Was wünsch ich mir am meisten?
Woran hängt mein Herz?
Wovor hab ich Angst?
Womit beschäftige ich mich so sehr, dass ich dafür alles andere „ausblende“?
Manche Menschen belächeln Personen, die sich ganz und ganz für „ihren Gott aufopfern“ ohne dass es irgendwie „vernünftig aussieht“. Wenn dann gottesfürchtige Menschen „das Eingreifen Gottes in unmittelbarer, greifbarer Nähe sehen“ dann scheint dies für alle anderen „irrational“. Warum das so ist? Lies hier eine interessante Information:
Mensch trickst sich selbst aus
Wunschdenken rückt das Objekt der Begierde in greifbarere Nähe
Dringende Bedürfnisse verändern, wie man die Welt sieht, haben zwei US-Psychologen gezeigt: Wer sich etwas sehr wünscht, dem erscheint dieses Objekt buchstäblich eher in Reichweite zu sein als ein weniger begehrtes. So ist etwa für einen Durstigen eine Flasche Wasser weniger weit entfernt als für jemanden, der gerade erst seinen Durst gestillt hat. Dahinter steckt nach Ansicht der Forscher eine Taktik, die sich im Lauf der Evolution entwickelt hat, um eine optimale Versorgung des Körpers zu gewährleisten: Das subjektiv empfundene Schrumpfen der Distanz lässt das Erreichen des Gewünschten leichter erscheinen und soll dazu motivieren, auch tatsächlich Energie zu investieren, um an das Objekt zu gelangen.
Dass der körperliche Zustand prinzipiell in der Lage ist, die Wahrnehmung zu verändern, haben bereits frühere Studien gezeigt. Dabei ging es jedoch meist um unerwünschte Objekte beziehungsweise darum, Energie- oder Ressourcenverschwendung zu vermeiden. So scheint ein Hügel beispielsweise für einen sehr erschöpften, einen schwer beladenen oder einen älteren Menschen steiler zu sein als für jemanden, der körperlich fit und ausgeruht ist. Um nun zu prüfen, ob es eine ähnliche Wahrnehmungsverzerrung auch bei begehrten erwünschten Dinge gibt, entwarfen Emily Balcetis von der New York University und ihr Kollege David Dunning von der Cornell University jetzt verschiedene Studien.
In der ersten sollten Freiwillige abschätzen, wie weit eine Flasche Wasser von ihnen entfernt auf einem Tisch steht. Die Hälfte der Probanden hatte zuvor salzige Brezeln gegessen und war dementsprechend durstig, die andere Hälfte hatte dagegen bereits mehrere Gläser Wasser intus. Die Durstigen schätzten die Entfernung mit im Schnitt 63,5 Zentimetern als deutlich geringer ein als die andere Gruppe, die auf einen Durchschnitt von 71 Zentimetern kam, zeigte die Auswertung. Der gleiche Effekt zeigte sich auch in der zweiten Studie, in der die Testteilnehmer angeben sollten, wie weit eine 100-Dollar-Note von ihnen entfernt auf dem Boden lag. Wurde den Probanden zuvor gesagt, sie könnten das Geld gewinnen, schätzten sie die Entfernung auf 1,30 Meter. Glaubten die Teilnehmer hingegen, das Geld gehöre dem Wissenschaftler, lag ihre Schätzung bei 1,50 Meter.
Auch in einer dritten Studie konnten die Psychologen den Verzerrungseffekt nachweisen: Sie ließen die Probanden kleine sandgefüllten Säckchen auf eine etwas weiter entfernt liegende Geschenkkarte werfen, die entweder 25 Dollar enthielt oder gar nichts. Bei der aufgeladenen Karte zielten die Probanden prinzipiell etwas zu kurz, während sie bei der leeren eher zu weit warfen. Die geschätzte Entfernung hängt also von der Attraktivität des Objektes ab, schließen die Forscher – und die wird wiederum vor allem vom körperlichen Zustand und den aktuellen Bedürfnissen bestimmt. Vermutlich sei dieser Effekt vor allem in sehr sicheren Umgebungen ausgeprägt, wo das Stillen der körperlichen Bedürfnisse im Vordergrund steht. Gebe es hingegen Bedrohungen, trete vermutlich eine andere Wahrnehmungsverzerrung in den Vordergrund – die nämlich, bei der nicht die positiven, sondern die negativen, bedrohlichen Objekte näher erscheinen, so dass schneller ein Fluchtreflex ausgelöst wird.
Emily Balcetis (New York University) et al.:Psychological Science, Bd. 21, S. 147
ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel