Schlagwort: Glauben

von Gott verlassen?

um die neunte Stunde aber schrie Jesus auf mit lauter Stimme und sagte: Eli, eli, lama sabachthani? das ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Elberfelder 1871 – Matthäus 27,46

Und um die neunte Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: „Eli, Eli, lema sabachthani?“, das heißt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Ps 22,2).
Pattloch Übersetzung 1980 – Matthäus 27,46

Um die neunte Stunde aber rief Jesus (- Hebräer 5,7 -) mit lauter Stimme und sprach: «Eli, Eli, Lema, sabachthani?», das ist: «Mein Gott, Mein Gott (- Ps 22,2 -), warum hast Du Mich verlassen?»
Abraham Meister – Neues Testament – Matthäus 27:46

Hatte der Vater den Sohn wirklich verlassen?
Oder fangen wir mit einer noch wichtigeren Frage an: war der Tod Jesu ein „Unfall“? War der himmlische Vater überfordert, und konnte für seinen Sohn nichts tun?
Wenn wir diese Geschichte der Bibel als „Unglück“ sehen, dann müssen wir natürlich auch in unserem Leben „zittern“, weil Jehovah vielleicht überfordert wäre, uns zu helfen. Aber wenn die Tötung Jesu von Jehovah geplant war – ja, wenn der Tod Jesu nur der Höhepunkt der Liebesgeschichte Gottes an die Menschen war, dann kann und darf man diesen „Unfall“ niemals mit Geschehnissen in unserem Leben vergleichen! Ich würde behaupten, dass ALLES was geschieht, von Jehovah nicht nur gesehen sondern auch von IHM überwacht wird – ER ist NIE überfordert oder überrascht! Auch nicht, dass Menschen, die behaupten an Gott zu glauben, andere Menschen aus den Gemeinden ausschließen würden…

Aber schauen wir uns unterschiedliche Auslegungen zu dem obrigen Vers an:

Matthäus macht keine Angaben darüber, wann die Kreuzigung begann, doch nach Markus war es um die „dritte Stunde“ (Mk 15,25), also neun Uhr vormittags. Matthäus schreibt nur, daß von der sechsten Stunde, also von zwölf Uhr mittags, bis zur neunten Stunde, drei Uhr nachmittags, eine Finsternis über das ganze Land kam. Während dieser Zeit der Dunkelheit wurde Jesus das Sühneopfer für die Welt (Joh 1,29; Röm 5,8; 2Kor 5,21; 1 Petrus 2,24;3,18) und als solches vom Vater verlassen. Gegen Ende konnte Jesus die Trennung nicht länger ertragen und schrie laut: „Eli, Eli, lama asabtani?“ Diese aramäischen Worte bedeuten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“(ein Zitat aus Ps 22,2). Jesus hatte ein Gefühl des Verstoßenseins vom Vater, das er nie zuvor kennengelernt hatte, denn der Vater mußte sich als Richter vom Sohn abwenden, als dieser zur Sünde wurde (Röm 3,25-26).

Walvoord Bibelkommentar

Jesu hebräischer Gebetsschrei: »Eli, Eli, lema sabachthani«, zu deutsch: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« – wurde falsch verstanden. Sie sagten: Der ruft den Elia, den Propheten, der als der Vorläufer des Christus kommen sollte. Die Spötter meinten, es wäre jetzt höchste Zeit, daß Elia käme, um ihn, den Gehängten, als den Christus, als den Sohn Gottes zu rehabilitieren. – Es war ein billiger Hohn, dieser Spottruf: »Der ruft den Elia.«
Matthäus spricht im Anschluß an das Wort Jesu »Eli, Eli, lemá sabachtháni? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« von der Tränkung Jesu mit Hilfe eines Schwammes voll Essig. – Johannes, der Evangelist, begründet diese Tränkung. Johannes schreibt (Jo 19,28): »Weil Jesus daß bereits alles erfüllt war, sprach er, damit die Schrift (ganz) erfüllt würde: ›Ich dürste.‹« – Der Zusammenhang ist also folgender: Im gleichen Psalm, dessen Anfangsworte Jesus in die Nacht hinausruft, heißt es einige Verse später: »Vertrocknet wie eine Scherbe ist meine Kraft, und die Zunge klebt mir am Gaumen« (V. 16). Und im 69. Psalm findet sich mit geheimnisvoller typischer Beziehung auf den verschmachtenden Messias die Stelle: »Sie haben mich mit Essig getränkt in meinem Durst« (Ps 69,22). Jesus, der sich bewußt ist, nun den ganzen Leidensbecher ausgetrunken zu haben, den der Vater ihm gereicht hat, will auch diese letzte noch ausstehende Prophezeiung erfüllen. Denn mitten in der schwersten Qual des Leibes und der Seele und obwohl verlassen von seinem himmlischen Vater, ist er darauf bedacht, bis ins kleinste hinein dessen Willen zu vollenden. Daher schloß er an jenen Ausruf der Gottverlassenheit diese Klage an über seinen Durst. Der Durst war es ja auch, was die Gekreuzigten am meisten peinigte. Und aus allem, was oben über die Kreuzigung gesagt worden ist, läßt sich entnehmen, wie quälend Jesu Durst gewesen sein muß. Trotzdem hätte er, der alles stillschweigend duldete, sich nicht darüber geäußert, hätte nicht die Prophezeiung ihn dazu veranlaßt.

Wuppertaler Studienbibel

Es ist schwer für uns, die wir geistlich tot geboren wurden, zu begreifen, was das für Jesus bedeutete und warum Er sich so sehr darüber aufregte. Wir wurden geistlich tot geboren, und obwohl wir jetzt geistlich lebendig sind, ist selbst dieses geistliche Leben kein völlig sündloses Leben; die Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, wird im Leben eines Gläubigen durch Sünde unterbrochen. Nicht so bei Jeschua! In der ganzen vergangenen Ewigkeit war er in ständiger Gemeinschaft mit Gott dem Vater. Aber in dem Moment, als die Sünden der Welt auf Ihn gelegt wurden, wandte sich Gott der Vater ab; und für die zweiten drei Stunden am Kreuz war Jesus geistlich tot. Am Ende dieser drei Stunden, in denen er den geistlichen Tod erlitt – er litt den Zorn Gottes, den dieser Kelch darstellt -, schrie er: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Matthäus 27:46)

Arnold Fruchtenbaum – Die Agonie von Gethsemane

Der neunzehnte Abschnitt war der vierte Satz vom Kreuz, und er ist sowohl in der aramäischen als auch in der hebräischen Form aufgezeichnet. Die aramäische Form steht in Markus 15,34: „Und um die neunte Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: Eloi, Eloi, lama sabachthani? was übersetzt heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Die hebräische Version steht in Matthäus 27:46: Und um die neunte Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme und sprach: Eli, Eli, lama sabachthani? das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Dieser vierte Satz vom Kreuz kommt am Ende der drei Stunden der Finsternis. Er ist ein Zitat aus Psalm 22,1, wo es ein Hilfeschrei ist. Der geistliche Tod des Messias dauerte insgesamt drei Stunden. Am Ende der drei Stunden des geistlichen Todes steht dieser Hilfeschrei: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Dies ist das einzige Mal in den Evangelien, dass Jesus die Gottheit mit „Mein Gott, mein Gott“ anspricht. Mindestens 170 Mal sprach er Gott als Vater an und 21 weitere Male war es spezifischer: „Mein Vater.“ Das einzige Mal, dass er den Vater als „mein Gott“ ansprach, war am Ende der drei Stunden der Finsternis, am Ende der drei Stunden des geistlichen Todes.
Wegen Seines geistlichen Todes hatte Jeschua nicht mehr eine väterliche Beziehung zu Gott, sondern eine gerichtliche. Er litt den Zorn Gottes; Er trank den Kelch, über den Er sich in Gethsemane quälte. Obwohl Er betete, dass Er ihn nicht trinken müsste, war es der Wille Gottes, des Vaters, dass Er ihn trinken würde. Aufgrund des Trinkens des Kelches wurde der Zorn Gottes über Ihn ausgegossen und Er war geistlich tot. Folglich hatte er keine väterliche Beziehung mehr zu Gott, dem Vater, sondern eine gerichtliche Beziehung zu ihm; und so ist es auch mit meinem Gott. Dieser Hilfeschrei wurde erhört, denn zu diesem Zeitpunkt wurde Jeschua geistig auferweckt und die Gemeinschaft mit dem Vater war nach drei Stunden der Trennung wieder vollständig hergestellt. Jeschua starb sowohl geistlich als auch wurde geistlich auferweckt, bevor Er jemals physisch starb.

Arnold Fruchtenbaum – Der Tod und das Begräbnis des Messias

»Um die neunte Stunde« ist etwa 3 Uhr mittags. Das »Aufschreien« Jesu ist Ausdruck tiefster, entsetzlicher Not. »Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne«, so heißt es am Anfang des 22. Psalms, auf den wir so oft in der Passion stoßen. Offenbar begann Jesus jetzt Psalm 22 zu beten. »Eli, eli, lema sabachthani« ist jedenfalls wörtliches Zitat von Ps 22,1. Die Worte »Eli, eli« = »Mein Gott, mein Gott« sind hebräisch. Dann scheint Jesus aramäisch fortgefahren zu sein, denn die Worte »lema sabachthani. = »warum hast du mich verlassen« sind aramäisch. Manche Handschriften veränderten hier zu »lama zaphthani«, was dem Hebräischen entspricht (vgl. Mk 15,34). Sowohl Matthäus als auch Markus geben zuerst die Heimatsprache Jesu wieder und übersetzen dann – »Das heißt« – ins Griechische. Das hängt mit dem unauslöschlichen Eindruck der Klage am Kreuz zusammen, aber auch mit dem »Elia« – Missverständnis von V. 47ff.
Wie konnte Jesus so schreien? Ist das nicht ein Widerspruch zu Joh 8,29, wo er sagte: »Der Vater lässt mich nicht allein«? Nein. Denn der Vater war während seines ganzen irdischen Wirkens mit ihm. Jetzt aber, am Kreuz, büßt Jesus für die Sünde der Menschen. Das Gericht über die Gott -losigkeit ist, dass man Gott los wird. D. h., das Wesen der Hölle besteht im Verlassensein von Gott. So wird Jesus nun wirklich von Gott verlassen: »Warum hast du mich verlassen?« Aber selbst im entsetzlichsten Gericht hört Jesus nicht auf, sich an den Vater zu klammern. Der Vater bleibt wirklich »mein Gott«. In dieser Treue zum richtenden Gott macht Jesus gut, was Adam und alle Menschen verdorben haben. Mit Recht weisen viele Ausleger daraufhin, dass Jesus, wenn er den 22. Psalm weiterbetete, auch zu V. 5 kommen musste: »da sie hofften, halfst du ihnen heraus«, ja zu den Versen 24ff. , die ins Lob Gottes münden. Aber zunächst bricht die Hölle über Jesus herein.

Edition C

und zum Abschluß „alte Zeiten“:

Was meinte Jesus mit seinen Worten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ — F. M., Georgia.
Jesus sprach diese Worte in Erfüllung von Psalm 22:1, der ursprünglich hinsichtlich David geschrieben worden war. Nicht dass David „verlassen“ worden wäre, um an einen Marterpfahl geschlagen zu werden, sondern wegen seiner Treue gegen den Königreichsbund wurde er der Wut der Feinde überlassen. In all diesem war David ein prophetisches Bild von Christus. Jesus wurde zur Prüfung seiner Lauterkeit einem schändlichen Tod an einem verfluchten Stamme überlassen. Indem er treu blieb, triumphierte er in seiner Lauterkeit, wie der Rest des Psalmes dies zeigt. Andere Verse von Psalm 22 über David erfüllten sich an Jesus, was ferner beweist, dass er prophetisch hinsichtlich Christi, des grösseren David, geschrieben worden war. Man vergleiche Psalm 22:1 mit Matthäus 27:46 und Markus 15:34; Psalm 22:7, 8 mit Matthäus 27:39, 43; Psalm 22:15 mit Johannes 19:28; Psalm 22:16 mit Markus 15:25, und Psalm 22:18 mit Matthäus 27:35.
Die blosse Anführung dieser prophetischen Worte von Psalm 22:1 an sich genügte jedoch nicht, sie zu erfüllen. Zu der Zeit, da Jesus diese Worte am Marterpfahl sprach, waren wirkliche Tatsachen vorhanden, die sie erfüllten. Dass Gott Jesus verliess, bedeutete in diesem Fall nicht etwa, dass Gott ihm missbilligend und verurteilend den Rücken gekehrt hätte, sondern lediglich, dass Gott ihn der vollen Wut seiner Feinde überliess, indem er sogar zuliess, dass sie ihn töteten. Auf diese Weise hat Gott Jesus verlassen oder ihn seinen Feinden überlassen, so dass sie mit ihm tun konnten, was sie wollten, wobei er ihn auch nicht vor einem schändlichen Tode bewahrte.

Wachtturm – Fragen von Lesern Sept. 1951

Wenn Jesus wußte, daß er — in Erfüllung von 1. Mose 3:15 — von der großen Schlange, von Satan, dem Teufel, zermalmt werden sollte, weshalb rief er dann, als er am Marterpfahle starb: „Mein Gott, mein Gott, weshalb hast du mich verlassen?“ — Matthäus 27:46, NW.
Jesus stellte diese Frage am Marterpfahl nicht, weil er etwa nicht gewußt hätte, weshalb Jehova Gott, sein himmlischer Vater, ihn verlassen hatte, sondern damit die Prophezeiung erfüllt wurde. Die Prophezeiung, die damals in Erfüllung ging, findet sich in Psalm 22 aufgezeichnet. Dieser Psalm wurde von David geschrieben, der in verschiedener Hinsicht ein prophetisches Bild des Herrn Jesus Christus war.
In den einleitenden Worten dieses Psalmes ruft David aus: „Mein Gott, mein Gott, weshalb hast du mich verlassen?“ Als die Jünger Jesu, die in der Nähe seines Marterpfahles standen, so zum Beispiel Johannes und Maria, die Mutter Jesu, ihn diese Worte aus Psalm 22:1 ausrufen hörten, mögen sie damals nicht genau verstanden haben, warum Jesus das tat. Als ihnen aber das Verständnis aufging, nachdem der heilige Geist zu Pfingsten ausgegossen worden war, werden sie sich daran erinnert und die Tatsache verstanden haben, daß dieser prophetische Ruf Jesus als den Christus, den Messias Gottes, kennzeichnete.
Jehova, der himmlische Vater, verließ Jesus am Marterpfahl tatsächlich, damit dessen Lauterkeit Gott gegenüber bis zum äußersten geprüft werden konnte. Gott überließ ihn den grausamen Anschlägen Satans, des Teufels, und seiner bösen, ruchlosen religiösen Werkzeuge auf Erden. So erhielt Satan, der den Tod verursachen kann, freien Lauf, diese Macht gegen den Sohn Gottes anzuwenden.
Gott verließ Jesus aber nur insofern, als er dem Teufel und seinen Handlangern gestattete, Jesus zu Tode zu bringen. Daß Jesus von Gott verlassen wurde, schloß nicht ein, daß die Feinde über seinen Leichnam frei verfügen konnten. Statt daß sie seinen Leichnam vom Marterpfahl abnahmen und ihn in das Feuertal Hinnom [oder in die Gehenna] werfen konnten, wurde sein Leib von Joseph von Arimathia vom Marterpfahl heruntergenommen und in einer neuen Gruft, die er hatte graben lassen, bestattet. Diese Bestattung Jesu bedeutete, daß er sich im Scheol, im allgemeinen Grab der Menschheit, befand. Jehova Gott verließ ihn im Scheol aber nicht, sondern in Psalm 139:8 (der von David, einem Vorbild Jesu Christi, geschrieben wurde) lesen wir: „Bettete ich mir in dem Scheol, siehe, du bist da.“ Somit zeigte Jehova Gott am dritten Tage nach Jesu Tod, daß er Jesus nicht für immer verlassen, sondern ihn zu geistigem, unsterblichem Leben aus den Toten auferweckt hatte. Als Jesus später seinen Jüngern am selben Auferstehungstage erschien, konnte er daher sagen: „Alle Dinge, die im Gesetz Moses und in den Propheten und Psalmen über mich geschrieben stehen, müssen erfüllt werden.“ Und dazu gehörte auch Psalm 22:1, nämlich die Worte: „Mein Gott, mein Gott, weshalb hast du mich verlassen.“ — Lukas 24:44, NW

Wachtturm – Fragen von Lesern 1.Sept. 1958

Warum rief Jesus Christus, als er am Marterpfahl hing, aus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“? — USA.
Jesu Frage war ein Zitat aus einem Psalm Davids. (Ps 22:1) Im Falle Davids bezog sich die Frage auf einen vorübergehenden Zustand des Verlassenseins. Er befand sich, von Feinden umringt, in einer Lage, die den Anschein erweckte, als ob Jehova ihn vollständig verlassen hätte. Unter dem furchtbaren Druck, unter dem er deswegen litt, fragte er, warum dies geschehen sei, da er sich keiner Schuld bewußt war. David hatte aber den Glauben nicht verloren, denn in demselben Psalm betete er: „Eile doch zu meinem Beistand.“ — Ps 22:16-19.
Auch als Jesus die Worte aus Psalm 22:1 äußerte, glaubte er, sein Vater habe ihm momentan seinen Schutz entzogen oder ihn „verlassen“ oder den Händen seiner Feinde überlassen, damit er wie ein verfluchter Verbrecher an einem Marterpfahl sterbe. (Gal 3:13) Als Jesus nach dem Warum fragte, wollte er damit nicht sagen, daß er den Grund für dieses Verlassensein nicht kenne, und er erwartete auch keine Antwort von seinem Vater. Man könnte die Situation mit der Situation eines Christen vergleichen, der die Ursache für die Leiden der Menschheit kennt, der aber unter dem Druck großer Schwierigkeiten entweder im stillen oder hörbar nach dem Warum fragt. Der Fragende gibt dadurch zu erkennen, daß er keinen Grund hat zu denken, er müsse wegen irgendwelcher Übertretungen leiden. Abgesehen davon, daß sich durch diesen Ausruf Jesu Psalm 22:1 erfüllte, wurde dadurch auch offensichtlich Jesu Unschuld bestätigt und der eigentliche Zweck seiner Leiden ins Blickfeld gerückt. — Matthäus 27:46; vergleiche Johannes 12:27, 28, 33.

Wachtturm – Fragen von Lesern 15.August 1972

Jesus rief am Pfahl aus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Fehlte es ihm an Glauben, und dachte er, Gott habe ihn im Stich gelassen?
Manche haben beim Lesen dieser Worte in Matthäus 27:46 und Markus 15:34 geschlußfolgert, daß Jesus in seinem Gottvertrauen erschüttert wurde, als er den schmerzvollen Tod vor Augen hatte. Andere sagen, dies sei lediglich Jesu menschliche Reaktion gewesen, der verständliche Verzweiflungsschrei eines Mannes aus Fleisch und Blut in seiner Todesangst. Wir haben allerdings guten Grund, es nicht bei solchen menschlichen Erwägungen zu belassen, die auf dem äußeren Erscheinungsbild beruhen. Zwar kann niemand von uns heute mit Sicherheit alles wissen, was mit Jesu Ausruf verbunden war, aber wir können zwei wahrscheinliche Beweggründe erkennen.
Jesus war sich durchaus bewußt, daß er „nach Jerusalem gehen und . . . vieles leiden und getötet und am dritten Tag auferweckt werden müsse“ (Matthäus 16:21). Vom Himmel aus hatte der Sohn Gottes beobachtet, wie selbst unvollkommene Menschen einen grausamen Tod erlitten, gleichzeitig aber ihre Lauterkeit bewahrten (Hebräer 11:36-38). Daher besteht kein Grund, zu glauben, daß Jesus — als vollkommener Mensch — Furcht vor dem hatte, was ihm bevorstand; ebensowenig bedeutete der Tod an einem Marterpfahl für ihn, daß sein Vater ihn aufgegeben hätte. Jesus wußte im voraus, „welches Todes er zu sterben im Begriff war“, nämlich des Todes an einem Marterpfahl (Johannes 12:32, 33). Er war sich auch sicher, daß er am dritten Tag auferweckt werde. Wie kam Jesus dann dazu, zu sagen, Gott habe ihn verlassen?
Zum einen könnte er gemeint haben, Jehova habe seinen Schutz in dem Sinne von seinem Sohn genommen, daß Jesu Lauterkeit bis zum Äußersten — einem schmerzvollen und schändlichen Tod — geprüft werden könne. Dadurch, daß Gott Jesus dem Zorn der Feinde, die von Satan angeführt wurden, aussetzte, wurde aber nicht ein völliges Verlassen angezeigt. Jehova hatte weiterhin Zuneigung zu Jesus, und das wurde am dritten Tag offenkundig, als er seinen Sohn auferweckte, was Jesus schon vorher gewußt hatte (Apostelgeschichte 2:31-36; 10:40; 17:31).
Zum anderen steht mit dem eben Gesagten ein zweiter Grund in Verbindung, der Jesus zu diesem Ausruf am Pfahl bewogen haben könnte: Dadurch, daß er diese Worte äußerte, konnte er einen prophetischen Hinweis auf den Messias erfüllen. Stunden vorher hatte Jesus den Aposteln gesagt, daß alles so geschehen werde, „wie über ihn geschrieben steht“ (Matthäus 26:24; Markus 14:21). Ja, er wollte die Dinge ausführen, die geschrieben standen, einschließlich der Dinge in Psalm 22. Es mag für uns aufschlußreich sein, folgende Schrifttexte miteinander zu vergleichen: Psalm 22:7, 8 — Matthäus 27:39, 43; Psalm 22:15 — Johannes 19:28, 29; Psalm 22:16 — Markus 15:25 und Johannes 20:27; Psalm 22:18 — Matthäus 27:35. Der 22. Psalm, der so viele prophetische Hinweise auf die Erlebnisse des Messias enthält, beginnt mit den Worten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Als Jesus daher diese Worte ausrief, erfüllte er wieder eine Prophezeiung (Lukas 24:44).
Der Psalmist David glaubte nicht, daß Gott ihn einfach aufgegeben oder verlassen hatte, denn er sagte des weiteren, daß er ‘Gottes Namen seinen Brüdern verkünden’ werde, und forderte andere auf, Jehova zu preisen (Psalm 22:22, 23). Ebenso hatte Jesus, der Psalm 22 gut kannte, Grund, darauf zu vertrauen, daß sein Vater ihn nach wie vor anerkannte und liebte, trotz der Erfahrung, die er ihn am Marterpfahl durchmachen ließ.

Wachtturm – Fragen von Lesern 15.Juni 1987

Genau – es geht um diese Person – und nicht um mich! Und schauen wir auf IHN! Haben wir bemerkt, dass Jesus diese Worte SCHRIE bzw „mit LAUTER STIMME“ sprach? Hätte er nicht kurz vor dem Ersticken sein müssen, und kaum hörbar röchelnd reden müssen?

Glauben – Vertrauen

Wenn du diese Dinge tust, so zeige dich der Welt; denn auch seine Brüder glaubten nicht an ihn.
Elberfelder 1871 – Johannes 7,4b–5

Denn nicht einmal seine Brüder schenkten ihm Glauben.
Gute Nachricht Bibel – Johannes 7:5

Seine Brüder glaubten nämlich nicht an ihn.
neue Welt Übersetzung – 2018 – Johannes 7:5

Wenn wir heute im dt. von „ich glaube “ sprechen, meinen wir meist so etwas wie, „ja das gibt es“!
Also wer sagt „ich glaube an Gott“ meint heute meist „Ja natürlich gibt es einen Gott“ – und wer sagt „Nein, ich glaube nicht an Gott“ will meist damit sagen: „aus meiner Sicht gibt es keinen Gott“!
Doch wenn der biblische Begriff „Glaube“ das aussagen wollte – dann wäre ja die Frage: glaubten Jesu eigene Brüder nicht, dass er existiert? Glaubten sie nicht, dass Jesus lebt? Oder was war die Bedeutung von Glauben? „Gottes Agenda“ übersetzt deshalb das Wort richtig: sie hatten kein Vertrauen ihn Jesus!
Und schon ergeben die Sätze oben einen ganz anderen Sinn! Dann wären nämlich alle, die nicht zu 200% Jehovah vertrauen – ungläubige!
Würdest du dann zu den Menschen zählen die sagen dürften: „ich glaube an Gott“ – also „ich vertraue IHM zu jeder Sekunde meines Lebens“??

Aber kommen wir zu dem Thema „Jesu Brüder“ zurück, wie es viele Bibelleser bei diesem Vers machen, um diese Frage nicht in den Focus zu rücken:

Brüder des Herrn dürfen nicht als Stiefbrüder oder Vettern bezeichnet werden, wie dies seit den Kirchenvätern vielfach von kathol. und protest. Theologen geschah. Die Frage, ob Maria nach der Geburt des Heilandes mit Joseph in eine wirkliche Ehe getreten sei und noch andere Kinder geboren habe, kann nur bejaht werden. Seine Brüder glaubten selbst anfangs nicht an ihn, Joh. 7, 5; Mt. 12, 46; erst später erscheint Jakobus, mit dem Beinamen des Gerechten, als Bruder des Herrn und hervorragendes Haupt der Muttergemeinde zu Jerusalem. Auch der Verfasser des Judasbriefes, der sich ausdrücklich von den Aposteln unterscheidet und den Bruder Jakobi nennt, wäre ein wirklicher Bruder des Heilands. Außer diesen beiden werden Mt. 13, 55 genannt noch ein Joses (andere Lesart: Joseph) und ein Simon. Zugleich werden dort (ob Mk. 3, 32 ist zweifelhaft) Schwestern Christi erwähnt. Erst die Auferstehung des Herrn (1 Kor. 15, 7) scheint sie zum Glauben gebracht zu haben; nach seinem Hingang gehören sie zur Gemeinde, als Brüder Jesu zwar von den Aposteln unterschieden, aber doch in engerer Gemeinschaft mit ihnen. Ap. 1, 13 f.

Calwer Bibellexikon

Brüder/Schwestern Jesu. Im Mk 6,3 wird Jesus der Sohn von Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon genannt. S. werden erwähnt, bleiben aber namentlich und zahlenmäßig unbestimmt. Die Parallele Mt 13,55f. kennt die Reihenfolge Jakobus, Joses, Simon und Judas; die S. bleiben namenlos und tauchen im sonstigen NT auch nicht mehr auf. Lk 8,19–21 erwähnt nur Jesu Mutter und B. (ohne Namen). Nirgends deutet Lk an, daß der Jakobus, der plötzlich als ein Führer der Jerusalemer Gemeinde auftritt, ein Bruder Jesu sei (Apg 12,17; 15,13; 21,18); Paulus hingegen identifiziert Jakobus als den »Bruder des Herrn« (Gal 1,19; vgl. 1 Kor 9,5). Jesu B. werden in Joh 2,12; 7,3.5.10 erwähnt, aber nicht namentlich genannt. Mk 3,21–35 und Joh 7,5 weisen darauf hin, daß die B. vor Ostern nicht an Jesus geglaubt haben (vgl. aber Apg 1,14). Jak und Jud nehmen nicht ausdrücklich für sich in Anspruch, von den B. Jesu geschrieben worden zu sein, doch ist der Anspruch wahrscheinlich impliziert. Seit der Zeit der Kirchenväter haben sich drei Hauptpositionen zu dem Verwandtschaftsverhältnis zw. Jesus und seinen B./S. herausgebildet. Die Lösung, der → Epiphanius von Salamis im Osten zum Durchbruch verhalf, besagt, daß die B. Kinder Josephs aus früherer Ehe gewesen seien; sie entbehrt jeder Textgrundlage. Die Lösung, die sich im 4.Jh. Unter → Hieronymus durchsetzte, hält die B. für Vettern Jesu; dies ist die am wenigsten wahrscheinliche These. Die Lösung, die Helvidius vertrat und deutlich von → Tertullian im 3.Jh. bevorzugt wurde, behauptet, daß die B. leibliche Geschwister Jesu seien, und paßt am besten zum ntl. Text.

Religion in Geschichte und Gegenwart

Brüder des Herrn werden genannt in Mt 12,46f; 13,55; Mk 3,31f; 6,3; Lk 8,19; Joh 2,12; 7,3.5; Apg 1,14; 1Kor 9,5; Gal 1,19. – Bereits in sehr früher Zeit bestanden Meinungsverschiedenheiten über die Frage, was unter Brüdern in dieser Beziehung zu verstehen sei. Die röm. Kirche lehrt noch immer, dass Maria ihr Leben lang Jungfrau blieb und dass die im NT genannten Brüder Jesu eigentlich seine Vettern waren. Sonst nimmt man allgemein mit Recht an, dass es sich bei diesen Brüdern um Kinder von Josef und Maria handelt, die nach der Geburt Jesu (nach Lk 2,4 der erste Sohn Marias) geboren wurden. Als Brüder werden Jakobus, Josef (Mk 6,3 Joses), Simon und Judas genannt. Anfänglich glaubten sie nicht an den göttlichen Auftrag Jesu (Mk 3,21; Joh 7,5), doch nach der Auferstehung wurde das anders. Jesus erschien seinem Bruder Jakobus (1Kor 15,7). Die Brüder des Herrn waren mit Maria im Apostelkreis (Apg 1,14). Jakobus übernimmt die Leitung der Gemeinde in Jerusalem, als die Apostel die Stadt verlassen hatten (Apg 12,17; 15,13). Er ist der Schreiber des Jakobusbriefes (Jak 1,1), Judas der Schreiber des Judasbriefes (Jud 1). Von Josef (in einigen Hss. auch Joses genannt; vgl. Mk 15,47) und Simon ist nichts weiter bekannt.

Lexikon zur Bibel: Personen, Geschichte, Archäologie, Geografie und Theologie der Bibel

Das Leben des Herrenbruders Jakobus

Nachdem wir eine Verfasserschaft durch Jakobus, den Herrenbruder, für wahrscheinlich halten, sei hier einiges über sein Leben gesagt:
Außer dem ältesten, sozusagen dem Halbbruder Jesus, hatte Jakobus noch drei jüngere Brüder, Joseph, Simon und Judas (Mt 13,55) und mindestens noch zwei Schwestern (das Wort steht Mt 13,56 in Mehrzahlform).

Zunächst glaubte Jakobus nicht an Jesus. Nachdem es zwischen Jesus und der mächtigen Pharisäerpartei, sowie den einflußreichen Schriftgelehrten zum Konflikt gekommen war, wollte ihn seine Familie zurückholen: „Sie gingen aus und wollten ihn halten, denn sie sprachen: Er ist von Sinnen!“ (Markus 3,21). Es erschien ihnen als eine Wahnsinnstat, diesen Kampf zu wagen. (Der tiefere Grund des Rückholversuches war wohl eben dieser Konflikt. Vgl. Markus 2,18-3.6.) Die Brüder wollten Jesus und der ganzen Familie die Schande der Steinigung oder des Kreuzes ersparen. Auch Maria, die Mutter, hatten sie bewogen mitzugehen (Markus 3,31 ff). – Andererseits hatten die Brüder wohl auch die Hoffnung, sie könnten zusammen mit ihrem großen Bruder, der offenkundig etwas Besonderes war, selbst auch größer werden. So forderten sie ihn heraus, seine Wundermacht nicht nur im Winkel Galiläa, sondern auf der großen „Bühne“ Jerusalems und des Laubhüttenfestes zu zeigen. Vielleicht hatten sie die Hoffnung, daß er nun endlich gar als der Messias auftrete (Johannes 7,3.4). In diesen beiden Unternehmungen, bei denen Jakobus, als der Älteste im Geschwisterkreis nach Jesus, führend gewesen sein mag, zeigt sich, wie die Brüder Jesu typisch menschlich dachten, „denn auch seine Brüder glaubten nicht an ihn“ (Johannes 7,5).

Nach Ostern jedoch trat der große Wandel im Leben des Jakobus ein. Der auferstandene Herr war ihm erschienen (1 Kor 15,7). Über diese Begegnung findet sich im NT kein ausführlicher Bericht, so wenig wie über die erste Begegnung des Petrus mit dem auferstandenen Herrn (1 Kor 15,5;Lk 24,34).

Nun hält sich Jakobus mit seiner Mutter und seinen Brüdern zum Kreis der Apostel (Apostelgeschichte 1,14). Bald hatte er eine führende Stellung in der Urgemeinde, der judenchristlichen Gemeinde Jerusalems. Das wird in der ausdrücklichen Nennung des Jakobus in Apostelgeschichte 12,17 erkennbar, wo Petrus sich von der Jerusalemer Gemeinde verabschiedet. Auch Gal 1,19 führt Jakobus als einen der bestimmenden Männer in Jerusalem auf . (- Diese Zuordnung des Jakobus zu den „Aposteln“ beweist nicht, daß es sich hier um „Jakobus, den Sohn des Alphäus“, wie manche schon gemeint haben, handeln müsse. (Jakobus, der Sohn des Zebedäus hatte ja damals nach Apostelgeschichte 12,2 bereits den Märtyrertod erlitten.) Auch sonst werden Männer außerhalb des Zwölferkreises gelegentlich „Apostel“ genannt (Rö 16,7;Apostelgeschichte 14,14). „Apostel“, grie „apôstolos“, heißt zunächst einfach „Bote“, Abgesandter u. U. einer Gemeinde. In der Regel allerdings hat das Wort in NT die spezielle Bedeutung, daß einer zu den ersten in der Stafette gehört, die das Evangelium durch die Jahrhunderte trägt (Apostelgeschichte 1,21.22), also zum Kreis derer, die das Evangelium unmittelbar von dem auferstandenen Herrn empfangen haben (Gal 1,1). -)

Die Bedeutung des Jakobus wurde besonders in der Art seiner Mitwirkung beim „Apostelkonzil“ (Apostelgeschichte 15) deutlich. Er schlug den entscheidenden Ausgleich zwischen den Christen aus den Juden und denen aus den Heiden vor (Apostelgeschichte 15,13-21). Dieser Ausgleich schloß gelegentliche Spannungen nicht aus. In Erscheinung traten sie nicht zwischen Paulus und Jakobus, sondern zwischen Paulus und der Anhängerschaft des Jakobus (Gal 2,9.12). In dem wichtigen Bemühen, für die junge Christenheit, die sich aus einer Gruppe innerhalb des Judentums zu einer eigenständigen Größe entwickelt hatte, nun den richtigen Weg zu finden, vertrat Jakobus im Miteinander von Judenchristen und Heidenchristen besonders die Anliegen der judenchristlichen Kreise. Sehr lag ihm der ernsthafte Gehorsam gegenüber dem bereits im AT offenbarten heiligen und heilsamen Willen Gottes am Herzen. Das wird auch in dem uns vorliegenden Brief deutlich, was für die Verfasserschaft des Herrenbruders spricht.

Außerbiblisch wird berichtet, daß Jakobus noch bis in die sechziger Jahre des ersten Jahrhunderts in Jerusalem lebte und von den Juden der „Gerechte“ genannt wurde: Auch als Christ habe er in großer Treue das atst Gesetz gehalten und viel gebetet und gefastet. Das habe ihm beim Volk einen so großen Respekt eingetragen, daß er sich, im Unterschied zu andern führenden Christen, noch fast während einer ganzen Generation in Jerusalem halten konnte.

Über den Tod des Herrenbruders Jakobus gibt es zwei außerbiblische Berichte, die darin übereinstimmen, daß er den Märtyrertod gestorben sei: Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus berichtet, Jakobus sei von dem Hohenpriester Hannas II. nach dem Tod des Statthalters Festus und vor der Ankunft eines neuen römischen Statthalters (also während eines gewissen Interregnums, das ihm einige Beweglichkeit verschaffte) im Jahr 62 der Steinigung übergeben worden. (Josephus hat den jüdisch-römischen Krieg – 66-70 n. Chr. – beschrieben und ist um 100 n. Chr. gestorben.) Der christliche Schriftsteller Eusebius (4. Jahrhundert) dagegen gibt einen Bericht von Hegesipp aus dem 2. Jahrhundert wieder, nach dem Jakobus kurz vor dem Ausbruch des jüdisch-römischen Krieges im Jahr 66 auf Anstiften der Pharisäer und Schriftgelehrten durch eine wütende Volksmenge von der Zinne des Tempels herabgestürzt und mit einer Keule erschlagen wurde. Der Mann, der mit seinem priesterlichen Dienst der Fürbitte für Israel das Unheil noch aufgehalten hatte, war beseitigt; es nahm seinen Lauf.

Wuppertaler Studienbibel

Beide Evangelienschreiber gingen auf die Tatsache ein, dass der Messias vier Halbbrüder hatte: Jakobus (Yaakov auf Hebräisch), Joseph (den Matthäus Yoseph und Markus Yosei nannte), Jude (Yehudah) und Simon (Shimon). Jakobus und Judas schrieben später die Briefe, die ihre Namen tragen. Außerdem hatte Jeschua mindestens zwei Halbschwestern, die ungenannt bleiben. Miriam zeugte also mindestens sechs weitere Kinder nach Jeschua. Im Minimum war sie die Mutter von sieben oder mehr Kindern.

Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive

In englischen Bibeln wird der Name des Autors mit James wiedergegeben; das ist allerdings nur eine anglisierte Form. Im griechischen Text lautet sein eigentlicher Name Jakob – genau wie der Name des Jakob in 2. Mose. Wie entwickelte sich der Name „Jakob“ denn zu „James“? Die Umwandlung ging folgendermaßen vor sich: Das hebräische Wort für „Jakob“ lautet Yaakov. Das Neue Testament wurde auf Griechisch abgefasst; und da es im Griechischen keinen Buchstaben mit dem Lautwert des hebräischen „Y“ gibt, wurde es zu einem griechischen „I“. Daher lautet sein Name auf Griechisch Iakobos. (Genauso wurde Yeschua, der hebräische Name für „Jesus“, zum griechischen Ieisous.) Die englische Form ging jedoch nicht direkt aus dem Griechischen hervor, sondern aus dem Lateinischen. Als sein Name ins Lateinische übersetzt wurde, war er zunächst dem Griechischen ähnlich: Iakobus. In der Entwicklung der lateinischen Sprache wurde jedoch Iakobus zu einer neuen Form, nämlich Jacobus. Später wurde dann das „B“ zu einem „M“, und sein Name war Jacomus. Schließlich wurde das lateinische Jacomus zum englischen James.

Jakob/Jakobus war ein beliebter jüdischer Name. Mehrere Menschen im Neuen Testament hießen so – darunter zwei der zwölf Apostel. Der Jakobus, von dem dieser Brief stammt, war der Halbbruder Jesu. Er hatte die gleiche Mutter, aber nicht den gleichen Vater. Josef war der biologische Vater von Jakobus, jedoch nur der Stief- oder Pflegevater Jesu. Dieser Halbbruder wird in Matthäus 13,55, in Markus 6,3 und Galater 1,19 als Halbbruder Jesu erwähnt. In der Lebens- und Dienstzeit Jesu glaubte Jakobus nicht an ihn, wie auch die anderen Halbbrüder Jesu nicht an ihn glaubten ( Joh 7,2-5). Durch die Auferstehung kam er jedoch zum Glauben. Der auferstandene Herr Jesus erschien zwar dem Jakobus; diese Erscheinung ist allerdings in keinem der vier Evangelien festgehalten. Paulus erwähnt sie jedoch in 1 Korinther 15,7. Diese Erfahrung führte zu Jakobus’ Errettung, und er wurde ein Zeuge der Auferstehung. Weil er den auferstandenen Messias gesehen hatte, wurde er ein Apostel der zweiten Kategorie.

Es gab zwei Kategorien unter den Aposteln. Die erste bestand aus der geschlossenen Gruppe der zwölf Apostel. Um zu ihnen zu gehören, musste man von der Taufe Jesu durch Johannes bis zu seiner Himmelfahrt bei ihm gewesen sein (Apg 1,21-22). Nur sehr wenige waren hierfür qualifiziert; und als die Apostel in Apostelgeschichte 1 einen Ersatz für Judas suchen wollten, brachten nur zwei Männer (Barsabbas/Justus und Matthias) diese Voraussetzung mit. Es gab aber noch eine zweite Apostelgruppe. Die einzige Vorraussetzung für Zugehörigkeit zu dieser Kategorie war das Zeugnis für den auferstandenen Messias (1Kor 9,1). Man musste Jesus nicht seit seiner Taufe durch Johannes begleitet haben. Paulus und Barnabas erfüllten diese Vorraussetzung zum Apostelamt; so auch Jakobus. In Galater 1,19 wird er als Apostel anerkannt. Später wurde er auch der erste Pastor der Jerusalemer Gemeinde (Apg 15,13-21; Apg 21,17-26).

Aus mehreren Abschnitten wird offensichtlich, wie bekannt Jakobus war. In Apostelgeschichte 12,17 beispielsweise wurde Petrus durch ein Wunder aus dem Gefängnis befreit. Hinterher wies er die Gebetsgruppe im Haus des Markus an: „Berichtet dies Jakobus!“ Denn Jakobus war das Haupt der Gemeinde von Jerusalem. Er musste von Petrus’ Befreiung erfahren. Dann gab Jakobus in Apostelgeschichte 15,13-21 auf dem Apostelkonzil in Jerusalem den Erlass über die Stellung der Nichtjuden im Glauben heraus. Später im selben Kapitel – Apostelgeschichte 15,22-29 – verfasste er den Brief an die nichtjüdische Christenheit: Er legte ihre angemessenen Freiheiten dar und befahl ihnen, sich bestimmter Praktiken zu enthalten. Noch einmal später (Apg 21,17-26), als Paulus zum letzten Mal vor seiner Verhaftung Jerusalem besuchte, legte er bei Jakobus Bericht ab. Jakobus ist auch durch Galater 2,12 bekannt. Hier wurde sein Name von jüdischen Irrlehrern in Antiochia gebraucht, die jüdischen Gläubigen befahlen, keinesfalls gemeinsam mit nichtjüdischen Gläubigen zu essen. Obwohl das nicht Jakobus’ Einstellung war, benutzten die jüdischen Irrlehrer seinen Namen, um diese jüdischen Gläubigen einzuschüchtern.

Laut 1 Korinther 9,5 war Jakobus verheiratet. Die Apostelgeschichte berichtet nicht von Jakobus’ Tod; andere Quellen des Altertums schreiben jedoch davon. Eine Quelle ist Josephus, der jüdische Geschichtsschreiber aus dem ersten Jahrhundert. Josephus datiert den Tod Jakobus’ zwischen die Regierungszeiten zweier römischer Prokuratoren in Judäa. Im Jahr 61 n. Chr. starb Festus – der Festus aus der Apostelgeschichte – in seinem Amt. Wenige Monate später – im Jahr 62 n. Chr. – wurde ein neuer Prokurator namens Albinus ausgesandt. Weil er erst 62 n. Chr. ankam, lagen einige Monate zwischen dem Tod des einen und der Ankunft des anderen Prokurators. Der Hohepriester zu dieser Zeit war Ananus, Sohn des Hannas – eben jenes Hannas, den wir aus den Evangelien kennen; jenes Hannas, der am Prozess Jesu beteiligt war. Der Sohn des Hannas beschuldigte Jakobus, das Gesetz gebrochen zu haben. Er befahl, Jakobus zu steinigen. Josephus berichtet weiter von der Steinigung des Jakobus und fügt dann einen interessanten Kommentar hinzu. Er nennt den Tod des Jakobus als einen Grund, aus dem Gott die Zerstörung Jerusalems und des Tempels zuließ. Es überrascht sehr, dass Josephus eine solche Verbindung zieht; denn er betrachtete sich nicht als Gläubigen, sondern als Pharisäer. Jakobus’ Frömmigkeit war jedoch wohlbekannt, und Josephus spürte, dass der unrechte Tod des Jakobus einer von mehreren Gründen für die Zerstörung Jerusalems war.

Die anderen Quellen, Hegesippus und Eusebius, berichten weitere Einzelheiten über Jakobus’ Tod. Sie notierten, dass er in Jerusalem sogar unter den ungläubigen Juden als „Jakobus der Gerechte“ bekannt war. Außerdem bot Ananus ihm bei seiner Verhaftung eine Ausweichmöglichkeit an: Wenn er, Jakobus, auf die Mauern Jerusalems treten und öffentlich seinem Glauben an Jesus absagen wolle, würde man ihn nicht zu Tode steinigen. Jakobus stimmte zu. Er wurde also auf die Stadtmauer Jerusalems geführt. Als sich die jüdischen Volksmengen versammelten, fing er an, das Evangelium zu predigen. Ananus wurde wütend und stieß ihn von der Mauer. Der Halbbruder des Messias, der an ihn glaubte, wurde von den Menschen am Fuß der Mauer zu Tode gesteinigt.

Wie bereits erwähnt, war Jakobus’ Frömmigkeit sehr bekannt. Weil er viel Zeit im Gebet auf seinen Knien verbrachte, wurde er oft als „Kamelknie“ bezeichnet. Ein Kamel richtet sich erst auf den Knien auf, bevor es aufsteht; und es geht erst in die Knie, bevor es sich hinlegt. Dadurch werden die Knie eines Kamels groß, breit und vorgewölbt. Laut Überlieferung verbrachte Jakobus so viel Zeit auf seinen Knien, dass seine Knie wie die eines Kamels aussahen. Hegesippus schreibt:
Er trank weder Wein noch starke Getränke und nahm keine tierische Nahrung zu sich. Ein Rasiermesser kam niemals auf sein Haupt, er salbte sich nie mit Öl und besuchte nie ein [öffentliches] Bad … Er pflegte allein in den Tempel zu treten; und oft fand man ihn auf seinen gebeugten Knien, wie er für die Vergebung des Volkes eintrat: so wurden seine Knie so hart wie die eines Kamels, als Folge seiner gewohnheitsmäßigen Fürbitte und seines Kniens vor Gott.

Moo fasst sehr gut zusammen, was außerhalb der Bibel über Jakobus bekannt ist:
Dieser Jakobus wurde zu einer beliebten und respektierten Person in der Frühkirche, vor allem unter jüdischen Christen. Er wurde als der erste „Bischof“ Jerusalems verehrt und erhielt den Titel „der Gerechte“ oder „der Rechtschaffene“, weil er dem Gesetz so treu und im Gebet so unermüdlich war. Viele unserer Informationen über Jakobus stammen aus dem von Eusebius aufgezeichneten Bericht Hegesippus’ über den Tod des Jakobus. Er berichtet, dass Jakobus von den Schriftgelehrten und Pharisäern gesteinigt wurde, weil er sich weigerte, seiner Hingabe an Jesus abzusagen. Der Bericht über Jakobus’ Tod wird unabhängig durch Josephus bestätigt (Antiquitatae Judaicae XX.9.1). Er macht es uns möglich, dieses Ereignis ins Jahr 62 n. Chr. zu datieren. Jedoch ist ein Großteil im weiteren Bericht des Hegesippus, in welchem Jakobus als Eiferer für das Gesetz dargestellt wird, nur eine Legende. Vielleicht bezog Hegesippus seine Informationen von einer strengen Sekte jüdischer Christen, die sich Ebioniten nannten; sie betrachteten Paulus mit beträchtlichem Missfallen und erhoben Jakobus zum wahren Erben der Lehren Jesu. Während also alle unsere Quellen bestätigen, dass Jakobus ein frommer, gläubiger Judenchrist war, der gerne gute Beziehungen zum Judentum aufrecht erhalten wollte, müssen wir das Bild eines gesetzlichen, anti-paulinischen Jakobus als tendenziöse Karikatur ablehnen.

Jakobus bezeichnet sich als zweifachen Knecht. Das ist ein Titel der Demut. Obwohl er der Halbbruder Jesu ist, betont er lieber seine geistliche als seine leibliche Verwandtschaft. Das griechische Wort für „Knecht“ ist hier doulos. In der griechischen Literatur hatte dieses Wort einen sehr negativen Beigeschmack. Jakobus sah den Begriff jedoch nicht im griechischen Umfeld, sondern im Umfeld des Alten Testaments, wo er viel ehrbarer war. In der Septuaginta beispielsweise wird dieses Wort für Mose und andere Botschafter Gottes wie die Propheten gebraucht, die geistliche Autorität ausübten. Er benutzt den Begriff im jüdischen Sinne, der ihm geistliche Autorität als Botschafter Gottes verleiht. Der Begriff beinhaltet auch das Bild des freiwilligen Sklaven auf Lebenszeit. Im mosaischen Gesetz war es dem Sklaven möglich, freiwillig und nicht erzwungen „auf ewig“ Sklave seines Herrn zu werden. Jakobus war ein lebenslanger Sklave für zwei Herren: Erstens ein Knecht Gottes – des Vaters; und zweitens ein Knecht des Herrn Jesus Christus – des Sohnes. So lautet der vollständige Name des Sohnes. Herr betont seine Gottheit und konzentriert sich auf seine Person. Jesus betont seinen menschlichen Namen (der „Rettung“ bedeutet), und konzentriert sich auf sein Werk. Christus ist das griechische Äquivalent für Messias (der Gesalbte) und betont, dass dieser Eine die Erfüllung aller messianischen Prophetie ist; dieser Name konzentriert sich auf sein Amt. Sein Name erscheint nur noch ein weiteres Mal in diesem Brief (2,1).

Arnold Fruchtenbaum – Der Jakobusbrief

Der Name des Autors lautet im Griechischen Judas – genau wie der Name von Judas Ischariot. Das Wort ist die hellenisierte Form von »Juda«. Dieser Judas stellt sich als Knecht Jesu Christi vor. Er betont: Seine geistliche Beziehung zu Jesus ist die eines Knechtes. Judas besaß noch eine weitere Beziehung zu Jesus; denn er war (wie auch Jakobus) Jesu Halbbruder. Judas war der Sohn Marias – genau wie Jesus; somit hatten Judas und Jesus dieselbe Mutter. Judas war jedoch ein leiblicher Sohn Josefs; somit hatte er einen anderen Vater. Er bezeichnet sich auch als Bruder des Jakobus. Judas war der Halbbruder Jesu, jedoch der »Vollbruder« von Jakobus, dem Autor des Jakobusbriefs. Obwohl Jakobus ein Apostel war, stuft sich Judas nicht als Apostel ein und schließt sich in Vers 17 seines Buches selbst vom Apostelamt aus. Er war ein Knecht Jesu Christi, als er dieses Buch schrieb; vor der Auferstehung jedoch war er nicht gläubig (Joh 7,3-5). Als Ergebnis der Auferstehung kam er – genau wie Jakobus – zum Glauben. Diese Tatsache geht aus Apostelgeschichte 1,14 hervor; dort gehören die Halbbrüder Jesu zu jener Gruppe, die im Obergemach betet.
Einige weitere Dinge lassen sich über Judas feststellen. Er war ein reisender Evangelist, und seine Frau reiste mit ihm (1Kor 9,5). In seinem Brief tut Judas etwas, was andere nicht getan haben: Er zitiert aus apokrypher Literatur. Das heißt nicht, dass er diesen apokryphen Schriften biblischen Stellenwert einräumt. Er bezieht sich einfach auf solche Elemente in den Apokryphen, die Wahrheiten enthalten. Auf ähnliche Weise zitierte Paulus heidnische griechische Dichter und Philosophen aus Kreta (Tit 1,12-13) und Athen (Apg 17,28). Vers 9 in Judas bezieht sich auf das Testament des Mose; die Verse 14-15 beziehen sich auf das Buch Henoch. Trotzdem sagt Judas keineswegs, dass alles im Testament des Mose wahr ist; genauso wenig sagt er, dass alles im Buch Henoch wahr ist. Trotzdem gab es in beiden Büchern wahre Elemente; und nur diese wahren Elemente bestätigt Judas. Judas gebraucht oft Dreiergruppen; er denkt nämlich in Dreierbegriffen. Insgesamt gibt es in seinem Buch 14 Dreier. Eusebius zitiert einen Ausspruch des Hegesippus, nach dem Judas Söhne und Enkel hatte. Weil diese Enkel zum Haus Davids gehörten, betrachtete Kaiser Domitian sie als potenzielle Anführer des Aufstands gegen Rom; daher ließ er sie vor seinen Richterstuhl bringen. Sie zeigten dem Kaiser die Schwielen an ihren Händen und wiesen sich damit als Bauern aus, die nicht nach einem irdischen, sondern nach einem himmlischen Königreich trachteten. Sie wurden freigelassen und lebten bis ins zweite Jahrhundert hinein.
Wie bereits in der Einleitung zu 2 Petrus erwähnt: Wer den 2. Petrusbrief und sofort hinterher den Judasbrief liest, stellt viele Ähnlichkeiten fest. Dadurch wird klar, dass einer den anderen zitiert. Petrus schreibt in der Zeitform der Zukunft; Judas dagegen schreibt in der Vergangenheitsform. Petrus sagte Ereignisse voraus, die in der Zukunft eintreten würden; Judas schreibt über dieselben Ereignisse, nachdem sie sich bereits zugetragen haben.

Arnold Fruchtenbaum – Judas

verhaltet euch klug

Sehet nun zu, wie ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, die gelegene Zeit auskaufend, denn die Tage sind böse.
Elberfelder 1871 – Epheser 5,15–16

Gebt also sorgfältig darauf Acht, wie ihr lebt! Verhaltet euch nicht wie unverständige Leute, sondern verhaltet euch klug. Macht den bestmöglichen Gebrauch von eurer Zeit (- Wenn sich euch eine Gelegenheit bietet, ´euren Glauben zu bezeugen,` dann macht davon Gebrauch (siehe Kolosser 4,5b; im Griechischen derselbe Wortlaut). -), gerade weil wir in einer schlimmen Zeit leben.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Epheser 5,15–16

Achtet also genau darauf, wie ihr lebt: Nicht wie Menschen, die von Gott nichts wissen wollen, sondern als Menschen, die ihn kennen und lieben. (- Wörtlich: Nicht wie Toren, sondern wie Weise -) Dient Gott, solange ihr es noch könnt, denn wir leben in einer schlimmen Zeit.
Hoffnung für alle – 1996 – Epheser 5:15–16

Der neue Wandel als diejenigen, die es genau nehmen Epheser 5,15 und 16

Seht nun genau zu, wie ihr wandelt, nicht wie unweise (Menschen), sondern wie weise, Ps 119,109; 1 Pt 1,17; Eph 4,17-19; Kol 4,5; Ps 111,10; Eph 1,8; Mt 10,16
indem ihr die Zeit auskauft, denn die Tage sind böse. Jak 1,5; Da 2,8; Gal 1,4

Die Übersetzung dieser zwei Verse 15 und 16 läßt zwei Möglichkeiten offen, die beide Male die Ermahnung des Apostels in neuer Beleuchtung sehen lassen.

Erste Übersetzungsmöglichkeit: Man zieht das Wörtchen „genau“ zu dem Ausdruck „sehet“, also so: „Sehet genau zu, wie ihr wandelt.“ Hier wird unser Augenmerk auf das Sehen gerichtet. Mit diesem Sehen ist jene Haltung gemeint, die stets vor der Tat überlegt, ob dies oder jenes, was ich jetzt zu tun gedenke, vor Gott recht ist oder nicht. Kann ich dies Unternehmen, kann ich die vor mir liegende Tat vor dem lebendigen Gott verantworten?
Es gibt zwar ein Christentum, das handelt impulsiv, reflektionslos. Das fragt nicht erst lange, sondern das handelt aus dem Augenblick und der Situation heraus. Wohl ist Gott nicht von unserer impulsiven oder nicht-impulsiven Menschenart abhängig. Er kann genau so gut den raschen und voreiligen Petrus gebrauchen, wie Er den fragenden und zögernden Moses in Seine Dienste gestellt hat. Und darum kann man nicht sagen, diese oder jene Art nur allein sei brauchbar, wo doch Gott an nichts gebunden ist.
Aber der Gläubige ist an etwas gebunden, ist an bestimmte Bedingungen geknüpft, und solche Bedingung lautet an dieser Stelle: „Sehet genau zu!“ Akribos steht im Griechischen für „genau.“ Darin steckt der Stamm akros, der „Höhe, Spitze“ bedeutet. Der Gläubige soll so zusehen, daß er bei der Beurteilung der Dinge den „Nagel auf den Kopf“ trifft, d. h. er soll soviel Urteilskraft besitzen, daß er alles auch in der geschicktesten Tarnung erkennen kann. Dazu bedarf es freilich nicht eines Universitätsstudiums, auch nicht hoch entwickelter Verstandestätigkeit. Dazu bedarf es eines lebendigen Glaubenslebens, daß man in der Heiligen Schrift zu Hause ist, daß man in Gottes Geboten und Satzungen lebt. Denn dann ist die Richtschnur, nach der wir uns richten sollen, die Kompaßnadel in den Stürmen der Zeit „das teure Wort Gottes“. Darum sei unser Gebet, mit welchem wir den Tag beginnen, das Gebet des Psalmisten: „Herr, zeige mir Deine Wege, und lehre mich Deine Steige“ (Ps 25,4).
Darauf kommt es hier zunächst an: Die unbedingte Notwendigkeit eines solchen genauen Hinsehens und Zusehens – z. B. seiner Fußstapfen – zu unterstreichen. Es sollte keinen Schritt geben, den wir nach außen hin unternehmen, ohne daß wir uns vorher im Gebet oder im Studium der Heiligen Schrift mit diesem Weg dem Herrn eröffnet hätten (vgl. das schöne und für alle Gläubigen normgebende Beispiel des Königs Hiskia in 2 Kö 19,14). Nur wenn wir so still geworden sind vor unserm Herrn und Meister, bevor wir in die Unruhe des Alltags hinausgehen, gewinnen wir Sicherheit vor den Menschen und vor uns selber in unserm Tun. Nur so werden wir davor bewahrt, das traurige Bild eines wahllos und ratlos handelnden Menschen zu bieten.

Zweite Übersetzungsmöglichkeit: „Seht nun zu, wie ihr genau wandelt“. Es gibt ein Christentum, das besitzt durchaus die Erkenntnis, das weiß und sieht in den Stunden des Alleinseins mit dem Herrn, in den Bibelstunden, unter der Verkündigung des Wortes Gottes, ganz genau den Weg, den es nach Gottes Willen gehen soll. Kommt es aber hinaus in die rauhe Wirklichkeit, dann vergißt es die gewonnene Erkenntnis. Das ist eine Beobachtung, die man auch bei sich selber machen kann. Jeder Gläubige wird etwas davon zu erzählen wissen: Wo blieben wir in der einen oder andern jener konkreten Situationen? Wo waren wir mit unserer gewonnenen Glaubenserkenntnis, als es darauf ankam, in einem plötzlichen, überraschenden Augenblick zu handeln?
Gerade draußen in der Welt des Alltags, des Berufs und des Verkehrs mit den Ungläubigen soll die Verwirklichung des Glaubens genauestens und treuestens erfolgen. Auch in diese Welt muß das Genaue, d. h. das, was vor Gott recht ist in Gedanken, Worten und Handlungen (das akribos), hineingetragen werden. Auch dort muß in uns die Frage zu jeder Zeit, in jeder Lage lebendig sein: „Herr, was willst Du daß ich tun soll, auf daß ich es genau tue.“
So stellt der Apostel hier beides als Forderung auf für den Wandel des Gläubigen: „genau im Sehen und genau im Wandeln“. Eins benötigt das andere.
Ein solches Christentum, das auf die Befehle des Meisters achtet und diese Befehle dann „genau“ hinausträgt in die Welt des täglichen Handelns, das nennt der Apostel „Weisheit“ im Wandel – d. h. nicht als Unweise, sondern als Weise wandeln.
Diese Weisheit zeigt sich aber auch in etwas anderem. Der Apostel sagt: „Wandelt als Weise, indem ihr die Zeit auskauft, denn die Tage sind böse.“ Paulus verliert sich nicht in Einzelheiten, er gibt gar nicht erst an, womit im einzelnen der Christ die ihm noch zu Gebote stehende Zeit ausfüllen und ausnutzen soll. Das überläßt er jedem einzelnen. (Eine sehr wichtige Tatsache!) Er gibt nur das Stichwort an, unter dem der Gläubige sein Leben führen soll. Dies Motto lautet: „Kaufet die Zeit aus!“ Solches Auskaufen ist jene Glaubenshaltung, die das wundervolle Lied zu verwirklichen sucht: „Ewigkeit, in die Zeit leuchte hell hinein, daß uns werde klein das Kleine und das Große groß erscheine, selge Ewigkeit, selge Ewigkeit!“

Das Leben der Weltmenschen bestimmt das Heute. Und wenn sie auch keine Zukunftsträume haben, so sehen sie alles unter der Perspektive des irdischen, zeitlichen Heute. Ein rechtes Glaubensleben wird im Lichte des ewigen, zeitlosen Morgen gelebt. Das steht im Lichte der Ewigkeit. Der Gläubige nimmt seine Zeitgebundenheit ernst, er nimmt den Tod ernst. Weil er weiß, daß er jederzeit abgerufen werden kann, darum wirkt er, solange es Tag ist. Er hat sich das Lebensmotto seines Herrn und Heilands von Johannes 9,4 zu eigen gemacht.
Paulus nennt aber einen andern Grund für das Auskaufen der Zeit. Er sagt: „denn die Zeiten sind böse“.

Damit gibt er keine historische Notiz, sondern charakterisiert die Situation aller Gläubigen zu allen Zeiten. Die Gläubigen leben immer in bösen Zeiten (vgl. Ps 49,6). Sie leben in einer Welt, in der die Sünde herrscht. Als Kinder des Lichts werden sie von der Sünde, den Kindern der Finsternis, bekämpft. Der Kampf geht mit Gewalten und Fürstentümern. Die Gläubigen haben keine Zeit, sich in der Etappe herumzutreiben. Sie müssen an die Front, sonst gewinnt der böse Feind den Kampf, sonst gelingt es ihm, in den Herzen derer, die noch keine klare Entscheidung für oder gegen das Evangelium getroffen haben, zu siegen. Die Tage sind böse, heiß tobt der Kampf, „darum kaufet die Zeit aus“.Daneben liegt in diesen Worten „denn die Zeiten sind böse“ noch etwas mehr. Der Tonfall liegt darauf, daß eine Verschlimmerung der Lage für die Christen eintreten wird. Damit weist der Apostel darauf hin, daß kurz vor dem Wiedererscheinen Christi zum letzten Gericht die Gläubigen besonders harte Verfolgungen von der Welt und den Fürsten dieser Welt zu erwarten haben. Diese Anzeichen der baldigen Wiederkunft sollen den Gläubigen ein Ansporn sein, noch tätiger in ihrer Arbeit für Christus zu sein. Auch dies ist keine historische Notiz, auch dies gilt für alle Gläubigen zu allen Zeiten. Und wenn man keine Angaben genauer Datierung machen kann und machen darf, das eine steht fest: die Stunde des großen Gerichtes ist jetzt näher als damals, als Paulus den Epheserbrief schrieb. Darum hat dieser Vers heute noch ganz andere Geltung als zur Zeit des Apostels. Darum wird er für uns in noch ganz anderer Weise zu einer Dringlichkeitsaufforderung, „unsere Arbeit für den Herrn so einzurichten, daß Er bald, daß Er sofort kommt!“
„Denn niemand weißt Tag oder Stunde.“

F.Rienecker – Wuppertaler Studienbibel

Die Erfahrung, die diese beiden Männer gemacht haben, zeigt deutlich, daß es möglich ist, seine Zeit so zu verwenden, daß man dabei glücklich ist, vorausgesetzt, man beherzigt den inspirierten Rat des christlichen Apostels Paulus: „So wacht denn streng darüber, wie ihr wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, indem ihr die gelegene Zeit für euch auskauft, weil die Tage böse sind“ (Epheser 5:15, 16).
In der Welt gibt es viele Ablenkungen, Dinge, die einen Menschen veranlassen können, wertvolle Zeit zu vergeuden, ja durch die er sogar in Schwierigkeiten geraten kann. Die Zahl der Leute, die dem Essen und Trinken frönen, ist groß. Auch wird der Gebrauch von suchterzeugenden Drogen ständig populärer, und die geschlechtliche Unsittlichkeit nimmt ebenfalls immer mehr überhand. Die Bücher und Zeitschriften, die an die niederen Instinkte appellieren, haben Millionenauflagen. Vieles von dem, was man im Kino und im Fernsehen sieht, ist sozusagen wertlos, ja es kann sogar demoralisierend wirken. Somit können auch wir wie seinerzeit der Apostel Paulus sagen, daß die „Tage böse sind“.
Deshalb müssen wir uns davor hüten, so zu handeln, daß uns das Leben frustriert und ein Gefühl der Leere und der Verzweiflung in uns Platz greift. Klug ist der Mensch, der ‘die gelegene Zeit weise auskauft’, das heißt, der aufhört, seine Zeit wertlosen Dingen zu widmen, und sie für etwas Sinnvolles gebraucht.
Wie steht es mit deinem Leben? Hast du deine Zeit bisher so verwendet, daß du zufrieden bist? Oder meinst du, du wärest glücklicher, wenn du sie sinnvoller verwenden könntest? Wir Menschen sind unvollkommen, daher besteht für uns alle die Möglichkeit, uns zu verbessern. Außerdem benötigen wir, um weisen Gebrauch von unserer Zeit machen zu können, eine zuverlässige Führung. Jehova Gott, unser Schöpfer, hat in Form seines Wortes, der Bibel, für eine solche Führung gesorgt.

Erwachet! 8.März 1977

Man muß abklären, ob das Adverb »sorgfältig« (akribòs, genau, exakt) zur Aufforderung »Sehet nun« (blèpete oun ) oder zu »wandelt« gehört. Die revidierte Elberfelder Bibel hat sich für ersteres entschieden: »Seht nun genau zu, wie ihr wandelt.« Der Unterschied liegt zwischen Ursache und Wirkung und ist nicht erheblich. Wenn dem Adverb akribòs, wie einige meinen, die Vorstellung vom Besteigen eines Berges zugrunde liegt, dann wäre der Gedanke, mit Sorgfalt und Fleiß zu wandeln, verständlich. Auf der anderen Seite wird das Adverb verschiedentlich mit Begriffen wie »suchen« (Matt 2,8), sich mit einer Sache vertraut machen (Lukas 1,3), lehren (Apg 18,25), wissen (1.Thess 5,2) usw. gebraucht. Der Apostel sagt also entweder: »Paßt genau auf, wie ihr wandelt, nicht als Unweise«, oder: »Paßt auf, daß ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise.« Es ist dies der fünfte und letzte Hinweis des Apostels auf den Wandel des Gläubigen. Wir müssen diesem allergrößte Aufmerksamkeit schenken; der Gläubige darf nicht unweise wandeln: »…nicht als Unweise« (àsophos) , die von den geistlichen, ewigen Werten nichts wissen, »sondern als Weise« (sòphos) , die um den Wert geistlicher, ewiger Wahrheiten wissen und daher ihre Schritte gut überlegen.

»Die gelegene Zeit auskaufend«, wobei »auskaufen« (exagoràzo) ganz wörtlich von etwas erkaufen heißt, vor Verlust oder Fehlverwendung bewahren. »Die Zeit« (kairòs) , die passende Gelegenheit, die von bestimmten Merkmalen geprägte Zeit. Es geht hier nicht darum, daß man die Zeit gut ausnützt, sondern darum, daß man Gelegenheiten nutzt, die sich einem bieten. »Denn die Tage sind böse«, jeder Tag ist böse und fragt nicht danach, Gott zu gefallen. »Der böse Tage« (6,13) ist nicht ganz das gleiche.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

5,15.16: Gebt darum genau acht, wie ihr wandelt, nicht als solche, denen die Weisheit fehlt, sondern als die Weisen, die die Zeit auskaufen; denn die Tage sind böse. In den mächtigen Kampf mit dem tief gewurzelten sündlichen Verhalten der Menschen hat Paulus die Gemeinde hineingesetzt mit der freudigen Überlegenheit, die auf das Licht als auf die siegende Macht vertraut, vor der das Finstere weicht. Aber der Kampf ist ernst. Die Christenheit darf ihr Leben nicht so führen, als hätte ihr Gott die Weisheit versagt; sie ist ihr gegeben, und sie muß sie gebrauchen und dadurch bewähren, daß sie die Gelegenheit benützt. Sie kauft sie dadurch, daß sie sie nicht ungenützt verstreichen läßt, sondern für ihre Arbeit an den Menschen fruchtbar macht. Wollte sie, ohne daß ihr die Gelegenheit bereitet ist, handeln, so würde sie sich wie die benehmen, die ohne Weisheit sind, ebenso aber auch dann, wenn sie die günstige Zeit nicht völlig benützte und dadurch auskaufte, daß sie sie ganz in ihren Besitz bringt. Die Not der Zeit und der schwere Druck, der auf dem Verkehr der Christenheit mit den anderen liegt, bewirkt beides, sowohl, daß sie ohne die Gelegenheit ohnmächtig ist, als auch, daß sie diese mit vollem Eifer und ganzer Treue benützen muß.

Schlatters Erläuterungen zum Neuen Testament

Seien wir doch ehrlich! Wenn wir ein persönliches Verhältnis zum Schöpfer haben wollen, werden wir jede „freie Minute“ nutzen, um mehr von IHM zu lernen – um Zeit mit IHM zu verbringen! Wie schon des öfteren erwähnt, braucht man etwas weniger als 90 Stunden um die Bibel laut zu lesen – und bei jedem neuen Lesen der gesamten Bibel, lernen wir wirklich neue Aspekte über Jehovah kennen. Und jedes Mal werden wir SEINE Weisheit bewundern.

Wir fürchten unsere Sünde, weil sie uns vor dem Bewusstsein der Fürsorge und Liebe Gottes blendet.

sondern wie der, welcher euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel; denn es steht geschrieben: „Seid heilig, denn ich bin heilig“. (3Mose 11,45)
Elberfelder 1871 – 1.Petrus 1,15–16

Euer ganzes Tun soll ausgerichtet sein an dem heiligen Gott, der euch berufen hat. In den Heiligen Schriften heißt es ja: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«
Gute Nachricht Bibel 2018 – 1.Petrus 1:15–16

Jetzt sollt ihr leben wie Christus, der euch als seine Jünger berufen hat: Vorbildlich, ja heilig soll euer ganzes Leben sein. Genau das meint Gott, wenn er sagt: «Ihr sollt heilig sein, so wie ich heilig bin.» (- 3. Mose 19,2 -)
Hoffnung für alle – 1996 – 1. Petr 1,15–16

Wie sonst können wir überhaupt anfangen, die Heiligkeit Gottes und anderer zu festzunehmen, wenn wir merken Sie nicht gleichzeitig, dass wir getrennt sind, um heilig zu sein? Dies ist keine Ego-Anbetung, sondern die nüchterne Wahrheit des Geistes: Wir sind darin, unser Leben zu respektieren und sie als heilig zu schätzen, da Gott uns durch das Geschenk von Yeshua, unserem Messias, zu seinen Kindern erhöht hat…
Obwohl die meisten Weisen sagen, dass das größte Prinzip der Tora darin besteht, deinen Nächsten wie dich selbst zu lieben, sagte Ben Azzai, dass noch größer der Glaube daran ist, dass Gott Menschen in Seinem Gleichnis (created) geschaffen hat, seitdem kann man nicht sagen: ′′ Da ich mich selbst verachte, bin ich kann auch einen anderen verachten; da ich mich selbst verfluche, lass auch den anderen verfluchen.“ In Gottes Ähnlichkeit gemacht zu werden bedeutet, dass wir uns selbst und andere dieselbe Maßnahme sind, die wir Gott selbst betrachten (1 Johannes 4:20 ). Deshalb lautet das erste Gebot immer: ′′ Ich bin der HERR, dein Gott…“ (Exod. 20:2), da es außer Glauben keine Tora irgendeiner Art gibt….
Der HERR hat versprochen, uns niemals zu verlassen und zu verlassen, obwohl wir uns entscheiden können, uns von seiner Liebe abzuwenden und uns um unser Leben zu kümmern… Wir dürfen nicht andere fürchten, als dass wir keine Angst vor Gott haben, denn das ist in der Tat ein Ängstlicher Zustand der Seele. Möge es Gott uns helfen, uns zu helfen, niemals zu verlassen und uns selbst zu verlassen, indem wir uns entschieden haben, verloren zu gehen, indem wir vergessen, was real ist, und die Hoffnung in das Wunder für unser Leben verlassen… Möge der HERR uns helfen, nicht traurig zu sein, nicht zu sein, um nicht zu trauern verletzen uns selbst und niemals unsere Herzen der Verzweiflung der Schande überlassen.

Hebräisch für Christen

Das Leben der Kinder Gottes soll »heilig« sein, also ganz ausgesondert für Gott und ganz von ihm bestimmt. »Heilig sein« im »ganzen Wandel« geschieht dadurch, daß wir den Weisungen unseres Herrn aus seinem Wort gehorchen, daß der Geist Gottes so unser ganzes Leben gestalten darf. Wir werden nicht mehr vom Bösen gestaltet, auch nicht mehr von unseren Leidenschaften bestimmt; heilig zu leben heißt, vom Geist Gottes geprägt zu werden. Die Christusart gestaltet sich so in unserem Denken, Reden und Handeln aus. Darum kann Petrus sagen: »Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein.« Die Kindesart kommt nach dem Vater. Der heilige Gott hat uns »berufen«; das war sein Tun an uns. Das geschah durch die Wiedergeburt (vgl. zu V. 3), und nun bestimmt uns auch die Christusart. »Heilig sein« ist so zunächst gewiß keine eigene Leistung, zwingt uns nicht in Anstrengung unserer Kräfte; vielmehr ist es die Folge unserer Zugehörigkeit zum Herrn.
Trotzdem hat die Aufforderung »ihr sollt« entscheidende Bedeutung gerade auch für Christen. Denn Heiligung geschieht nicht automatisch und zwangsweise, sondern dann, wenn ich selber will und mich gestalten lasse. Der Imperativ – gewiß beruhend auf dem Indikativ – nimmt uns gerade als Person ernst. Wir können und sollen handeln nach dem Willen Gottes. Christliches Leben, heilig sein, heißt immer, das nun auch zu ergreifen und zu leben, was ich bin, wozu ich durch meine Berufung geworden bin.

1,16: »Denn es steht geschrieben (3 Mo 19,2): ›Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.‹«
Petrus spricht mit diesem Ruf zum »Heilig-Sein« nichts Eigenes aus, sondern er beruft sich auf die »Schrift«, auf das Gotteswort. Als Gott Israel seine Gebote gab, damit sie »heilig«, das heißt abgesondert von den Heiden, leben sollten, verwies er eben auf sich selbst. So wie er soll sein Volk auch sein: »Heilig«, von anderer Qualität als die Völker, so wie Gott von völlig anderer Art ist, mit nichts und niemandem zu vergleichen oder zu messen. Und diese unvergleichliche Qualität wird im täglichen Leben gelebt. Für Israel wie für die ntl. Gemeinde gilt: Heiligkeit wird zur Heiligung. Was ich bin, darf ich auch leben.

Edition C Bibelkommentar

In Vers 14 betont Petrus den Gehorsam. Er verwendet einen Hebraismus – Kinder des Gehorsams. Gehorsam ist sowohl Mutter als auch Charaktereigenschaft des Gläubigen und ein Zeichen wahren Glaubens. Zuvor wurden die Gläubigen dadurch charakterisiert, dass sie sich den Begierden anpassten; sie waren Kinder des Ungehorsams (Eph 2,2; 5,6). Jetzt sollen sie sich nicht länger nach den [früheren] Begierden verhalten. Das Wort euch anpassen wird noch an anderer Stelle gebraucht – in Römer 12 Vers 2, wo es sich auf die Ablehnung eines Lebensstils bezieht. Das abzulehnende Muster ist die Anpassung an die früheren Lüste und Begierden, die für ihre geistliche Unwissenheit selbstverständlich waren. Die Gläubigen sollen sich durch ihren Gehorsam auszeichnen.

In den Versen 15-16 betont Petrus ihre Heiligkeit. In Vers 15 ergeht der Aufruf zur Heiligkeit: wie der, welcher euch berufen hat, heilig ist. Gott ist der Standard der Heiligkeit; er ist abgetrennt von allem Unreinen oder Bösen. Die Gläubigen sollten sich durch eine heilige Lebensführung auszeichnen: seid auch ihr im ganzen Wandel heilig. Gläubige sind berufen, heilig zu sein; die Kinder sollten ihren heiligen Vater nachahmen. Der Satzteil auch ihr betont diese ohnehin schon betonte Aussage. In eurem ganzen Wandel sollen sie sich durch Heiligkeit auszeichnen – das beinhaltet alle Bereiche ihres alltäglichen Lebens. In Vers 16 zitiert er aus 3 Mose 11,44 oder vielleicht 19,2 oder 20,7: Seid heilig, denn ich bin heilig.

Arnold Fruchtenbaum – Die Petrusbriefe

Zur Ehre Gottes, dessen Heiligkeit wir widerspiegeln

(Eph 5, 25–27; Hebr 12, 10–14; 1.Petr 1, 15–16; 2, 9–12; 1.Joh 3, 2–3) Deshalb leben wir! Wir Menschen sind dazu geschaffen, Träger von Gottes Ebenbild zu sein und seiner Schöpfung seinen Charakter zu zeigen (s. 1.Mose 1, 27). Deshalb überrascht es nicht weiter, dass Gott durch das ganze Alte Testament hindurch, in dem er ein Volk formte, das Träger seines Ebenbildes sein sollte, dieses Volk Heiligkeit lehrte, damit ihr Charakter dem seinen immer ähnlicher wurde (s. 3.Mose 11, 44a; 19, 2). Dies war zu alttestamentlichen Zeiten die Grundlage für Korrektur und sogar Ausschluss, als Gott sich selbst ein Volk bereitete; und dies war auch die Grundlage für die Gestaltung der neutestamentlichen Gemeinde (s. 2.Kor 6, 14–7, 1). Christen sollen auffallend heilig sein – nicht zu unserer eigenen Ehre, sondern zur Ehre Gottes. Wir sollen das Licht der Welt sein, damit die Menschen, wenn sie unseren guten Taten sehen, Gott loben (s. Mt 5, 16). Dasselbe sagt auch Petrus: „… und führt einen guten Wandel unter den Heiden, damit sie da, wo sie euch als Übeltäter verleumden, doch aufgrund der guten Werke, die sie gesehen haben, Gott preisen am Tag der Untersuchung“ (1.Petr 2, 12). Aus diesem Grund hat Gott uns berufen, erlöst und abgesondert (s. Kol 1, 21–22).

9 Merkmale einer gesunden Gemeinde

Beachten wir aber die Reihenfolge: Zuerst muss Gott Sein Werk tun; erst dann ist der Mensch überhaupt imstande, den Willen Gottes in seinem Leben zu erfüllen. Man kann nicht, wie manche meinen, möglichst heilig leben, um so in die Stellung eines Heiligen zu kommen. Unmöglich! Wie kann der natürliche, nicht wiedergeborene Mensch den Ansprüchen Gottes genügen? Die Praxis kann der Stellung nur folgen, nie umgekehrt. Aber sie muss es auch. Es ist uns als Gläubigen nicht freigestellt, ob wir uns darum bemühen wollen oder nicht, „denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligkeit (Heiligung)“ (1 Thessalonicher 4,3).
Was ist das nun: Heiligung? Kurz gesagt, es bedeutet, zu leben für Gott; es ist ein Verhalten, das sich allein am Willen Gottes orientiert und Seinen Maßstäben genügt, denn Er selbst ist heilig.
Und hier nun will Gott Wachstum sehen, Fortschritt, Entfaltung – kein Stehenbleiben auf einer Stufe, denn das wäre der Ausdruck von Trägheit und Selbstzufriedenheit. Wir erkennen, dass dieses Wachstum lebenslang dauern wird. Aber das soll uns nicht entmutigen, denn es bedeutet schlussendlich, unserem Herrn ähnlicher zu werden, wenn auch bei Ihm kein Wachstum nötig war, denn Er war nie etwas anderes als vollkommen.
Wie kommen wir aber dahin, heilig zu leben? Gottes Wort zeigt uns zweierlei: Das eine haben wir zu tun, das andere tut Er.
Unsere Seite ist die Absonderung, die Trennung vom Bösen. Bewusst auf Distanz davon zu gehen bringt uns dem Herrn näher: „Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen. … Lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes“ (2 Korinther 6,17; 7,1). Die Verbindung mit Einflüssen oder Personen, die zur Unehre Gottes sind, behindert unser persönliches Wachstum und beeinträchtigt unsere Brauchbarkeit für den Herrn! Ob uns dieser Gedanke wohl genügend bewusst ist? „Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet“ (2 Timotheus 2,21). Gott sei Dank – wir sind dabei in unseren Bemühungen nicht auf uns allein gestellt. Gott unterstützt und fördert unser Wachstum. Unserem Herrn selbst war das so wichtig, dass Er es in Seinem Gebet zum Vater in Johannes 17 zu einem Seiner Anliegen macht: „Heilige sie durch die Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit.“
Er hat Seine Jünger damals und hat uns heute in derselben Weise in die Welt gesandt, wie der Vater Ihn in die Welt gesandt hatte. Aus eigener Erfahrung und Anschauung kannte Er die Einflüsse, die mit dem Aufenthalt in der Welt verbunden sind. Deswegen sagte Er dem Sinn nach: „Vater, angesichts all der Unreinheit der Welt und der Schliche Satans stärke Du selbst alle, die Du mir gegeben hast. Hilf ihnen, das Böse zu erkennen und sich entschieden davon zu trennen, damit sie in dieser Welt für dich dastehen, so wie ich in der Welt Deine Belange vertreten habe.“
Das Mittel, das Gott zu unserer Heiligung benutzt, ist „die Wahrheit“ – ein uns geläufiger Ausdruck, der dennoch einiger Überlegungen wert ist. Was ist „die Wahrheit“?
In einem Sinn können wir darunter das ganze Buch verstehen, das Gott in unsere Hände gelegt hat: Sein Wort, die Heilige Schrift. Hier finden wir die Wahrheit, weil dieses Buch uns in aller Reinheit und Klarheit Gottes Gedanken und Sein Urteil zeigt – über alles: über Ihn selbst, über Seinen Sohn, über den Menschen, die Engel, Satan, die Schöpfung; über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.
„Die Wahrheit“ im engeren Sinn hat aber noch eine besondere Bedeutung: Es ist die Art und Weise, in der Gott sich selbst in unserer Zeit offenbart hat – in der Haushaltung der Gnade. Hier geht es um die Tatsache, dass die Gläubigen Kinder Gottes sind, weil Er sich uns in Seinem Sohn als Vater vorgestellt hat. Der Herr Jesus konnte sagen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9).
Wenn wir heute als Gläubige die Bibel hören oder lesen, redet ihr Verfasser als unser Gott und Vater zu uns als Seinen Söhnen. Er hat uns „das Geheimnis seines Willens kundgetan“ (Eph 1,9) – das ist Sein ganzer Ratschluss. Und der Heilige Geist benutzt die Heilige Schrift, um uns als Söhne Gottes zu leiten (Röm 8,14).
Wenn also der Sohn den Vater bittet: „Heilige sie durch die Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit“, so redet Er von dieser unter allen Haushaltungen einmaligen Beziehung zu Gott, in die wir heute gebracht sind. Das auf die Heilige Schrift gegründete Wissen, dass Gott, der Heilige, unser Vater ist, soll uns zu einem praktischen Verhalten anleiten, das dieser gewaltigen Stellung entspricht. Wir sind so nah zu Ihm gebracht; lasst uns deshalb auch für Ihn leben!
Im Gedanken hieran schreibt Petrus: „Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel! Denn es steht geschrieben: ,Seid heilig, denn ich bin heilig.‘ Und wenn ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk, so wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht …’• (1 Petrus 1,15-17).

Ermunterung und Ermahnung 2000


Bitter

 „Nennt mich nicht Nọomi“, erwiderte sie. „Nennt mich Mạra, denn der Allmächtige hat mir das Leben sehr bitter gemacht. Als ich wegzog, hatte ich alles, und jetzt lässt Jehova mich mit leeren Händen zurückkommen. Warum solltet ihr mich Nọomi nennen, wenn sich doch Jehova gegen mich gestellt und der Allmächtige Unglück über mich gebracht hat?“
neue Welt Übersetzung – 2018 – Ruth 1:20–21

»Nennt mich nicht länger Noomi (›die Fröhliche‹)«, erwiderte sie, »nennt mich Mara (›die Betrübte‹), denn der allmächtige Gott hat mir ein schweres Schicksal auferlegt: 21 Als ich von hier fortzog, hatte ich alles, was man sich nur wünschen kann. Jetzt lässt mich der Herr mit leeren Händen zurückkehren. Warum nennt ihr mich also noch Noomi? Der Herr hat sein Urteil gegen mich gesprochen; er, der Allmächtige, hat mir bitteres Leid zugefügt.«
Hoffnung für Alle – Ruth 1,20–21

»Nennt mich nicht mehr Noomi (- »die Liebliche« -)«, sagte sie, »nennt mich Mara (- bedeutet »bitter -); denn Gott, der Gewaltige (- Wiedergabe der hebräischen Gottesbezeichnung Schaddai (oder El Schaddai), deren genaue Bedeutung nicht mehr bekannt ist. Die Wiedergabe mit „der Gewaltige“ folgt dem Vorbild der alten griechischen Übersetzung, die Schaddai vermutlich mit einem hebräischen Wort für „überwältigen“ in Zusammenhang gebracht und meist mit „der Allherrscher“ wiedergegeben hat. Nach neuerer Auffassung bedeutet Schaddai möglicherweise „Bergbewohner“; in diesem Sinne würde es den Gott bezeichnen, der auf dem → Götterberg* wohnt und von dort aus über die Welt herrscht. -), hat mir ein sehr bitteres Schicksal bereitet. Mit meinem Mann und mit zwei Söhnen bin ich von hier weggezogen; arm und ohne Beschützer lässt der HERR mich heimkehren. Warum nennt ihr mich noch Noomi? Der HERR, der Gewaltige, hat sich gegen mich gewandt und mich ins Elend gestürzt.«
Gute Nachricht Bibel 2000 – Ruth 1,20–21

Aber wenn ich Jehovah diene, dann MUSS es mir doch gut gehen???

Schon in Ruth 1:13 sagt Noomi: „Nicht doch, meine Töchter! denn mir ergeht es viel bitterer als euch; denn die Hand Jehovas ist wider mich ausgegangen.“
Bitterer??


352 מָרַר (mā-rǎr): v.; ≡ Str 4843; TWOT 1248-1. LN 79.39-79.44 (qal) bitter sein, d.h. in einem Zustand eines bestimmten scharfen, gewöhnlich unangenehmen Geschmacks sein (Jes 24:9+); 2. LN 25.223-25.250 (qal) Qualen erleiden, förmlich, bitter sein, d.h., ein Gefühl oder eine Haltung großen Leids und großer Angst haben, als Erweiterung des Zurückschreckens beim Genuss von bitteren Speisen oder Getränken; in manchen Kontexten ist damit eine Verachtung oder sogar ein Hass auf die eigenen Umstände oder den Gegner verbunden (Ru 1: 13; 1Sa 30:6; 2Ki 4:27; Jer 4:18; La 1:4+); (piel) ganz bitter sein (Ex 1:14; Jes 22:4+); (hif) bitterlich trauern (Ru 1:20; Hiob 27:2; Zec 12:10(2×)+)

Dictionary of Biblical Languages with Semantic Domains : Hebrew (Old Testament)

In dem kleinen, ruhigen Dorf Bethlehem herrschte Aufregung – vor allem unter den Frauen7 -, als Noomi nach ihrer langen Abwesenheit unerwartet zurückkehrte, und das unter so veränderten Umständen. Die Klagen der Witwe selbst brachten sie sogar dazu, den alten Namen Naomi durch Mara („bitter“) zu ersetzen, denn „Jehova“ hatte „gegen sie ausgesagt“, und „Schaddai “ hatte sie heimgesucht. Ob Naomi und ihre Bekannten die wahre Bedeutung dieses „Zeugnisses“ Jehovas wirklich verstanden haben oder nicht, sicher ist, dass die vorübergehende Aufregung über ihre Ankunft bald verflog und die Witwe und ihr moabitischer Gefährte in ihrer Armut allein gelassen wurden. Offenbar gab es keine anderen nahen Verwandten von Elimelech, denn Boas selbst wird im Original als „ein Bekannter ihres Mannes “ (- Nicht, wie in der Autorisierten Fassung, „ein Verwandter ihres Mannes“. Die Rabbiner machen ihn zu einem Neffen von Elimelech, und zwar mit ebenso wenig Grund, wie sie darstellen, dass Naomi und Rut gerade ankamen, als sie die erste Frau des Boas begruben! Die Herleitung des Wortes Boas ist umstritten. Wir bevorzugen nach wie vor die Übersetzung des Namens: „in ihm Stärke“. -) bezeichnet, obwohl der Begriff auch auf eine Verwandtschaft hinweist. Und so wurden die Dinge während des tristen Winters immer schlimmer, bis endlich im Frühjahr die Gerstenernte eingebracht wurde.

Alfred Edersheim – Geschichte der Bibel – altes Testament

Noomis Klage wurde konkret. Vor Jahren war sie voll , d. h. mit einem Ehemann und zwei Söhnen, nach Moab gezogen, nun kehrte sie leer zurück . In ihrer Trauer und Depression war sie nicht in der Lage, in ihren moabitischen Schwiegertöchtern irgendeinen Wert zu erkennen. Später erfuhr sie jedoch großen Segen durch Rut ( Rt 4,15 ). Noomi war sich sicher, daß Gott an allem schuld war. Ihre Rückkehr vertiefte ihr Leid nur. Sie sah nichts als die Einsamkeit und Hilflosigkeit einer Witwe vor sich. Ihre Klage beginnt und endet mit der Nennung des Allmächtigen , dem Namen des allmächtigen Gottes. Gott würde in ihr tiefes Leid bald gnädig eingreifen.
Dieser Vers bildet den Übergang zur Hoffnung für Noomi und Rut. Gott war nicht ihr Gegenspieler, sondern handelte in seiner souveränen Fürsorge zugunsten der beiden Witwen.
Noomi hatte Bethlehem wegen einer Hungersnot verlassen. Nun kehrte sie mit Hunger in ihrer Seele zurück. Die Gerstenernte in Bethlehem mußte ein willkommenes Zeichen gewesen sein, auch wenn es Noomi in ihrer Trauer nicht erkannt haben mag. (Die Gerstenernte lag im Monat Nisan [März/April]; vgl. die Übersicht „Der Kalender in Israel“ bei 2Mo 12 .)
Noomi meinte, sie sei mit leeren Händen zurückgekehrt. Doch sie hatte Rut, die Moabiterin , bei sich. Die Ernte war reif, und deswegen gab es Hoffnung.

Walvoord Bibelkommentar

Noomi verstand natürlich, was die Frauen mit ihrem erstaunten Ausruf alles wissen wollten. Ihre Antwort aber zeigt, wie verbittert sie war. Vermutlich hatte die Erinnerung bei der Rückkehr nach Bethlehem ihre Verbitterung hervorgerufen. Diese Menschen, diese Häuser und diese Straßen hatte sie vor wenigen Jahren mit einem Mann und zwei Söhnen verlassen. Nun war sie allein zurückgekommen. Gegenüber ihren Schwiegertöchtern hatte sie auf dem Weg nach Juda noch recht allgemein davon gesprochen, dass »die Hand Jahwes« sie »getroffen« habe (V. 13). Nun aber kann man ihr die ganze Tiefe der inneren Verletzung abspüren. Die Frauen hatten gefragt, ob sie nicht Noomi sei. Noomi griff die Bedeutung dieses Namens auf: »die Liebliche«. Nein, das war keine richtige Bezeichnung für sie. Sie fordert die Frauen auf: »Nennt mich Mara«, d.h. »die Bittere«. Sie selbst erklärt diesen Namen: »… denn der Allmächtige hat es mit mir sehr bitter gemacht.«

Gott hatte es mit ihr sehr bitter gemacht. Er war es, der ihr dieses bittere Los zugedacht hatte. Man könnte hier auch übersetzen: »Er hat mich sehr bitter gemacht.« Allerdings wird die hebr. Formulierung, die sich hier findet, gewöhnlich angewendet, um ein Handeln an der entsprechenden Person zu kennzeichnen. Eine ähnliche Formulierung findet sich auch am Ende des nächsten Verses (»… der Allmächtige mir übel getan hat«).

Die Gottesbezeichnung, die Noomi hier benutzte, lautet »Schaddai«. Die Grundbedeutung dieses Begriffs ist nicht klar, er betont jedoch in besonderer Weise die Größe und Allmacht, aber auch das Gerichtshandeln Gottes (Campbell, 1975, S. 77). Er unterstreicht sozusagen die Souveränität Gottes. Der Gottesname Schaddai wird im Buch Rut nur in diesen beiden Versen (V. 20f) verwendet. Im AT findet er sich insgesamt 48-mal. In 1. Mose erscheint er sechsmal, und zwar vor allem im Zusammenhang mit Segenswünschen. Dadurch wird unterstrichen, dass Gott auch wirklich die Macht hat, das im Segen Erwünschte zu tun (vgl. 1.Mo. 28,3; 35,11; 43,14; 48,3; 49,25; vgl. S. 162f und 193) Besonders häufig (31-mal) kommt er im Buch Hiob vor. Diese Gottesbezeichnung kann sowohl die tröstliche Nähe und Hilfe Gottes (vgl. Ps. 91,1) als auch sein mächtiges Gerichtshandeln (vgl. Hiob 5,17; 6,4) unterstreichen. Von Noomi wurde er hier wie bei Hiob auch im letzteren Sinne gebraucht. Sie verstand Gott und sein Handeln nicht. Der Begriff Schaddai signalisiert sozusagen eine gewisse Distanz. Gott ist eben der Allmächtige, dessen Handeln oft unverständlich bleibt.

21 Noomis Anklagen gegen Gott steigern sich schrittweise. Jahwe, der Gott des Bundes mit Israel, hatte sie mit leeren Händen von Moab zurückgebracht. Dabei war sie gefüllt ausgezogen. Mit einem Mann, der für sie sorgte, und mit zwei Söhnen, die ihr Alter und ihre Zukunft sicherten, war sie aus Bethlehem weggezogen. Der Targum, die aramäische Übersetzung, erwähnt den Ehemann und die Söhne ausdrücklich (Levine, 1973, S. 24). Alles dies hatte Gott ihr genommen. In ihrer Anklage findet sich weder ein Hinweis darauf, unter welch schwierigen Umständen sie damals aus Israel weggezogen waren noch darauf, dass ihre Schwiegertochter Rut ja mit ihr zurückgekehrt war. Wie so oft erschien die Vergangenheit im goldenen Licht, während in den Problemen der Gegenwart nur noch Dunkelheit zu sein schien.

Am Ende jedes Kapitels wird indirekt auf diese Anklage der Noomi Bezug genommen und gezeigt, wie Gott die Leere der Noomi nach und nach ausgefüllt hat, zunächst durch die materielle Versorgung (2,18–23), dann durch Boas, der ihr sozusagen als Beweis für sein Versprechen, sich um sie und Rut zu kümmern, Getreide schickte (3,16–18) und schließlich durch Obed, den Sohn von Rut und Boas, der ihre Hoffnungslosigkeit beendete und ihr Zukunft schenkte (4,14–22).

Noch einmal stellte Noomi die Bedeutung ihres Namens in Frage: »Warum nennt ihr mich Noomi?« Nein, lieblich war nichts mehr in und an ihrem Leben. Schließlich hatte Jahwe sie gebeugt. Erneut benutzte Noomi den Gottesnamen Jahwe. Der Gott des Bundes, der Gott der Verheißung, hatte sie gedemütigt und niedergedrückt (»gebeugt«). Gott hatte sie, so Noomi, erbittert, mit leeren Händen zurückgebracht und dadurch zutiefst erniedrigt. Man spürt in diesen Worten die ganze Not und Bitterkeit einer Frau, die früher einmal eine gewisse Position in der Gemeinschaft ihrer Stadt eingenommen hatte, wie man aus dem großen Interesse an ihrer Rückkehr nach Bethlehem ersehen kann, und die nun als eine arme Frau zurückgekehrt war, die auf Hilfe und Unterstützung anderer angewiesen war.

In einem abschließenden Ausruf der Verzweiflung fasste sie diese ihre Situation noch einmal zusammen. Der Allmächtige (Schaddai) hatte ihr übel getan, so meinte sie. Nur sehr selten wird der Begriff, den Noomi hier für »übel tun« benutzt, im AT auf Gott angewandt. In ihm schwingt sehr stark der Begriff »Böses« mit, allerdings nicht so sehr im ethisch-moralischen Sinne. Vielmehr geht es gewöhnlich darum, dass sich etwas aus der Sicht des Betroffenen als »Böse«, als »Unheil« erweist. Gott hatte sie, so meinte Noomi, gestraft, hatte ihr Übles zugefügt. Zwar klagte sie Gott nicht direkt an oder forderte ausdrücklich von ihm eine Antwort auf die Frage nach dem »Warum«, aber in ihren Worten wird doch deutlich, dass sie Gottes Handeln mit Unverständnis und Verbitterung gegenüberstand.
In einem abschließenden Ausruf der Verzweiflung fasste sie diese ihre Situation noch einmal zusammen. Der Allmächtige (Schaddai) hatte ihr übel getan, so meinte sie. Nur sehr selten wird der Begriff, den Noomi hier für »übel tun« benutzt, im AT auf Gott angewandt. In ihm schwingt sehr stark der Begriff »Böses« mit, allerdings nicht so sehr im ethisch-moralischen Sinne. Vielmehr geht es gewöhnlich darum, dass sich etwas aus der Sicht des Betroffenen als »Böse«, als »Unheil« erweist. Gott hatte sie, so meinte Noomi, gestraft, hatte ihr Übles zugefügt. Zwar klagte sie Gott nicht direkt an oder forderte ausdrücklich von ihm eine Antwort auf die Frage nach dem »Warum«, aber in ihren Worten wird doch deutlich, dass sie Gottes Handeln mit Unverständnis und Verbitterung gegenüberstand.

Achtmal findet sich in diesen wenigen Sätzen das Pronomen der ersten Person. Noomi war es, die verletzt war, die bitter gemacht wurde, die alles verloren hatte. Dieser Ausbruch der Bitterkeit ließ die Fragen der Frauen verstummen. Jedenfalls wird uns nicht berichtet, dass sie noch einmal an Noomi herantraten. Erst viel später (vgl. 4,14f) kamen sie noch einmal zu Wort, als Obed geboren und so das Schicksal Noomis gewendet war. In diesem Lob des Handelns Gottes am Ende des Buches Rut wurde sozusagen die Antwort auf das anklagende »Warum« gegeben, das in dem verbitterten Ausruf der heimkehrenden Noomi mitschwang. Wichtig aber ist zunächst einmal, dass Gott die bittere Klage der Noomi zuließ und diese nicht für ihr »ungebührliches« Verhalten oder ihr mangelndes Vertrauen strafte. Vielmehr führte Gott sie schrittweise zu der Erkenntnis, die dann in Kap. 4 in der Aussage gipfelt, dass Rut für Noomi besser war als »sieben Söhne« (4,15).

Edition C Bibelkommentar

Ver. 20. Nennt mich nicht Naomi, nennt mich Mara. Das allgemeine Erstaunen über eine solche Rückkehr gab zweifellos Anlass zu vielen Überlegungen, die vor allem eine Frau tief empfinden würde. Nicht nur der äußere Vergleich zwischen „damals“ und „heute“, sondern auch die Gründe für den damaligen Aufbruch werden ins Gedächtnis gerufen. Damals entsprachen Naomis Leben und ihre Lebensumstände dem freundlichen und fröhlichen Namen, den sie trug. Jetzt sollte sie besser Mara heißen, die Bittere, Traurige. Es ist offensichtlich, dass die Namen immer noch mit einem bewussten Bezug zu ihrer Bedeutung beibehalten wurden. Mit diesen und den folgenden Worten will Naomi die Einwohner von Bethlehem offensichtlich über ihr Schicksal informieren. Ich bin nicht mehr die alte Naomi; denn was ich an Glück besaß, habe ich verloren. Ich habe nichts Angenehmes mehr an mir: Mein Leben ist wie eine salzige, bittere Quelle, ohne Geschmack und Würze.

Denn der Allmächtige (Schaddai) hat mir bitteres Leid zugefügt. Warum Schaddai? Die Verwendung dieses göttlichen Nachnamens muss auch hier mit seiner bedeutungsschwangeren Bedeutung in Verbindung gebracht werden. Die Erklärung, die zwangsläufig gegeben werden muss, ist nicht mit seiner Ableitung von שָׁדַד vereinbar, das immer in einem bestimmten Sinn gebraucht wird. Wie diese Erklärung lautet, wird deutlich, wenn wir die Stellen betrachten, in denen der Name zum ersten Mal und mit Nachdruck verwendet wird. Wir wählen daher die Genesis aus, in der der Name Schaddai häufiger vorkommt als in allen anderen Büchern außer Hiob, und zwar immer als Bezeichnung für den gnädigen, fruchtbaren Gott, durch den die Vermehrung der Menschheit gewährleistet wird. So wird er von Gott in 1. Mose 17,1 ff. angenommen, wo er zu Abram sagt: „Ich mache dich überaus fruchtbar, zum Vater einer Vielzahl von Völkern“, usw. Gen. 28,3: „El Schaddai wird dich segnen und fruchtbar machen.“ Gen 35,11: „Ich bin El Schaddai, seid fruchtbar und mehret euch.“ Mose 48,3: „El Schaddai erschien mir und sprach: Siehe, ich mache dich fruchtbar und mehre dich.“ Gen. 49:25: „Schaddai wird dich segnen – mit dem Segen der Brüste (שָׁדַיִם) und des Mutterleibs.“ Aus demselben Grund wird es in Gen. 43:14 verwendet, wo es um das Schicksal der Kinder Jakobs geht. Der gnädige Gott, die Quelle der Fruchtbarkeit und des Lebens, gibt seinen Segen an seine auserwählten Heiligen, aber von den Sündern und denen, die er prüft, nimmt er weg, was er anderen gibt. Daher der häufige Gebrauch des Namens bei Hiob, der an seinen Kindern gezüchtigt wird, vgl. Kap. 8,3: „Wird Schaddai die Gerechtigkeit verdrehen? Wenn deine Kinder gegen ihn gesündigt haben, hat er sie in die Hand ihrer Übertretungen gegeben.“ Und in diesem Sinne verwendet auch Naomi den Namen Schaddai, wenn sie von ihrem Elend spricht. Denn der Tod ihres Mannes und ihrer Söhne hat ihre Familie verwüstet und unfruchtbar gemacht. Das Wort muss daher zweifellos auf eine Wurzel שָׁדָה zurückgehen, die im Arabischen noch immer in der Bedeutung „bewässern, befruchten“ verwendet wird. Denn dass alle Fruchtbarkeit vom Wasser kommt, durch das die Trockenheit beseitigt und der Durst gestillt wird, ist eine tief verwurzelte Vorstellung, besonders im orientalischen Altertum. Zahlreiche mythische Bilder des Heidentums stellen ihre Helden als Bezwinger von Dürre und Unfruchtbarkeit dar, indem sie den Regen und die Ströme befreien. Der Name des indischen Gottes Indra leitet sich von Ind = und, fließen, ab und bedeutet daher „der Regenspender“, der die Wolken befreit, damit sie ihre Schauer verteilen können (vgl. E. Meier, Ind. Liederb. , S. 147 f.). Der wahre Regenspender, der die Fruchtbarkeit der Erde, der Tiere und der Menschen spendet und steigert, ist der lebendige, persönliche Gott Schaddai. Die Wurzel שָׁדָה muss auch שַׁד, mamma, erklären, eigentlich die Quelle des Regens und des Segens für Mensch und Tier, wie Gellius (xii. 1) sie nennt, fontem sanctissimum corporis, und die Erzieherin des menschlichen Geschlechts. So können wir die weit verbreitete philologische Wurzel erkennen, zu der shadah, Wasser, shad (Aram tad), mamma, gehört; denn sie ist mit dem Sanskrit dhe, dem Griechischen θῆσαι, dem Gotischen daddjan (altdeutsch tutta usw., vgl. Benfey, Gr. Gram. ii. 270) verbunden, in allen Formen ist die Idee des Trinkens, des Säugens, vorhanden. Von dem griechischen Wort leitet sich der Name der Göttin Thetis ab, als „Amme des Menschengeschlechts“ (vgl. Welcker, Gr. Mythol., i. 618). Dass Artemis von Ephesus als Multimammia dargestellt wurde, ist nicht nur aus antiken Skulpturen, sondern auch aus den Schriften der Kirchenväter bekannt; vgl. die Worte von Hieronymus (in Proœm Ep. Pauli ad Ephes.): omnium bestiarum et viventium esse nutricem mentiuntur. Naomi trug ihren Namen zu Recht, als sie mit einer blühenden Familie nach Moab ging – aber jetzt hat Schaddai, der den Segen gegeben hat, ihn wieder weggenommen.

Ver. 21. Ich bin voll ausgezogen, und Jehova hat mich leer wieder heimgebracht. Voller Familienglück, voller Freude über ihre Söhne und voller Hoffnung auf ein fröhliches Alter, umgeben von Kindern und Kindeskindern; aber jetzt ist sie leer, ohne Besitz und ohne Hoffnung. Ein reumütiges Gefühl durchdringt ihre Klage. Ich bin weggegangen, obwohl ich voll war, und weil ich voll war, komme ich leer zurück. Aus diesem Grund sagt sie. „Ich bin weggegangen, und Jehova hat mich wieder nach Hause gebracht.“ Ich bin gegangen, weil es mein Wille war, zu gehen, nicht der Gottes; jetzt hat mich Gottes Urteil zurückgeschickt. Mit diesem einen Wort macht sie ihrem Kummer darüber Luft, dass sie in den Zeiten der Hungersnot ihr Volk im Stich gelassen hat, obwohl sie selbst glücklich war. Was für ein Übel ist es, dem eigenen Willen zu folgen, wenn dieser sich nicht nach den Geboten Gottes richtet! Der Mensch geht, aber Gott bringt nach Hause. Doch neben diesem reuevollen Gefühl gibt es noch einen weiteren Aspekt, der Naomis wunderbaren Charakter kennzeichnet und den man nicht übersehen darf. Sie sagt: „Ich bin gegangen, mich hat Gott bedrängt“, nicht: „Wir sind gegangen – mein Mann hat mich mitgenommen“, sondern: „Ich bin nur aus Pflichtgefühl gefolgt. Sie macht Elimelech keine Vorwürfe und entschuldigt sich auch nicht für sich selbst. Richtig ist, dass die Schuld bei ihrem Mann und ihren Söhnen lag. Sie waren die Urheber des Unterfangens, das so verhängnisvoll endete, aber daran hat sie keine Erinnerung. Sie klagt sie weder an, noch bemitleidet sie sie. Über das Übel, das sie erlebt haben, spricht sie nicht. Ich bin gegangen, und Gott hat mich wieder nach Hause gebracht, leer und ohne Mann und Kind. Deshalb, so wiederholt sie, nennt mich nicht Naomi! Dieser Name, wenn sie ihn hört, deutet auf den ganzen Kontrast zwischen dem, was sie war, und dem, was sie jetzt ist.

Denn Jehova hat gegen mich bezeugt, עָנָה בִי. Der innere Zusammenhang mit den vorangegangenen Gedanken bestätigt die Richtigkeit der masoretischen Deutung. Von der Lesart der LXX, „er hat mich gedemütigt“, wurde zu Recht abgewichen, denn sie ist nur eine Umschreibung des Sinns. Das, was Bertheau für die Schwierigkeit der Stelle hält, dass sie Gott gegen eine Person aussagen lässt, während anderswo nur Menschen Zeugnis ablegen, ist genau der besondere Gedanke von Naomi: „Ich ging“, sagt sie, „und Gott hat bezeugt, dass dieses Gehen eine Sünde war. Durch den Ausgang meiner Auswanderung hat Gott bezeugt, dass ihr Anfang nicht in ihm, sondern in uns selbst begründet war.“ Es ist eine Besonderheit der Frömmigkeit, dass sie den Ausgang aller Angelegenheiten des Lebens Gott zuschreibt. „War es richtig oder nicht, dass ich (nämlich Elimelech und sie) nach Moab weggezogen bin?“ Die Menschen mögen darüber im Zweifel sein. Aber das Ende, sagt sie, legt Zeugnis gegen uns ab, die wir unseren eigenen Neigungen folgten. Gott zeugt gegen sie, denn „Schaddai hat mich bedrängt“. Mit anderen Worten: Weil Gott als Schaddai das Leid zu meinem Teil gemacht hat, hat er gegen mich Zeugnis abgelegt. Die beiden Sätze, עָנָה בִי יְהֹוָה, und שַׁדַּי הֵרַע-לִי, sind nicht so sehr parallel, sondern erklären sich gegenseitig. Durch den Verlust meiner Kinder und meiner Familie, sagt Naomi, erkenne ich, dass er mich „für schuldig erklärt“, wie der Targum עָנָה בִי auch hervorragend wiedergibt. Gleichzeitig kommt hier die Bedeutung von Schaddai wieder deutlich zum Vorschein. Denn er ist es, der ihr Leid zufügt, allein dadurch, dass ihr die Kinder weggenommen werden. Das, was Gott als Schaddai, der Geber der Fruchtbarkeit, ihr angetan hat, als er ihre Söhne verdorren ließ, beweist, dass Gott gegen sie zeugt. הֵרַע wird hier genauso verwendet wie in Jos. 24:20: „Wenn ihr Jehova verlasst, wird er euch Schaden zufügen (הֵרַע לָכֶם) und euch ganz und gar verderben.“

Paulus Cassel. P.H. Steenstra – Das Buch Rut

In Vers 19 wird die Reise beschrieben: So gingen die beiden, bis sie nach Bethlehem kamen. Das wäre eine Reise von etwa fünfundsiebzig Meilen, und auch kein gerader oder ebener Weg. Es bedeutete, dass sie vom moabitischen Hochland zum Jordantal hinabsteigen mussten, ein Abstieg von 4.500 Fuß, gefolgt von einem Aufstieg nach Bethlehem von 3.750 Fuß, wobei sie durch Wüstengebiet, durch die Wildnis von Juda gingen. Dieser Vers beschreibt dann die Reaktion Bethlehems auf Naomis Rückkehr. Der Text gibt den Zeitpunkt an: Und es geschah, als sie nach Bethlehem kamen. Die Reaktion war, dass die ganze Stadt sich um sie herum bewegte. Das verwendete hebräische Wort ist hum und bedeutet „murmeln“, „brüllen“, „aufregen“. Das Wort unterstreicht die große Aufregung, die mit der Rückkehr von Naomi verbunden war. Dasselbe Wort wird für die Aufregung der Israeliten verwendet, als die Bundeslade ins Lager gebracht wurde (1 Sam 4,5); es wird auch in 1 Kön 1,45 verwendet. Die wörtliche Antwort lautete: „Und die Frauen sagten: Ist das Naomi?

Die Verse 20 bis 21 enthalten Naomis Antwort. In Vers 20 beginnt sie damit, dass sie ihnen sagt, sie sollten sie mit einem neuen Namen anreden: Nennt mich nicht Naomi, sondern Mara. Im Hebräischen würde der Name Mara mit dem Buchstaben he am Ende geschrieben werden. Im Originaltext wird er jedoch mit einem Aleph geschrieben, was darauf hindeutet, dass das Wort aramäisch, aber auch moabitisch sein könnte. Wahrscheinlich gab es eine größere Ähnlichkeit zwischen dem Moabitischen und dem Aramäischen, daher wird es im Text in der moabitischen Form geschrieben. Naomi bedeutet „angenehm“; Mara bedeutet „bitter“. Dies war Naomis Reaktion, um eine emotionale Reaktion auf eine zerstörerische, herzzerreißende Situation auszudrücken. Der Grund, warum sie sie nicht Naomi, sondern Mara nennen sollten, ist, dass der Allmächtige sehr bitter mit mir umgegangen war. Sie benutzte den Namen Schaddai, einen Namen für Gott, der achtundvierzig Mal im Alten Testament vorkommt. In einunddreißig dieser achtundvierzig Male kommt Schaddai im Buch Hiob vor. Der Name unterstreicht Gottes Macht, die er nach eigenem Gutdünken austeilt. Wenn Gott bestimmt hatte, dass Bitterkeit in ihr Leben treten sollte, gab es keine andere Möglichkeit; sie musste kommen. Mit ihren Worten zeigt sie erneut, dass sie nicht an einen reinen Zufall glaubte, sondern an die göttliche Vorsehung. In Vers 21 erklärt Noomi den Grund für den neuen Namen – ihren veränderten Zustand: Ich bin voll ausgezogen, und Jehova hat mich leer wieder heimgebracht. Sie war nicht mit Reichtum und Besitz ausgezogen, sondern mit einem Mann und zwei Söhnen. Das Wort „leer“ steht in der Betonung: leer, da die beiden Söhne und der Ehemann weg sind. Dennoch ist sie nicht völlig leer: Sie hat Rut, die Naomi in ihrem hohen Alter ernähren wird und die auch für die Erlösung von Naomis Wohlstand und Elimelechs Linie sorgen wird. Dann verwies Naomi wieder auf ihren geänderten Namen: Warum nennt ihr mich Naomi, da Jehova gegen mich ausgesagt hat. Im Hebräischen hat der qal-Stamm die Bedeutung von „bezeugen“. Das bedeutet, dass Gott gegen sie Zeugnis abgelegt hat, weil er sie in Bedrängnis gebracht hat, vielleicht weil sie das Land Israel verlassen hat, um in das Land Moab zu ziehen. So sagt sie: Der Allmächtige hat mich bedrängt. Wieder benutzt sie Schaddai. Sie war hilflos gegenüber Gottes allmächtiger Macht. Gott war übermächtig, im Land Moab ebenso wie im Land Israel.
Vers 22 schließt die erste Episode, die Naomi betrifft: So kehrte Naomi zurück und mit ihr ihre Schwiegertochter Rut, die Moabiterin, die aus dem Land Moab zurückgekehrt war. Die rabbinische Tradition besagt, dass am selben Tag die Frau des Boas starb:

Arnold Fruchtenbaum – Ruth

Falls wir uns auch „bitterer“ fühlen – und denken, dass Jehovah uns gerade das Leben „schwer machen würde“ – dann schau auf Noomi! Jehovah kennt unser gesamtes Leben – in allen Einzelheiten. Und manchmal läßt ER bittere Zeiten zu – zu unserem Nutzen – denn ER kennt auch den Ausgang der Sache!

Schwiegertöchter ?

Aber mit dir will ich weiter-machen. Ich will mit dir einen Vertrag abschließen. Darum schnapp dir mal deine Kinder mit ihren Familien und auch deine Frau und schließt euch dann in den ‚Kasten‘ ein.
VolxBibel – Genesis 6:18

Aber mit dir will ich meinen Bund errichten, und du sollst in die Arche gehen, du und deine Söhne und dein Weib und die Weiber deiner Söhne mit dir.
Elberfelder 1871 – Genesis 6,18

Über diesen Vers hatten wir schon 2020:

Aber heute einmal die Frage: wo kamen die Frauen her?

Mit einigermaßen verlässlichen Zahlen für die natürlichen DNA-Mutationen, die aus dieser Studie, einer anderen Studie über die finnische Bevölkerung , und aus weiteren laufenden Studien stammen, können wir die Daten für den gemeinsamen Vorfahren aller Menschen untersuchen. 1995 wurde im Rahmen eines Y-Chromosomen-Forschungsprojekts – bei dem hundertmal mehr Nukleotid-Basenpaare untersucht wurden als bei allen vorherigen Studien – das Datum für den jüngsten gemeinsamen Vorfahren aller männlichen Menschen auf 35.000 bis 47.000 V. CHR. festgelegt. Diese Erkenntnis stellt einen bedeutenden Durchbruch in der physischen Anthropologie dar. Das neue Datum schließt die Möglichkeit aus, dass sich der moderne Mensch aus einer anderen zweibeinigen Primatenart entwickelt hat (was bedeutet, dass der Mensch speziell erschaffen worden sein muss). Dieses Datum wurde jedoch in Frage gestellt, weil es nicht mit dem Datum übereinstimmt, das aus der mitochondrialen DNA-Analyse abgeleitet wurde. Die Ergebnisse der mitochondrialen DNA-Analyse legen den jüngsten gemeinsamen Vorfahren aller Frauen in der Regel einige tausend bis einige zehntausend Jahre früher.

Während Wissenschaftler über den Grund für diese Diskrepanz rätseln, liefert die Genesis eine Erklärung. Die Genesis offenbart, dass der jüngste gemeinsame Vorfahre der Frauen aufgrund der Ereignisse während der Sintflut viel früher zu datieren ist als der jüngste gemeinsame Vorfahre der Männer. Von den acht Menschen an Bord von Noahs Arche waren die vier Männer blutsverwandt, nicht aber die vier Frauen. Der jüngste gemeinsame Vorfahre der vier Männer auf der Arche Noah (und aller Männer seitdem) war also Noah; der jüngste gemeinsame Vorfahre der vier Frauen auf der Arche, Noahs Frau und Schwiegertöchter, könnte bis zu Eva zurückreichen. Der Unterschied zwischen den beiden biochemischen Daten passt ungefähr in den Zeitrahmen, den die Genealogie aus Genesis 5 nahelegt.

Bislang ist die Übereinstimmung natürlich nur annähernd gegeben. Die biochemischen Studien stützen sich auf relativ kleine Bevölkerungsproben, ein paar Dutzend Individuen oder weniger, und typischerweise (mit einer bemerkenswerten Ausnahme) auf eine relativ kleine Anzahl von Nukleotid-Basenpaaren (mehrere hundert). Auch Genesis 5 und 11 liefern, wie oben erwähnt, nur ungefähre Daten für Eva und Noah. Und ein weiterer Faktor sollte erwähnt werden: Genesis 10 deutet darauf hin, dass Gott irgendwann kurz nach der Sintflut eingegriffen und für zusätzliche genetische Vielfalt gesorgt haben könnte (siehe Kapitel zwanzig).

Hugh Ross – Die Genesis-Frage – Wissenschaftliche Fortschritte und die Genauigkeit der Genesis

Wir müssen sorgfältig sein und nicht etwas in die Bibel hineinlesen, was sie nicht sagt, oder auf Grund eines einzigen Textes vorschnell schlußfolgern. Allerdings zeigt der Text in 1. Mose 6:3 an, daß zu einer gewissen Zeit in der Geschichte des Menschen Gott der Welt vor der Flut eine Frist von 120 Jahren setzte. Doch geschah dies nicht zu dem Zeitpunkt, da er Noah anwies, die Arche zu bauen, und ihm darüber Aufschluß erteilte. Wie wissen wir das?
Weil uns in 1. Mose 5:32 gesagt wird, daß Noah erst nachdem er fünfhundert Jahre alt geworden war — und bis zur Flut verflossen nicht mehr volle hundert Jahre —, der ‚Vater Sems, Hams und Japhets wurde‘. (NW) Und nicht nur das, sondern als Gott Noah das Gebot gab, die Arche zu erbauen, waren alle drei Söhne erwachsen und verheiratet, und Noah hatte zu dieser Zeit drei Schwiegertöchter. (1. Mose 6:18) Bis zu der Zeit, da alle drei seiner Söhne zu Männern herangewachsen und gemäß dem Brauch in jenen Tagen verheiratet waren, vergingen ohne Zweifel etwa fünfzig bis sechzig Jahre. Da er sehr wahrscheinlich zur gleichen Zeit, da er mit dem Bau der Arche begann, auch anfing zu predigen, ist es vernünftig zu folgern, daß er etwa vierzig bis fünfzig Jahre und nicht hundertzwanzig Jahre lang predigte.

Der Wachtturm – 15.Juli 1957

Was war der Grund dafür, dass die Bevölkerung Gottes Wort ablehnte und unterging? Sie waren wie die Menschen im Gleichnis unseres Herrn (Lukas 14:16-24), die mit den gewöhnlichen Dingen des täglichen Lebens beschäftigt waren (Matthäus 24:37-39) und sich nicht um die Ewigkeit kümmerten. Sie glaubten, dass das Leben so weitergehen würde wie bisher und dass sich nichts ändern würde. Sie sagten, dass Gott nicht in die Welt eindringen oder den Lauf der Dinge unterbrechen würde, aber das tat er! Die Menschen heute haben dieselbe Einstellung zur Wiederkunft des Herrn (2. Petrus 3,1-9; 1. Thess. 5,1-10).
Wenn es um den rettenden Glauben geht, muss jeder von uns Jesus Christus persönlich vertrauen; wir können nicht durch den Glauben eines Stellvertreters gerettet werden. Noahs Frau, ihre drei Söhne und ihre drei Schwiegertöchter waren ebenfalls gläubig; und sie bewiesen es, indem sie bei Noah standen, während er arbeitete und Zeugnis ablegte, und dann im Gehorsam gegenüber dem Herrn in die Arche gingen.

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary

Mose 6,9b beschreibt die Spiritualität Noahs auf zweierlei Weise. Erstens: Noah war ein gerechter Mann, er war ein tzaddik, das heißt ein Gerechter. Dies unterstreicht die Rechtfertigung; sie ist innerlich und zeigt die Erlösung. Zweitens: Noah war vollkommen in seinen Generationen. Das hebräische Wort für „vollkommen“ ist hier tamim. Es bedeutet „ohne Makel“, wie es auch bei den Opfern verwendet wird (Lev. 1:3, 1:10; 3:1, 3:6). Es bedeutet „frei von Fehlern“, und das unterstreicht Noahs äußere Erscheinung. Er war also innerlich und äußerlich in Ordnung vor Gott. Der nächste Satz lautet: in seinen Geschlechtern, was bedeutet, dass er im Gegensatz zu anderen seiner Generation nicht durch die Mischehen verunreinigt wurde. Nach der rabbinischen Tradition wird der Begriff Generationen im Plural verwendet, weil er der rechtschaffenste der zehn Generationen war. Er wird also sowohl als tzaddik als auch als tamim beschrieben; sowohl als gerecht als auch als vollkommen. Wenn die beiden Wörter zusammen verwendet werden, liegt die Betonung darauf, dass er vollkommen gerecht ist („gerecht und vollkommen“ in Hiob 12,4 und „Gerechtigkeit der Tadellosen“ in Sprüche 11,5), ein Zustand, der die Folge davon ist, dass er Gnade im Herrn gefunden hat. Außerdem heißt es dort: Noah wandelte mit Gott, d. h. er gehorchte Gottes Geboten. Es ist derselbe Begriff, der auch für Henoch verwendet wurde (Gen 5,22-24). Außerdem wird in Hebräer 11,7 dasselbe über ihn gesagt. Im hebräischen Text von Genesis 6,9 gibt es genau zehn Wörter, die mit dem Namen Noah beginnen und enden, und Noah war die zehnte Generation. Auch hier zeigt sich, wie sorgfältig der Schreiber war: Zehn Wörter eines Satzes, der mit dem Namen Noah beginnt und endet, und Noah war der zehnte in seiner Linie.
Genesis 6:10 listet die Söhne Noahs auf: Und Noah zeugte drei Söhne: Sem, Ham und Japheth. Sem bedeutet „Name“, Ham bedeutet „warm“ oder „heiß“. Japheth bedeutet „schön“ oder „schön“. Nach jüdischer Tradition hieß Noahs Frau Naama und war die Tochter von Lamech. Dieser Glaube ist rein traditionell und hat keine historische Gültigkeit.
Mose 6,11-12 beschreibt den verderbten Zustand der Erde, wobei Vers 11 die Einschätzung des Schreibers wiedergibt: Die Erde war verdorben vor Gott, verdorben durch die Vermischung; und die Erde war voll von Gewalt, und die Gewalt war die Folge der Verdorbenheit. Vers 12 gibt die Einschätzung Gottes wieder: Und Gott sah die Erde, und siehe, sie war verderbt; denn alles Fleisch hatte seinen Weg auf der Erde verderbt. Der Begriff „alles Fleisch“ zeigt das Ausmaß des Erfolgs Satans. Nur vier Frauen waren von der Vermischung unbefleckt geblieben: Noahs Frau und die Ehefrauen der drei Söhne. Auch hier war dies der Grund für die Sintflut. Im hebräischen Text wird das Wort shachat hier dreimal im Sinne von Verderben verwendet.

Arnold Fruchtenbaum – Genesis

Also es waren drei Frauen, die auf Noahs predigen hörten! Man „hört ja oft“, dass Predigtwerk von Noah wäre fruchtlos gewesen – aber bei genauem Hinsehen: drei junge Frauen hörten und ließen „sich verheiraten“ mit Noahs Söhnen! Wie schwer es für diese drei Frauen gewesen ist, anstatt an Traditionen ihrer Familie festzuhalten, erwähnt die Bibel nicht. Aber wir erfahren aus dem Bibelbericht, dass nur diese drei Frauen überlebten – und damit ihre Eltern, Großeltern und ihre vielleicht vorhandenen Geschwister, verloren haben!

Gnadenlohn für jeden Diener

Der aber pflanzt und der begießt, sind eins; ein jeder aber wird seinen eigenen Lohn empfangen nach seiner eigenen Arbeit. (O. Mühe)
Elberfelder 1871 -1. Korinther 3,8

Der, der pflanzt, und der, der es begießt, arbeiten zwar beide an demselben Werk, aber jeder wird seinen besonderen Lohn erhalten, wie es seinem persönlichen Einsatz entspricht.
NeÜ bibel.heute Stand 2015 – 1. Korinther 3:8

Und was ist mit dem, der pflanzt, und mit dem, der begießt? Ihre Aufgaben, so unterschiedlich sie sind, dienen demselben Ziel (- Od der begießt? Sie stehen auf derselben Stufe (od Sie arbeiten am selben Werk; wörtlich Sie sind eins) -), und beide werden ´von Gott` ihren Lohn bekommen – den Lohn, der ihrem persönlichen Einsatz entspricht.
Neue Genfer Übersetzung 2013- 1. Korinther 3,8

Apollos und Paulus haben ihre Ämter von Christus erhalten (Eph 4,11). Sie waren die Werkzeuge, nicht etwa die Ursache, durch die die Korinther zum Glauben gefunden haben (vgl. 1Kor 2,4-5).
Alles Wirken geht allein auf Gott zurück: Er hat das Gedeihen gegeben (1Kor 3,6.9), daher soll auch ihm allein das Verdienst dafür zugerechnet werden (V. 7). Als seine Knechte stehen Paulus und Apollos nicht in einem Wettkampf, sondern ergänzen einander in ihrem Amt (V. 8). Es ist ihre Aufgabe, die Kirche zur Vollendung zu führen, d. h. zum Ebenbild Christi zu formen ( Eph 4,12-13 ). Entsprechend ihrer Treue gegenüber dieser Aufgabe werden sie belohnt werden (vgl. 1Kor 4,2-5 ). Denn wenn ein geistlicher Lehrer auch der Gemeinde dient, so ist er doch in erster Linie Gott verantwortlich. Paulus und Apollos arbeiten gemeinsam für Gott auf seinem Ackerfeld, der Kirche (3,9).

Walvoord Bibelkommentar

Beide Diener, der »pflanzt« und der »begießt«, stehen auf einer Stufe – vor Gott als die seiner Wachstumskraft Bedürftigen. So ist der Eifersucht, dem Neid und dem Hochmut gewehrt. Nicht jeder hat dieselbe Aufgabe, aber jeder ist von dem einen Herrn beauftragt und bedarf der Bestätigung, der Fruchtbarmachung seines Dienstes durch eben diesen Herrn. Es geht hier nicht um Gleichmacherei, sondern um die Platzanweisung unter dem Herrn, unter Gott, der allein Gott ist. Jeder Diener wird seinen eigenen Lohn empfangen »nach seiner Arbeit«, nach seiner eigenen, besonderen Mühe. Diese Platzanweisung unter Gott ist verbunden mit der Verheißung des Lohnes. Hier redet Paulus wie Jesus, der oft vom »Lohn« – der griechische Begriff ist besonders in der Militärsprache gebraucht, etwa als »Sold« oder auch »Kampfpreis« – redete (vgl. Mt 5,46; 6,1; 10,41; 20,8; 24,51; Lk 6,23; 10,7; Joh 4,36; auch 1 Mo 15,1; Ps 19,12; Jes 49,4; und 1 Kor 9,18; 2 Jo 8; Offb 11,18; 22,12). Dabei wird der Lohngedanke biblisch in doppelter Weise gegenüber natürlichem Denken verdeutlicht: Der Lohn wird nicht nach den Erfolgen bemessen, sondern nach der »Arbeit«, eigentlich nach der »Mühe« (ganz wörtlich: nach »dem Standhalten in Schlägen«), also nach der Treue und dem Gehorsam auf dem Jesusweg des Leidens und der Verfolgung. Gerade dann, wenn der Dienst im Reich Gottes nicht in Erfolgen, in Leistungen und Wirkungen sichtbar wird, resigniert der Diener schnell. Gott aber belohnt die durchhaltende Treue, den ausharrenden Gehorsam. Und zum zweiten gilt: Keiner hat Anspruch auf Lohn; es ist unverdienter Gnadenlohn, den Gott in schenkender Liebe gibt. Es »lohnt sich«, Jünger Jesu zu sein, denn unser Herr ist überreich schenkend.

Edition C Bibelkommentar

So fährt Paulus fort: „Der Pflanzende und der Begießende sind eins“, jeder gleich nötig, jeder auf das Geben und Wirken des Herrn angewiesen. Keiner kann sagen, welches das größere Werk sei: eine Gemeinde an einem Ort wie Korinth erstmalig gründen oder sie gerade in einer Stadt wie Korinth am Leben erhalten und mehren. Gott selbst muß das eine wie das andere tun. Eifersucht zwischen dem „Pflanzenden“ und „Begießenden“ und Eifersucht in der Gemeinde für den einen und für den andern ist völlig fehl am Platz und verkennt die eigentliche Wirklichkeit. Beide „sind eins“ und dürfen darum auch miteinander und für die Gemeinde „eins“ sein.
Freilich gibt es für die Diener „Lohn“. Das ganze NT zweifelt nicht daran, daß der Herr seinen Dienern „Lohn“ zahlt. Aber das ist nun ganz wichtig: dieser „Lohn“ richtet sich nicht nach dem „Erfolg“ der Arbeit, sondern nach ihrer „Mühe“. Der „Erfolg“ ist ja immer „Frucht“, die wir überhaupt nicht schaffen können, sondern nur der „wachsenlassende Gott“. Dafür können wir darum auch nicht belohnt werden, sondern „jeder aber wird seinen eigenen Lohn empfangen nach seiner eigenen Arbeitsmühe“. Das Wort „Arbeit“ hat hier — wie in der ganzen, so realistischen Bibel — den Sinn der „Mühsal“. Wirkliche Arbeit ist nie einfach Vergnügen, auch gerade die „geistliche“ Arbeit, der Dienst an der Gemeinde Gottes, ist es nicht. Sie ist harter und ermüdender Einsatz der Kraft. Die Briefe der Apostel zeigen uns sehr anschaulich, wie diese „Arbeitsmühe“ aussieht, welche Fülle von Kampf, Kummer, Enttäuschungen und Rückschlägen neben aller Freude mit dem Dienst an der Gemeinde verbunden ist. Paulus ist überzeugt: „Ich habe mehr gearbeitet als sie alle“ (15, 10). Er wird gerade den Korinthern, die den geistlichen Genuß liebten, sehr ernstlich schildern, was apostolische „Arbeit“ heißt (4, 6–13). An dem Maß solcher Arbeit bemißt sich der Lohn. Den Lohn zahlt aber nicht die Gemeinde nach ihrer Gunst und Ungunst, sondern der Herr.

Wuppertaler Studienbibel

Merken wir uns, wonach der Lohn ausgeteilt wird: nach der Arbeit, nicht nach der Faulheit oder faulem Frommtun, – nach der Arbeit, wie eins für den HErrn und Seine Sache arbeitet. Es gibt aber heutzutage viele Christen, denen das Arbeiten für den HErrn und Seine Sache gar nicht einfällt, obwohl sie an einem fort schmeichelig tun mit dem Heilande, immer für sich, wer weiß wie viel ansprechen, immer nur wollen, daß es ihnen innerlich wohl sei, Frieden wollen und Ruhe wollen, und wenn etwas ihnen wehe tut, das nur gleich weg haben wollen. In dieser Weise sind sie Christen, tun aber sonst rein nichts, wodurch die Sache Christi, etwa auch am Andern, gefördert wird. Bei ihnen wird einmal der Lohn schmal ausfallen, wie die Arbeit gering oder gewesen ist.
Deswegen müssen wir sehr darauf achten, daß wir, wenn wir wollen des HErrn Diener sein, Ihm auch etwas nütze sind in unserem Teil, nicht wie wir’s uns ausdenken und auswählen, sondern nur auch, wie Er’s uns gelegentlich anweist. Wenn Er ruft, sollen wir laufen; wenn Er winkt und Andeutungen gibt, – und der Fleißige merkt das schnell, – sollen wir nicht lange uns besinnen, oder grübeln, bis wir endlich den Kopf schütteln und sagen: „Das mag ich nicht! Das ist mir zu unbequem, das bringt mich aus der Fassung, das übersteigt meine Kräfte!“ – wie’s eben mancher tut, der nicht dran will und lieber in süßer Ruhe sein Leben hinbringt. Diese Weigerung gegen den HErrn, dieses Nichtwollen, wenn Er winkt, dieses sich Zurückziehen in den Winkel, etwa mit dem Vorgeben, man tauge ja doch nicht, andere verständen das besser, – das wird einmal angerechnet werden. Denn der HErr wird danach fragen; und es wird nicht gar leicht werden, bei Verschuldungen dieser Art so gar gut durchzukommen.
Bei der Arbeit für den HErrn übrigens kommt auch wieder viel darauf an, ob man’s mit eigenem Geist tut, oder mit demütiger Selbstverleugnung rein nach dem Sinn und Geist und Willen des HErrn. Man kann auch ungeheißen mit Eigenliebe, Selbstgefälligkeit, fleischlicher Anmaßung, Eigensinn und Großtuerei viel anfangen; und da verderbt man dem HErrn oft mehr, als man gut macht, weil man da nicht Gottes Mitarbeiter ist, wie der Spruch sagt. Also nicht auf jede Arbeit, sondern je nachdem die Arbeit ist, folgt einst der Lohn. Bisweilen scheint der liebe Gott schon hienieden zu manchen Arbeitern, auf die wir viel halten, zu sagen: „Geh‘ beiseite, ich kann dich nicht brauchen!“ und es könnte, wenn nur auch je und je, – denn wir dürfen nicht richterisch werden, – wohl begriffen werden, warum sie Gott krank werden läßt, weil sie, wenn sie gesund wären, viel mehr schaden, als nützen würden; – oder werden sie gar abgerufen. Wenigstens wird’s nicht verkehrt gedacht sein, wenn je und je bei eintretender Unfähigkeit zur Arbeit, da einer sagt: „Ich möchte so gerne für den Heiland etwa tun und kann nicht,“ überlegt würde, ob der liebe Gott nicht etwas sagen wollte über die Art der Arbeit, daß diese eben besser nach Seinem Sinn werden sollte, damit man wirklich Sein Mitarbeiter würde. Also auch die Art und Weise, mit der man arbeitet, ist wichtig; und wie viel haben wir doch da zu lernen, ob nun unsre Arbeit Berufssache oder freie Wahl sein mag! Die Rechenschaft aber an jenem Tage über Untätigkeit oder verkehrte Tätigkeit wird immerhin eine ernste sein! Ach, daß wir nur immer in der Demuth blieben, mit welcher wir leicht zu Gnaden kommen könnten

Christoph Blumhardt – Andachten zu biblischen Büchern – Neues Testament

Paulus wechselt nun das Bild von einer Familie zu einem Feld; er stellt den Pfarrer als einen Landwirt dar, der auf dem Feld arbeitet. Die Saat ist das Wort Gottes (vgl. das Gleichnis vom Sämann in Mt 13,1ff), und die Herzen der Menschen sind die verschiedenen Arten von Boden. Die Ortsgemeinde ist ein „geistlicher Garten“, in dem der Pastor als Gärtner fungiert (siehe V. 9 – „Ihr seid Gottes Hauswirtschaft [Gottes Garten]“).
Auf jedem Bauernhof werden viele verschiedene Arbeiter benötigt. Einer bereitet den Boden vor, ein anderer pflanzt den Samen, ein dritter jätet das Unkraut und ein vierter erntet die Ernte. Aber sie alle haben Anteil an der Ernte, und jeder erhält seinen Lohn. „Wie töricht von euch, einen Arbeiter mit einem anderen zu vergleichen“, sagt Paulus. „Wir arbeiten alle zusammen. Ich habe den Samen gesät, indem ich die Gemeinde in Korinth gegründet habe; Apollos kam hinzu und bewässerte den Samen durch seine Predigt und seinen Dienst; aber die Ernte kann nur Gott geben. Apollos und mir gebührt kein Ruhm! Wir sind nichts, aber Gott ist alles!“ Die Gemeinde war wegen der menschlichen Leiter gespalten, aber Paulus sagt in V. 8, dass die Arbeiter eins sind, vereint in Ziel und Herz; deshalb sollte auch die Gemeinde eins sein. Wie tragisch ist es, wenn Christen Pastoren, Evangelisten und Bibellehrer so vergleichen, wie die Menschen in der Welt Sportler oder Filmstars vergleichen! „Gemeinsam arbeiten“ muss immer unser Motto und Motiv sein. Wir müssen darauf achten, dass der Boden unseres eigenen Herzens nicht hart und kalt ist und den Samen des Wortes nicht aufnehmen kann.

Wiersbe – Wiersbe’s expository outlines on the New Testament

Unterschiedliche Bereiche des Dienstes? Jeder nur direkt Jehovah unterstellt?