Schlagwort: Glaube

Kümmert euch um die Leute bei euch, die glaubensmäßig noch schwach auf der Brust sind – II

Ihr dagegen, ihr Lieben, die ihr euch ständig selbst mit dem euch äußerst heiligen Glauben aufbaut und im Heiligen Geist betet, erhaltet euch durch Gottes Liebe, indem ihr das zu dauerhaftem Leben führende Erbarmen von unserem Herrn Jesus, dem Messias, immer wieder begehrt.
Andreas Eichberger – Gottes Agenda – Judas 20–21

Diesen Vers hatten wir schon .

Neben der Erinnerung an die Worte der Apostel sollen sich die Leser auch ihrer eigenen Haltung bewußt werden. Dieser Vers bildet das Kernstück der Botschaft des Judasbriefes: Erbaut euch auf euren allerheiligsten Glauben, und betet im heiligen Geist, und erhaltet euch in der Liebe Gottes und wartet auf die Wiederkehr Christi. Der ins Auge springende Gegensatz dieser Handlungsweise zur Handlungsweise der Spötter wird schon von vornherein durch die einleitenden Worte „Ihr aber“ hervorgehoben. Zum dritten Mal redet Judas seine Leser an dieser Stelle mit „meine Lieben“ an (V. 3.17.20 ).
Die persönliche Erbauung („erbaut euch auf“) erwächst aus der fortschreitenden Erkenntnis innerhalb des „allerheiligsten Glaubens“. Dieser Glaube, „der ein für allemal den Heiligen überliefert ist“ (V. 3), wurde von den Aposteln gelehrt und wird nun durch die Schrift übermittelt, aus der die Gläubigen lernen sollen ( Apg 20,32; 2Tim 2,15).
Das Gebet im Heiligen Geist ist nicht mit Zungenreden gleichzusetzen. Vielmehr ist es ein „Beten aus einem vom Heiligen Geist erleuchteten und erfüllten Herzen“ (George Lawrence Lawlor, Translation and Exposition of the Epistle of Jude, S. 127). Es ist ein Gebet in der Vollmacht des Heiligen Geistes (vgl. Eph 6,18).
Sich „in der Liebe Gottes zu erhalten“ (Jud 1,21) bedeutet nicht, daß das Heil von den eigenen Bemühungen der Menschen abhängt, denn das wäre ein klarer Gegensatz zu anderen neutestamentlichen Passagen (z. B. zu V. 24). Der Gläubige ist vielmehr in Gottes Liebe geborgen und lebt in Gemeinschaft mit Gott (vgl. Joh 15,9-10: „bleibt in meiner Liebe“).
Das Warten (prosdechomenoi, „Ausschau halten“) auf die selige Hoffnung, die Rückkehr Christi zu seiner Kirche, ist ein viertes Element der persönlichen Erbauung. Diese Erwartung ist zugleich ein Warten auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus, die in der Entrückung in vollstem Maße erfüllt wird. Judas fügt hinzu, daß sie zum ewigen Leben, d. h. zu einem ewigen Leben in Gottes Gegenwart, führen wird (vgl. 1 Petrus 1,6.9.13).

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Noch einmal wendet sich Judas an die Gemeinde und zeigt ihr nun positiv den Weg, den sie in all dieser Verwirrung zu gehen hat. Ihr aber, Geliebte, euch selbst aufbauend auf euren hochheiligen Glauben, im Heiligen Geist betend, bewahrt euch selbst in der Liebe Gottes, wartend auf das Erbarmen unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben. Das ist der klare Gegensatz gegen alles, was die Anhänger der neuen Richtung sagen und in ihrem Leben tun. Die Gemeinde soll nicht „trennen“ und zerreißen, sondern aufbauen. Das im NT viel gebrauchte Bild des „Baues“ ist gerade nicht „erbaulich“, sondern noch ganz im ursprünglichen, schlichten Wortsinn gemeint. Der Bau der Gemeinde soll vorangehen, in dem ein „lebendiger Stein“ zu dem andern gefügt wird88. Der Grund aber, auf dem gebaut wird und allein gebaut werden kann, ist der von den „Modernen“ geringgeschätzte „Glaube“. Wenn Judas ihn hier euren hochheiligen Glauben nennt, dann ist das nicht ein Zeichen von Traditionalismus und „Orthodoxie“, obwohl der objektive Glaubensinhalt im Vordergrund steht. Was die neuen Lehrer verachten und höchstens als „Unterstufe“ gelten lassen, das gerade ist das wahre Fundament, Gottes Gabe durch seine Offenbarung89 und also hochheilig, unantastbar. Mit ganzer Überzeugung und Freude soll die Gemeinde zu diesem Fundament stehen und sich darauf gründen.
Zugleich weist das Bild des „Aufbauens“ darauf hin, daß der Gegensatz zu der neuen Bewegung nicht Stillstand und bloßes „Ausruhen“ auf dem „ein für allemal den Heiligen übergebenen Glauben“ (V. 3) meint. „Bauen“ ist nicht Ruhe und Beschaulichkeit, sondern ist steter Fortschritt in Einsatz und Arbeit. „Die Gemeinde ist kein Schauplatz, sondern ein Bauplatz.“
Worin aber besteht ihr wesentlicher Dienst bei diesem „Bau“? Darin, daß die Gemeindeglieder betend im Heiligen Geist sind, dessen Wirken sich nicht in absonderlichen Dingen und auffallenden Vorgängen zeigt. „Ich will ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets“ hatte Gott durch Sacharja versprochen (12, 10). Beten mag gering aussehen und ist doch das Wichtigste und Größte, was ein Mensch auf dieser Erde tun kann90. Aber wahrhaft gebetet werden kann nur im Heiligen Geist. Gemeinden, Häuser, Werke und auch einzelne Christen, bei denen das Beten im Zentrum des Lebens steht, zeigen damit, daß sie „voll Geistes“ sind.
[21] Bewahrt euch selbst in der Liebe Gottes. Judas hat die Gemeindeglieder als „von Gott Vater Geliebte“ in V. 1 angeredet. Die neue Richtung dagegen rühmte die „Erkenntnis“ und meinte damit mancherlei neue und kühne Gedankengänge über Gott und die Welt. Judas ermutigt die Gemeindeglieder, die ganz andersartige Größe ihres Besitzes zu bedenken. Sie haben die Liebe Gottes erfahren, wie sie sich einzigartig in dem Opfer des Sohnes Gottes für verlorene Menschen offenbart hat. Diese Erfahrung ist unendlich mehr als alle „Gnosis“. Das muß die Gemeinde festhalten und darf sich nicht von dem stolzen Rühmen der neuen Lehrer beirren lassen. Wie anders sähe deren ganzes Leben und Verhalten aus, wenn sie von Gottes Liebe überwunden wären zu eigenem Lieben! Die Liebe Gottes ist aber nicht eine „Erkenntnis“, die man wie andere Erkenntnisse und Gedanken einfach besitzen kann. Sie ist ein Lebensstrom aus Gottes Herzen, in dem wir „uns selbst bewahren“ müssen. Wer sich auf Spekulationen über Gott einläßt, entfernt sich von diesem Lebensstrom. Die Satzkonstruktion im Grie mit ihren drei Partizipien „aufbauend, betend, erwartend“ weist darauf hin, daß das sich bewahren in der Liebe Gottes, zu dem Judas die Gemeinde aufruft, eben in diesen drei Tätigkeiten geschieht. Judas zeigt dabei, daß er „evangelisch“ und nicht „gesetzlich“ denkt. Die Liebe Gottes, die uns von Gott her zuteil wird, ist das Entscheidende. In ihr zu bleiben, darauf kommt alles an. Wir bleiben aber dadurch in ihr, daß wir uns auf dem heiligen Glaubensgrund aufbauen, wenn wir im Heiligen Geist beten und wenn wir in echter Hoffnung auf die Parusie des Herrn warten.
Judas weiß zugleich, daß das Christenleben jetzt nur ein „Anfang“ ist, „Stückwerk“, wie Paulus in 1Ko 13 sagt. Darum gehört die lebendige Erwartung der Parusie zur Aufgabe der Gemeinde. Auch das steht im Gegensatz zu der neuen Strömung, die leicht im Rühmen erreichter Höhen aufging. Wartend auf das Erbarmen unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben. Schon im V. 2 war Erbarmen das erste, was Judas den Hörern seines Briefes zusprach. Nun wird das Erbarmen unseres Herrn Jesus Christus als das genannt, worauf die Gemeinde „wartet“. Aber genau dies ist die Haltung des ganzen NT. Es ist alles schon grundlegend da, und doch liegt es zugleich noch vor uns. Wirklich mit Verlangen auf das Erbarmen „warten“ können wir nur darum, weil wir es schon „geschmeckt haben“. Aber noch in anderer Weise ist die Formulierung dieses Satzes sehr auffallend. Judas hat viel von den Gerichten Gottes gesprochen, müßte er nicht jetzt auch mahnen: „Wartet mit Furcht und Zittern auf den Weltenrichter“? Nein, die Gemeinde, die in so viel Not und Anfechtung steht und für den Glauben zu kämpfen hat, darf in froher Hoffnung warten auf ihren Herrn. Sein „Erbarmen“, am Kreuz erwiesen und durch die erfahrene Errettung der Glaubenden bewährt, wird sein Werk mit dem neuen Kommen Jesu vollenden, und die, die auf ihn warten, zum ewigen Leben führen. Jetzt gehört noch Unfertigkeit, Unvollkommenheit, viel Not und Kampf zum Leben der Gemeinde. Aber gerade darum ist sie mit ganzem Ernst eine wartende Schar, die sich nach der alles vollendenden Gnade ihres Herrn sehnt.

Wuppertaler Studienbibel

Ihr aber, Geliebte, erbaut euch durch euren hochheiligen Glauben; im heiligen Geist betet; bewahret euch selber in Gottes Liebe; erwartet das Erbarmen unseres Herrn Jesus Christus zu ewigem Leben. Vorwärts muß sich die Gemeinde bewegen; sie kann nicht bleiben, was sie ist. Bauarbeit hat sie zu tun, und der Bau ist noch nicht fertig und wird nicht fertig in dieser Zeit. Das Mittel aber, wodurch sie nach innen und nach außen wächst, ist der Glaube. Ohne ihn ist sie nichts; durch ihn hat sie empfangen, was sie ist, und wird sie weiter empfangen, was sie wachsen macht. Denn im Glauben besteht ihr Anschluß an Gott. Er ist das Allerheiligste, was die Gemeinde hat; denn er ist Gottes Werk, entsteht aus dem, was er uns mit der Sendung Jesu gab und was sein Ruf und Wort in uns schafft. Was heilig ist, muß bewahrt sein. Darum tut der keine Bauarbeit, sondern ihr Gegenteil, der in sich und den anderen den Glauben zerstört.
Der Geist ist der Christenheit gegeben, und was sie von ihm empfängt und durch ihn zu tun vermag, das ist das Gebet. Daran, daß sie beten kann, sieht sie, daß in ihr nicht bloß das geschieht, was die Seele schafft. Denn das echte Gebet ist Gabe. In ihm, nicht in Träumereien und angeblichen Erkenntnissen, bewährt die Christenheit, daß mit der Gegenwart Jesu der Geist bei ihr ist.
Gottes Liebe hat sich ihr kundgetan in der Sendung des Christus, an den sie glaubt, und in der Sendung des Geistes, durch den sie betet. Das zeigt ihr ihre Pflicht; sie bleibe in Gottes Liebe und wehre alles von sich ab, was sie von ihr trennt. Darüber hinaus gibt es nicht noch ein höheres Ziel, kein größeres Gut.
Dem, was der Christenheit noch fehlt und sie unfertig macht und unter das Leiden bringt, setzt sie die Hoffnung entgegen. Sie will nicht jetzt schon vollkommen sein, sondern wartet. Was sie vor sich hat, das ist die Erweisung des barmherzigen Sinnes Jesu. Er wird als ihr Retter erscheinen mit großer Gütigkeit. Darum bedrückt sie die nach ihm ausschauende Hoffnung nicht und versetzt sie nicht in Angst. Es ist nicht schwer, auf den zu warten, der barmherzig ist. Mit seiner Offenbarung erscheint ihr dann das ewige Leben.

Schlatters Erlӓuterungen zum Neuen Testament

Während Paulus noch die Gemeinde als Ganzes anschreibt, scheint Judas nur noch die wahre Gemeinde, die Kerngemeinde, anzusprechen: Geliebte. Geht er davon aus, dass die Verführer ihn gar nicht mehr anhören?
Sein Wunsch ist, dass die Gemeinde bewahrt (V. 21) bleibt. Das geschieht:
Wenn die Christen sich auferbauen lassen in ihrem allerheiligsten Glauben.
Auferbauen lassen: Gott baut sein Volk auf, indem er u. a. auch Heiden in die Gemeinschaft des Volkes Gottes einbaut (Jer 12,14ff.). Denkt Judas vor allem an das auserwählte Volk Gottes (Apg 15,16; vgl. Am 9,11; Jer 12,15ff.), das zu der Zeit besonders gefährdet war? – Gott benutzt zum Bauen seiner Gemeinde die Apostel (1Kor 3,10-14; Kol 2,7; 2Kor 10,8; 12,19; 13,10). Das ist möglich, weil sie den Heiligen Geist haben, der letztlich die Gemeinde baut. Dazu gibt er die Gnadengaben, die danach beurteilt werden, ob sie die Gemeinde aufbauen (1Kor 14,3-5; Eph 4,12). An erster Stelle steht die Liebe (1Kor 8,1). Wichtig ist im Bau Gottes der grundlegende Stein: Jesus, auf den die Gemeinde gegründet ist (Eph 4,12.16.19ff.; 1Petr 2,5; vgl. Kol 2,7).
Im Bild des Gebäudes für die Gemeinde betont Judas noch einmal die Einheit.
Der einzelne Baustein ist hier nicht (wie in 1Petr 2,5) der Gläubige, sondern der Glaube. Er allein gibt jedem Einzelnen den Zugang. Darum betont Judas: euer Glaube. Andererseits ist der Glaube nicht das Werk des Menschen, sondern Gottes. Darum nennt ihn Judas den allerheiligsten (s. V. 3).
Wenn die Christen beten im Heiligen Geist. Echtes Gebet ist ein Geschenk, es will erbeten sein (Lk 11,1), und zwar gewirkt durch den Heiligen Geist (Röm 8,15.26; vgl. Gal 4,6; Eph 6,18). Der beste Schutz vor aller Verführung ist das Gebet; vgl. die geistliche Waffenrüstung (Eph 6,13ff.: Wahrheit, Gerechtigkeit, frohe Botschaft des Friedens, Glaube, Rettung, Wort Gottes – und all das gipfelt im Gebet: Eph 6,18).
Jud 1,21:
Wenn die Christen auf die Barmherzigkeit Jesu warten. Im Warten bewahren wir uns vor den Irrlehrern, und zwar im Warten auf die Barmherzigkeit Jesu Christi (vgl. 2Petr 3,7). Offensichtlich lebt Judas noch ganz in der Naherwartung, wie auch Paulus und Petrus (2Petr 2). Aber noch haben wir die Vollendung nicht, weder die der Gemeinde noch die der Schöpfung. Noch beten wir: »Dein Reich komme!« Ein wesentlicher Teil des christlichen Glaubens ist die Hoffnung auf die Zukunft mit Jesus. Erst bei Jesu Wiederkunft erfahren wir seine Barmherzigkeit in Fülle. Aber gerade auf sie sind wir Christen angewiesen. Nicht welt – oder sozialpolitische Ziele hat Jesus gesetzt. Er bringt die Barmherzigkeit (s. Jud 1,2). In ihr ruht das ganze Heilswerk Jesu, und sie ist sein Geschenk. Nur dank seiner Barmherzigkeit, die er im Leiden am Kreuz erwiesen hat, kommt das ewige Leben (vgl. 2Petr 3,7) zu uns. Es ist gefüllt mit der Freude, bei Gott zu sein und bleiben zu dürfen für immer.
Es kommt alles darauf an, dass wir uns bewahren in der Liebe Gottes, indem wir von Gott auferbaut werden zu einem Leib, beten im Heiligen Geist und auf seine Barmherzigkeit warten. Alles ist uns geschenkt von Gott. Aber wir haben seine Gabe anzunehmen oder, wie Judas hier schreibt, zu bewahren. Jesus drückte das mit den Worten aus: »Bleibet in mir!« (Joh 15,4). Die Liebe ist der Kraftstrom, die uns mit Jesus verbindet. Die Vergebung Jesu, die uns den Frieden mit Gott verschafft, ist die beste Hilfe, uns vor aller Verführung zu bewahren. Auch sonst wird die Liebe hoch eingeschätzt (1Kor 13). Wer in dieser Liebe geborgen ist, muss sich nicht vor dem Richter fürchten und erkennt Gott und Jesus. Denn nur dem ihn liebenden Herzen erschließt sich der ewige Gott.

Gerhard Maier – Edition C

Ihr aber, Geliebte, erbaut euch auf euren hochheiligen Glauben, betet im Heiligen Geist, bewahrt euch in der Liebe Gottes und hofft auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben.

Judas beginnt wieder mit dem Wort „geliebt“, was den Beginn eines weiteren großen Abschnitts anzeigt. In Vers 20a gibt Judas die grundlegende Verpflichtung der Gläubigen gegenüber sich selbst an: in Gott zu wachsen. Die Ermahnung lautet: Baut euch auf; sie sollen sich nicht körperlich, wirtschaftlich oder seelisch aufbauen, sondern geistlich aufrichten. Dies geschieht auf eurem heiligsten Glauben. Dieser heiligste Glaube beinhaltet die Gesamtheit der apostolischen Lehre, die jetzt in der Heiligen Schrift enthalten ist. Das Mittel, um sich selbst aufzubauen, ist das Studium der Heiligen Schrift und die Einbeziehung ihrer Forderungen in ihr tägliches Leben; indem sie genau wissen, was das Wort Gottes sagt und was es nicht sagt.

Die Verse 20b-21 enthalten den zwölften Dreiklang, der auf der Trinität basiert. Erstens: Beten im Heiligen Geist. Die Rolle des Heiligen Geistes ist es, den Verstand des Gläubigen zu erleuchten, um die Schrift zu verstehen. Zweitens: Haltet euch in der Liebe Gottes. Das betont das Wirken von Gott, dem Vater. Das griechische Wort für bewahren bedeutet „wachsame Sorge“. Sie müssen wachsame Sorgfalt walten lassen, um sich in der Liebe Gottes zu bewahren. Und drittens, auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben zu hoffen. Das ist die Rolle Gottes des Sohnes, die sich auf seine Wiederkunft konzentriert. Das ist die selige Hoffnung aus Titus 2,13, die die Entrückung für die Gläubigen bedeutet. Durch die Entrückung wird Er sie in Seiner Barmherzigkeit aus den kommenden Tagen der großen Trübsal herausnehmen und sie werden beginnen, das ewige Leben im Himmel zu erfahren. Die Verpflichtungen der Gläubigen gegenüber sich selbst sind also, durch den Glauben in Gott zu wachsen, im Heiligen Geist zu beten, sich in der Liebe Gottes zu halten und auf der Grundlage der seligen Hoffnung zu leben.

Arnold Fruchtenbaum – Das Buch Judas

„Die Reue muss der Schwere der Missetat entsprechen“

Denn die Betrübnis Gott gemäß bewirkt eine nie zu bereuende Buße zum Heil; die Betrübnis der Welt aber bewirkt den Tod.
Elberfelder 1871 – 2. Kor 7,10

Es war ein Schmerz, wie Gott ihn haben will. Deshalb war es nicht zu eurem Schaden, dass ich euch so geschrieben habe. 10 Denn der Schmerz, wie Gott ihn haben will, ruft eine Reue hervor, die niemand je bereut; denn sie führt zur ewigen Rettung. Der Schmerz, wie ihn die Menschen dieser Welt* empfinden, führt dagegen zum ewigen Tod.
Gute Nachricht Bibel 2018 – 2. Kor 7,9–10

Denn die Trauer, die Gottes Willen entspricht, bewirkt eine Lebensveränderung, die man niemals bereuen muss. Doch die Trauer, die das Leben in dieser Welt kennzeichnet, bewirkt am Ende den Tod.
Roland Werner – Das Buch – 2. Kor 7,10

Gott kann sogar ätzende Gefühle benutzen, damit wir unser Leben ändern und wieder alles gut wird. Nur die ätzenden Gefühle, die uns nicht dazu bringen, unser Leben zu ändern, die bringen uns irgendwann um.
VolxBibel – 2. Korinther 7,10

Und welche Traurigkeit erkennt man woran?? war die Abschlußfrage vor drei Jahren.

Wie im A.T. (z.B. Am 5,6-11 ) und im Judentum kannte man auch im Heidentum die Vorstellung, dass göttliche Strafen nicht immer nur der Wiederherstellung der Gerechtigkeit dienten, sondern manchmal auch Versuche waren, den Schuldigen zur Buße zu bewegen.

Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

Der Apostel hat die Gemeinde nach Gottes Willen traurig gemacht. Es war »Traurigkeit nach Gottes Willen«, und darum wirkte sie »zur Seligkeit« (eigentlich: »zur Rettung«). Sie wirkte bei den Korinthern wirkliche »Umsinnung«, Buße und Neuanfang. Ohne solche wahre Buße stand die Rettung, das Heil für die Korinther sogar in Gefahr. Solche Buße »reut niemand«; das gilt zunächst für Paulus selbst, gewiß aber auch für jeden Seelsorger. Wenn er Menschen in Betrübnis bringen muß, nach Gottes Willen, würde er die Buße, das Heil geradezu gefährden, wenn er aus falsch empfundenem Mitleid heraus dann doch wieder umschwenkt oder verharmlost. Wir sollen und können nicht barmherziger sein als Gott selbst. Petrus kommt nach seiner Verleugnung in solche Traurigkeit (vgl. Mt 26,75), und der auferstandene Christus erspart ihm die Traurigkeit nach Gottes Willen nicht, mit seiner dreimaligen Frage nach seiner Liebe (vgl. Joh 21,17). Nur so wurde aber für Petrus Neuanfang und Neubeauftragung! Ganz anders Judas. Auch er kommt in Reue. Aber es ist die »Traurigkeit der Welt«, eine Betrübnis, in die ihn die Führer seines Volkes brachten, indem sie sein Unrechtsbekenntnis frech zurückwiesen, und er »ging fort und erhängte sich« (vgl. Mt 27,1–5). Die »Traurigkeit der Welt«, die Betrübnis, in die Menschen mit ihrem kalten Herzen andere Menschen stoßen, treibt diese in den Tod. Wieviel Kälte und Herzlosigkeit, Nichtvergebenwollen und -können, ständiges Wiederauffrischen der Sünde und damit Verzweiflung bis hin zum Selbstmord gibt es unter Menschen, ja sogar in der christlichen Gemeinde?!

Edition C Bibelkommentar

Neben der Gott gemässen Betrübnis gibt es, wie wir wohl wissen, auch die andere, nämlich die Betrübnis der Welt. Man trauert über die Folgen der Sünde, weil nichts mehr so ist, wie es einmal war. Man trauert zerrissenen Beziehungen nach, listet die «Verletzungen» durch die anderen auf, stöhnt über sie, ihre Lieblosigkeit und Herzenskälte, und weiss über ihre Verfehlungen und Unterlassungssünden zu berichten. Die Betrübnis der Welt weint einem verlorenen Paradies und dem entgangenen Segen nach.
Wie viel besser und wie ganz anders ist die Buße Gott gemäss. Sie geht in sich, wie der verlorene Sohn, als er bei den Schweinen sass. Sie sieht mit dem inneren Auge klar und deutlich den eigenen erbärmlichen Zustand im Vergleich zum wohlgeordneten Vaterhaus, und wie dort sogar die Hilfsarbeiter besser dran sind, als der Sohn fern von Zuhause.
Sie fasst aber auch den Entschluss, zum Vater zu gehen und entsprechend Hosea 14,2 die folgenden Worte «mitzunehmen»: «Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heissen; mache mich wie einen deiner Tagelöhner.»
Sie macht sich auf, koste es was es wolle. Es kostet ganze Überwindung, dem Vater als ein Häuflein Elend unter die Augen zu treten. Und das, angesichts eines älteren Bruders, für den es ein offenes Geheimnis ist, dass der andere das Vatergut mit Huren verschlungen hat. Oder an einem Pharisäer Simon vorbei, der mit Kennerblick sieht, wer und was für eine Frau jene ist, die in sein Haus kommt.
Aber die Betrübnis Gott gemäss blickt weder nach links noch nach rechts. Sie macht sich nichts daraus, was die anderen denken, hinter vorgehaltener Hand reden oder einem gar unverblümt ins Gesicht sagen. Sie bricht einfach mit einem aufrichtigen Bekenntnis vor dem Vater zusammen. Es ist kurz und bündig, ungekünstelt und nicht gespielt. Das Gewissen klopft ihr zwar bis zum Hals, die Schamröte steigt ihr ins Gesicht, und stammelnd nur bringt sie das unabdingbare Bekenntnis heraus. Aber es ist echt, und die Reue auch. Und sie trauert über die Ursache, nicht nur über die Folgen.
Die Betrübnis Gott gemäss scheut sich, aufzublicken, schlägt sich an die Brust, sinkt in die Knie, fällt auf das Angesicht – und darf erfahren, dass da einer auf sie gewartet hat: der Vater. Und es werden aus Tränen der Reue Freudentränen} }

Halte fest 1998 Seite 71

Nicht alle Leiden und Schmerzen kommen von Gott, denn es gibt Leid der Welt, welches den Tod zur Folge hat. Man braucht sich nur umzuschauen, um auch dort, wo augenscheinlich Reichtum und Vergnügen zu Hause sind, das Ausmaß der Not zu entdecken. Manche sind körperlich krank, andere geistig; wieder andere sind einsam oder leiden wegen ihrer rebellischen Kinder an einem gebrochenen Herz. All dies Herzeleid findet erst durch den Tod ein Ende. Nicht die Leiden, sondern die Güte Gottes führen den Menschen zur Buße. Es wurde schon oft darauf verwiesen, daß die kommende Trübsalzeit mit allem Zorn und Gericht Gottes die Herzen der Menschen nicht erweichen wird. Die Erlösten sind anders, sie nehmen die Zurechtweisung Gottes für ihr falsches Verhalten demütig an. Dies ist aber nicht natürlich, sondern ein Zeichen der Gnade Gottes. Paulus fühlte sich nicht erhaben, daß er Gottes Instrument war, um die Korinther auf ihre Kniee zu bringen – das Gegenteil ist der Fall, wie wir an dieser Stelle erfahren. Hätte Gott nicht geholfen, dann hätte seine Bloßstellung ihrer Verfehlungen lediglich ihren Ärger und eine Verhärtung ihrer Nacken bewirkt. Es ist schwierig, den genauen Umfang des Begriffes „Heil“ in diesem Vers festzulegen, denn jeder weiß, daß Buße dem Heil vorausgeht oder gleichzeitig wirkt. Niemand wird errettet, der nicht auch Buße getan hat. Hier könnte mit „Heil“ aber auch lediglich die Errettung aus dem Kummer, der ihre Buße begleitete, gemeint sein. Wir sollten aber erkennen, daß die Prinzipien, die bei der Bekehrung wirksam werden, die gleichen sind wie bei der Wiederherstellung. In keinem der beiden Fälle von Umkehr haben wir einen Verdienst, und Vergebung kann man sich auch nicht durch Kummer erwerben, sondern alles geschieht von Gott und durch Gottes Güte.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

Also nicht die größe der Tränen machen den Unterschied!

Ihr sollt vor Freude ausflippen, wenn ihr Gott dient. Flippt aus in seiner Nähe und zeigt, dass ihr Gott liebt.

Dankbarkeit soll durch jede dieser Zeilen fließen. Jedes Dorf, jede Stadt, jedes Land soll das bieten … „Wem?“ – Unserem Gott, dem Chef der Gezeiten, soll die ganze Welt die derbste Party schmeißen. Ihr sollt vor Freude ausflippen, wenn ihr Gott dient. Flippt aus in seiner Nähe und zeigt, dass ihr Gott liebt. Ihr sollt verstehen: Er ist der einzig Wahre und Lebende! Er hat jeden von uns in seiner Farbe / kreiert von Kopf bis Fuß als sein Eigentum. Für uns Menschen eine unmögliche Leistung. Und wenn wir sein Grundstück betreten, dann seid ohne Ende dankbar wie noch nie im Leben. Gott ist einfach so verdammt gut zu dir. Freundlich als Person, immer gerecht und fair. Seine Liebe nimmt ununterbrochen kein Ende, seine Treue erst recht nicht, darum hebt jetzt eure Hände.
VolxBibel – Psalm 100,1–5

(Ein Lobpsalm. (O. Ein Psalm beim Dankopfer) ) Jauchzet Jehova, ganze Erde!
Dienet Jehova mit Freuden; kommet vor sein Angesicht mit Jubel!
Erkennet, daß Jehova Gott ist! Er hat uns gemacht, und nicht wir selbst, (Nach and. Lesart: und wir sind sein) -sein Volk und die Herde seiner Weide
Kommet in seine Tore mit Lob, (O. Dank) in seine Vorhöfe mit Lobgesang! Lobet ihn, (O. Danket ihm) preiset seinen Namen!
Denn gut ist Jehova; seine Güte währt ewiglich, und seine Treue von Geschlecht zu Geschlecht.
Elberfelder 1871 – Ps 100,1–5

auch diesen Vers hatten wir schon einmal, mit ewi kleinen Kommentaren aus jüdischen Studienbibeln.

Dem Herrn mit Freuden dienen!

Dienet Jehova mit Freuden; kommet vor sein Angesicht mit Jubel! (Ps 100,2)
Es ist sehr wichtig, in welchem Geist wir Gott dienen. David war ein freudiger Diener des Herrn. Sein Jubel war der Ausdruck eines überfließenden Geistes. Geschieht unser Dienst lustlos und mechanisch, so wird er zur Plackerei. Dann sollten wir innehalten, umkehren und mit Lob und Dank in Seine Tore kommen. Wenn wir wirklich glauben, daß Er Gott ist und daß Er gut ist, sollten wir in Seine Vorhöfe mit Lobgesang kommen, Ihm dankbar sein und Seinen Namen preisen. Und er wird uns neue Kraft und Freudigkeit für Seinen Dienst schenken.

Hilfe + Nahrung Jahrgang 1999 – Seite: 185 – Verfasser: D. A. N

Die Überschrift des Psalms (oder Liedes) erklärt, daß dieser Psalm beim „Dankopfer“ Verwendung fand. Er wurde im Tempel bei dem Darbringen der Dankopfer gesungen. Die Ausdrucksweise dieses Psalms lehnt sich an die vorhergehenden Inthronisierungspsalmen an ( Ps 47;93;95-99 ), die die Herrschaft des Herrn feiern.
Der Psalmist ermahnte die Versammlung, dem Herrn mit Freuden zu dienen, denn er ist der Schöpfer, und mit Danksagung in seinen Tempel zu kommen, denn er ist gut und treu.

Vers 1-3 sind ein Aufruf zum Lobpreis und zum freudigen Dienst. Alle Menschen ( die ganze Erde ; vgl. Ps 96,1;97,1;98,4 ) sollen dem Herrn zujauchzen; ihr Lobpreis soll nicht gedämpft werden. Mehr noch, sie sollen ihm mit Freuden dienen. Mit diesem Dienst, der mit fröhlichen Liedern getan wird, könnte die Anbetung Gottes gemeint sein.
Der Herr ist fröhlich zu preisen und anzubeten, denn er ist allmächtig. Er ist der Schöpfer. Wer auf ihn vertraut, gehört ihm an. Sie folgen ihm, denn sie sind die Schafe seiner Weide (vgl. Ps 74,1;79,13;95,7; vgl. auch Ps 23,1;80,2 ).
Der zweite Teil des Psalmes ruft die Heiligen auf, in Jerusalem (Gottes Toren) einzuziehen und zu seinem Tempel (seinen Vorhöfen) zu kommen, um Dankopfer für seine Segnungen an ihnen darzubringen.
Das Volk sollte den Herrn für seine Güte, Liebe und Treue preisen. Diese Gnadengaben gewährt Gott von Generation zu Generation. Deshalb kann jede Generation, die die Güte, Liebe und Treue Gottes erfährt, in den Lobpreis Gottes miteinstimmen.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Am besten ist es, diesen Psalm als Fortsetzung zu Ps 99 zu lesen; 1–5 denn das Dankopfer gehörte in Israel zur Bundeserneuerung hinzu. Daß Israel seinem Gott mit Freude dient, soll das Ergebnis sein, wenn durch priesterlichen Mittlerdienst der Gottesbund aufs neue bekräftigt wird. Ein Zweifaches soll also dabei herauskommen, wenn sich Menschen Gott nahen: Erkennt, daß er, Jahwe, und sonst niemand, der einzige Gott ist. Die Götter sind gestorben, wenn der Bund mit Gott ernst genommen wird. Das andere: Israel ist kein Zufallsprodukt, sondern von Gott als dem Schöpfer zum Volk gemacht. Zu dieser Erkenntnis gehört auch, daß sein Volk von Gott nach geschehener Erlösung auch ernährt wird, wie Schafe zur guten Weide geführt werden. Mit dem Bewußtsein seiner Erwählung tritt Gottes Volk würdig in seine Vorhöfe ein.

Wuppertaler Studienbibel

Hast du gewußt, dass man in vielen Synagogen die Bibel singend liest?

Obwohl es im gedruckten Siddur keine musikalischen Notationen gibt, wurde eine Sammlung von musikalischen Motiven (Nusach), die einen Gottesdienst vom anderen unterscheiden, über Generationen hinweg weitergegeben. So prägen bestimmte Modi und Melodien die Gottesdienste an Werktagen, Schabbat, Festtagen und Hohen Feiertagen. Am Schabbat beispielsweise erzeugen die Melodien die Stimmung und spiegeln das angemessene Gefühl wider, das die Worte zu den verschiedenen Tageszeiten begleiten sollte – von der Freude und spirituellen Erhebung, mit der der Schabbat beginnt, bis hin zur Trauer, wenn er zu Ende geht. Die musikalische Tradition unterscheidet sich auch von einer ethnischen Abteilung des Judentums zur anderen und spiegelt die weltliche Musik des Ortes wider, an dem die jeweilige Gruppe lebt. Die Chassidim betonen den Gesang als integralen Bestandteil des wahren Gebets. Für sie kann die wortlose Melodie (Nigun) die Höhen der überwältigenden Ekstase oder die Tiefen der Trauer erfassen. Die chassidische Betonung des Gesangs als eine Möglichkeit, Gott freudig zu dienen, hat sich auf das gesamte religiöse Spektrum ausgewirkt und dazu geführt, dass der Gemeindegesang wieder zu einem zentralen Bestandteil der heutigen Synagogengottesdienste geworden ist, insbesondere an Schabbaten und Festen. Auf diese Weise beherzigen moderne Juden zunehmend die Worte des alten Psalmisten: „Dienet dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Gesang“ (Ps. 100,2).
Im Judentum gibt es zwei grundlegende Ansätze für die Verwendung von Melodien im Gebet. In der aschkenasischen Tradition wird der größte Teil des Gottesdienstes einzeln im Singsang vorgetragen. Der Vorbeter sorgt für ein gleichmäßiges Tempo, indem er jeden Abschnitt einleitet und abschließt und den Gesang der einstimmig gesungenen Passagen leitet. Im Gegensatz dazu singt die Gemeinde beim sephardischen Ritual die meisten Gebete laut und Wort für Wort, nur bestimmte Abschnitte werden von einzelnen gesungen.

Die Tora und die Haftarah werden traditionell auch während des Synagogengottesdienstes gesungen. Der Talmud ( Meg. 32a) lehrt: „Wer [die Schrift] ohne Gesang liest oder [die Mischna] ohne Melodie studiert, von dem steht geschrieben: ‚Ich habe ihnen Gesetze gegeben, die nicht gut waren'“ (Hesek. 20:25). Auch heute noch wird in den traditionellen Jeschiwot zu einer Art Singsang-Melodie gelernt. Die genauen musikalischen Phrasen für das Singen der Tora werden durch spezielle Zeichen angegeben, die „Trope“ genannt werden (von einem griechischen Wort, das „Wendung“ oder „Sprachfigur“ bedeutet) und von den Masoretes im 10. Jahrhundert entwickelt wurden (siehe S. 493). Wie beim Nusach variiert auch die Melodie für den Tora-Gesang zwischen Juden aus verschiedenen Orten. Da es in der Tora keine Satzzeichen gibt, zeigt der Trope den Anfang und das Ende von Sätzen an und hilft sogar bei der Interpretation des Textes. Auch in den anderen Büchern der Bibel gibt es Trophäen, allerdings mit unterschiedlichen und vielfältigen musikalischen Werten.

Ronald L. Eisenberg – Der JPS-Führer zu jüdischen Traditionen

Freude weil Gott regieren wird – II

Gott sei uns gnädig und segne uns, er lasse sein Angesicht leuchten über uns, (Sela.) daß man auf der Erde erkenne deinen Weg, unter allen Nationen deine Rettung! Es werden dich preisen die Völker, o Gott; es werden dich preisen die Völker alle. Es werden sich freuen und jubeln die Völkerschaften; denn du wirst die Völker richten in Geradheit, und die Völkerschaften auf der Erde, du wirst sie leiten. (Sela.) Es werden dich preisen die Völker, o Gott; es werden dich preisen die Völker alle. Die Erde gibt ihren Ertrag; Gott, unser Gott, wird uns segnen. Gott wird uns segnen, und alle Enden der Erde werden ihn fürchten.
Elberfelder – Psalm 67,1–7

Gott, bitte geh liebevoll mit uns um, lass dein Liebeslicht leuchten über uns. Dann wird man überall erkennen deine Führungskunst. Alle Menschen werden sehen, verstehen, du willst retten. Die Menschen sollen dir danken, für dich steppen. Jeder, der lebt, soll unentwegt jubeln und sich freuen, weil du gerecht bist, richtest die Fiesen und die Treuen.
Danke sagt dir jede Nation, ungelogen. Alle preisen dich für die Ernte, und du sorgst für einen voll fetten Tisch. Du hilfst uns, die anderen Nationen werden dich nicht verhöhnen. Sie werden ab sofort immer mit viel Respekt bei dir wohnen.
VolxBibel – Psalm 67,2–8

Diesen Vers hatten wir schon einmal – mit zwei kleinen jüdischen Kommentaren.

Nachdem der Psalmist um Gottes Gnade und Segen gebetet hatte, so daß das Volk seine rettenden Wege erkannte ( Ps 66 ), rief er nun das Volk auf, Gott für seine gerechten Gerichte zu preisen, so daß es sich an seiner Güte erfreuen konnte.

Der Schreiber bat um Gottes gnädiges Handeln und gebrauchte dabei einen Teil der priesterlichen Segensformel (V. 2 ; vgl. 4Mo 6,24-26 ). Der Satz “ Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir“ bezieht sich auf die Gunsterweisungen Gottes (vgl. den Kommentar zu Ps 4,7 ). Die Absicht dieses Gebetes liegt darin, daß Gottes errettende Wege der ganzen Welt bekannt werden sollen. Denn wenn Gott dieses Volk errettete, kam das anderen Völkern zu Ohren.

In Vers 4-5 rief der Psalmist das Volk zum freudigen Lobpreis Gottes auf, denn er regiert gerecht. In Vers 6-8 rief er es zum Lobpreis Gottes auf, damit er es nun wieder segnen konnte, indem er ihm eine reiche Ernte bescherte. Das Erlebnis des Segens Gottes ermuntert Menschen dazu, ihn zu fürchten und anzubeten.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Es war nicht Gottes Wille, dass Israel eine Endstation seines Segens sein sollte, sondern es sollte ein Kanal seines Segens sein. Es gibt im ganzen Alten Testament zahlreiche Anzeichen dafür, dass Gottes Heil für die Heiden genauso bestimmt war wie für die Juden und dass Israel ein Königreich von Priestern sein sollte, um als Mittler zwischen Gott und den Nationen zu fungieren.
Leider versagte Israel in diesem Aspekt seiner Berufung. Indem es dem Götzendienst verfiel, verleugnete es ebendie Wahrheit, die es verkündigen sollte.
Aber Gottes Absichten sind nicht so leicht zu durchkreuzen. Während der Drangsalszeit wird ein Überrest gläubiger Juden das Evangelium vom Reich in die ganze Welt tragen (Mt 24,14). Und in dem darauffolgenden Reich wird Israel ein Kanal des Segens für die Völker werden (Jes 61,6; Sach 8,23).
Dieser Psalm blickt voraus auf diese Zeit. Wir hören darin die gläubigen Juden bitten, Gott möge sie segnen, sodass sie das Mittel sein können, die Heiden zu evangelisieren. Wenn wir die Worte lesen: »dass man auf der ganzen Erde erkenne deinen Weg«, sollten wir daran denken, dass Christus dieser Weg ist (Joh 14,6). Nur durch ihn kann Gottes Rettermacht von den Völkern und auch von den Einzelnen erfahren werden.
In einem außerordentlichen Ausbruch missionarischen Eifers bittet Israel, es möchten riesige Wellen des Lobs von den Heiden zu Gott emporsteigen, damit die Nationen wunderbare Zeiten der Anbetung genießen, wenn sie Christi gesegnete und gerechte Regierung und seine sanfte Hirtenfürsorge erleben.
Genauso, wie Israel sich danach sehnt, dass alle Völker der Erde Gott preisen, sollten »wir wünschen, Christus möge mit vielen Kronen geschmückt werden«, wie F.B. Meyer es ausdrückt.
Die letzten zwei Verse stellen das Tausendjährige Reich als schon begonnen dar. Die Ernten sind eingebracht, und die Scheunen und Silos quellen über. Der Beweis für den Segen Gottes auf Israel wird ein mächtiges Zeugnis für die Nationen sein. Der Hebräisch-Gelehrte Franz Delitzsch fasst zusammen: »Denn es ist Gottes Weise, dass alle an Israel erwiesenen Wohltaten zum Wohl der ganzen Menschheit bestimmt sind.«

MacDonald – Kommentar zum Alten Testament

Gott sei uns gnädig usw. Obgleich dieser Psalm eine Weissagung von Christi künftigem Königreich enthält, in welchem die Annahme zur Gotteskindschaft auf die ganze Welt erstreckt werden sollte, bittet er um Gottes Gnade doch insbesondere für die Kinder Israel. Denn sie heißen bekanntlich Gottes erstgeborener Sohn (2. Mos. 4, 22), so dass passender Weise bei ihnen der Segen Gottes anhob, der sich über alle Völker ergießen sollte. Ich haben nun die gesamten Aussagen des Psalms in Wunschform übersetzt. Möglich wäre auch die Zukunftsform, so dass wir es mit einer gewissen Zusage für den ununterbrochenen Fortgang der göttlichen Gnade zu tun hätten. Doch folge ich der Mehrzahl der Ausleger. Da nun nicht von Fremden, sondern von den Gliedern der Gemeinde Gottes die Rede ist, und der heilige Sänger doch alles, was er für sie an Gütern erbittet, aus dem Quell der Gnade Gottes ableitet, so folgt, dass während unsres ganzen Lebens alles Glück, aller Reichtum und jeder Erfolg nur daraus fließen kann, dass Gott uns mit unverdienter Liebe umfängt. Ist aber dies wahr, so kann niemand ihm mit eignen Verdiensten zuvorkommen. Dass Gott uns sein Antlitz leuchten lässt, begreift eine reiche Fülle aller Güter in sich: denn wenn der Herr unserm Herzen die Empfindung von seiner Liebe schenkt und auch noch äußerlich beweist, dass er uns gnädig ist, wird von ihm gesagt, dass sein freundliches Angesicht über uns leuchtet; wenn er aber durch unsre Sünden beleidigt ist, unser Gewissen erschreckt und uns die äußeren Zeichen seiner Gunst entzieht, heißt es, dass er sein Angesicht wie im Nebel verhüllt.
V. 3. Dass man Erden erkenne usw. Hier empfangen wir eine deutliche Weissagung auf die künftige Ausbreitung der Gnade Gottes, welche die Heiden mit dem Samen Abrahams zu einem Leibe verwachsen ließ. Der Prophet wünscht, Gottes Gnade möge an seinem auserwählten Volke derartig sichtbar werden, dass sie die Heiden durch ihren Glanz zur Teilnahme an der gleichen Hoffnung anlocken müsse. Unter dem Weg Gottes wird sein Bund verstanden, durch welchen er sich dem Volke Israel als Vater offenbarte. Diese Offenbarung ist dann noch deutlicher durch das Evangelium geschehen, vermittels dessen uns der Geist der Kindschaft in reicherer Fülle und damit das Heil geschenkt ward. So bezeichnet es ja auch Christus als den Weg zum ewigen Leben, dass man den wahren Gott erkenne (Joh. 17, 3).
V. 4. Es mögen dir danken die Völker. Nachdem wir soeben hörten, dass alle Völker an der Heil schaffenden Erkenntnis Gottes teil bekommen sollen, wird nun hinzugefügt, dass sie auch dankbare Verkündiger dieser großen Gnade sein werden. Darin liegt zugleich eine Mahnung, dass sie es sein sollen. Die Wiederholung des Satzes zeigt, dass es sich um ein ganz neues und ungewohntes Ding handelt: eines solchen Nachdrucks der Rede hätte es ja nicht bedurft, wenn wir nur an die gewöhnlichen Gnadenerweise gegen die Kinder Abrahams erinnert werden sollten. So aber kehrt der Ausruf (V. 6) sogar noch einmal wieder, und zwischendurch wird sehr passend der Grund dieser dankbaren Freude angegeben (V. 5): denn wahrhaft und ernstlich kann man den Herrn nur loben, wenn man ein ruhiges und heiteres Gemüt hat, wenn man auf Grund der Versöhnung mit ihm sich der gewissen Hoffnung des Heils rühmen kann, und wenn der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, im Herzen regiert (Phil. 4, 7). Was aber des genaueren als Grund der Freude angegeben wird, zeigt vollends deutlich, dass es sich um die Berufung der Heiden handelt: denn das Gott die Leute richtet und regiert, ist hier nicht von seinem allgemeinen Weltregiment zu verstehen, sondern von der geistlichen Leitung, welche er seiner Gemeinde angedeihen lässt. Denn eigentlich zu reden stehen nur diejenigen unter der inneren Leitung des Herrn, die er durch die Lehren seines Gesetzes zum Gehorsam anleitet. Dass er sie recht richtet, wird zum besonderen Lobe dieses Regiments gesagt. Übrigens lesen wir fast die gleichen Worte bei Jesaja (11, 4) und Micha (4, 3): und dort ist sicher davon die Rede, dass die Heilslehre über den ganzen Erdkreis ausgebreitet werden soll.

Jean Calvin – Aus dem Psalmenkommentar

Oberflächlichkeit ?!?

Daher, meine Geliebten, gleichwie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein als in meiner Gegenwart, sondern jetzt vielmehr in meiner Abwesenheit, bewirket (O. wirket aus, vollführet) eure eigene Seligkeit (O. Errettung, Heil) mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, nach seinem Wohlgefallen.
Elberfelder 1871 – Phil 2,12–13

Liebe Freunde, als ich bei euch war, habt ihr meine Anweisungen immer treu befolgt. Jetzt, in meiner Abwesenheit, müsst ihr noch mehr darauf achten, dass Gottes Liebe in eurem Leben sichtbar wird. Deshalb gehorcht Gott voller Achtung und Ehrfurcht. Denn Gott bewirkt in euch den Wunsch, ihm zu gehorchen, und er gibt euch auch die Kraft, zu tun, was ihm Freude macht.
Neues Leben Bibel – Philipper 2,12–13

Also, ihr Lieben, ihr habt ja immer alles umgesetzt, was ich euch empfohlen habe. Egal, ob ich bei euch vor Ort bin oder ob ich gerade nicht da sein kann: Hört auf das, was ich euch sage! Tut was dafür, dass ihr von Gott gerettet werdet! Von dem Gott, vor dem man zittern muss. Aber dieser Gott sorgt ja für beides bei euch, einmal, dass ihr das überhaupt wollt, und dann, dass ihr es überhaupt schaffen könnt, damit er sich über euch freut.
VolxBibel – Phil 2:12–13

Was folgt daraus, liebe Freunde? So, wie ihr Gott bisher immer gehorsam gewesen seid, sollt ihr euch ihm auch weiterhin mit Respekt und tiefer Ehrfurcht unterstellen und alles daransetzen, dass eure Rettung sich in eurem Leben voll und ganz auswirkt – nicht nur, wenn ich bei euch bin, sondern erst recht jetzt, während meiner Abwesenheit.  Gott selbst ist ja in euch am Werk und macht euch nicht nur bereit, sondern auch fähig, das zu tun, was ihm gefällt.
Neue Genfer Übersetzung – Philipper 2:12–13

Heute Nacht ein Buch über die Bergpredigt gehört. Der Autor schreibt im Vorwort:

Ich denke, es ist kein barsches Urteil, wenn ich sage, dass das Hauptkennzeichen der christlichen Gemeinden von heute leider die Oberflächlichkeit ist. Dieses Urteil basiert nicht allein auf der gegenwärtigen Situation der christlichen Gemeinden, sondern vielmehr auch auf den gegenwärtigen Beobachtungen im Lichte der gemeindlichen Situation in vergangenen Epochen der Kirchengeschichte. Es gibt nichts Hilfreicheres für das geistliche Leben eines Christen als das Studium der Kirchengeschichte, insbesondere das Studium der großen geistlichen Bewegungen des Heiligen Geistes – von ihnen zu lesen und zu erfahren, was in den Gemeinden zu verschiedenen Zeiten vor sich gegangen ist. Nun, ich bin davon überzeugt, wer den gegenwärtigen Zustand der christlichen Kirche im Lichte vergangener Epochen sieht, wird, wenn auch widerstrebend, zu folgender Schlussfolgerung kommen: Das vorherrschende Merkmal der christlichen Kirchen heute ist die – wie ich schon sagte – Oberflächlichkeit. Wenn ich das so behaupte, dann meine ich gar nicht nur die gegenwärtige Oberflächlichkeit in Sachen Evangelisation. Auf diesem Feld, so können wir uns sicherlich einigen, ist die Oberflächlichkeit besonders auffällig. Aber ich denke nicht nur an moderne Evangelisationsmethoden im Vergleich und im Kontrast zu den evangelistischen Anstrengungen früherer Tage – beispielsweise die heutige Tendenz zur Ausgelassenheit und zu Methoden, die unsere Väter zutiefst schockiert hätten. Ich denke aber auch und zuallererst an das Leben der Gemeinden von heute ganz im Allgemeinen, für die das auch zutrifft, selbst in Dingen wie ihre Vorstellung von Heiligkeit oder wie sie der Frage nach der Heiligung und der Lehre von einem gottgefälligen Leben nachgehen.
Für uns ist es daher wichtig, nach der Ursache für diese Situation zu fragen. Meinerseits schlage ich vor, dass die Hauptursache für diesen Zustand unser Verhältnis zur Heiligen Schrift ist. Wir haben versagt, sie ernst zu nehmen, wir haben versagt, sie so zu nehmen, wie sie ist, und sie zu uns reden zu lassen. Verbunden damit ist auch unsere ständige Tendenz, von einem Extrem ins andere zu fallen. Aber die Hauptursache – das ist meine Überzeugung – liegt in unserer Haltung zur Heiligen Schrift. Lasst mich etwas genauer erklären, was ich damit meine.

D. Martyn Lloyd-Jones – Bergpredigt: Predigten über Matthäus 5,3–48

Ein paar Seiten später, geht der Autor auf die Bibelstelle aus Philipper ein:

Letztlich, diese Betrachtung muss uns vor Augen geführt haben, wie sehr wir den Heiligen Geist brauchen. Sie und ich, wir sind in den oben genannten Dingen gefragt. Jawohl, aber wir benötigen dabei die Kraft und Hilfe, die der Heilige Geist allein geben kann. Der Apostel Paulus sagt das so: „Wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet.“ Die Kraft des Heiligen Geistes wird uns gegeben werden. Er ist Ihnen schon gegeben, wenn Sie Christ sind. Er ist in Ihnen; er wirkt in Ihnen „beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen“ (Phil 2,13). Wenn wir unseren Auftrag erkennen und uns danach sehnen, ihn zu erfüllen, und diese Reinigung uns ein großes Anliegen ist, wenn wir mit dem Prozess des Abtötens beginnen, dann verleiht er uns die Kraft dazu. So lautet die Verheißung. Also dürfen wir die Dinge nicht tun, von denen wir wissen, dass sie uns schaden. Wir leben als solche, die von ihm mit Macht ausgerüstet sind. In einem Satz hört sich das so an: „Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen“ (2,12.13). Beide Seiten sind absolut wichtig. Wenn wir allein unser Fleisch töten, in unserer eigenen Stärke und Macht, dann schaffen wir einen falschen Typus von Heiligung, der eigentlich gar keine Heiligung ist. Erkennen wir aber die eigentliche Macht und das Wesen der Sünde – ihren Griff, mit dem sie die Menschen hält, ihren verunreinigenden Effekt –, dann wird uns bewusst, wie geistlich arm und schwach wir sind. Und dann werden wir stets um die Kraft flehen, die allein der Heilige Geist uns geben kann. In dieser Kraft wird es uns dann gelingen, das „Auge auszureißen“ und „die Hand abzuhauen“, das Fleisch zu töten und das Problem anzugehen. In der Zwischenzeit wirkt er in uns fort und wir bleiben nicht stehen, bis wir ihn von Angesicht zu Angesicht sehen werden und in seiner Gegenwart stehen werden, fehlerlos, untadelig, fleckenlos und ohne Tadel.

D. Martyn Lloyd-Jones – Bergpredigt: Predigten über Matthäus 5,3–48

Schauen wir uns andere Kommentare zu Philipper an:

Das Wörtchen ‚also‘ verbindet die Verse 12-13 mit den unmittelbar vorangehenden. Christus gehorchte dem Vater und führte seinen Plan bis zum Tod am Kreuz aus ( V. 8). Die philippischen Christen sollen sich nun um denselben Gehorsam bemühen und Paulus‘ Anweisungen, in denen er sich auf das Beispiel Christi stützt, befolgen.
Die folgende Ermahnung ist sehr direkt und deutlich formuliert, doch ihre Strenge wird gemäßigt durch die Zuneigung des Apostels, die in der Anrede „meine Lieben“ mitschwingt. Dieser liebevolle Ton rief in den Philippern zweifellos Erinnerungen an den ersten Besuch des Apostels und seines Mitarbeiters Silvanus wach. Damals hatte er sie zum christlichen Glauben hingeführt und bekehrt und eine Gemeinde in ihrer Stadt gegründet ( Apg 16,19-40 ). Sie waren seinen Anweisungen rasch und bereitwillig nachgekommen, als er bei ihnen war. An diese Bereitwilligkeit erinnert der Apostel sie nun und fordert dann von ihnen den gleichen Gehorsam auch jetzt, da er fern ist. Schon zuvor hatte er betont, daß seine Abwesenheit ihren christlichen Wandel nicht beeinträchtigen darf (Phil 1,27).
Die Forderung, die er im Hinblick auf ihre geistliche Weiterentwicklung und im Blick auf das Vorbild Christi an sie richtet, klingt hart: „Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.“
Dieser Satz wird allgemein so ausgelegt, daß es darin um die persönliche Rettung der Heiligen in Philippi geht. Sie werden aufgefordert zu „schaffen“, d. h. in ihrem alltäglichen Leben in die Tat umzusetzen, was Gott durch den Geist in ihnen bewirkt hat. Sie sollen ihre Rettung nicht selbst herbeiführen, sondern die Rettung, die Gott ihnen bereits geschenkt hat, in ihrem Leben Wirklichkeit werden lassen. Angesichts der Uneinigkeit und des Hochmuts, die offenbar in Teilen der Gemeinde herrschten, scheint diese Deutung richtig. Einige Gläubige in Philippi waren anscheinend nichts weniger als selbstlos und stellten die Bedürfnisse der anderen keineswegs über ihre eigenen (vgl. Phil 2,3-4).
Manche Exegeten verstehen Paulus‘ Aufforderung aber auch als Aufruf zu einem wirklichen gemeinsamen Leben der ganzen philippischen Gemeinde. Die Anhänger dieser These finden einen Anhalt im unmittelbaren Kontext des Abschnitts, denn Paulus wirft den Philippern hier vor, daß sich jeder nur um sich selbst kümmere (vgl. V. 4). In diesem Fall bezöge sich das „Seligwerden“ auf die Erlösung der gesamten Gemeinde aus ihrer Uneinigkeit, ihrem Stolz und ihrer Selbstsucht.
Vielleicht ist es am besten, beides in diesem Vers zu sehen – die Umsetzung der persönlichen Erlösung in die Praxis und die Rettung oder Befreiung der gesamten Gemeinde aus allem, was sie davon abhielt, den Segen Gottes in seiner ganzen Fülle zu erfahren.
Das Bemühen um diese Ziele soll „mit Furcht und Zittern“, d. h. in absolutem Vertrauen auf Gott, nicht auf sich selbst, geschehen.
Der einzige Weg zur Erfüllung der Forderung des Apostels führt über Gott, der die Christen dazu befähigen kann, nach seinem Willen zu leben ( V. 13). Paulus erinnert die philippischen Heiligen daran, daß Gott ja in ihnen wirkt und ihnen das Wollen und das Vollbringen schenkt, so daß sie ihm wohlgefällig leben können. Zu einem solchen Lebenswandel sind sowohl die göttliche Befähigung als auch die menschliche Verantwortung nötig. Die Gläubigen sind Partner Gottes, sie arbeiten mit ihm zusammen. Das Verb wirkt ( V. 13) ist gleichbedeutend mit „Kraft geben“ oder „befähigen“. Gott macht die Seinen bereit und willig dazu, sein Werk zu vollbringen.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Wie viel Unheil gestiftet werden kann, wenn Bibelverse für sich allein, aus dem Zusammenhang gerissen, gelesen werden, lässt sich an Vers 12 erahnen. Wie viele seelsorgerliche Nöte sind entstanden, weil einer dieses Wort: »Schaffet euer Heil mit Furcht und Zittern« gelesen hat, ohne auf den Zusammenhang zu achten. Vers 12 kann nicht ohne Vers 13 gelesen werden! Sonst muss ein verzerrtes Bild entstehen, aus dem die Werkgerechtigkeit folgt. Dieser zwölfte Vers sollte aber ebenfalls nicht ohne den fünften Vers gelesen werden. Der Eindruck, den moderne Übersetzungen vermitteln, dass Paulus hier mit einem neuen Einsatz beginnt, trügt. Das »Damit« am Anfang des Verses weist zurück auf die Aufforderung in Vers 5: »Ein jeglicher sei gesinnt wie Jesus Christus auch war. Dass diese Gesinnung sehr stark mit dem Gehorsam zusammenhängt, wurde aus den Versen 6-11 deutlich. Daran knüpft die Rede vom »Gehorchen« hier an. Paulus ruft die Gemeinde in Philippi weiterhin zum Gehorsam auf. Dabei geht es nicht um etwas Neues. Die Gemeinde hat ihren Gehorsam gezeigt, noch als Paulus bei ihnen war, aber auch zu allen anderen Zeiten. Hier geht es um den Gehorsam im Blick auf die Lösung des besonderen Problems in Philippi.

Die Gemeindeglieder sollen gerade in ihren Streitigkeiten den Sinn Christi sich zu eigen machen. Setzen sie ihre eigenen Interessen über die Interessen der Gemeinde – und das bedeutet über die Interessen Christi – dann haben sie den Heilsweg verfehlt und befinden sich nicht mehr in der Nachfolge. Die Aufforderung, ihr eigenes Heil zu schaffen, ist bedeutungsgleich mit der Aufforderung, gehorsam zu sein. Der Gehorsam soll ja nicht Paulus zuliebe geschehen. Vielmehr wirkt Gott in uns so, dass wir auf sein Wort hören und gehorsam das tun bzw. lassen, was seinem Willen entspricht. Das Heil wird keineswegs verdient. Dieser Gedanke ist nirgends in diesen Versen zu finden. Aber ebenso wenig wie das Heil verdient wird, wird es außerhalb der Nachfolge und des Gehorsams empfangen. Das Heil ist und bleibt Geschenk. Wie aber alle Geschenke, so will auch das Geschenk der Gnade angenommen werden. Die Begriffe »Gehorsam« und »Gnade« schließen sich gegenseitig nicht aus. Vielmehr stehen sie in einer engen Beziehung zueinander. Wo kein Gehorsam ist, ist Gnade notwendig, aber wo Gnade angenommen wird, wird Gehorsam folgen.

Auch im Deutschen können wir den Gehorsam umschreiben mit der Wendung »hören auf etwas«. Dies ist die Grundbedeutung des griechischen Wortes. Es ist ein Grundsatz der frohen Botschaft, dass sie uns aus Gnaden frei verkündigt wird. Doch wie Römer 10,13ff. zeigt, kommt es darauf an, dass diese Botschaft gehört und angenommen wird. Gehorsam ist die Annahme der Botschaft. Wir könnten auch sagen, dass Gehorsam die Antwort auf die Verkündigung der frohen Botschaft ist.

Wir erleben eine zunehmende Abneigung gegenüber dem Begriff Gehorsam. Unsere Ideale, wie Freiheit und Selbstentfaltung, finden darin keinen Platz.

»Gehorsam« in der Sprache der Bibel setzt aber menschliche Freiheit voraus. Gehorsam ist die freie Antwort auf das Wort Gottes. Es geht hier um eine Beziehung in beide Richtungen: Gott Mensch, Mensch – Gott. Von daher wird auch deutlich, dass »Gehorsam« mit der Redewendung in unserem Vers »euer eigenes Heil schaffet« zu tun hat. »Heil- (griech. soterlia) als Rettung vor dem Verderben ist nicht ohne die Verbindung zu Gott denkbar. Kamen das Verderben und der Tod als Ergebnis der Trennung von Gott, so ist die Rettung, das Heil nur als Ergebnis der Wiederherstellung der Verbindung zu Gott zu verstehen. Diese Verbindung ist aber gekennzeichnet von der Wechselwirkung zwischen Wort und Antwort. Diese Antwort ist jedoch nicht nur ein Geschehen in Worten, sondern Ausdruck unseres ganzen Lebens. Gehorsam ist ein »auf den Ruf Gottes Hören« mit all dem, was wir tun. Dies hat also nichts mehr mit dem Selbstbehauptungstrieb zu tun, sondern bedeutet ein Leben in der Hingabe und in der Nachfolge. Der Zeitgeist unserer Tage kann nichts mit dem Gedanken des Gehorsams anfangen, weil ihm die Beziehung zwischen Gott und Mensch fehlt.

Dreierlei muss noch zu der Wendung: »Schaffet mit Furcht und Zittern euer eigenes Heil« gesagt werden. Zum ersten gibt »schaffet« das zugrundeliegende griechische katergazesthe nur ungenügend wieder. Das liegt an der vielschillernden Bedeutungsskala des deutschen Wortes. »Schaffen« kann sowohl die schöpferische Tätigkeit des Schaffens aus dem Nichts, als auch etwa die Durchführung einer Tätigkeit bedeuten. Nur Letzteres ist mit dem griechischen Wort ausgesagt. Es geht hier keineswegs um eine Urhebertätigkeit. Es geht nicht um das Bewirken des Heils, sondern um seine Ausarbeitung. Es geht nicht um die Voraussetzung, sondern um Konsequenzen. Unser seelsorgerliches Dilemma wird hier ganz ernstgenommen. Gott weiß wohl, dass wir als eine Form der Versuchung streckenweise den Glauben und das Glaubensleben als eigene Leistung empfinden. Er teilt uns aber mit, dass dieses unser persönliches Empfinden nicht das Maßgebliche ist, sondern dass er derjenige ist, der auch in der Versuchung uns beisteht und uns die Kraft zum Glauben gibt. Die Gemeinde in Philippi wird aufgerufen, die von Gott gegebenen Zusagen (s. V. 1-4) in ihrem Leben zur Entfaltung kommen zu lassen (V. 13).

Das in Vers 13 zweimal verwendete Wort energein hat nun die oben zuerst genannte Bedeutung von »schaffen«. Gott allein ist der Urheber des Heils. Aber doch nimmt er uns als seine Geschöpfe und freiheitliche Wesen ernst. Wir sind für ihn keine unpersönliche Modelliermasse, die sich passiv gestalten ließe, sondern er sehnt sich danach, dass wir aus freien Stücken unsere Liebe hin erweisen, gerade auch Gehorsam. Dass diese Liebe, die wir zu ihm erweisen, nur aus der von ihm her kommenden Liebe entspringen kann, ist eine Erkenntnis, die dem Glaubenden vorbehalten bleibt.

In diesen Zusammenhang gehört dies als zweites: Oftmals wird »Mit Furcht und Zittern« im Sinne einer falschen Gesetzlichkeit verstanden. Sowenig die »Ausarbeitung unseres Heils« die Ursache unserer Rettung ist, so verkehrt wäre es, diese Wendung in jenem Sinne auszulegen. Durch eigenes Schaffen wird keiner das Heil erlangen, auch derjenige nicht, der bangt und sich ängstigt, der aus Angst vor dem Verlorengehen in eine verzweifelte Werkgerechtigkeit abgleitet. Ebenso falsch wäre es, die Wendung »mit Furcht und Zittern« in ihrem Gewicht abmindern zu wollen, indem man darauf hinweist, dass es sich hier um eine stehende Redewendung handelt. Zwar verwendet Paulus diese schon aus dem AT bekannte Wendung mehrmals (1Kor 2,3; 2Kor 7,15; Eph 6,5), aber nie in einer abgegriffenen Bedeutung. Gerade die Zusammenstellung der beiden Begriffe »Furcht« und »Zittern« soll ja die schwerwiegende Bedeutung der Sache, um die es geht, zum Ausdruck bringen. Dies ist es, woran wir uns schwertun. Es erscheint uns anstößig, unsere Beziehung zu Gott und unser ethisches Leben von der Furcht kennzeichnen zu lassen. Wir denken zu Recht an Stellen wie Römer 8,15 oder 1Johhannes 4,18, wo uns die Überwindung der Furcht in Jesus Christus zugesprochen wird. Auch in Phil 1,14 war schon die Rede von der Überwindung der Furcht. Das ist auch der Grundzug des Evangeliums, der frohen Botschaft: Den Jüngern Jesu ist der Grund zum Fürchten weggenommen: Das bedeutet, dass sie nicht mit der unbegründeten Furcht, mit der Angst, leben müssen. Die moderne Psychologie hat uns den Unterschied zwischen Furcht und Angst aufgezeigt. Furcht richtet sich gegen etwas Bestimmtes. Angst dagegen hat kein klares Gegenüber. Sie ist ein beengendes und beklemmendes Gefühl, das zwar eine Gefahr wahrzunehmen meint, diese Gefahr aber nicht näher bestimmen kann. Angst brauchen wir als Christen nicht zu haben. Wir dürfen uns geborgen wissen in Gottes Hand.

Und dennoch sollten wir nicht »furchtlos« sein. Die Bibel als Ganzes und auch das NT im besonderen sprechen einhellig von der Wirklichkeit der Furcht bei solchen Menschen, die Gott begegnet sind (z. B. Lk 5,8-10). Die Bibel weiß in vielfältiger Weise davon zu berichten, dass die Begegnung mit Gott die Heiligkeit und Mächtigkeit Gottes dem Menschen so konkret werden lassen, dass der Mensch davor fast vergeht. Ist es möglich, dass uns die Gottesfurcht deswegen nicht mehr bekannt ist, weil unsere Beziehung zu Gott abgeflacht ist und wir ihm nicht in seiner Heiligkeit und Größe begegnen? Können wir das mitempfinden, was in Hebräer 10,31 steht: »Schrecklich (furchtbar) ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen?« Oder haben wir uns an einen kameradschaftlichen Umgang mit dem allmächtigen Schöpfer und Erhalter gewöhnt? Die Erfahrung des Göttlichen muss ein Schaudern nach sich ziehen. Das spricht aber keineswegs gegen die Erfahrung der göttlichen Liebe. Im Gegenteil: Je mehr uns die Größe und Herrlichkeit Gottes bewusst wird, desto tiefer wird unser Empfinden seiner Liebe sein. Gott ist für den Menschen unserer Tage allzu oft der »liebe Gott«. Er wird verharmlost. Bibelworte wie Philipper 2,12 machen aber deutlich, dass die Erfahrung der Liebe und Gnade Gottes die Gottesfurcht, die Ehrfurcht vor Gott, zur Folge haben muss. Dies ist auch das Entscheidende, denn die Furcht ist für Christen als Ehrfurcht allein Gott vorbehalten. Philipper 1,28 hat gezeigt, dass wir unseren Feinden furchtlos gegenüberstehen sollten. Als Jünger Jesu und Kinder Gottes brauchen wir keine Angst zu haben, auch keine Furcht vor irgendwelchen Dingen oder Personen. Je mehr wir aber in der Erkenntnis Gottes wachsen, desto mehr werden wir davon überwältigt und auch erschüttert werden. Die Gottesfurcht ist als Ehrfurcht weit mehr als das heutige Ideal des Respekts.

Das Dritte zu o. g. Wendung betrifft die Worte »euer eigenes Heil«. Das Griechische hat verschiedene Möglichkeiten, das Verhältnis des Besitzes zum Ausdruck zu bringen. Die hier gewählte Form ist die stärkste. Paulus macht deutlich, dass jeder Einzelne der Philipper zunächst einmal eine Verantwortung für sein eigenes Glaubensleben und für seine eigene Beziehung zu Gott trägt. Die in Philippi laufenden Streitigkeiten übersahen womöglich diese Tatsache völlig. Auch in diesem Fall ist der Zusammenhang und die Situation in Philippi maßgebend. Es ist eindeutig eine Warnung an Christen, die sich weniger um ihre eigenen Glaubensangelegenheiten kümmern als um die ihrer Mitchristen. In ihrem Eifer wollen sie andere dazu zwingen, sich zu ändern. Der 13. Vers macht es deutlich, dass dies ein sinnloses Unterfangen ist.

Vers 13 begründet die vorausgehende Ermahnung. Wir lesen diesen Vers sicherlich falsch, wenn wir ihn als Gegensatz zur eben gemachten Aussage verstehen. Die streitenden Christen sollen verstehen, dass sie den anderen nicht ändern können. Diese Arbeit bleibt dem Heiligen Geist vorbehalten: »Gott ist es nämlich, der in euch vollbringt, sowohl das Wollen als auch das Vollbringen zu (seinem) Wohlgefallen.« Zu Recht fühlen wir uns in der Zwiespältigkeit unseres Herzens angesprochen. Wir merken, wie schwer das Glaubensleben sein kann und wie oft wir versagen, weil wir selbst die Kraft nicht haben. Und doch erkennen wir immer wieder im Nachhinein, wie Gott es gerade war, der uns durchgeführt hat. Dennoch gilt diese Aussage – vor allem bezogen auf die Art und Weise des Umgangs miteinander in der Gemeinde. Was für mich gilt, gilt auch für meinen Bruder. In seinem Leben ist es mit dieser Zwiespältigkeit kein bisschen anders.

Zwar kann ich ihm beistehen; vielleicht wird es mir auch vergönnt sein, ihm eine Hilfe zu sein, aber auch das nur unter der Voraussetzung, dass Gott es ist, der durch mich wirkt. Die Philipper – ihnen wir alle – sollten Vertrauen und Gelassenheit im Blick auf den Nächsten lernen. Gott ist auch am Wirken im Leben unserer Brüder und Schwestern. So sehr wir sie ernstnehmen sollen und zur gegebenen Zeit auch ermahnen und trösten, dürfen wir getrost sein in dem Wissen, dass Gott, »der in uns das gute Werk angefangen hat, es auch vollführen wird bis an den Tag Christi Jesu« (Phil 1,6). Gott allein ist Urheber und Vollender des Heils. Diese Aussage des ersten Kapitels wird hier bestätigt und entfaltet mit dem Begriff, der hinter der notdürftigen Übersetzung »vollbringen« (griech. energein) steht. Dieser Begriff meint »Aktivität« als Gegensatz zur Passivität. Als Christen sind wir nicht passiv. Der so weit verbreitete Schicksalsglaube lähmt und hat nichts mit dem Wirken Gottes in einem Menschenleben zu tun. Als Christen sollen wir aktive Menschen sein. Nur muss uns bewusst sein, dass Gott es ist, der in uns diese Aktivität ermöglicht und auch bewirkt.

Ganz entscheidend ist der Zusammenhang zwischen dem »Wollen« und dem »Vollbringen«. Unser menschliches Elend hängt oft am Auseinanderklaffen von Willen und Tun (vgl. Röm 7,14-25). Unser menschlicher (angebotenen und anerzogener) Wille wird nicht gänzlich durch den göttlichen Willen ersetzt. Es wird unsere lebenslange Aufgabe sein, das Gebet: »Nicht mein, sondern dein Wille geschehe« zu lernen und täglich zu beten. Das ist auch mit der Aufforderung gemeint, unser Kreuz täglich auf uns zu nehmen, unseren eigenen Willen, den alten Menschen, täglich Gott aufs neue zu übergeben, ihm unser Leben samt Wille und Tat zu übereignen. So bringt die Faust’sche Formel: »Zwei Seelen wohnen, ach!, in meiner Brust« die Erfahrung eines jeden Christen zum Ausdruck. Gott schenkt uns das neue Wollen, das das Vollbringen ermöglicht und als Konsequenz nach sich zieht. Gleichzeitig muss aber unser eigener Wille, der von unserer Selbstsucht geprägt ist, überwunden werden.

Die Rolle unseres Willens im Glaubensleben sollte nicht unterschätzt werden. Auf die Tat allein kommt es nämlich nicht an. Das wird z. B. in 1Korinther 13 deutlich, oder auch in 2Korinther 8,10: »… das ist euch nützlich, die ihr seit vorigem Jahr angefangen habt, nicht allein mit dem Tun, sondern auch mit dem Wollen.« Im »Kollektenteil« des zweiten Korintherbriefes wird bestätigt, dass Gott nicht einfach den Geber liebt, sondern den fröhlichen Geber. Mein Wille muss hinter meiner Tat stehen. Wenn ich etwas widerwillig für Jesus tue, dann hat es keinen Wert. Auch wir Christen dürfen nicht in einen falschen Pragmatismus abgleiten. Das Zeichen des Neuen Bundes ist das neue Herz (Jer 24,7; 31,31-33; Hes 11,19ff.; Hes 36,26ff.). Hier ist das Herz als Sitz des Willens angesprochen. Unser Herz soll Jesus gehören, und der Wille soll seinem Willen entsprechen. Gott ist immer am Werk in unserem Leben, wenn wir tätig werden: Er ist es aber auch, der die Motivation dazu gibt.

Das mit »Wohlgefallen« wiedergegebene Wort war bereits in Phil 1,15 vorgekommen, wo wir es, auf den Menschen bezogen, als »gütige Gesinnung« übersetzt haben. Auch hier geht es um eine »gütige Gesinnung«. Der Unterschied liegt darin, dass das Wort sich hier auf Gott bezieht. »Wohlgefallen« sollte keinesfalls als willkürliche Entscheidungsfreiheit verstanden werden, sondern als Ausdruck des Ratschlusses, den Gott zum Heil der Welt gefasst hat. Gottes Wille ist gut, und seine Gesinnung uns gegenüber ist gütig. Darum schafft er in uns beides, das Wollen und das Vollbringen. So gefällt es Gott wohl. Nichts macht er lieber als gerade dies in einem Menschenleben. Darum sind wir mit den Philippern aufgefordert, unser Leben von Gott umkrempeln zu lassen. Zwei Verse Michael Hahns bringen diesen Gedanken gut zum Ausdruck: »
Frei ungebundner Gott, du alldurchdringend Wesen,
Dich hab ich mir allein zum Herrscher auserlesen.
Besitze mich im Grund und nimm mich gänzlich ein
Und mache selbst dein Haus ganz und vollkommen rein!
Du wirkest ja so gern in einer Menschenseele.
Ach wirke auch in mir, du edle Lebensquelle! Erfülle mich doch ganz mit deiner Lebenskraft, die mich zum Gotteskind und Geistestempel macht!«

Gerade dieses Wohlgefallen Gottes bzw. seine gütige Gesinnung begegnet uns auch im Alten Bund. Heilsbotschaften der Propheten (z. B. Jes 44,21-23) bringen sowohl die gütige Gesinnung Gottes zum Ausdruck als auch die Tatsache, dass Gott es ist, der die Erlösung und das Heil in seinem Volk und im Menschenleben bewirkt. Der Ratschluss Gottes über diese Welt verbindet Alten und Neuen Bund.

Diese »gütige Gesinnung« hat nichts mit einer Laune zu tun, sondern meint den Ratschluss Gottes über die ganze Welt und ihre Geschichte. An Gottes Wohlgefallen und an seiner gütigen Gesinnung misst sich alles andere. Ich darf wissen, dass mein persönlicher Weg, mein ganzes Tun, Handeln und Wollen nicht losgelöst gesehen werden kann von Gottes Ratschluss über diese Welt. Dies hat nichts mit Schicksalsglaube, oder mit einer so verstandenen Prädestinationslehre zu tun. Vielmehr darf ich wissen, dass Gottes gütige Gesinnung auch mir gilt. Deswegen – und nur deswegen – will er beides in mir aktivieren, sowohl Wollen als auch Vollbringen.

Nach dem begründenden Vers 13 werden in Vers 14 die Einzelermahnungen fortgesetzt. Es steht wieder die Aufforderung: »Tut!« im Mittelpunkt. Auch das Verständnis dieses Verses hängt sehr stark von der rechten Betrachtung des Zusammenhangs ab. Das halblaute Murren sowie das offene Widersprechen sind Ausdruck davon, dass zwar etwas getan wird, aber nicht mit der rechten Motivation (vgl. 2Kor 8,10ff.; 1Kor 13). Aber auch der große Zusammenhang muss im Blickfeld behalten bleiben. Wie wir an Vers 15 sehen werden, sind Murren und Widerreden Ausdruck des in Philippi vorhandenen Streites. »Den Sinn Jesu Christi zu haben« schließt beides aus.

Auch das kleine, aber entscheidende Wort »alles« will recht verstanden werden. Gerade wegen dieses Wortes besteht die Gefahr, dass der Satz verallgemeinert wird. Zunächst einmal steht das Wort »alles« im Urtext am Anfang des Satzes, wo es seine besondere Betonung bekommt. Aber ebenso wenig, wie das Wort in Phil 4,13 im allgemeinen Sinn verwendet wird, wird es hier im Sinne von »alles oder jedes« verwendet. Hier und dort verwendet Paulus dieses Wort im Sinne von »all dies«. Er redet hier nicht allgemein, sondern von ganz bestimmten Ermahnungen und Aufforderungen, die er der Gemeinde gegeben hat.

Gerhard Maier – Edition C

Welchen Aussagen kann ich folgen?

Nein, Jesus glaubte nicht, dass die Gerechten in den Himmel kommen. Er glaubte eher, dass Gott die Toten als Teil eines neuen Reiches auf der Erde physisch auferstehen lassen würde.

Bart Ehrman

Nein, die Trinitätslehre kommt in keiner der frühesten Versionen des ersten Johannesbriefs vor. (Sie taucht erst in einem Manuskript aus dem 14. Jahrhundert auf.)

Bart Ehrman

Nein, der Teufel kommt nicht im Garten Eden vor – und auch nirgendwo in der hebräischen Bibel (obwohl das Wort „Satan“ an anderer Stelle eine Handvoll Mal auftaucht).

Bart Ehrman

Die Aussagen werden so manchen Leser ansprechen – „endlich sagt das mal jemand“!

Habe gestern bei mastodon einen Beitrag von „Yale Divinity School“ gelesen – und dann den link zu dem Beitrag gelesen, auf dem die obrigen Aussagen getätigt werden.
Erstaunlich, dass der Autor wirklich Geld mit seinen Aussagen macht? Nein, dass ist nicht was ich erstaunlich finde, sondern die Aussage, dass der Autor anzweifelt, dass es einen Gott gibt, also damit auch anzweifelt, dass die Bibel das Wort Gottes ist. Kann ich als gläubiger Christ wirklich die Aussagen eines Autors glauben, der sich selbst als „Agnostiker und Atheist“ bezeichnet? Sollten die Aussagen eines „Agnostikers und Atheisten“ meine Glaubenslehren beeinflussen??

Kinder Kinder

 Jesus aber rief sie herzu und sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer irgend das Reich Gottes nicht aufnehmen wird wie ein Kindlein, wird nicht in dasselbe eingehen.
Elberfeld 1905 – Lukas 18,16–17

Doch Jesus rief die Kinder zu sich und sagte: »Lasst die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht, denn für Menschen wie sie steht Gottes neue Welt (Wörtlich die Königsherrschaft* Gottes; ebenso im folgenden Vers.) offen. Ich versichere euch: Wer sich Gottes neue Welt nicht schenken lässt wie ein Kind, wird niemals hineinkommen.«
Gute Nachricht Bibel 2018 – Lukas 18:16–17

Doch Jesus rief die Kinder zu sich und wies die Jünger zurecht: «Laßt die Kinder zu mir kommen! Schickt sie nicht weg! Denn für Menschen wie sie ist das Reich Gottes bestimmt.
Habt ihr es denn noch immer nicht begriffen: Wer nicht wie ein kleines Kind voller Vertrauen zu Gott kommt, dem bleibt das Reich Gottes verschlossen.»
Hoffnung für alle – 1996 – Lk 18,16–17

Jesus wollte die Kinder aber bei sich haben und sagte zu ihnen: „Jungs, lasst die Kinder doch mal durch! Schickt sie nicht weg! Denn so wie sie muss man drauf sein, um in Gottes neuem Land dabei zu sein. Habt ihr das immer noch nicht kapiert? Wenn jemand nicht so drauf ist wie ein Kind und Gott auf diese Art vertraut, der wird nie in Gottes Land ankommen können.“
VolxBibel – Lk 18,16–17

Kinder hatten keinerlei sozialen Status, und die Jünger waren dagegen, dass ihr Rabbi seine Zeit damit vertat, sie zu segnen. Nach Jesus aber gehört das Gottesreich in erster Linie den Unbedeutenden, denen, die nicht der Ansicht sind, auf Grund ihres Ranges Anspruch darauf zu haben.

Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

Diese Lehre entstand aus einem Vorfall, bei dem kleine Kinder versuchten, sich Jeschua zu nähern. Die Jünger hielten sie davon ab, weil sie annahmen, der Messias sei zu wichtig, um von Kindern belästigt zu werden (Matthäus 19,13; Markus 10,13; Lukas 18,11). Aber als Jeschua das sah, wurde er von Empörung ergriffen (Markus 10,14). Er war zornig über sie, weil sie die Kinder daran hindern wollten, zu ihm zu kommen, nur weil sie Kinder waren. Die Lektion, die die Jünger lernen mussten, war, dass kindlicher Glaube die Grundlage für den Eintritt in das Reich Gottes ist (Matthäus 19,14; Markus 10,15).

Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive

Lukas fügt die kurze Episode der Segnung der Kinder an dieser Stelle ein, weil sie gut zur Aussage des vorigen Gleichnisses paßt. Jesus hatte gelehrt, daß es notwendig sei, demütig vor Gott zu sein. Hier nun verglich er diese Demut mit dem Wesen von Kindern: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.“ Um ins Gottesreich zu kommen, sollen die Menschen sich Jesus nähern wie Kinder, die erwartungsvoll und freudig herbeigelaufen kommen und dabei wissen, daß sie von sich aus nichts vermögen und vollkommen von anderen abhängig sind. Wenn die Erwachsenen nicht auch zu einer solchen Haltung finden, können sie nicht ins Gottesreich hineinkommen.

Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar

Mit einem feierlichen »Amen (d. h. wahrhaftig), ich sage euch« unterstreicht Jesus den Lehrsatz, den er bei dieser Gelegenheit den Jüngern einprägen will: »Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen« (V. 17). »Wie ein Kind«: Das heißt unverdient, einfältig, vertrauend und ganz von Gott abhängig. So also »nehmen« echte Jünger, »das Reich Gottes an«. Sie verdienen es nicht, lassen sich aber damit beschenken, vertrauen Gott und wissen, dass sie es von sich aus niemals erreichen können. In dem Wort »annehmen« steckt allerdings auch ein aktives Element, das man nicht übersehen sollte. Es handelt sich um ein »entgegennehmen«, im Urtext lautet es noch schärfer: Um ein »aufnehmen«, »nehmen«, »fassen«. Mit anderen Worten: Wer es nicht will, dem wird es nicht aufgezwungen. Und noch einmal: Wer auf seine guten Werke oder auf seine intellektuellen Fähigkeiten setzt, »der wird nicht hineinkommen« (vgl. Mt 18,3).
Weil also die Kinder »solche« Jünger symbolisieren, segnet sie Jesus. Das ist aber nur der eine Grund. Der andere Grund liegt darin, dass er die Kinder liebt. In Lk 18,15-17 wird also unübersehbar deutlich, dass es nach Jesu Ansicht möglich ist, schon ganz kleinen Kindern und Säuglingen einen göttlichen Segen zuzuwenden! Von da aus wird man auch die Möglichkeit, dass Kinder sich bekehren können, ja sogar die Möglichkeit einer gesunden biblischen Kinderevangelisation anerkennen müssen.
Natürlich bedeutet der Vorgang in Lk 18,15ff keine Kindertaufe. Man sollte deshalb auch darauf verzichten, diesen Abschnitt zur Begründung der Kindertaufe heranzuziehen. Dagegen enthält er – wie wir gesehen haben – die Begründung für eine Kindersegnung. Die Kindertaufe muss man mit anderen Stellen begründen.

Gerhard Maier – Edition C