bzw. Eheverhältnis darstellt. Auch scheint das Hld selbst eine Historisierung nahezulegen, wenn es den Pharao, den Zug durch die Wüste in Säulen von Rauch usw. erwähnt. Das traditionelle Verständnis von Hld sieht im Geliebten Gott, im Mädchen das Volk Israel, und liest den ganzen Text immer systematischer als eine Geschichte der Beziehungen zwischen beiden. Schon der erste jüdische Text überhaupt, der sicher das Hld verwendet, nämlich mTaanit 4,8, bezeugt diesen Zugang: ‚„Kommt heraus und seht, Töchter Zions, König Salomo usw. am Tage seiner Hochzeit‘, nämlich der Verleihung der Tora, ‚und am Tag seiner Herzensfreude‘ (Hld 3,11), nämlich der Erbauung des Tempels“.
Spätere rabbinische Literatur entfaltet diesen Zugang immer mehr. Die Mekhilta verwendet das Hld v.a. in der Kommentierung von Ex 12–15 und 19f, also der Geschichte der Befreiung aus Ägypten bis zum Siegeslied am Schilfmeerund der Offenbarung am Sinai. Das sittlich einwandfreie Verhalten der Israeliten in Ägypten findet man in 4,12 („ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut“), das plötzliche Eintreffen der Errettung in 2,8f („Horch, mein Geliebter, er kommt, er hüpft … er steht hinter unserer Mauer“); der der Geliebten versprochene Schmuck (1,11) ist die Beute, die Israel in Ägypten bzw. am Meer macht; der Vergleich der Geliebten mit der Taube in den Felsenklüften (2,14) zeichnet die Situation des vom Heer Pharaosverfolgten Israel am Meer, das einer Taube zwischen Falke und Schlange gleicht. Der Preis Gottes im Siegeslied am Schilfmeer Ex 15,2 zieht eine ganze Reihe von Versen aus Hld an, v.a. die Beschreibung des Geliebten in 5,10–16. Auf diese Beschreibung hin möchten auch andere Völker sich Israel anschließen (6,1: „wir wollen mit euch kommen“), doch Israel antwortet mit 6,3: „Ich gehöre meinem Geliebten und mein Geliebter gehört mir“.
Ein Abschnitt aus HldRabba 2,23–25 kann den rabbinischen Zugang gut illustrieren: ‚„Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so komm doch‘ (2,10) … ‚Steh auf‘, Tochter Abrahams; von ihm steht ja geschrieben: ‚Zieh weg aus deinem Land und aus deinem Vaterhaus‘ (Gen 12,1). ‚Meine Freundin, meine Schöne‘,Tochter Isaaks, der auf dem Alter mich zum Freund wählte und mich verherrlichte. ‚So komm doch‘, Tochter Jakobs, der auf seinen Vater und auf seine Mutter hörte; denn es heißt: ‚Und Jakob hörte auf seinen Vater und seine Mutter und begab sich nach Paddan-Aram‘ (Gen 28,7).
,Denn vorbei ist der Winter‘ (2,11). Das sind die vierhundert Jahre, die unseren Vätern in Ägypten auferlegt waren. ‚Verrauscht ist der Regen‘: das sind die 210 Jahre … ‚Auf der Erde erscheinen die Blumen‘ (2,12): Die ruhmreichen Männer erschienen auf der Erde. Wer sind sie? Mose und Aaron; denn es heißt: ‚Der Herr sprach zu Mose und Aaron im Lande Ägypten‘ (Ex 12,1). ‚Die Zeit zum Singen ist gekommen‘: Gekommen ist die Zeit, daß Israel erlöst werde … ‚Die Stimme der Turteltaube (tor) ist zu hören in unserem Land‘. Es sagte R. Jochanan: Die Stimme des guten Führers (tajjar) ist zu hören in unserem Land – das ist Mose –, als er sagte: ‚So spricht Jahwe: Um Mitternacht usw.‘ (Ex 11, 4)“.
Immer mehr Details aus der biblischen und nachbiblischen Geschichte Israels finden die rabbinischen Ausleger in diesem Text. Systematisiert wird das Verfahren im Targum zum Hld. Dieser deutet das Hld auf eine kontinuierliche Geschichte Israels vom Auszug aus Ägypten und der Wüstenwanderung bis zur Landnahme (Hld 1,1–3,6), schildert dann die Geschichte im Land bis zum Exil, dem Wiederaufbau des Tempels und der Erneuerung des Staates Israel in hasmonäischer Zeit (bis 7,1) und endet schließlich mit einem Ausblick auf die endzeitliche Erlösung.

Hermeneutik der Jüdischen Bibel

»Denn sieh, der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei, dahin ist er« (V. 11). Der »Winter« ist fast gleichbedeutend mit der »Regen«-Zeit. Deshalb stehen hier die beiden Begriffe parallel zueinander. Oft liest man, daß Palästina nur 2 Jahreszeiten habe, Sommer und »Winter«.104 Das ist aber nur bedingt richtig. Denn es gibt durchaus Über gangszeiten, die man als Frühling und Herbst bezeichnen kann. Der »Winter« im weiteren Sinne, d.h. die Zeit häufiger Regenfälle, erstreckt sich von Mitte Oktober bis Anfang Mai, umfaßt also über 6 Monate. Der »Winter« im engeren Sinne, unter Abrechnung der herbstlichen und frühlingsmäßigen Übergangszeit, beschränkt sich auf Dezember bis Februar, also auf ca. 3 Monate. Hermon und Libanon erhalten im Winter regelmäßig Schneec. Aber auch auf dem Golan und in Judäa schneit es öfters einmal (2Sam 23,20). Im Winter brauchte man gelegentlich da; (Holz-) Kohlenfeuer (Jer 36,22; Mk 14,67; Joh 18,25). Beim »Regen« unterscheidet man zwischen Früh- und Spätregen (5 Mo 11,14). Der Früh regen kommt normalerweise in der zweiten Oktoberhälfte, manchmal aber auch erst im Januar. Der Frühregen schafft die Voraussetzung für die Aussaat. Der Spätregen kommt im März oder April. Er sorgt dafür daß die junge Saat überlebt und reif werden kann. Man sagt, daß 14/15 der Niederschläge im Israelland zwischen Oktober und Mai fallen.105
Es kann kein Zweifel sein, daß in Hl 2,11 das Ende des Spät-»Regens« gemeint ist. Wir befinden uns also im Zeitraum März/April, etwa in Monat Nisan, in dem das Passafest liegt. Es ist jene Zeit, in der die Wüste blüht – unvergeßlich für den, der dies einmal im Israelland erlebt hat. Wie ein Jubelruf durchzieht das dreimalige »vorbei« den 11. Vers: »vergangen« (oder »vorübergegangen«, »verschwunden«, »hinüber«) – »vorbei« (oder »wo anders hingerückt«, »weggegangen«) – »dahin« (wörtlich: »für sich gegangen«). Aus und Vorbei! Dabei ist die sprachliche Formulierung wieder unglaublich intensiv: »Hinneh hasstaw awar, haggäschäm chalaph halach lo«.
Nun bricht das Neue auf: »Die Blumen sieht man im Lande, die Zeit des Singens ist gekommen, und die Stimme der Turteltaube läßt sich hören in unserm Lande« (V. 12). Pflanzen (»Blumen«), Menschen (»Singen«) und Tiere (»Turteltaube«) bilden hier einen fast paradiesischen Dreiklang. Der Mensch ist gerahmt von Pflanzen und Tieren und steht in der Mitte einer einheitlichen Schöpfung. Diese Schöpfungseinheit wird auch daran sichtbar, daß alle drei Bereiche der Schöpfung – Pflanzen, Menschen, Tiere – durch Sehen und Hören zugänglich sind. Wie gut paßt der Salomo von 1Kö 5,12f zu dieser Dichtung!
Es sind hier die zarten »Blumen« angesprochen.106 Denn das betreffende hebräische Wort bezeichnet sonst die Wein- oder Olivenblüte (1Mo 40,10; Hi 15,33; Jes 18,5). Auch die griechische Bibel übersetzt jedoch mit »Blumen«. »Man sieht sie (wörtlich: »sie werden gesehen«) im Lande«. Weit und breit entfaltet sich ihre Pracht.
Bei der Aussage »die Zeit des Singens ist gekommen« ist Vorsicht angemahnt. Denn ein und dieselbe hebräische Wortwurzel kann sowohl das Beschneiden der Reben als auch das Singen und Musizieren ausdrücken. Die griechische Bibel versteht den hebräischen Text als »beschneiden«. Das könnte auch ganz gut in den Zusammenhang passen. Aber: wir wissen es eben nicht mehr. Nur so viel ist deutlich: Es ist eine fröhliche »Zeit«. Der Mensch schickt sich im Gleichklang mit dem Wachsen draußen an, seine Ernte vorzubereiten.107

Wuppertaler Studienbibel

Bevor der Sprecher das neue Leben schildert, das der Frühling mit sich bringt, weist er darauf hin, dass der Winter, die Regenzeit, vorüber sei; darin ist impliziert, dass die junge Frau nun unbesorgt aus dem Haus gehen kann. Dabei hat der Winter nichts Negatives, im Gegenteil: Der Regen hat das neue Wachstum erst ermöglicht; trotzdem ist der Aufenthalt im Freien zur Regenzeit nicht so angenehm. In der nächtlichen Szene begehrt der Mann Einlass mit dem Hinweis auf die Feuchtigkeit der Nacht (5,2). Hier dagegen ermuntert er sie hinauszukommen und fügt hinzu, sie habe keine Nässe mehr zu fürchten.
»denn sieh da« – Hiermit setzt die Begründung ein, weshalb sie nunmehr aus dem Haus gehen könne (vgl. auch Jes 26,21; Jer 49,15; Ps 59,4; 83,3).
»der Winter« – Die Vokabel setaw ist hapax legomenon, aus dem Aramäischen entlehnt, und bedeutet Winter, Regenzeit. Onkelos verwendet sie Gen 8,22 als Äquivalent zu hebräisch choref (»Winter«), ebenso Targum Jonatan zu Jes 18,6.87
»ist vorüber« – wörtlich: »ist vorübergegangen« (ʿabar). Die Verbform steht hier in Parallele zu »ist vorbeigegangen« (chalaf) in V 11b (vgl. Jes 8,8; 24,5; Hab 1,11).
»der Regen« – spezifischer als die Erwähnung der Jahreszeit zuvor; die Witterungsverhältnisse waren ein Grund, nicht aus dem Haus zu gehen.
»ist ganz und gar vorbei« – wörtlich: »ist vorbeigegangen, ist gegangen« (chalaf; halach). Das Verb »gehen« zusätzlich zu den beiden Synonymen »vorübergehen« und »vorbeigehen« soll hier offenbar auf die vorangehende Aufforderung an die Geliebte »geh dir« zurückweisen (V 10); die Wiederholung desselben Verbs betont den Kontrast zwischen dem Gewesenen und dem für das Jetzt Erwünschten.

Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament

Schmeckt & seht! – II

Kostet und sehet, dass gütig der Ewige ist; Heil dem Manne, der bei Ihm sich birgt.
Zunz 1997 – Ps 34,9

Spürt und seht, wie gütig der HERR ist.
Wohl dem, der bei ihm Zuflucht sucht.
Zürcher Bibel 2007 – Psalm 34,9

Erprobt es doch selbst und erlebt es:b
Der HERR ist gütig!
Wie glücklich sind alle,
die bei ihm Zuflucht suchen!
Gute Nachricht Bibel 2018 – Psalm 34:9

weitere Bibelübersetzungen und zwei Kommentare zu diesem Vers 2020 >>

Frage: welche der zwei folgenden Meinungen sind Deiner Meinung gemäß dieses Psalmwortes richtig?

Meinung 1:

Wir werden ermuntert, nicht nur in der Bibel zu lesen, sondern auch nach dem Gelesenen zu handeln (Psalm 119:2). Zudem fordert uns die Bibel auf: „Schmeckt und seht, daß Jehova gut ist; glücklich ist der kräftige Mann, der zu ihm Zuflucht nimmt“ (Psalm 34:8). Sie lädt uns praktisch ein, Gott auf die Probe zu stellen. Man sollte versuchen, nach Gottes Grundsätzen zu leben, indem man darauf vertraut, daß er weiß, was für einen am besten ist. Erst dann wird man erkennen, daß es sich dabei tatsächlich um den richtigen Weg handelt. Wer so auf Gott vertraut, ist wirklich glücklich.

Die Bibel — Gottes oder Menschenwort?

Hier ein paar Fragen zur Selbstprüfung: Bin ich völlig davon überzeugt, dass Gottes Normen richtig sind? Glaube ich fest daran, dass sie für mich das Allerbeste sind? (Psalm 19:7-10; Jesaja 48:17, 18). Hast du daran den leisesten Zweifel, dann tu etwas dagegen. Denke darüber nach, was es für Konsequenzen hat, wenn man Gottes Gesetze ignoriert. Schmecke und sieh, dass Jehova gut ist, indem du die Wahrheit wirklich lebst und dich auf das konzentrierst, was wahr, gerecht, moralisch einwandfrei, gut und achtbar ist (Psalm 34:8; Philipper 4:8, 9). Du kannst darauf bauen: Je mehr du dich darum bemühst, desto größer wird deine Liebe zu Gott und umso mehr wirst du das lieben, was er liebt, und das hassen, was er hasst.

Bewahrt euch in Gottes Liebe

Meinung 2:

Wer den Retter kennt, sehnt sich danach, von ihm zu anderen zu reden. Sie sagen wie die vier Aussätzigen in Samaria: »Wir tun nicht recht. Dieser Tag ist ein Tag guter Botschaft. Schweigen wir …, so wird uns Schuld treffen« (2Kö 7,9). Und so rufen sie die gute Botschaft aus: »Schmecket und sehet, dass der HERR gütig ist! Glückselig der Mann, der sich bei ihm birgt.«
Dies ist die maßgebende, dringende Einladung an die Unbekehrten. Wir mögen begründen, argumentieren, uns der Logik bedienen und Beweise für das Christentum heranziehen; aber wenn alles gesagt und getan ist, muss der Mensch für sich selbst »schmecken und sehen«. Murdoch Campbell schreibt:
Wir mögen über Gott diskutieren, über seine Existenz und über äußere Beweise, die aus der Schöpfung und Vorsehung entnommen sind. Doch nur wenn seine Liebe und Gegenwart unsere Herzen berührt, können wir ihn wirklich in seiner unaussprechlichen Güte erkennen.

Dann folgt die Einladung an die Bekehrten. Es ist der Aufruf zum Leben im Glauben. Die Heiligen werden eingeladen, im Glauben und nicht im Schauen zu wandeln und so Gottes wunderbare, wundersame und überreiche Vorsehung zu erleben. Es ist die Botschaft von Matthäus 6,33: »Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit! Und dies alles wird euch hinzugefügt werden.«

MacDonald – Kommentar zum Alten Testament

Schmeckt und seht usw. ist derselbe Gedanke, den der Apostel in I. Petrus 2,3 ausdrückt. Manchmal lehnen Kinder bestimmte Lebensmittel ab, die ihnen angeboten werden, und geben als Grund an, dass sie sie „nicht mögen“. Die Eltern sagen ihnen dann wahrscheinlich, dass sie herausfinden würden, dass sie die Lebensmittel mögen, wenn sie sie nur probieren würden. Genauso verhält es sich in vielen Fällen mit den Kindern Gottes. Sie bilden sich ein, dass sie die Dinge, die ihnen angeboten werden, nicht mögen würden, obwohl sie noch nicht einmal das Interesse hatten, sie zu probieren und zu sehen.

E.M. Zerr – Psalm

Die Gottesfürchtigen können sicher sein, dass Gott auf jede Bezeugung persönlichen Glaubens antwortet. Wenn der Fall es erfordert, sendet Er Seinen Engel zu ihrem Schutz, so dass sie sich trotz der sie umgebenden Gefahren in Sicherheit fühlen (Verse 7 und 8; Ps 35,5.6; Apg 12,11). Das Ergebnis ist, dass ihre Gesichter nicht mehr von Kummer und Sorge geprägt sind, sondern vor Freude strahlen als ein Widerschein der Güte Gottes. Jeder Gläubige, der seine Zuflucht zu Ihm nimmt (Vers 9), wird Erfahrungen machen von dem Glück, in Ihm geborgen zu sein, und dies desto deutlicher, je größer die vorhergehende Not war (Ps 84,12f; Klgl 3,22–26; Jak 5,11; 1. Pet 2,3). Solche geistlichen Erfahrungen kann man von niemand lernen oder übernehmen, sie müssen ganz persönlich im Leben des Gläubigen gemacht werden. Durch das selbst Erlebte lernen wir den Wert der Liebe und Güte unseres Herrn am besten kennen. In der Aufforderung, dies zu „schmecken“, liegt nichts Mahnendes (Vers 9). Der Dichter wünscht seinen Lesern die gleichen segensreichen Erfahrungen, auf die er selbst zurückblicken kann. Wenn der Gläubige auch durch schwere Erprobungen geführt wird, so wird er doch nachher bestätigen: „Keinen Mangel haben, die ihn fürchten“, und: „die den HERRN suchen, ermangeln keines Guten“ (Verse 10 und 11). Durch Glauben ist der Geprüfte überzeugt: „Mir wird nichts mangeln“ (Ps 23,1 und 107,9). Dieses gläubige Vertrauen hat nicht einen garantierten Lebenserfolg und ungestörte Wohlfahrt im Sinn. Auch steht dem Glauben nicht lediglich die Abhilfe vom Mangel vor Augen. Viel wichtiger ist ihm die unendliche Liebe und Allmacht des himmlischen Vaters.

Karl Mebus – Die Psalmen – Eine Auslegung für die Praxis

Der Psalmist ermahnt nun sein Volk, die Güte des Herrn durch persönliches Ausprobieren und Erleben herauszufinden, wörtlich „schmecken und sehen“, was mit „sich selbst versuchen und herausfinden“ übersetzt werden kann (siehe FRCL). 1 Petrus 2,3 verwendet dieselbe Sprache, die auf der Septuaginta-Übersetzung dieses Abschnitts beruht. Das Verb, das normalerweise mit sehen übersetzt wird, wird von Dahood von einer anderen Wurzel abgeleitet, die „tief trinken“ bedeutet, aber sein Vorschlag wurde nicht allgemein akzeptiert. In vielen Sprachen ist es nicht möglich, den Begriff Geschmack in einem anderen Sinne zu gebrauchen als für den Genuss von Speisen oder Getränken. Daher muss man oft sagen: „Schau und lerne“ oder „Sieh und finde heraus“. In einigen Sprachen ist es notwendig, eine Beziehung zwischen dem zweiten und dem ersten Verb anzugeben, z. B. „Schau, um zu lernen“ oder „Hör zu, um zu wissen“.

Für Zuflucht nehmen siehe Kommentare zu 2:12. In einigen Sprachen müssen die Worte „nimmt Zuflucht zu ihm“ übersetzt werden, z. B. „wer zu ihm geht und er ihn beschützt“ oder „wer ihn bittet, ihn zu verteidigen“.

Bratcher – Ein Übersetzerhandbuch zum Buch der Psalmen

„Schmecket und sehet, dass der HERR gütig ist!“
Psalm 34,8 revElbf

Das Christsein ist eine Lebensweise. Und es ist eine Lebensweise, die eine völlige Hingabe erfordert; es erhebt, wenn man so will, einen totalitären Anspruch. Es bittet uns nicht lediglich darum, dass wir es in Erwägung ziehen und sagen: „Oh ja, ich kann diese Lehre annehmen; dort hat sie einen guten Schwerpunkt, und das werde ich noch zu ihr hinzufügen!“ Nein; es ist nicht etwas, was wir so anwenden könnten, wie, wann und wo wir es meinen. Jesus spricht: „Trachtet aber zuerst nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit“ (Matthäus 6,33).
Ich möchte es mit anderen Worten wie folgt ausdrücken: Männer und Frauen werden die Wahrheit des Christentums oder die Segnungen, die es schenken kann, nie erkennen, solange sie sich ihm nicht hingegeben haben. Sie können das Christentum von außen untersuchen, aber sie werden es nie kennen lernen; sie werden es nie bekommen. Unser Herr sagt: „Wenn jemand seinen [Gottes] Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist, oder ob ich aus mir selbst rede“ (Johannes 7,17).
Hier haben wir ein großes fundamentales Prinzip dieser Lebensweise: „Schmecket und sehet, dass der HERR gütig ist“ (Psalm 34,8). Sie werden nie erkennen, dass der HERR gütig ist, solange Sie ihn noch nicht geschmeckt haben; bis Sie ihn versucht haben. Manche von uns sind einem Mann gleich, der in einem Obstgarten steht und sich dort einen Apfelbaum oder einen Birnenbaum anschaut, ihn aber nur auf Abstand untersucht. Jemand sagt zu ihm: „Wissen Sie, dieser Baum hat einen ganz wunderbaren Geschmack. Wenn Sie ihn nur probierten, würden Sie sagen, dass es die wunderbarste Frucht ist, die Sie in Ihrem Leben je gegessen haben.“ Doch der Mann schaut nur zu, und er ist nicht ganz zufrieden; er ist nicht überzeugt, und er kann argumentieren und dort bleiben, solange er will, aber er wird die Frucht nie kennen lernen, bis er sie nimmt und sie in seinen Mund legt und sie abbeißt und sie probiert. „Schmecket und sehet, dass der HERR gütig ist!“
Eine theoretische Untersuchung des Christentums wird uns nie irgendwohin bringen. Unser Herr fordert uns immer zu einer Hingabe auf.

Lloyd-Jones – 365 Gute Aussichten

Den Unterschied ist aufgefallen?
Gut! Die Beziehung zum Schöpfer ist wirklich eine Beziehung! Und Jehovah will „Ausschließlichkeit“ wie ein Ehepartner! Und kannst du dich „bemühen“ deinen Ehepartner zu lieben, dich „bemühen“ nett zu ihm zu sein???? Kannst du dich „bemühen“ eine Frucht zu essen? Nein! Diese Dinge muß man nur WOLLEN und dann TUN!
Wer sich „bemühen muß“ – der ist in einer Religion gefangen, die einen selbst und die Umgebung krank machen kann. Jehovah dagegen will dein und mein Bestes – und ist deshalb der Geber aller guten Dinge!

Ein Kind mit göttlichen Namen? – III

Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, Der auf Seiner Schulter das Fürstentum hat; und Sein Name wird genannt Wunderbar, Rat, Gott, Held, Vater der Ewigkeit, Friedensfürst. Der da mehret das Fürstentum, und des Friedens ist kein Ende, auf Davids Throne und seinem Königreich, es zu befestigen und zu stützen mit Recht und Gerechtigkeit von nun an und bis in Ewigkeit. Der Eifer Jehovahs der Heerscharen tut solches.
Tafelbibel – Jesaja 9,5–6

Denn ein Geborener ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und das Fürstentum wird auf seiner Schulter; und er rief seinen Namen: Wunderbarer, Berater, EL, Mächtiger, Vater der Zeugenszeit, Fürst des Friedens. Dem Gemehrtwerden des Fürstentums und dem Frieden ist kein Enden auf dem Thron DaWiDs und über seinem Regententum, es zu bereiten und es zu laben mittels Richtigung und mittels Rechtfertigung von nun an bis zum Äon. Der Eifer JHWHs der Heere wird dies tun.
Dabhar – Jes 9,5–6

weitere Bibelausgaben dieses Textes 2020

Nicht nur 2020 sondern auch 2021 gab es schon einige Kommentare zu diesem Vers.
Deshalb heute nur die jüdische-messianische Ansicht:

In den Versen 4-7 werden mehrere Gründe für die im vorherigen Abschnitt beschriebene Herrlichkeit genannt, angefangen in Vers 4 mit dem Zerbrechen des Jochs des Unterdrückers: Denn das Joch seiner Last und den Stab seiner Schulter, die Rute seines Unterdrückers, hast du zerbrochen wie zur Zeit Midians. Die Last der assyrischen Invasion wird mit einem Joch, einem Stock im Nacken und einer Rute verglichen. Der Ausdruck „Tag von Midian“ bezieht sich auf die Schlacht, die die nördlichen Stämme von der Unterjochung befreien sollte (Richter 7:1-25).

Der zweite Grund für die Herrlichkeit wird in Vers 5 beschrieben: Denn die ganze Rüstung des Bewaffneten im Getümmel und die in Blut gewälzten Kleider werden zum Brennen sein, zum Brennstoff des Feuers. Alle Waffen des Feindes würden vernichtet werden.

Der dritte Grund ist die Ankunft des Immanuel, die in den Versen 6-7 beschrieben wird. Diese beiden Verse enthalten eine Fülle von messianischen Informationen. Vers 6a hebt die Menschlichkeit des Messias hervor: Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Der Begriff „Kind“ bezieht sich auf die natürliche Geburt des Messias, und der Kontext deutet darauf hin, dass dieses Kind in der jüdischen Welt in unruhigen Zeiten geboren werden würde. Der Begriff „Sohn“ weist darauf hin, dass der Messias ein einzigartiges Geschenk Gottes sein wird. Tatsächlich wird er der messianische Sohn aus Psalm 2 sein. Die Regierung wird im messianischen Reich auf den Schultern dieses Kindes ruhen.

Vers 6b offenbart ein weiteres wichtiges Element der Herkunft des Messias: „Und sein Name wird heißen: Wunderbar, Ratgeber, Mächtiger Gott, Ewiger Vater, Friedefürst“ (V. 6b). Dem Sohn aus Vers 6a werden vier Namen gegeben. Drei dieser Namen sind ausschließlich auf Gott anwendbar. Daher verraten sie den göttlichen Ursprung des Messias. Jeder Name besteht aus zwei Teilen.

Der erste Name ist Wunderbarer Ratgeber (Pele-Yoetz). In einigen Übersetzungen (z. B. in der oben zitierten ASV) wird ein Komma zwischen diese beiden Wörter gesetzt, so dass es sich um zwei getrennte Namen handelt. Das hebräische Wort für „wunderbar“, pele , ist jedoch ein Substantiv im Konstruktzustand und sollte zusammen mit „Ratgeber“ verstanden werden. Wie Hindson betont, „ist die erste Beschreibung des Kindes, dass es ein Wunder ist“. Genauer gesagt, ist der Messias ein Wunder eines Ratgebers. Es gibt im Hebräischen einige Wörter, die nur für Gott und niemals für Menschen verwendet werden. Ein Beispiel dafür ist bara, was „erschaffen“ bedeutet. Nur Gott kann etwas aus dem Nichts oder aus etwas heraus erschaffen. Ein weiteres Beispiel ist das hebräische Wort pele. Während die englische Übersetzung dieses Begriffs, „wunderbar“, frei für viele Dinge verwendet werden kann, sind pele und seine Entsprechungen (Richter 13:18; Jesaja 28:29) im Hebräischen normalerweise für das Göttliche reserviert.

Der zweite Name ist Mächtiger Gott (El-Gibbor). Es ist erstaunlich, wie viele Bibelübersetzer versucht haben, die offensichtliche Bedeutung dieses Satzes zu vermeiden. Ein Beispiel dafür ist die New English Bible, die den Satz mit „im Kampf wird er gottgleich sein“ wiedergibt. Das Wort „Kampf“ kommt im hebräischen Text nicht vor, ebenso wenig wie der Begriff „(gott)gleich“. El-Gibbor auf diese Weise zu übersetzen, ist ein Versuch, das Offensichtliche zu umgehen. Der Name taucht zwar auch in Jesaja 10,21 auf, aber er wird nie für einen Menschen verwendet.

Der dritte Name ist Ewiger Vater (Avi-Ad). Eine genauere Wiedergabe von Avi-Ad wäre „Vater der Ewigkeit“. Der Sohn, der geboren werden soll, wird der Urheber (Vater) der Ewigkeit sein, das heißt, er ist die Quelle des ewigen Lebens.

Der vierte Name ist Fürst des Friedens (Sar-Shalom). Von den vier Namen ist dieser Ausdruck der einzige, der sowohl für Menschen als auch für Gott verwendet werden kann. Der Name an sich deutet nicht auf eine Gottheit hin. Allerdings verwendet Jesaja das Wort Schalom auch in 26,3 und 12, und wie wir sehen werden, kann nur Gott die Art von Frieden für Israel herbeiführen, die in diesen Versen beschrieben wird.

Um das Gott-Mensch-Konzept aus Jesaja 9,6 nicht erklären zu müssen, haben die Rabbiner den Vers wie folgt übersetzt: „Denn uns ist ein Knabe geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Knechtschaft ruht auf seinen Schultern; der wunderbare Planer, der mächtige Gott, der Vater der Zeit, hat seinen Namen ‚Friedefürst‘ genannt.“ Außerdem haben die Rabbiner die Erfüllung dieser Prophezeiung auf Hiskia angewandt:

Der Vers wurde von der Kirche christologisch gedeutet, aber moderne nichtjüdische Exegeten sind sich einig, dass eine zeitgenössische Person gemeint ist. Der Talmud und spätere jüdische Ausleger verstanden die Anspielung auf den Sohn von Ahas, nämlich Hiskia.

Nach Jeruschalmi wollte Jesaja in Vers 6 Folgendes sagen: Da Hiskia ein gerechter Mann war, war er nicht wirklich ein Sohn für seinen bösen Vater Ahas, sondern für uns, d.h. für das Volk von Juda. Damals war Hiskia noch jung und seine Generation hatte es nicht verdient, gerettet zu werden, weil sich viele freiwillig Sennacherib unterwarfen. Dennoch nahm König Hiskia die Knechtschaft Gottes an. Seine Rechtschaffenheit führte zum Fall der Assyrer. Gott hatte große Pläne mit diesem jungen König und nannte ihn „Friedensfürst“, weil während Hiskias Regierungszeit Frieden herrschen sollte. Gott selbst wird als der „wunderbare Planer, der mächtige Gott und der Vater der Zeit“ bezeichnet, weil er die Pläne der Assyrer vereitelte, Sennacheribs Armee auf wundersame Weise besiegte und Hiskia noch fünfzehn Jahre leben ließ.

Vers 7a offenbart, dass der messianische Sohn auf dem Thron Davids sitzen wird: Es wird kein Ende sein mit der Zunahme seiner Herrschaft und des Friedens auf dem Thron Davids und seines Reiches, um es zu errichten und zu erhalten mit Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Der souveräne Herrscher des messianischen Königreichs wird der Messias selbst sein. Wenn die Regierung auf seinen Schultern ruht, wird es keinen vorübergehenden, sondern einen ewigen Frieden geben. Der Messias wird auf dem Thron Davids regieren. Er selbst wird sein Reich errichten und aufrechterhalten. Das Wesen dieses Reiches wird Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit sein. Wenn es einmal errichtet ist, wird es für immer bestehen.

Nachdem die Rabbiner bereits festgestellt hatten, dass der Sohn aus Vers 6 Hiskia war, legten sie Vers 7 folgendermaßen aus:

Dem, der die Macht erhöht hat – wem wird er diesen Namen geben? Dem König, der die Autorität des Heiligen, gepriesen sei Er, auf sich selbst erhöht, um Ihn zu fürchten.

Autorität – ein Ausdruck der Regierung. (Damit wollen wir diejenigen widerlegen, die mit uns [den Christen] nicht einverstanden sind.) Aber man kann auch sagen, dass „Friedensfürst“ einer der Namen des Heiligen, gepriesen sei Er, ist und dass diese Namensnennung eigentlich kein Name ist, sondern ein Ausdruck von … Größe und Autorität. …
und für den Frieden, der ihm gegeben ist, wird es kein Ende geben, denn er hatte Frieden auf allen seinen Seiten, und dieses „Ende“ ist kein Ausdruck für ein Ende in der Ewigkeit, sondern es wird keine Grenzen geben. Auf dem Thron des Königreichs Davids soll dieser Friede Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit sein, die Hiskia vollbrachte.

und für den Frieden – … [Hiskia] erhöhte die Macht auf seiner Schulter, und welchen Lohn wird … [Gott] ihm geben? Siehe, sein Friede wird kein Ende und keine Grenze haben.

von jetzt an und bis in alle Ewigkeit – die Ewigkeit Hiskias, d.h. alle seine Tage. … Und um diejenigen zu widerlegen, die anderer Meinung sind (d.h. die Christen, die behaupten, dass dieser (Friedensfürst) ihre Gottheit ist), können wir sie widerlegen (indem wir fragen): Was ist die Bedeutung von: „von jetzt an“? Ist es nicht so, dass die „Gottheit“ erst nach fünfhundert Jahren und mehr gekommen ist? …

wird dies vollbringen – aber Ahas hat es nicht verdient, außerdem ist das Verdienst der Patriarchen erloschen.

In Bezug auf Hiskia zitiert die Gemara, was dort steht: „Auf dass die Herrschaft (lemarbe) zunehme und des Friedens kein Ende sei, auf dem Thron Davids und auf seinem Königreich, um es zu errichten und zu erhalten durch Recht und Gerechtigkeit, von nun an bis in Ewigkeit; der Eifer des Herrn der Heerscharen tut dies“ (Jesaja 9,6). Rabbi Tanḥum sagt, dass Bar Kappara in Tzippori gelehrt hat: Aus welchem Grund ist jeder Buchstabe mem in der Mitte eines Wortes offen und dieser mem, des Wortes lemarbe, ist geschlossen? Im masoretischen Text wird der Buchstabe mem im Wort „lemarbe“ in Form eines Mems geschrieben, das am Ende eines Wortes steht und an allen vier Seiten geschlossen ist. Das liegt daran, dass der Heilige, gepriesen sei Er, König Hiskia als den Messias und Sennacherib bzw. Assyrien als Gog und Magog bezeichnen wollte, alles aus der Prophezeiung von Hesekiel über das Ende der Tage (Hesekiel, Kapitel 38), und die Konfrontation zwischen ihnen würde in der endgültigen Erlösung gipfeln.

Das Attribut der Gerechtigkeit sagte vor dem Heiligen, gepriesen sei Er: Herr des Universums, und wenn du David, den König Israels, der vor dir mehrere Lieder und Loblieder rezitierte, nicht als Messias bezeichnet hast, wirst du ihn dann in Bezug auf Hiskia, für den du all diese Wunder vollbracht hast, indem du ihn von Sennacherib befreit und seine Krankheit geheilt hast, und der nicht vor dir Loblieder rezitiert hat, als Messias bezeichnen? Aus diesem Grund wurde das Mem [ein hebräischer Buchstabe in der Mitte des letzten Wortes in diesem Vers, der besonders geschlossen ist] geschlossen, denn es gab eine Gelegenheit zur Erlösung, die vereitelt wurde.

Laut dem letzten Absatz dieses talmudischen Hinweises war Hiskias Versagen, nach dem Wunder, das er empfangen hatte, Gottes Lob zu singen, der Grund dafür, dass er seine Chance, der Messias zu sein, verlor.

Vers 7b liefert das letzte Schlüsselelement der messianischen Prophezeiung aus den Versen 6-7: Der Eifer Jehovas der Heerscharen wird dies vollbringen. Die Formulierung „Eifer Jehovas“ ist etwas Besonderes bei Jesaja. Er findet sich auch in 37:32, wo der Prophet ein Versprechen mit diesen Worten besiegelt. Außerdem taucht der Satz in 2 Könige 19:31 auf. Das Schlüsselelement in Vers 7b ist ein Versprechen und eine Garantie: Gottes Eifer wird vollenden, was zuvor gesagt wurde.

Motyer gibt die folgende Perspektive auf Jesaja 9,6-7:

Wie kommt das siegreiche, bundeserfüllende Werk Gottes (4) zustande? Auf welche Weise kommt das Volk des Herrn (5) in eine beitragsfreie Erlösung? Durch die bloße Tatsache der Geburt des Königs. Die Betonung liegt nicht auf „uns“, sondern auf „ein Kind wird geboren“. Kind: seine menschliche Abstammung. Sohn: seine Männlichkeit und seine Würde in der königlichen Linie. Geboren von menschlichen Eltern, aber auch vom Herrn gegeben. Die Schultern seines Volkes (4) werden befreit, wenn seine Schultern die Last der Herrschaft übernehmen. Er wird angerufen werden: wörtlich „man wird seinen Namen anrufen“. In seiner höchsten Bedeutung fasst der „Name“ den Charakter zusammen; er erklärt die Person. Die Vollkommenheit dieses Königs zeigt sich in seiner Qualifikation zum Regieren (Wunderbarer Ratgeber), seiner Person und Macht (Mächtiger Gott), seiner Beziehung zu seinen Untertanen (Ewiger Vater) und der Gesellschaft, die seine Herrschaft schafft (Fürst des Friedens). Wunderbar: wörtlich „ein Wunder von einem Ratgeber“. In den meisten der achtzig Male, in denen das Verb pala‘, sein Substantiv (wie hier pele‘) und sein Adjektiv (pile’i) vorkommen, beziehen sie sich auf den Herrn selbst und seine Werke. Es ist das Wort, das im Hebräischen dem Begriff „übernatürlich“ am nächsten kommt und hier eine Weisheit zum Ausdruck bringt, die weit über das Menschliche hinausgeht: die Erfüllung von 1,26, im Gegensatz zu Ahas, dessen Entscheidungen sein Volk ins Verderben stürzten; ähnlich wie Salomo, dessen Weisheit irdisch blieb (1 Könige 4,29-34), aber darüber hinausgehend. Mächtiger Gott: Die Wiederholung dieses Titels in 10,21, der sich auf den Herrn selbst bezieht, macht seine Bedeutung hier deutlich. Übersetzungen wie „gottgleicher Held“ sind sprachlich unwahrscheinlich und umgehen die Andeutung, dass das Alte Testament einen göttlichen Messias erwartete … Ewig ist sowohl allgemein (26,4) als auch speziell (57,15). Als das Volk einen König forderte (1. Sa. 8), wollte es die episodische Herrschaft der Richter durch die Beständigkeit der Monarchie ersetzen. Der kommende König ist die endgültige Erfüllung dieser Sehnsucht. Vater: Der Begriff „Vater“ bezieht sich auf den Herrn und steht für seine Fürsorge (Ps 65,5), Fürsorge und Disziplin (Ps 103,13; Spr 3,12; Jesaja 63,16; 64,8) … Frieden ist persönliche Erfüllung (2. Ki. 22,20), Wohlbefinden (Genesis 29,6), Harmonie (Ex. 4,18), Frieden mit Gott (Nu. 6,26; 25,12; Jesaja 53,5). Das Verb „salem“ bedeutet „ganz, vollständig sein“. Fürst entspricht unserer Vorstellung von „Verwalter“. Dieser Fürst, der selbst eine ganze Persönlichkeit ist und mit Gott und seinem Volk eins ist, verwaltet in seiner gütigen Herrschaft die Wohltaten des Friedens/der Ganzheit. Diese Herrschaft wird jedoch in ihrem Charakter (und Frieden) unveränderlich sein, ohne Ende in Raum und Zeit (für immer), die Erfüllung des davidischen Ideals (Davids, Ps 2,8; 72,8-11), die die Heiligkeit Gottes in ihrer Hingabe an Gerechtigkeit in der Praxis und Rechtschaffenheit im Prinzip widerspiegelt (vgl. 5,16) und durch den Einsatz (Eifer) und die Aktivität (Vollendung) des HERRN garantiert. Eifer: als leidenschaftlicher Einsatz (37:32; 42:13; 59:17; 63:15); vgl. die Liebe, die keine Untreue duldet und keinen Rivalen duldet (Nu. 15:11; Ps 79:5). Es ist der Herr, der die Zukunft plant (1), den Feind zerschmettert (5) und seine Versprechen hält (7).

Wie bereits erwähnt, besteht das Buch Immanuel aus fünf Abschnitten. Bislang wurden die ersten beiden Abschnitte besprochen. Jesaja selbst hat in 8:18 die Weichen für die restlichen drei Abschnitte gestellt. Siehe, ich und die Kinder, die Jehova mir gegeben hat, sind zu Zeichen und Wundern in Israel von Jehova der Heerscharen, der auf dem Berg Zion wohnt. Mit diesem einen Vers hat Jesaja den Grundstein für die anderen drei Abschnitte gelegt, denn es geht darum, die Bedeutung seines Namens und der Namen seiner Söhne zu verdeutlichen.

Arnold Fruchtenbaum – Bibelkomentar Jesaja

Gnade oder Verdienst?

denn alle sündigten, und sie reichen nicht an die Herrlichkeit Gottes heran; sie werden geschenkweise gerechtfertigt ‹durch› seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist,
Janzen & Jettel – Röm 3,23–24

Denn darin sind die Menschen gleich:  Alle sind schuldig geworden und spiegeln nicht mehr die Herrlichkeit wider, die Gott dem Menschen ursprünglich verliehen hatte. Aber was sich keiner verdienen kann, schenkt Gott in seiner Güte: Er nimmt uns an, weil Jesus Christus uns erlöst hat.
Hoffnung für Alle – Römer 3,22–24

Folgende Aussage war 2020 hier zu lesen:
Habe ich mich zu Gott hingewandt? Oder hat er mich gezogen? Was kann ich tun, damit ich seine Liebe verdiene? Vielleicht mehr mit anderen über IHN reden, damit er mich liebt? Oder aufhören bestimmte Dinge zu tun, die ER nicht mag? – oder verstehe ich die Bibel richtig, dass seine Liebe zuerst da ist – und diese Liebe in mir dann widergespiegelt wird, und ich aus dieser Liebe heraus, bestimmte Dinge tue oder unterlasse??
Alles andere nennt man wohl dann Religion.

Ein wunderbares Ergebnis der Rechtfertigung vor Gott
Nachdem Paulus die Grundlage der Rechtfertigung (Röm 4,25) vorgestellt hat, fährt er in Römer 5,1 fort: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.“ Frieden ist das wunderbare und zutiefst glücklich machende Ergebnis der gottgemäß geordneten Beziehung zwischen Gott und dem Glaubenden.
Das Ruhen in diesem Frieden und der bleibende Genuss dieses Friedens machen uns dankbar und froh.

Rechtfertigung vor Gott – ein Geschenk seiner Gnade
Das göttliche Urteil ist unmissverständlich: „Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,22.23). Aber dann fährt der Apostel Paulus fort: „… und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist“ (Röm 3,24). Es ist ganz und gar unverdient, dass Gott ehemalige Sünder durch seine Gnade rechtfertigt. Verdient hatten wir die ewige Verdammnis – geschenkt wurde uns die ewig gültige und sichere Stellung vor Gott in vollkommener Übereinstimmung mit seiner Gerechtigkeit!
Was für ein bewunderswerter Wechsel!

Im Glauben leben 2017

Im Gegensatz zu Paulus, der argumentiert, dass die Menschheit nicht durch „Werke des Gesetzes“ gerechtfertigt werden kann, sondern durch Gottes Gnade durch die Erlösungstaten Jesu Christi erlöst worden ist (Gal. 2:16; Röm. 3:19-26), verkünden die Schriftrollen vom Toten Meer wiederholt, dass „Werke des Gesetzes“ der Schlüssel zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Beziehung zu Gott und zur Sicherung seiner Segnungen aus dem Bund sind (1QS 6.18-19a; 4Q265 4 ii 3-7a; 4Q394 3-7 i 4-5a; 4Q398 14-17 ii 2b-5).2 Aus der Sicht von Qumran hatte Gott es für angebracht gehalten, die Führer der Gemeinschaft mit der Fähigkeit auszustatten, das Gesetz und seine Bedeutungen richtig zu interpretieren (1QpMic frg. 8-10 6-9; 1QpHab 2.1-10a; 7.4-5; CD 4.4b-10; CD-B 20.6-8). Obwohl diese Auslegungen als Grenzmarkierungen zwischen der Gemeinschaft und anderen Juden fungierten, hatte die Halakha von Qumran auch eine eschatologische Komponente: Ihre Einhaltung garantierte den Status eines Gemeinschaftsmitglieds als Sohn des Lichts und seine Befreiung von den Mächten des Bösen am Ende der Tage (1QM). Das soll jedoch nicht heißen, dass die Gnade Gottes in den soteriologischen Bestrebungen der Gemeinschaft keine Rolle spielte. Im Gegenteil, die Mitglieder der Qumran-Gemeinschaft waren sich ihrer eigenen Fehlbarkeit und ihrer Abhängigkeit von Gottes Gnade in allen Aspekten ihrer Beziehung zu ihm sehr bewusst (1QS 2,25b-3,9a; 5,1-6; 11,10b-15; 1QHa 8.26-30; 12.30-34a).

Daniel M. Gurtner – Dieser Welt und der kommenden Welt – Soteriologie im frühen Judentum

Kommt dir bekannt vor : eine Führung, die von Jehovah die Fähigkeit bekommen hat, die Schrift richtig auszulegen??

Nachdem Paulus festgestellt hatte, dass niemand gerecht ist, befasste er sich als Nächstes mit der Manifestation des Offenbarten, indem er die göttliche Antwort auf die allgemeine Schuld formulierte. Diese göttliche Antwort wurde erstmals in 1,17b vorgestellt: „Die Gerechten aber werden aus Glauben leben.

Der Abschnitt beginnt in Vers 21 mit einem betont logischen Übergang: Jetzt aber ist unabhängig vom Gesetz eine Gerechtigkeit Gottes offenbart worden, die durch das Gesetz und die Propheten bezeugt wird. Witmer weist darauf hin, dass die griechische Formulierung für „aber jetzt“, nyni de, „einen scharfen Kontrast zu dem einleitet, was vorher war“. Zweimal spricht der Vers vom Gesetz, das, wie bereits erwähnt, im Griechischen nomos heißt. Im Griechischen wird jedoch nur bei der zweiten Erwähnung von nomos ein bestimmter Artikel vorangestellt. Das hat die Übersetzer der YLT, den Vers wie folgt zu übersetzen: Und nun ist die Gerechtigkeit Gottes unabhängig vom Gesetz offenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Die erste Erwähnung von nomos bezieht sich auf das Prinzip des Gesetzes und die zweite Erwähnung auf das mosaische Gesetz. Paulus erklärte, dass die Gerechtigkeit Gottes unabhängig von einem Gesetzesprinzip offenbart worden ist. Das mosaische Gesetz und die Propheten zeugten von dieser Gerechtigkeit. Das griechische Wort für „abgesehen von“, chóris, bedeutet nicht „im Gegensatz zu“, sondern „getrennt von“ im Sinne von „unabhängig von“. Unabhängig vom Prinzip des Gesetzes ist Gottes Gerechtigkeit offenbart worden. Die Tatsache, dass das Gesetz und die Propheten dies bezeugten, bedeutet, dass diese Wahrheit bereits in den hebräischen Schriften offenbart wurde. Diese Gerechtigkeit Gottes wird „zugerechnete Gerechtigkeit“ genannt. Etwas zuzurechnen bedeutet, es einer anderen Person zuzuschreiben. Wenn ein Mensch an den Messias glaubt, schreibt Gott diesem Gläubigen die vollkommene Gerechtigkeit seines Sohnes zu (vgl. 2Korinther 5,21). Die vollkommene Gerechtigkeit des Messias wird dem/der Gläubigen forensisch oder gerichtlich zur Rechtfertigung gutgeschrieben. Gott kann die Person dann für rechtmäßig rechtschaffen erklären. Niemand kann diese Art von Gerechtigkeit erlangen, indem er nach seinem Gewissen lebt, auf die allgemeine Offenbarung reagiert oder durch die Werke des mosaischen Gesetzes. Diese Gerechtigkeit wird nicht verdient, sondern ist ein kostenloses Geschenk von Gott.

Die Art und Weise, wie dieses kostenlose Geschenk Gottes dem Gläubigen zugesprochen wird, wird in den Versen 22-23 offenbart. Der Abschnitt beginnt in Vers 22a mit einer Erklärung zum Glauben: die Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben an den Messias Jeschua für alle, die glauben. Die Gerechtigkeit Jeschuas wird den Gläubigen durch den Glauben zuteil. In dem Moment, in dem ein Mensch an das glaubt, was der Messias am Kreuz getan hat, wird ihm die Gerechtigkeit des Messias zugerechnet. Das hat zur Folge, dass Gott ihn für nicht schuldig erklärt.

In den Versen 22b-23 wird erklärt, dass diese Art, für gerecht erklärt zu werden, sowohl für Juden als auch für Heiden gilt: Denn es gibt keinen Unterschied; denn alle haben gesündigt und verfehlen die Herrlichkeit Gottes. In Bezug auf die Errettung gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden. Es gibt nur einen Weg, um gerettet zu werden, und zwar aus Gnade durch den Glauben an Jeschua, den Messias. Der Grund dafür ist, dass alle gesündigt haben und der Herrlichkeit Gottes nicht gerecht werden. Der Heide hat versagt, den Anforderungen der allgemeinen Offenbarung gerecht zu werden, der kultivierte Grieche hat versagt, den Anforderungen seines Gewissens gerecht zu werden, und der Jude hat versagt, den Anforderungen des mosaischen Gesetzes gerecht zu werden. Sie alle haben es versäumt, sich an Gottes Maßstab zu messen. Sie haben vielleicht nicht alle in gleichem Maße gesündigt, aber gesündigt haben sie alle. Folglich sind sie alle hinter der Herrlichkeit Gottes zurückgeblieben. Niemand kann Gottes Gerechtigkeit aufgrund seiner oder ihrer eigenen Werke erlangen, denn diese Gerechtigkeit kann nur durch den Glauben erlangt werden.

In den Versen 24-25 wird Gottes Programm der Gerechtigkeit weiter erläutert und die Rolle, die der Tod des Messias in diesem Programm spielt, hervorgehoben. Wie wir sehen werden, verwendet Paulus hier zwei Schlüsselwörter: Rechtfertigung und Versöhnung. Vers 24 konzentriert sich auf den ersten Begriff: umsonst gerechtfertigt sein durch seine Gnade durch die Erlösung, die in Messias Jeschua ist. Was die Erlösung angeht, ist die Rechtfertigung der wichtigste Rechtsbegriff im Neuen Testament.

Arnold G. Fruchtenbaum – Ariel’s Bibelkommentar: Römer