Schlagwort: Jesus

Die Urchristen waren alle Brüder

Wenn ihr wirklich das königliche Gesetz erfüllet nach der Schrift: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, so tut ihr wohl. Wenn ihr aber die Person ansehet, so begehet ihr Sünde, indem ihr von dem Gesetz als Übertreter überführt werdet.
Elberfelder 1871 – Jakobus 2,8

Nun, wenn ihr euch wirklich nach dem königlichen Gesetz (- Od das Gesetz, das der König (Gott) gegeben hat. Gedacht ist wahrscheinlich an das anschließend zitierte Liebesgebot (vergleiche Matthäus 22,36–40; Johannes 13,34; 15,12.17; Römer 13,8–10; Galater 6,2). Nach anderer Auffassung wird mit dem »königlichen Gesetz« das göttliche Gesetz als Ganzes bezeichnet, sodass zu übersetzen wäre: wenn ihr wirklich das königliche Gesetz befolgt, das mit ´dem Gebot` der Schrift übereinstimmt: -) richtet, wie es in der Schrift niedergelegt ist: »Liebe deine Mitmenschen wie dich selbst!« (- 3. Mose 19,18 -), dann handelt ihr gut und richtig. Doch wenn ihr Rang und Ansehen eines Menschen zum Kriterium dafür macht, wie ihr mit ihm umgehti, begeht ihr eine Sünde und werdet vom Gesetz als Gesetzesübertreter überführt.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Jakobus 2:8–9

Wenn ihr jedoch das Gesetz Gottes, unseres Königs, ganz erfüllt, so wie Gottes Buch es sagt: »Du sollst deinem Nächsten Liebe erweisen, so wie du dich selbst liebst!«, dann tut ihr etwas wirklich Gutes und Schönes. Doch wenn ihr die Menschen nach äußerlichen Gesichtspunkten unterschiedlich behandelt, dann seid ihr damit als Übertreter des Gottesgesetzes entlarvt.
Roland Werner – Das Buch – Jakobus 2,8–9

Liebe deine Mitmenschen Jakobus betrachtet die Sünde der Bevorzugung (aufgrund etwa des Rangs oder Ansehens eines Menschen) als einen Bruch des größten Gebotes (3.Mose 19,18; 5.Mose 6,5; Mt 22,36–39), das den Täter zum Gesetzesbrecher werden lässt, wie auch schon Paulus sagt (Röm 13,8–10): Die Liebe zum Mitmenschen ist die Erfüllung des Gesetzes – d.h. die letzten sechs der Zehn Gebote.

Reformations-Studien-Bibel

Christen, die in ihren Gemeindeversammlungen den Reichen bevorzugen, verfehlen sich gegen das Liebesgebot. Jak identifiziert den „Nächsten“ mit dem Armen (vgl. Spr 14,21).

Herder-Übersetzung mit Kommentar und Erläuterungen

Dieser Abschnitt des Briefes befaßt sich damit, wie schwerwiegend es ist, wenn die Versammlung den Reichen aufwertet und den Armen beschämt. Macht es denn etwas aus, wie wir Fremde in den Versammlungsstunden begrüßen? Jakobus bejaht dies nachdrücklich und zieht das ehrwürdige mosaische Gesetz zu Rate. In V.4 stellte Jakobus fest: Ihr habt einen Unterschied gemacht und seid wie Richter aufgetreten. Ihr habt beide Besucher aufgrund ihrer äußeren Erscheinung und nicht aufgrund geistlicher Merkmale beurteilt. Diesbezüglich habt ihr den Armen verunehrt und nicht beachtet, was die Schrift in solchen Situationen sagt. Dies ist die einzige Stelle in der Schrift, wo dieses Gesetz so bezeichnet wird (das königliche Gesetz). Die Versammlungsglieder hatten ein auf der äußeren Erscheinung beruhendes Urteil gefällt, ja, es gibt keinen Hinweis darauf, daß sie die Schrift benutzten. Das ist eine beschämende Situation. Beide Besucher haben Zutritt zu der Zusammenkunft, und doch liegt eine schwere Sünde vor. Inwiefern? Um dies herauszufinden, müssen wir definieren, was das königliche Gesetz ist. Ist es nicht das Mose gegebene, aus zehn Geboten bestehende Gesetz? Eines davon bezieht sich in besonderer Weise auf diese Begebenheit: „‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben … und deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (A.d.Ü.: vgl. Lk 10,27).
 Die zehn Worte, die Mose gegeben wurden, in gedrängter Form wiederzugeben, versteht Jakobus meisterhaft. Er legt eindeutig dar, daß Liebe zu Gott Gehorsam gegenüber Seinem Wort und Liebe zu Seinem ganzen Volk mit sich bringt. Die Liebe zu unserem Nächsten soll genauso groß sein wie unsere Eigenliebe. Nehmen wir zur Kenntnis, daß Reiche oder Arme dabei nicht erwähnt werden. An dieser Stelle liegt die Sünde. Sie beinhaltet die unterschiedliche Haltung gegenüber den Reichen und den Armen. Der Reiche wird an einen Ehrenplatz geleitet, weil er wohlhabend aussah, der ärmlich gekleidete Mann dagegen gleichgültig behandelt. Nachdem die Versammlung ein Urteil gefällt hatte, ist deren Richter jetzt das Jakobus als Werkzeug benutzende Wort Gottes. Zuerst bezieht sich Jakobus auf das königliche Gesetz (seine näher beschriebene Eigenschaft) sowie dessen Vollzug und zweitens auf die Schrift im allgemeinen, als er die Art und Weise ihres Verhaltens gegenüber beiden Besuchern verurteilt.
 Das Gesetz ist königlicher Art bzw. dem König angemessen. An ihm hängen das ganze Gesetz (die Thora) und die Propheten (die gesamte alttestamentliche Offenbarung). Paulus bringt das Gesetz in Gal 5,14 auf die gleiche Grundaussage, indem er nachdrücklich erklärt, daß das Gesetz in einem Wort erfüllt ist.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt – Jakobus

Die Urchristen waren alle Brüder. Es konnte rechtmäßig kein Klassenunterschied bestehen. (Jakobus 2:1-9) Christen dürfen sich nämlich nicht zur Anbetung voreinander niederwerfen, wie es Petrus dem Kornelius erklärte. (Apostelgeschichte 10:25, 26) Kein Christ küßte die Hand oder die Zehe des Christus. Statt dessen wusch Christus ihre Füße! „Wenn ich, obgleich ich euer Meister und Lehrer bin, eure Füße wasche, müßt auch ihr euch einander die Füße waschen!“ (Johannes 13:14, NW) Wenn es schriftgemäß wäre, sich niederzuknien und die Zehen zu küssen, müßten gemäß dem Beispiel Jesu dies alle Christen nicht gegenüber einigen ausgewählten, sondern gegenüber allen ihren Brüdern tun. Es ist klar, daß dieser Vorgang nicht schriftgemäß ist. Christus hat kein Beispiel für einen Klassenunterschied gegeben.
Die Urchristen waren alle Laien. Sie hatten keine bezahlte Geistlichkeit. Der Gründer des Christentums war kein Geistlicher, sondern ein Laie. Als Christus in den Synagogen lehrte, waren die Menschen so erstaunt, daß sie die Frage stellten: „Woher hat dieser Mann diese Dinge?“ Und als ihr Erstaunen sich steigerte, fragten sie: „,Das ist doch der Sohn Marias, . . . nicht wahr?‘ So fingen sie an, an ihm Anstoß zu nehmen.“ (Mark. 6:2, 3, NW) Daß Leute an ihm Anstoß nahmen und die Gelegenheit zum Leben verloren, war der Tatsache zuzuschreiben, daß Christus nicht zur Geistlichkeit seiner Tage gehörte.
Lukas erzählt uns, daß die Apostel keine Berufstheologen waren: „Als sie nun den Freimut des Petrus und Johannes sahen, und wahrnahmen, daß sie ungelehrt und gewöhnlich waren, begannen sie sich zu wundern.“ (Apostelgeschichte 4:13, NW) Die Apostel waren eben einfache Leute. Zum Beispiel waren Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes Fischerleute. Matthäus war ein Steuereinnehmer. (Mark. 1:16, 19; Matthäus 9:9) Obgleich der Apostel Paulus religiöse Unterweisung nach der Art der Anbetung der Pharisäer erhalten hatte, verließ er dennoch jene religiöse Unterweisung, um die echte Anbetung Gottes auszuüben! Jesus verwarf die Anbetung der Pharisäer als Fälschung! (Apostelgeschichte 22:1-21; Matthäus, Kapitel 23) Paulus, der Christ, war kein bezahlter Geistlicher, sondern ein Zeltmacher und Lehrer der guten Botschaft. — Apostelgeschichte 18:3; 1 Korinther 9:16.

Wachtturm – 15.11.1953

In diesen Versen macht der Autor klar, welche Handlungen einen Verstoß gegen das königliche Gesetz darstellen. In Vers 8 definiert er das königliche Gesetz: Wenn ihr wirklich das königliche Gesetz – Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst – nach der Schrift erfüllt, so tut ihr recht. Der Ausdruck „wenn ihr wirklich“ modifiziert die vorhergehende Aussage und nimmt ihr einen Teil ihrer Schärfe, weil nicht alle seine Leser diese Sünde begangen haben. Wenn ihr […] das königliche Gesetz […] erfüllt … Das griechische Wort erfüllen bedeutet, etwas in die Praxis umzusetzen und das beabsichtige Ziel zu erreichen. Der Weg zur Erfüllung des beabsichtigten Zieles dieses Gesetzes besteht darin, die Person nicht anzusehen. Das Wort königlich im griechischen Text wird von keinem Artikel abgeschwächt und betont daher Qualität. Es bedeutet, dass dieses Gesetz „majestätisch“ oder „fürstlich“ ist. Die griechische Wortreihenfolge: „Ein Gesetz, das ihr erfüllt, majestätisch oder fürstlich.“ Das Gesetz ist das höchste Gebot menschlicher Beziehungen. Das Wort für Gesetz ist hier nomos, der Leib des Gesetzes. Der Ausdruck königliches Gesetz als solcher, taucht nur in diesem Vers auf; er weist darauf hin, dass dieses Gesetz das höchste Gesetz ist. Das spezifische Gebot, an das Jakobus denkt, gehört nicht zu den Zehn Geboten. Es wird in 3 Mose 19,18 genannt: [Du] sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Dieses Gebot zitierte Jesus in Markus 12,28-31, wo er es zum zweitwichtigsten Gebot im mosaischen Gesetz ernannte. Das Wort Schrift steht für die Anforderung der Erfüllung. Die Gläubigen erfüllen die Anforderung, die Schrift, indem sie die Person nicht ansehen; und damit tut ihr recht – das heißt, es ist eine edle Handlung. Der Hintergrund für Jakobus’ Lehre ist die Bergpredigt; dort wird der Maßstab für Gerechtigkeit im Gesetz dargestellt, wie Jesus, der Messias, ihn gelehrt hat. Das ist das königliche Gesetz: Seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Das wird erfüllt, indem man die Person nicht ansieht. Ansehen der Person aufgrund von wirtschaftlicher Stellung verstößt jedoch gegen dieses Gebot.

Dann erklärt Jakobus in Vers 9, was es bedeutet, nicht recht zu tun: Wenn ihr aber die Person anseht, so begeht ihr Sünde und werdet vom Gesetz als Übertreter überführt. Die Person anzusehen, heißt Sünde zu begehen, weil es an Gottes Maßstab der Gerechtigkeit versagt. Das Wort für die Person ansehen wird in dieser Form nur hier und nirgendwo sonst gebraucht. Im Griechischen spiegelt das Wort Wenn den grundlegenden Zustand, dass dies zu einer gängigen Praxis geworden ist. Das verstößt gegen das königliche Gesetz, und als Ergebnis begeht ihr Sünde. Die griechische Wortfolge betont die Facette Sünde, denn wörtlich heißt es dort: „Sünde tut ihr.“ Diese Praxis versagt und erfüllt nicht die Anforderung des Gesetzes; und sie werden vom Gesetz als Übertreter überführt. Es ist ein bewusster Verstoß gegen die Anforderung. In diesem Vers bezeichnet Gesetz das Gesetz des Mose; und es enthält das königliche Gesetz aus Vers 8. Das Gesetz des Mose überführt den Gesetzesbrecher; es zeugt gegen ihn und befindet ihn für schuldig. Das mosaische Gesetz war zwar nicht länger in Kraft; jedoch waren viele von Jakobus’ judenchristlichen Zuhörern überzeugt, dass es noch Gültigkeit für sie besaß. Das traf zwar nicht mehr zu, doch in diesen frühen Tagen meinten viele, es träfe für sie zu (Apg 21,20). Die vollständige Offenbarung über dieses Thema war zum Abfassungszeitpunkt dieses Briefes noch nicht geschenkt worden. Daher würde sie sogar das Gesetz des Mose überführen, gegen sie zeugen und sie als Übertreter bezeichnen. Das ähnelt dem Prinzip in Römer 2,12. Als Übertreter sind sie Menschen, die eine verbotene Grenze überquert haben. Ansehen der Person überschreitet das bekannte Gebot des Herrn. Der Unterschied zwischen Sünde und Übertretung ist folgender: Das Wort Sünde bezeichnet ein Versagen, die Anforderung zu erfüllen. Das Wort Übertretung bezieht sich auf einen bewussten Verstoß gegen ein bestimmtes Gebot

Arnold Fruchtenbaum – Der Jakobusbrief

Doch Gott hatte Erbarmen mit mir

Wie dankbar bin ich Christus Jesus, unserem Herrn, der mich stark gemacht, als vertrauenswürdig erachtet und zu seinem Dienst berufen hat, obwohl ich ihn früher verachtet habe! Ich habe die Gläubigen verfolgt und ihnen geschadet, wo ich nur konnte. Doch Gott hatte Erbarmen mit mir, weil ich unwissend und im Unglauben handelte. Aber der Herr war freundlich und gnädig! Er hat mich erfüllt mit Glauben und mit der Liebe von Christus Jesus. Was ich sage, ist wahr und glaubwürdig: Christus Jesus kam in die Welt, um Sünder zu retten — und ich bin der Schlimmste von allen.
Neues Leben – Bibel 2006 – 1.Timotheus 1,12–15

Ich danke dem Messias Jesus, unserem Herrn, der mir Kraft gibt, dass er mich für zuverlässig erachtet hat und mir diese Aufgabe anvertraut hat. Denn früher war ich ein Lästerer und Christenverfolger, ja, ein mutwilliger, gewalttätiger Gottesfeind. Aber dann habe ich Gottes Barmherzigkeit erfahren. Denn ich habe es ja in der Zeit meiner Unwissenheit getan, als ich noch nicht an Jesus glaubte. Doch die unverdiente, wunderbare Gnade unseres Herrn ist umso reicher geworden, zusammen mit dem Vertrauen und der Liebe, die der Messias Jesus verkörpert. Diese Aussage ist zuverlässig und sollte angenommen werden: Jesus, der Messias, ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten. Und ich bin ja der größte Sünder von allen!
Roland Werner – Das Buch – 1.Timotheus 1:12–15

Den Vers 15 hatten wir 2021 schon.

In einer religiösen Zeitschrift heißt es:

Früher hatte der Apostel Paulus die Christen erbittert und brutal verfolgt. Doch dann wurde ihm bewusst, wie falsch er gehandelt hatte, und er war bereit, an seiner Einstellung und seiner Persönlichkeit zu arbeiten (1. Tim. 1:12-16). Mit der Hilfe Jehovas wurde aus Paulus ein liebevoller, mitfühlender und demütiger Hirte. Er grübelte aber nicht ständig über seine Fehler und Schwächen, sondern vertraute darauf, dass Jehova ihm vergab (Röm. 7:21-25). Er erwartete von sich keine Perfektion. Stattdessen strengte er sich an, weiter christliche Eigenschaften auszuprägen, und verließ sich dabei auf Jehovas Unterstützung (1. Kor. 9:27; Phil. 4:13).

Wie? Paulus wurd bewußt, dass er falsch gehandelt hat? Schon mal die Apostelgeschichte gelesen, was Paulus getan hat? Und dann, was Jesus für Paulus getan hat? Nein – Paulus wurde sein Fehler nicht bewusst – sondern Jesus berief Paulus, ohne das Paulus je auf die Idee gekommen wäre! Das Paulus den verherrlichten Jesus sah und hörte war der Punkt, wo Paulus umdachte – weil Paulus nun erkannte: Jesus aus Nazareth war doch kein Irrlehrer, sondern der verheißene Messias!

der ich ihn früher verhöhnt und seine Gemeinde … verfolgt hatte Vor seiner Bekehrung verfolgte Paulus die Gemeinde Jesu (Apg 8,3; 9,1–5; 22,4f.; 26,9.11; Gal 1,13). Zu dieser Zeit sah er es – in seinem Eifer für die Ehre Gottes – als seine Verpflichtung an (Phil 3,6), nun aber, nachdem er durch Jesus, den Christus, Gnade empfangen hat, sieht er seine Geschichte als ein Verfolger, was folgende Äußerungen verdeutlichen: „Ja, ich bin der unwürdigste von allen Aposteln“ (1.Kor 15,8–10); „Mir, dem Allergeringsten von allen, die zu Gottes heiligem Volk gehören“ (Eph 3,8) und „einen größeren Sünder als mich gibt es nicht“ (V. 15f.).

weil ich in meinem Unglauben nicht wusste, was ich tat Gott gab Paulus nicht, was er begehrte, sondern das, was er brauchte (vgl. Apg 3,17–20). Paulus tat nichts, um sich die Gnade Gottes in Christus zu verdienen oder sich ihrer würdig zu machen. Der Apostel sagt nicht, dass Unwissenheit als Entschuldigung für die Sünde genommen werden kann, denn selbst denjenigen, die sündigen, ohne den Willen ihres Herrn zu kennen, wird Bestrafung widerfahren, wenn sie nicht umkehren (Lk 12,35–48).

Reformations-Studien-Bibel

Paulus wird zum Urbild des durch Gottes Gnade sich bekehrenden Sünders stilisiert, zum Vorbild und zum Garanten für die in der Glaubenszuversicht, „Christus kam in die Welt, um Sünder zu retten“ (1,15), lebende Gemeinde. Die Zeit bis zum Damaskuserlebnis war für den Apostel im Rückblick keinesfalls eine Epoche der Sünde, und für eine Folge von Unwissenheit und Unglauben hat er seinen Gesetzeseifer auch niemals erklärt.

Herder-Übersetzung mit Kommentar

Paulus wendet dieses schreckliche Wort auf sich selbst an (»Lästerer« = »Gotteslästerer«) und gibt damit ein starkes Zeugnis für seinen Glauben an die Gottheit Christi. Gott lästern heißt, ungebührlich von Gott reden; es steht fest, dass Saulus von Tarsus, der strenge Pharisäer, niemals in dieser Weise von dem Herrn, dem Gott Israels, hätte reden können. Aber er hatte Böses über Jesus gesagt (Apg 9,4.5), und er bekennt nun demütig seine frühere Gotteslästerung.

Scofield-Bibel

Paulus erhielt Gnade, weil er unwissend gehandelt hatte. Der Punkt ist, dass seine Rettung unverdient war; seine Unwissenheit entschuldigte weder seine Sünde noch rechtfertigte sie Gottes Gnade. Wahrscheinlich vergleicht Paulus sich selbst mit den falschen Lehrern. Als Paulus sich so gegen Christus stellte, hatte er sich noch nicht zum Glauben bekannt. Diese Menschen geben vor, Christus nachzufolgen, und leben trotzdem auf eine böse Art und Weise. Damit kommen sie gefährlich nahe daran, von der Möglichkeit der Barmherzigkeit Gottes abgeschnitten zu werden (vgl. Matthäus 12,31-32; Markus 3,28-30; Lukas 12,10; 1. Johannes 5,16).

Die ESV Studienbibel

Dieser Ausdruck der Dankbarkeit ist eine Klammer zu Paulus‘ Auftrag an Timotheus (1:3-11, 18-20). Ausgelöst durch die Erwähnung von Paulus‘ Rolle (1,11), gibt er einen Einblick in die Quelle von Paulus‘ Dankbarkeit und ist ein Vorbild für die Leser. Wenn Paulus über seine eigene Arbeit spricht, richtet er den Ruhm auf Gott und macht deutlich, dass er Gottes Werk tut (siehe auch 2 Kor 1,21-22; 2,14-17; 3,4-6; 4,7; 12,9-10).

Neue Lebendige Übersetzung Studienbibel

Er war gnadenlos und wurde von seinen Freunden bewundert. Er hatte einen wichtigen Auftrag, den Auftrag seines Lebens. Die Kultur und die Religion seines Volkes waren gefährdet, und er sollte alles wieder in Ordnung bringen. Die Rede ist von Saulus. Er verfolgte Menschen, die gerade Christen geworden waren. Lukas beschreibt das mit den Worten: “Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn” (Apostelgeschichte 9,1). Er bat den Hohepriester sogar um ein Geleitschreiben, damit er selbst in Damaskus die Christen gefangen nehmen konnte. Saulus verfolgte die Christen mit allen Mitteln.
In den Versen 12-17 bezeichnet Paulus sich selbst als den größten Sünder. Er hat die wenigen Christen, die es damals gab, erbittert verfolgt. Aber Jesus hat sich nicht an Paulus gerächt, sondern ihm ein Amt und eine Aufgabe gegeben, obwohl Paulus die Christen so hart bekämpfte. Paulus fragt sich: “Warum hat Jesus das gemacht? Wie kommt es, dass Jesus mir, der ich die Christen hart verfolgte, einen so verantwortungsvollen Auftrag gibt?” Die Antwort ist ganz einfach: Jesus handelt aus Gnade! Paulus schreibt: “Mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben. Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist.”
Was genau ist Gnade? Andere Worte für Gnade wären Gunst, Erbarmen oder Liebestat. Das hat nichts mit Leistung, Arbeit, Lohn oder gar Anrecht zu tun. Gnade ist ein Geschenk. Paulus hatte bei Jesus nichts vorzuweisen. Ganz im Gegenteil: Er hat sogar versucht Jesu Gemeinde zu zerstören. Trotzdem erhält Paulus von Jesus eine Chance, denn Jesus nimmt alle Schuld von Paulus auf sich und gibt ihm einen wichtigen Auftrag: Er soll die Nichtjuden mit dem Evangelium erreichen. Das ist eine gewaltige Aufgabe, besonders für einen ehemaligen Christenhasser! Das kann Paulus sich nicht verdient haben

ERF – 1.Timotheus

Das ist für ihn um so wunderbarer, als er nur zu gut weiß, in welcher Lage ihn der Ruf Gottes getroffen hat. Wenn Paulus hier sagt, daß er ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war, so ist das keineswegs eine Übertreibung aus bloßer Effekthascherei (vgl. Apg 22,4-5.19-20; 26,9-11 ). Doch ihm ist Barmherzigkeit widerfahren, denn seine Aktivitäten geschahen unwissend, im Unglauben. Wissentlicher Ungehorsam ruft Gottes Zorn hervor (vgl. z. B. 4Mo 15,22-31; Hebräer 10,26), doch mit dem unwissenden und irregeleiteten Sünder verfährt Gott gnädig (Hebräer 5,2). Der Philosoph Nietzsche hat gesagt: „Wenn man mir Gott beweisen könnte, würde ich ihm um so weniger glauben.“ In Paulus‘ Unglauben war diese bewußte Ablehnung eben gerade nicht zu finden.

Deshalb wurde dem Apostel auch Gottes Gnade und nicht sein Zorn zuteil. Ja, die göttliche Gnade, die er erfuhr, ging sogar weit über seine schwere Sünde hinaus. Wo einst nur Unglaube gewesen war, schenkte Gott ihm Glauben … in Christus Jesus. Wo heftige Gegnerschaft gegen Gott und sein Volk geherrscht hatte, herrschte nun die Liebe Christi (vgl. den Kommentar zu 2Tim 2,10). Alles, was Paulus gefehlt hatte, hat die Gnade Gottes ihm mehr als reichlich gegeben. (Das Verb hyperepleonasen, das nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament vorkommt, bedeutet „reichlich oder überreichlich vorhanden sein“.) Hier wird die ganze Fülle dessen deutlich, was Paulus meint, wenn er davon spricht, wie er für den Dienst Christi ausgerüstet und gestärkt wurde (1Tim 1,12).

Walvoord Bibelkommentar

Nimm dir Zeit und Ruhe für 1Tim 1,12–14
Der Abschnitt der Verse 12–17 zeigt den Gegensatz zwischen dem Gesetz und dem, was Paulus anvertraut worden war. Bereits in Vers 11 spricht er von dem, was ihm anvertraut worden war. Es beeindruckt ihn erneut. Darum wendet er sich der Quelle, dem Ursprung seines Dienstes zu und dankt „Christus Jesus, unserem Herrn“ für den Dienst, den Er ihm anvertraut hat. Er dankt hier nicht für die Erlösung, sondern für das, was der Herr aufgrund der Erlösung mit ihm vorhat. Tust du das auch?

Wie Paulus bist auch du für den Dienst nicht auf deine eigene Kraft angewiesen. Wenn du das versuchst, wird der Dienst in einem Fiasko enden. Doch der Herr gibt Kraft. Paulus war sich dessen bewusst, und es ist wichtig, dass auch du dir dessen bewusst bist. Einerseits solltest du nicht in eigener Kraft zu Werke gehen, andererseits gibt es aber auch etwas, was bei dir vorhanden sein muss, um deinen Dienst recht zu versehen, und das ist Treue.
Weil der Herr wusste, dass Paulus treu sein würde, hatte Er ihn in den Dienst gestellt. Auch vor seiner Bekehrung hatte Paulus bereits in reichem Maß Treue und Einsatzbereitschaft an den Tag gelegt. Seine Taten waren verwerflich, doch seine Treue und seine Einsatzbereitschaft waren vorbildlich. Infolge seiner Bekehrung konnte der Herr diese Qualitäten dann im Dienst für Ihn nutzen. Was früher zu seiner eigenen Ehre diente, das setzte er jetzt zur Verherrlichung des Herrn ein.
Paulus war nicht von Menschen in den Dienst gestellt worden, sondern vom Herrn (Apg 20,24; Gal 1,15.16). Eine menschliche Anstellung ist ein unerlaubter Eingriff in die Rechte, die der Herr sich selbst vorbehalten hat. Du brauchst auch nicht auf eine offizielle Bestätigung durch Menschen zu warten, bevor du etwas für den Herrn tun kannst.
Ältere und reifere Gläubige können dich zwar ermutigen und dir mit Ratschlägen in deinem Dienst behilflich sein, und es wäre ein Zeichen von Eigenwille, wenn du darauf nichts geben würdest. Doch dein Auftraggeber bleibt der Herr. Er hat dich in den Dienst gestellt, und Ihm schuldest du Verantwortung für das, was du tust und wie du es tust.
Wenn Paulus an seine Vergangenheit zurückdenkt, wird er noch dankbarer dafür, dass der Herr ihn in seinem Dienst gebrauchen will. Nach menschlichen Maßstäben war er für einen Dienst, wie er in Vers 11 beschrieben wird, die am wenigsten geeignete Person. Aber nach den Maßstäben Gottes gab es keine geeignetere Person als ihn (siehe V. 16). Er erinnert sich noch sehr gut daran, dass er früher „ein Lästerer und Verfolger und Gewalttäter war“ (V. 13; siehe auch Gal 1,13).
Weißt du noch, wie es vor deiner Bekehrung war? Oder, wenn du keine so radikale Bekehrung erlebt hast, hast du entdeckt, wie viel Schlechtes sich in deinem Herzen verbirgt? Wenn du an deine Vergangenheit denkst oder an die schlechten Gedanken, die in dir aufkommen können, staunst du dann nicht immer wieder über die Gnade Gottes? Bewegt es dich dann nicht zutiefst, dass Er dich gerettet hat und dich jetzt gebrauchen will?
Ohne sich hervorzutun oder Aufhebens davon zu machen, berichtet Paulus, dass er früher „ein Lästerer“ war; das bedeutet, dass er Flüche aussprach. Entsprechend waren dann auch seine Taten: Er war „ein Verfolger“ der Heiligen, er spürte sie auf und jagte ihnen nach. In seiner ganzen Haltung war er ein brutaler und boshafter Mensch, „ein Gewalttäter“. Er war wie ein Besessener vorgegangen. Aus verschiedenen Aussagen, die Lukas oder er selbst in der Apostelgeschichte dazu machen, kann man entnehmen, dass er nichts lieber tun wollte, als alle Christen auszurotten (z. B. Apg 7,58; 8,3; 9,1.13.14.21; 22,20; 26,9–11).
Doch dann kommt, eingeleitet durch das Wörtchen „aber“, der große Kontrast zwischen dem, was er verdient hat, und dem, was er bekommen hat. Paulus anerkennt die Barmherzigkeit, die ihm erwiesen worden ist, obwohl er doch so gegen den Herrn Jesus zu Felde gezogen war. Ihm ist „Barmherzigkeit zuteil geworden“ (V. 13). Das Wort kannte er vorher nicht. Ohne die geringste Barmherzigkeit hatte er die Christen verfolgt. Damals war er ein Diener des Gesetzes, und das Gesetz kannte keine Barmherzigkeit (Heb 10,28). Nachdem er sie nun selbst erfahren hat, wünscht er sie auch anderen (1Tim 1,2; 2Tim 1,2.16.18).
Gott konnte Paulus barmherzig sein, weil er nicht wusste, was er tat, als er die Gemeinde verfolgte (Lk 23,34; Apg 3,17). Er hatte es „unwissend“ getan. Das heißt jedoch nicht, dass er deshalb nicht schuldig war. Das war er durchaus. Er hatte gesündigt, aber in Unwissenheit. Er hatte sich nicht mit voller Absicht gegen Gott gewandt. Er hatte nicht „mit erhobener Hand“ gesündigt (3Mo 22,14; 4Mo 15,22–31). Was er tat, hatte er mit einem guten Gewissen getan (Apg 23,1; 2Tim 1,3).
Er meinte, Gott damit einen Dienst zu erweisen. Er meinte, „gegen den Namen Jesu, des Nazaräers, viel Feindseliges tun zu müssen“ (Apg 26,9; Joh 16,2). Es war der Gottesdienst seiner Väter, der eine solche Überzeugung bei ihm bewirkt hatte. Dadurch hatte er die Anbetung des wahren Gottes kennengelernt. Das konnte ihn nur zu dem Schluss führen, dass der christliche Glaube und der alttestamentliche Glaube an Jahwe im Widerspruch zueinander standen. Er glaubte, er würde die Ehre Gottes verteidigen, wenn er die Christen umbrächte. Er hatte Eifer, doch ohne Erkenntnis (Röm 10,2; Apg 22,3). Seine Überzeugung machte ihn blind für die Offenbarung Gottes in Christus und machte ihn zum größten der Sünder.

Ist es nicht erschütternd, dass ein Mann, der so in den Schriften unterrichtet war, der die beste Ausbildung (zu den Füßen Gamaliels, Apg 22,3) genossen hatte, sagen muss, dass er etwas „unwissend“ getan hatte? Hier siehst du, dass die beste theologische Ausbildung keine Garantie dafür ist, die gesunde Lehre zu verstehen (vgl. 1Kor 2,14). Im Gegenteil, sie kann zu einem Verhalten führen, das gegen das Wort Gottes ist.
Er hatte „im Unglauben“ gehandelt. Sein früheres Handeln zeigte kein Vertrauen auf Gott. Es bestand nur aus Anmaßungen seines sündigen Fleisches, seines eigenen „Ichs“. So wie die Verwaltung Gottes in einem Klima des Glaubens geschieht („die im Glauben ist“, V. 4), so spielte sich das frühere Leben des Paulus in einem Klima des Unglaubens ab. „Alles aber, was nicht aus Glauben ist, ist Sünde“ (Röm 14,23).

Tief unter dem Eindruck der ihm erwiesenen Barmherzigkeit spricht Paulus anschließend über die „Gnade“, die „über die Maßen … überströmend geworden“ ist (siehe auch Röm 5,20). Er tut das, weil diese Gnade ihm als dem ersten der Sünder geschenkt worden ist. Indem ihm Gnade erwiesen worden ist, hat die Gnade jede Begrenzung, die man sich denken kann, überschritten. Seine Bekehrung ist ein Beweis dafür, dass die Gnade des Herrn größer ist als die größte Sünde. Er ist der lebende Beweis dafür, dass die Geduld Gottes größer ist als das Durchhaltevermögen seines erbittertsten Feindes.
Und es ist die Gnade „unseres Herrn“, die er empfangen hat. Er sagt nicht meines Herrn. Dadurch bezieht er Timotheus in das gleiche Verhältnis zum Herrn mit ein, das er selbst hat, und in die gleiche Gnade, die auch ihm zuteilgeworden ist. Gnade steht immer im Gegensatz zum Lohn (Röm 4,4). Gnade ist ganz unverdiente Gunst. Das rechte Bewusstsein von der empfangenen Gnade wird uns zu hingegebenen Dienern Gottes machen.
Zusammen mit der Gnade, die der Herr ihm geschenkt hatte, hatte er ihm auch „Glauben und Liebe“ gegeben. Dieser Glaube und diese Liebe wurden in seinem Leben sichtbar. Er lebte in völligem Glaubensvertrauen auf den Herrn und diente Ihm mit der ganzen Liebe seines Herzens. „In Christus Jesus“ hatte sein Leben Sinn und Ziel bekommen. Seitdem Er Paulus seine über die Maßen überströmende Gnade erwiesen hatte, war Jesus Christus die ganze Sphäre seines Lebens. Worin sich auch immer sein Glaube und seine Liebe zeigten – alles entsprang der Gemeinschaft mit Ihm.
Lies noch einmal 1Tim 1,12–14. – Denk einmal darüber nach, was du früher warst und was du durch die Gnade Gottes geworden bist. Woran ist bei dir der Unterschied zu erkennen?

Ger de Koning – Die Briefe an Timotheus

Auch der Apostel Paulus war zu diesem Ergebnis gelangt. Bei ihm ist keine Selbstgerechtigkeit zu sehen. Er preist die reine Gnade. Und obschon er nach dem Gesetz untadelig war (Phil 3,6), anerkennt er sich als ersten der Sünder und sagt: «Mir ist Barmherzigkeit zuteilgeworden.» Er wusste, dass er dieser Gnade nicht würdig war, unter der er nun stand. Die Überzeugung, das Gesetz gehalten zu haben, hätte Paulus dazu führen können, sich immer noch als ehrbaren Menschen zu betrachten. Doch die Gnade berührte sein Herz, öffnete seine Augen und liess ihn bekennen, was er in Wahrheit war. Sein Gewissen war gründlich davon durchdrungen, und er brauchte immer dieselben Ausdrücke, wenn er von sich selbst sprach (1 Korither 15,8.9; Eph 3,8).
Wir müssen dahin kommen, uns so zu sehen, wie Gott uns sieht, sonst machen wir in unserer Seele keine Fortschritte. Doch Gott ist treu, und Er vermag auch uns zu dem Bekenntnis zu führen, das Paulus äusserte. Je früher dies geschieht, desto besser. Ein Neubekehrter mag denken, er sei fähig, aus eigener Kraft etwas zu vollbringen. Er hält viel von sich. Doch sobald er auf dem Weg fortschreitet, sinkt er in seiner eigenen Achtung und ist schliesslich froh, sich weit hinter den Apostel Paulus stellen zu dürfen.
Nicht das Gesetz, sondern die Gnade ist es, die uns lehrt, das Böse zu verabscheuen. Ein Christ scheut sich davor, sich gegen die Gnade zu vergehen, gegen die Gnade zu sündigen.

Halte fest 1968

Wie Paulus sich verschuldet hatte
Er schreibt: »… der ich früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war« (V. 13 a).

3.3.1»Ein Verfolger«:
Die wütenden Männer, die einst den ersten Blutzeugen Jesu, Stephanus, durch Steinwürfe zu Tode brachten, legten ihre Gewänder zu Füßen des damals noch jungen Saulus bzw. Paulus nieder; er sollte sie bewachen. Und der Bericht sagt, welchen Eindruck das auf ihn machte: »Saulus hatte Gefallen am Tode des Stephanus« (Apg 8,1). Danach erhob sich ein Sturm der Verfolgung gegen die Christengemeinde, und der Eifrigste dabei war eben Saulus. Es wird berichtet: »Saulus suchte die Gemeinde zu zerstören, ging von Haus zu Haus, schleppte Männer und Frauen fort und warf sie ins Gefängnis« (Apg 8,3). Er »verfolgte« die Christen wie ein Jäger die Spur von Tieren verfolgt, um sie zu erlegen. Paulus trug die Verfolgung dann sogar ins Ausland, und es gelang ihm, sich dafür Vollmachten zu verschaffen. So machte er sich auf den Weg auch nach Damaskus, »damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führte« (Apg 9,1f.).

3.3.2 »Ein Lästerer«:
Das Lästern, die Herabstufung und Entehrung Jesu mit dem Ziel, dass andere das gleiche tun, wird vor dem Verfolgen genannt, denn die Verführung ist für die Glaubenden noch gefährlicher als die Verfolgung. Der gebildete und wortgewandte Schriftgelehrte Saulus wollte gewiss die Christen – etwa vor Gericht – mit seinen klug vorgebrachten Argumenten gegen Jesus, gegen dessen Messiasamt und dessen Gottessohnschaft in ihrem Glauben an ihren Herrn verunsichern, irremachen und sie dahin bringen, dass sie Jesus wieder absagten. Und vielleicht ist es ihm auch da und dort gelungen -, das war ihm gewiss lebenslang ein besonderer Schmerz.

3.3.3 »Ein Frevler«:
So heißt jemand, der Gottes Ehre und Werk, das, was Gott hatte geistlich aufwachsen lassen, antastete. Wir reden ja im Deutschen von »Knospenfrevel«, »Baumfrevel«, etwa wenn ein zur Blüte kommender Obstbaum aufs Übelste zugerichtet wird. Gott ließ in jener ersten Zeit der Gemeinde Jesu in Menschen den Glauben an Jesus aufwachsen, zur Blüte kommen, Frucht tragen. »Der Vater zog sie zum Sohn« (Joh 6,44). Doch da wurde in den Synagogen von den Christen verlangt, dass sie Jesus wieder absagten, ja ihm fluchten. Und wenn sie das nicht taten, wollte man sie dadurch dazu zwingen, dass man sie hart auspeitschte. Von derartigem erzählen frühe außerbiblische Berichte. Das war solch ein »Frevel«.

Kaum irgendetwas anderes kann auch unser Gewissen so sehr belasten wie die Sorge, wir könnten mit unserem Verhalten jemanden wieder irre gemacht haben, der eben erste Schritte mit Jesus getan hatte.

3.4 Was Gott darauf tat – was die Erfahrung der Barmherzigkeit für Paulus umschloss

3.4.1 »Aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren«, schreibt Paulus (V. 13 b; wörtlich: »Ich wurde mit Erbarmen beschenkt«). Diese Passivform ist, nach damaligem israelitischem Sprachgebrauch, ein Hinweis darauf, dass hier Gott am Werk war; so ist das auch bei dem Wort: »Wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.« Das heißt: Gott erhöht ihn (Lk 14,11).

3.4.2 Der Blick des Apostels ging zurück auf jenes Geschehen vor Damaskus (Apg 9): Er ritt damals ruhig dahin; und die Schar derer, die ihm bei seiner Aktion gegen die Christen zur Verfügung stehen sollten, folgte ihm. Sein Kopf arbeitete; er heckte die Pläne für seine Verfolgung aus und durchdachte noch einmal seine scharfsinnigen Argumente, mit denen er die Christen in ihrem Glauben an Jesus verunsichern wollte. Doch da wurde er plötzlich vom Licht Gottes geblendet, er sank auf die Erde und hörte, wie ihn eine Stimme fragte: »Saul, Saul, was verfolgst du mich?« Es war, wie wenn ein Verbrecher bei seiner Tat ertappt und gestellt wird. Paulus fragte zurück; er wollte genau wissen, mit wem er es zu tun hatte -: »Herr, wer bist du?« Und er empfing die klare Antwort: »Ich bin Jesus, den du verfolgst« (Apg 9,3-5). Auch hier galt: »Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan« (Mt 25,40). Nun war klar: Jesus war doch der Messias, der Gekreuzigte, der Auferstandene und nun von Gott einzigartig Erhöhte.

3.4.3 Paulus, der ja im Wort des AT lebte, konnte es sich nun gewiss nicht anders denken, als dass er, wie einst die »Rotte Korah« (4Mose 16), lebendig von der Erde verschlungen werde. Jene waren Aufrührer gegen Mose, und er war sogar ein Aufrührer gegen den Messias Gottes und damit gegen Gott selbst. Er musste damit rechnen, dass er nun weggeblitzt oder zertreten würde, wie das Ungeziefer von einem Bauern zertreten wird.

3.4.4 Doch der Herr tat etwas so ganz anderes: Er begegnete Paulus mit »Barmherzigkeit« (V. 13). Paulus »fand Mitleid« (so kann auch übersetzt werden). Was »Barmherzigkeit Gottes« ist, sehen wir besonders deutlich aus 2Mose 32-34: Israel hatte damals, nach dem Bundesschluss am Sinai (2Mose 19-20), soeben erst das Gebot empfangen: »Ich bin der Herr, dein Gott …. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben« (2Mose 20,2), da machte es sich schon einer groben Übertretung dieses Gebots schuldig: Ein »goldenes Stierbild« wurde nach Ägypter-Art gegossen, und sie umtanzten es mit der Behauptung: »Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat!« (2Mose 32,4). Solch ein »Glücksbringer-Gott«, den man sehen und mit sich führen konnte. war ganz nach ihrem Sinn. Holte der heilige Gott nun gleich schon zum Schlag aus, um das so rasch abgefallene Volk zu zerschmettern? Dan lag Mose für das Volk mit Beten und Flehen vor Gott. Ja, er bot Gott zugunsten Israels an: »Tilge lieber mich aus deinem Buch!« (2Mose 32,32f.). Das nahm Gott so nicht an; aber er ließ sich dennoch von Mose erbitten (2Mose 32,14). Solch priesterlicher Dienst der Fürbitte bringt den Menschen Gott besonders nah; und so wird Gott dem Menschen besonders nah. Er eröffnete Mose sein innerstes Wesen; er offenbarte ihm das Geheimnis seines Namens, der etwas wie ein »Hauptnenner« seines Wesens und Wirkens ist – »Name ist Wesen«, haben die Alten gesagt -: »Barmherzig, gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue« (2Mose 34,6). So heißt Gott und so ist Gott. Noch ganz anders als damals Mose für Israel ist unser Herr Jesus Christus für Israel, für alle Welt, für uns eingetreten (Mt 1,21; Joh 1,29; Röm 1,16). Er hat nicht nur angeboten, alles für uns hinzugeben; er hat es auch tatsächlich getan. Darauf beruhte es, dass Gott damals Paulus sein ganzes Erbarmen zuwandte. Und darauf beruht es, dass er heute auch uns, wenn wir uns vor ihm beugen, ebenso sein Erbarmen zuwendet.

3.4.5 So ließ Gott, unser Herr Jesus Christus, damals Saulus leben. Ja, er gab ihm auch schon eine Weisung, wie es nun weitergehen sollte, einen ersten Auftrag (Apg 9,6). Es gibt kein schöneres Zeichen dafür, dass unser Herr uns vergeben hat, als dass er uns Aufträge gibt. So hat es auch Petrus erfahren: Nach seiner Verleugnung gab ihm Jesus neue Aufträge bzw. bestätigte die alten: »Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!« (Joh 21,15-17; vgl. Mt 16,18ff.). Bei Paulus war es zunächst nur die Weisung: »Steh auf und geh in die Stadt,« Damaskus; »da wird man dir sagen, was du tun sollst« (Apg 9,6). Aber dem sonst unbekannten Christen Hananias in Damaskus, der mit Paulus reden sollte, eröffnete Gott bereits schon sein ganzes Lebens – und Dienstprogramm für Paulus: »Dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen« (Apg 9,15f.). Eben das war Paulus lebenslang das allergrößte Wunder, dass Jesus ihn nicht etwa nur selbst selig machte, was auch schon viel gewesen wäre, sondern ihn auch als seinen »Mitarbeiter« berief (1Kor 3,9). Auch Petrus meinte wohl nach seiner Verleugnung, dass er nun natürlich alles, was der Herr Segensvolles mit ihm vorhatte, verscherzt habe. Doch nichts war verscherzt. Gottes Barmherzigkeit ist größer als wir in unserer Anfechtung denken. Sie ist »alle Morgen neu über uns, und seine Treue ist groß« (Kla 3,22f.). »Und wenn unser Herz uns verdammt, so ist doch Gott größer als unser Herz« (1Joh 3,20). Ja, »wenn wir untreu werden, so bleibt er doch treu«, schreibt Paulus in seinem letzten Brief (2Tim 2,13). So ist Jesus! Und so ist Gott!

Denn wer Jesus sieht, sieht den Vater (Joh 14,9). Ebenso begegnet Jesus auch uns, gerade wenn uns im Blick auf unser Leben die Augen aufgehen, wenn uns darüber ein Stich durchs Herz geht und wenn wir nur ihn um sein Erbarmen, um sein Vergeben, um seine Fürsprache (1Joh 2,1) bitten und anflehen können.

Gerhard Maier – Edition C

Jesus sagt: „Ich habe noch andere Schafe“

Und ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hofe sind; auch diese muß ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein.
Elberfelder 1871 – Johannes 10,16

Und zu mir gehören noch andere Schafe, die nicht aus diesem Gehege sind. Die muss ich auch noch zu mir holen. Auch sie werden meine Stimme hören, und dann wird es nur noch eine einzige Herde geben und einen einzigen Hirten.
Roland Werner – Das Buch – Johannes 10:16

Ich habe (- Die Liebe des guten Hirten erstreckt sich auf alle im A. B. verheißenen Schafe. [Mic 4,2, Jes 49,1ff, Jes 52,13ff, Jes 53,10ff, Jes 55,4ff] Ich habe: weil er sie bereits kennt und ihre Bekehrung bevorsteht. – Die anderen Schafe sind die Heiden, welche dem alttestamentlichen Gottesreiche nicht angehören. -) noch andere Schafe, welche nicht aus diesem Schafstalle sind; auch diese muss ich herbeiführen,(- Dazu bin ich vom Vater gesendet. [Lk 2,32]. Diese führt der Herr nicht unmittelbar selbst, sondern durch die Apostel und ihre Nachfolger herbei. – Eine Kirche aus Juden- und Heidenchristen zusammengesetzt. – Einem obersten Hirten werden alle folgen. Erst am Ende der Tage wird diese Verheißung des Herrn ihre volle Erfüllung finden. Vergl. [Römer 11,25] -) und sie werden meine Stimme hören; und es wird eine Herde werden und ein Hirt.
Allioli Bibel – Johannes 10,16

Und andere Schafe habe Ich, die nicht aus diesem Stalle sind; auch sie muß Ich führen, und sie werden Meine Stimme hören, und wird eine Herde, ein Hirte werden. Joh 11,52; Mt 8,11; 15,24; Jes 40,11; Eph 2,14f; Ez 34,31; 37,22; Mi 2,12; Sach 14,9.
Tafelbibel mit hinzugefügten Sachparallelstellen – -Johannes 10:16

Ob Jesus hier in diesem Kapitel wirklich über sich sprach, oder ob wir heute einem Mann oder einer Gruppe von Menschen folgen sollten – war schon öfter Thema – hier die Beiträge zu Johannes 10:
Vers 10, Vers 11, Vers 27, Vers 28,
Heute eher die Frage: von welchen zwei Herden spricht Jesus?
Zwei „Sonderlehren“ gibt es: einmal die Behauptung, es gäbe innerhalb des momentan existierenden Volkes Gottes zwei Herden: eine Herde würde in den Himmel kommen, und die zweite und größere Gruppe würde es nicht in den Himmel schaffen, und hier auf der Erde ewig leben dürfen.
Dann eine zweite Sonderlehre:

3 Nephi 15:17, 21, 22
Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte sein. …. Und wahrlich, ich sage euch, ihr seid die, von denen ich gesagt habe: Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; die muss ich auch herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte sein. Und sie verstanden mich nicht; denn sie meinten, es seien die Heiden.
Wie sind die Worte Jesu in Johannes 10:16 zu verstehen? Für die Mormonen steht die Bedeutung außer Frage, da Jesus in den Kapiteln 15 und 16 von 3 Nephi im Buch Mormon die Worte von Johannes 10:16 wiederholt und bei einem angeblichen Besuch des nephitischen Volkes in Amerika im Jahr 34 N. CHR. selbst eine ausführliche Auslegung gegeben hat.
Wie oben dargestellt, lehrt er angeblich, dass die Nephiten die „anderen Schafe“ sind, auf die in Johannes 10:16 Bezug genommen wird. Doch dann begeht der Autor des Buches Mormon einen schweren Fehler, der einen Anachronismus darstellt. Er lässt Jesus sagen, dass seine Zuhörer in Jerusalem dachten, Jesus würde über die Heiden als „andere Schafe“ sprechen. Es stimmt, dass die Auffassung, Johannes 10:16 beziehe sich auf die Heiden, bei den Christen im Jahr 1830, als das Buch Mormon veröffentlicht wurde, weit verbreitet war, und der Verfasser des Buches Mormon wollte diese Auffassung offensichtlich widerlegen. Es gibt jedoch keinen Beweis dafür, dass eine solche Ansicht unter den Zuhörern Jesu in Jerusalem vorherrschte. Weder die ungläubigen Juden noch die jüdischen Jünger Jesu erwarteten von ihm, dass er heidnische Jünger in seine „eine Herde“ aufnehmen würde. Als später Heiden in die frühchristliche Gemeinde kamen, war man überrascht und sogar dagegen (Apostelgeschichte 10:45; 11:1, 2). Der Autor des Buches Mormon begeht also einen anachronistischen Fehler, indem er eine Idee, deren Zeit noch nicht gekommen war, im Jahr 34 N. CHR. ansiedelt.
Der Diskurs in 3 Nephi verkennt auch die Bedeutung der Aussage Jesu, dass seine Schafe „meine Stimme hören“ würden. Sie interpretiert dies im Sinne eines buchstäblichen, physischen Hörens, so dass Jesus einen Ort physisch besuchen müsste, damit die Menschen dort den Klang seiner Stimme hören könnten. Jesus würde kein heidnisches Land besuchen, also „sollten die Heiden meine Stimme niemals hören“ (3 Nephi 15:23). Aber Jesus meinte nicht „hören“ in diesem Sinne. In Johannes 18:37 sagte er: „Jeder, der in der Wahrheit ist, hört meine Stimme“, was sicherlich nicht bedeutet, dass er jeden, der auf der Seite der Wahrheit steht, in Hörweite besucht hat. Vielmehr handelt es sich um ein Hören im Sinne eines Glaubens: „Wenn ihr heute seine Stimme hören wollt, so verstockt eure Herzen nicht“ (Hebr 4,7). So stellt Jesus in Johannes 10,26 und 27 denen, die „nicht glauben“ und „nicht zu meinen Schafen“ gehören, die Aussage entgegen: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.“ So wie die Bibel es darstellt, geht es nicht darum, welche Länder Jesus besucht hat, sondern darum, welche menschlichen Herzen bereit sind, zu „hören“ und zu „glauben“.

David A. Reed_John R. Farkas – Antworten an Mormonen

Nun wollen wir mal schauen, was die anderen ALLE zu diesem Vers sagen:

Schafe, die nicht aus diesem Stall sind Das Evangelium ist nicht begrenzt auf Israel, sondern schließt auch den Rest der Welt mit ein (11,52).

Reformations-Studien-Bibel

Die »anderen Schafe« sind nicht aus der jüdischen Herde, sondern es sind hier heidnische Nationen gemeint. Vergleiche Jes 56,8; Joh 17,20; Apg 15,7–9; Eph 2,11–19.

Scofield-Bibel

Die anderen Schafe, die nicht zu dieser Herde gehören (vgl. V. 1), sind Heiden (vgl. Jes. 56,8). Die Formulierung „eine Herde, ein Hirte“ spielt auf Hesek 34:23; 37:24 an, aber hier wendet Jesus sie weiter gefasst an, da Juden und Heiden in einer messianischen Gemeinschaft vereint sein werden (vgl. Mt 28:18-20; Eph 2:11-22).

Die ESV Studienbibel

andere Schafe: Gläubige, die nicht zum Judentum gehören, werden sich eines Tages dem Schafstall Jesu anschließen (siehe 11,52). In Jesu Vision für sein Volk werden jüdische und heidnische Gläubige aus verschiedenen Kulturen zu einer Herde mit einem Hirten werden (17:20-23).

Neue Lebendige Übersetzung Studienbibel

Die anderen Schafe waren keine Juden in heidnischen Ländern, sondern Heiden. Das jüdische Volk hatte gefragt, ob Jesus gehen und die Heiden lehren würde (7:35). Jesus erklärte nun, dass er Schafe unter den verachteten Heiden hatte. Eine Herde nimmt die Errettung der Heiden und die Bildung der Kirche vorweg, in der bekehrte Juden und Heiden einen einzigen geistlichen Leib bilden werden (siehe 1. Kor 12,13; Gal 3,28; Eph 2,16).

Die Nelson Studienbibel

„Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind.“ Damit meint Jeschua die Heiden, die er mit den Juden zu einer Herde unter ihm, dem einen Hirten, vereinen will. Auf diese Vereinigung der Nichtjuden mit Gottes Volk wird in 11:52 erneut angespielt, und sie ist das Hauptthema der Apostelgeschichte, der Briefe von Sha’ul (Paulus) an die Römer, Galater und Epheser sowie der Offenbarung.

The Complete Jewish Study Bible

Soweit ein paar Studienbibeln – Ist dir aufgefallen – dass hier nicht nur eine Behauptung aufgestellt wird, die mit „Logik“ erklärt werden muß, sondern, dass es mit anderen Bibelstellen begründet wird???

Es empfiehlt sich, diesen Vers besonders zu betrachten, denn er enthält eine wichtige Prophezeiung Jesu, die sich in solcher Präzision in der Hirtenrede nicht noch einmal findet.
Weil die »Schafe« ein konstantes Bild für Israel waren (s. die Erklärung zu V. 1-3), konnte bisher der Eindruck entstehen, Jesus sei nur für Israel da. Dem widerspricht Vers 16 nachdrücklich. Vielmehr ist es der Auftrag Jesu, Jünger aus allen Nationen zu sammeln! Das »Muss« ist wie in Joh 3,14.30; 9,4 u. a. Stellen ein göttliches Muss, d. h. eine Anordnung des Vaters. Läse man nur Micha 2,12ff., dann wäre es verwunderlich, dass Jesus »noch andere Schafe« von außerhalb Israels hat. Liest man aber Jesaja 49,6, dann wird klar, dass schon die Prophetie des AT auf diese universale Weite zielt: »Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Israels aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde« (vgl. Jes 42,6; 60,2ff.).
Der Ausdruck »ich habe noch andere Schafe« spricht die tiefe Überzeugung Jesu aus, dass die Völkermission erfolgreich sein wird. Der Begriff »Stall« ist uns wieder aus Micha 2,12 geläufig: »Ich will sie wie Schafe miteinander in einen festen Stall tun und wie eine jede in ihre Hürden.« »Nicht aus diesem Stalle« heißt dann:
nicht aus Israel, sondern aus den Völkern. »Und auch diese muss ich bringen.« Manche übersetzen statt »bringen« »führen«. Es geht aber nicht nur darum, dass sie Jesus »anführt«, sondern vor allem darum, dass sie Jesus dem Vater »bringt«, also herzuführt (vgl. Röm 5,2; 1Petr 3,18). Diese Schafe »werden auf meine Stimme hören«, d. h. auf die Stimme Jesu, die ihnen in seinen Boten, und das heißt ganz konkret auch in der Bibel, begegnet (vgl. Mt 10,12ff.; Mt 28,18ff.; Lk 10,16; Joh 20,21-23). Dabei beachten wir, dass nicht alle Angehörigen der Völker in diesem Sinne »hören«. Jesus spricht ja nur von dem Teil der Völkerwelt, der an ihn glauben will.
Das Ergebnis hat eine universale Dimension:
»Es wird sein: eine Herde, ein Hirte.« Hier stehen tatsächlich die Zahlworte »eine / ein«. Die Glaubenden aus Israel und den Völkern werden also zu »einer« Gemeinde des Neuen Bundes vereinigt, wie es auch Epheser 2,14ff. beschreibt und wie es in Johannes 11,52 und Joh 17,20 noch einmal angedeutet ist. Der »eine« einzige »Hirte« ist in Hesekiel 34,23; Hes 37,24; Micha 2,12ff. und Sacharia 13,7 deutlich verheißen. »Eine Herde« bedeutet nicht, dass es sich um eine einheitliche, straff organisierte Organisation handelt, sondern dies meint die eine, unsichtbare und geglaubte Kirche unseres christlichen Glaubensbekenntnisses, die daraus entsteht, dass Menschen sich bekehren und durch ihr Zentrum Jesus Christus zu einem einzigen Leib vereinigt werden. Dabei können durchaus verschiedene Organisationsformen (= irdische Kirchen) vorhanden sein, wie es z. B. in den verschiedenen Missionsbewegungen von Galater 2,9 vorgeprägt ist. Johannes 10,16 ist also keine Stelle, die das Papsttum bestätigen könnte. Genauso wenig bestätigt sie eine falsche Ökumene.
Um das Universale dieser Aussage zu erfassen, ist jedoch eine weitere Linie zu berücksichtigen. Die Menschheit hatte in Adam einen einheitlichen Ursprung (vgl. Röm 5,12ff.). Sie verlor beim Turmbau von Babel diese Einheit (1Mose 11,1ff.). Unter Jesus gewinnt sie ihre Einheit zurück, wird sie zur»einen Herde«, wie es das Pfingstfest erstmals manifestiert.
Halten wir ein Letztes fest. Wenn sich Jesus hier in Anknüpfung an Hesekiel 34,23 und Hes 37,24, vielleicht auch an Jeremia 23,4ff., als den »einen Hirten« zu erkennen gibt, dann muss er das Bewusstsein gehabt haben, aus der Davidsfamilie zu stammen. Dann müssen auch seine Zeitgenossen gewusst haben, dass er aus der Davidsfamilie stammte, denn nach den angegebenen atl. Stellen kann nur ein Davidide der eine »Hirte« der Endzeit sein.

Gerhard Maier – Edition C

Ist Jesus DEIN Hirte – der dich zum himmlischen Vater führt? Ist die Bibel und der heilige Geist dein einzigstes Mittel um Jesus und den Vater besser kennen zu lernen?

Gebet nach Terminkalender?

Dann kommt Jesus mit ihnen an einen Ort, genannt Gethsemane, und er spricht zu den Jüngern: Setzet euch hier, bis ich hingegangen bin und dort gebetet habe.
Elberfelder 1871 – Matthäus 26,36

Dann ging Jesus mit ihnen weiter zu einem Gartengelände, das den Namen Gethsemane trug. Er sagte zu seinen Schülern: »Bleibt hier sitzen, bis ich dort drüben gebetet habe!«
Roland Werner – Das Buch – Matthäus 26:36

Daraufhin gelangt er gemeinsam mit ihnen zu einem Grundstück, das Getsemani heißt, und fordert die Schüler auf: „Setzt euch hier hin, solange bis ich mich zurückgezogen und gebetet habe!“
Gottes Agenda – Matthäus 26,36

Das war ein langer Tag – schließlich war aus einem „normalen Tag“ direkt das Passah gefolgt, und direkt anschließend ging man singend ins Freie. Also keine Zeit, zwischendurch zur Ruhe zu kommen. Doch Jesus nimmt sich nun Zeit – um „allein zu sein, mit seinem Vater“! Ja, Jesus hatte am Ende der Passahfeier ein langes Gebet gesprochen – mit den Aposteln. Aber nun wollte er einige Dinge mit seinem himmlischen Vater ungestört besprechen. Wir sehen, es gab die Gebete zum Essen und jedem Glas Wein – dann das Gebet mit den Jüngern (Johannes 17 ff) und nun das private Gebet.

Zum Thema Gebet gab es ja schon ein paar Post: wirklicher Freund? und Wirkung und Gott beeinflussen

Dann ging Jesus mit ihnen zu einem Garten (Joh 18,1), der hieß Gethsemane, das bedeutet „Ölpresse“. Solche Ölpressen standen in Olivenhainen und wurden zur Gewinnung des Öls aus den Früchten benutzt. Dort ließ Jesus seine Jünger – außer Petrus und den zwei Söhnen des Zebedäus (Johannes und Jakobus; Mt 4,21), die mit ihm gingen – zurück und fing an zu beten. Er war in großer Angst und Traurigkeit (lypeisthai, „sehr betrübt sein“; vgl. Mt 14,9;17,23;18,31;19,22), wie er sie noch nie in seinem Leben gespürt hatte, und bat die drei Jünger: „Bleibt hier und wacht mit mir“ (Mt 26,38). In dieser Stunde seiner größten Not wünschte sich der Herr, daß die Menschen, die ihn liebten und verstanden, mit ihm beteten.

Walvoord Bibelkommentar

Die Gegenwartsformen – »geht«, »sagt« – deuten die Dramatik des Geschehens an. Aber durfte Jesus (2.Mose 12,22 !) überhaupt das Haus verlassen? Der Talmud erlaubt dies in der Tat, wobei er bestimmt: »Beim ägyptischen Passa geschieht das Übernachten am Ort des Essens, beim späteren Passa isst man an einem Ort und übernachtet an einem anderen.« Allerdings musste eins gewährleistet sein: Jerusalem durfte nicht verlassen werden. Dabei gab es eine Diskussion darüber, wie weit Jerusalems Stadtgrenze reiche. Manche schlossen Bethphage ein, andere nicht. Aber der Ölberg war auf jeden Fall eingeschlossen (vgl. 5.Mose 16,7). Auch erlaubte das Sabbatgebot den Gang zum Ölberg (Lk 22,39; Apg 1,12).

Zugleich wissen wir jetzt, warum Jesus nach dem Passa nicht nach Bethanien, seinem gewöhnlichen Übernachtungsort (Mt 21,17) , zurückkehrte. Und schließlich wird auch klar, warum Judas jetzt wertvolle Informationen liefern konnte. Erst beim Abendmahl teilt Jesus den Ort mit, an den er sich für diese Nacht begeben will. Direkt vom Abendmahl geht Judas zur Behörde und sagt, wo man Jesus ohne Aufsehen verhaften kann. Es ist »Gethsemani« (vgl. Joh 13,27ff.). Matthäus und Markus (Mk 14,32) sprechen von einem »Grundstück« oder »Landgut«, Johannes nennt es einen »Garten« (Joh 18,1). Außerdem bemerkt Johannes, Jesus habe sich dort öfter mit seinen Jüngern versammelt (Joh 18,2). Daraus kann man schließen, dass der Besitzer des Grundstücks mit Jesus bekannt war. Handelte es sich auch da um einen geheimen Jünger wie beim Besitzer des Abendmahlsraumes (Mt 26,18) ?

Wo »Gethsemani« lag, lässt sich noch ziemlich gut ausmachen. Nach Joh 18,1 lag es gleich »jenseits des Winterbachs des Kidron«, also am Fuße des Ölbergs. Der Name »Gethsemani« geht evtl. auf hebräisches »gat schemanim« = »Kelter für Öle« (»Ölkelter«) zurück. Noch heute gibt es am Ölberg Ölbäume. Die ältesten sind acht Exemplare im Garten der Franziskaner bei der Gethsemani-Kirche. Doch ist es zweifelhaft, ob gerade deren Grundstück dem neutestamentlichen Gethsemani entspricht – trotz der alten Kirchen, die sich im 4. und 12. Jh. dort befanden. Viel wahrscheinlicher ist das Gethsemani des NT (niemals Gethsemane geschrieben!) in der Nähe der Agonie – oder Verratsgrotte bei der heutigen Marienkirche zu suchen. Das wäre ca. 100 Meter nördlich der jetzigen Gethsemani-Kirche. Denn Höhlen wurden öfter als Ölkelter benutzt. Ferner bot eine Höhle Schutz und Übernachtungsmöglichkeiten. So wusste auch Judas genau, wohin er seine Schritte lenken musste. Jedenfalls ist es bemerkenswert, dass die Evangelien, die sonst mit Ortsangaben sehr sparsam sind, den Namen jenes Grundstücks überliefern, wo Jesus seinen Gebetskampf durchlitt und der Verrat sich vollendete. Damals stand das sog. Absalomgrab schon und wurde ein Zeuge jener Nacht.

Wir könnten dann die Worte »Setzt euch hierher« auf diese Höhle beziehen. Auffallenderweise will sich Jesus vom Jüngerkreis trennen, »bis ich dorthin gegangen bin und gebetet habe«. Ganz ähnlich ließ Abraham bei der Opferung Isaaks seine Knechte zurück (1.Mose 22,5) oder Mose die Ältesten, als er die steinernen Tafeln empfing (2.Mose 24,14). Die entscheidendsten Stunden der Heilsgeschichte fanden meistens unter vier Augen mit Gott statt, in einer vollkommenen Hingabe und Einigung, die ein Weniger an Hingabe oder gar das Dabeisein der Menge nicht verträgt. So müssen wir auch manches im persönlichen Leben unter vier Augen mit Gott besprechen, durchleiden und durchklären. – Auch an Davids Auszug aus Jerusalem, hinab ins Kidrontal und den Ölberg hinan, als er vor Absalom und dem Verräter Ahithophel fliehen musste (2.Sam 15,23ff.) , werden wir erinnert. Was bei den Vätern Israels, bei Abraham, Mose und David, vorgebildet war, erfüllte sich mit furchtbarer Schärfe im Leben Jesu.

Gerhard Maier – Edition C

Gethsemane bedeutet „Ölpresse“ und weist auf einen Gartenbereich inmitten der Olivenhaine am Ölberg hin, in dem Olivenöl hergestellt wurde. Der traditionelle Standort von Gethsemane wird heute von der modernen Kirche aller Nationen markiert, die über einer byzantinischen Kirche aus dem vierten Jahrhundert errichtet wurde.

Die ESV Studienbibel

Gethsemane ist der Name eines Olivengartens etwa 250 Meter östlich des Goldenen Tors von Jerusalem, der das Kidrontal am Rande des Ölbergs überblickt. Jesus und seine Jünger trafen sich dort offenbar oft (Lukas 22:39-40; Johannes 18:1-2).

Neue Lebendige Übersetzung Studienbibel

Nachdem Jeschua diese Dinge gesagt hatte, blickte er zum Himmel auf und sagte: „Vater, die Zeit ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche, so wie du ihm Vollmacht über die ganze Menschheit gegeben hast, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe. Und das ist das ewige Leben: dich zu erkennen, den einen wahren Gott, und den du gesandt hast, Jeschua, den Messias.
„Ich habe dich auf Erden verherrlicht, indem ich das Werk vollendet habe, das du mir aufgetragen hast. Nun, Vater, verherrliche mich neben dir. Gib mir die gleiche Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt existierte.
„Ich habe deinen Namen den Menschen bekannt gemacht, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort gehalten. Jetzt wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist; denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie empfangen. Sie haben wirklich erkannt, dass ich von dir gekommen bin, und sie haben Vertrauen gefasst, dass du mich gesandt hast.
„Ich bete für sie. Ich bete nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein. In der Tat, alles, was ich habe, ist dein, und alles, was du hast, ist mein, und in ihnen bin ich verherrlicht worden. Jetzt bin ich nicht mehr in der Welt. Sie sind in der Welt, aber ich komme zu dir. Heiliger Vater, behüte sie durch die Kraft deines Namens, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir es sind. Als ich bei ihnen war, bewachte ich sie durch die Macht deines Namens, den du mir gegeben hast; ja, ich wachte über sie, und nicht einer von ihnen wurde zerstört (außer dem, der zur Zerstörung bestimmt war, damit der Tanach erfüllt würde)….
„Ich bete nicht nur für diese, sondern auch für die, die mir aufgrund ihres Wortes vertrauen werden, dass sie alle eins sind. Wie du, Vater, mit mir vereint bist und ich mit dir, so bitte ich, dass sie mit uns vereint sind, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins sind, so wie wir eins sind – ich mit ihnen vereint und du mit mir, damit sie ganz eins sind und die Welt so erkennt, dass du mich gesandt hast und dass du sie geliebt hast, so wie du mich geliebt hast.
„Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, bei mir sind, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich geliebt hast vor der Erschaffung der Welt. Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht gekannt, ich aber habe dich gekannt, und diese Menschen haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn auch weiterhin bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich selbst mit ihnen vereint bin.“

Nachdem Jeschua dies alles gesagt hatte, ging er mit seinen Talmidim über den Bach, der im Winter durch das Vadi Kidron [Kidrontal] fließt, zu einer Stelle, wo ein Hain mit Bäumen war; und er und seine Talmidim gingen dort hinein.
Dann ging Jeschua mit seinen Talmidim zu einem Ort namens Gat-Sh’manim [Gethsemane] und sagte zu ihnen: „Setzt euch hier hin, während ich dorthin gehe und bete.“ (Johannes 17:1-12; 17:20-18:1; Matthäus 26:36)
Die Straßen entlang der südlichen Mauer Jerusalems waren menschenleer und dunkel.
Die Gesichter im Fackelschein waren wie zu Fäusten geballt. Die Augen fragend und weit aufgerissen. Die Haut klamm und kalt. Die Füße stolperten gelegentlich im schwindenden Sonnenlicht.

„Zuerst habe ich den Vater verlassen und bin in der Welt angekommen.“ Jeschua sprach leise, um nicht die Aufmerksamkeit der römischen Hilfstruppen zu erregen, die in dieser Nacht durch die Straßen zogen. „Jetzt verlasse ich die Welt, um zu meinem Vater zurückzukehren.“

„Endlich!“ sagte James. „Du sprichst Klartext – du sprichst nicht mehr indirekt.“
„Jetzt wissen wir, dass Sie alles wissen. Keine Fragen mehr von uns!“ Shim’ons Ton war zuversichtlich. „Jetzt glauben wir, dass du von Gott gekommen bist.“

Jeschua wirbelte abrupt herum, die Augen blitzten: „Glaubt ihr jetzt wirklich? Die Zeit wird kommen – nein, sie ist schon da! – wenn ihr euch zerstreuen werdet, jeder für sich selbst, und ihr werdet mich allein lassen. Aber ich bin nicht wirklich allein“, flüsterte er. „Der Vater ist mit mir.“

Der Rabbi drehte sich um und ging weiter. Als seine Anhänger ihn einholten, sagte er zu ihnen: „Ich habe diese Dinge zu euch gesagt, damit ihr, sofern ihr euer Leben mit dem meinen verbindet, Schalom [Frieden] erfahren werdet. In dieser Welt werdet ihr Prüfungen erleben. Aber seid tapfer! Ich habe die Welt bereits besiegt.“

Als sie das Aschentor erreichten, blieb Jeschua stehen und schaute nach oben. Seine Augen schlossen sich und sein Gesicht verzog sich leicht, als er zu beten begann.
Vater, die Zeit ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche – so wie du ihm Vollmacht über alle Menschen gegeben hast, damit er allen, die du ihm gegeben hast, das ewige Leben gebe. Und das ist das ewige Leben: dich zu erkennen, den einen wahren Gott, und den du gesandt hast, Jeschua, den Messias. Ich habe dich auf Erden verherrlicht, indem ich das Werk vollendet habe, das du mir zu tun gegeben hast. Jetzt, Vater, verherrliche mich neben dir. Gib mir die gleiche Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt existierte.

Ich habe deinen Namen den Menschen bekannt gemacht, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort gehalten. Jetzt wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist; denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie empfangen. Sie haben wirklich erkannt, dass ich von dir gekommen bin, und sie haben Vertrauen gefasst, dass du mich gesandt hast. Ich bete für sie. Ich bete nicht für die Welt, sondern für diejenigen, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein. In der Tat, alles, was ich habe, ist dein, und alles, was du hast, ist mein, und in ihnen bin ich verherrlicht worden.


Jetzt bin ich nicht mehr in der Welt. Sie sind in der Welt, ich aber komme zu dir. Heiliger Vater, behüte sie durch die Kraft deines Namens, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir es sind. Als ich bei ihnen war, bewahrte ich sie durch die Macht deines Namens, den du mir gegeben hast; ja, ich wachte über sie, und nicht einer von ihnen wurde zerstört (außer dem, der zur Zerstörung bestimmt war, damit der Tanach erfüllt würde). Nun aber komme ich zu dir; und ich sage dies, während ich noch in der Welt bin, damit sie meine Freude an sich vollenden. Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht zur Welt gehören – so wie ich selbst nicht zur Welt gehöre. Ich bitte dich nicht darum, sie aus der Welt zu nehmen, sondern sie vor dem Bösen zu schützen. Sie gehören nicht zur Welt, so wie ich nicht zur Welt gehöre.

Jeschua schlüpfte durch das Aschopftor und wandte sich dem Ölberg zu. Seine Anhänger trotteten hinter ihm her, angestrengt hörend, sehnsüchtig nach einem Hinweis, der ihnen half zu verstehen, was geschah.

Setze sie aus zur Heiligkeit durch die Wahrheit – dein Wort ist Wahrheit. So wie du mich in die Welt gesandt hast, habe ich sie in die Welt gesandt. In ihrem Namen richte ich mich selbst zur Heiligkeit auf, damit auch sie durch die Wahrheit zur Heiligkeit aufgerichtet werden können.


Ich bete nicht nur für diese, sondern auch für die, die aufgrund ihres Wortes auf mich vertrauen werden, dass sie alle eins sind. Wie du, Vater, mit mir vereint bist und ich mit dir, so bitte ich, dass sie mit uns vereint seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins sind, so wie wir eins sind – ich mit ihnen vereint und du mit mir, damit sie ganz eins sind und die Welt so erkennt, dass du mich gesandt hast und dass du sie geliebt hast, so wie du mich geliebt hast.

Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, bei mir sind, wo ich bin; damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich geliebt hast vor der Erschaffung der Welt. Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht gekannt, ich aber habe dich gekannt, und diese Menschen haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn auch weiterhin kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich selbst mit ihnen vereint bin.

Die Gruppe der Zwölf tröpfelte den Westhang des Kidrontals hinunter. Die Mauern Jerusalems ragten hinter ihnen auf und warfen dunkle Schatten auf den Ölberg.

Jeschua blickte zu seiner Linken. Hat noch jemand die Reihe von Fackeln bemerkt, die sich zu ihnen schlängelte und wie eine lange, leuchtende Schlange von den Tempelhöfen herunterglitt?
Der Lehrer wusste, wer am Kopf der Schlange stand. Nur ein paar Stunden zuvor hatte er dem Mann die Füße gewaschen. Waren sie noch sauber?

Die Schlange schlängelte sich weiter auf den Ölberg zu.
Es war so wenig Zeit.

Timothy P. Jones – Beten wie der Jude Jesus – Die antiken Wurzeln des neutestamentlichen Gebets wiederentdecken

Wir merken also – für Jesus war das Gebet keine Zeremonie! Für Jesus war das Gebet ein wirkliches Gespräch mit seinem himmlischen Vater! Und für diese Gespräche hat er keine Zeit in seinem Zeitplan eingeplant – sondern das waren lebensnotwendige Momente, die Jesus „ständig in seinem Zeitablauf eingeschoben hat“. Ich habe nur wenige Menschen kennengelernt, die egal wo sie sind, mitten im Gespräch, mitten im Tagesablauf deutlich zeigen, dass sie kurz mit Gott sprechen müssen. Es gibt also in deinem und meinem Leben täglich Momente, wo wir beten sollten, und IHN fragen, IHN bitten sollten (und eben nicht zu regelmäßig im Kalender vorgemerkten Uhrzeiten!)
Schließlich rede ich ja mit meiner Frau auch zu jeder Zeit – immer wenn es möglich und/oder nötig ist – und warte nicht auf einen bestimmten im Kalender vorgemerkten Termin! Beten nach Kalender – ist wie sprechen mit seinem Partner nach Kalender – das ist RELIGION! Beten – also reden mit Gott, immer wenn es möglich oder nötig ist – dann ist es eine Beziehung! Arbeite daran, zu Gott eine Beziehung zu haben – und laß jede Form der Religion hinter dir!

Gerecht oder Ungerechte? – II

Ich bin nicht gekommen, solche Menschen in Gottes neue Welt einzuladen, bei denen alles in Ordnung ist, sondern solche, die Gott den Rücken gekehrt haben. Sie soll ich dazu aufrufen, ihr Leben zu ändern.« (- solche Menschen …: wörtlich Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Umkehr. -)
Gute Nachricht Bibel 2018 – Lukas 5,32

Jesus bekam diese Vorwürfe mit, deshalb sprach er seine Kritiker direkt an: „Wer braucht denn nun den Arzt: der Gesunde oder der Kranke? Ich bin nicht gekommen, um Fromme noch frommer zu machen, sondern um Menschen, die weit von Gott entfernt sind, in seine Nähe zu bringen.“
Willkommen daheim – Lukas 5:31–32

Da gab Jesus ihnen diese Antwort: »Nicht die brauchen einen Arzt, die sowieso gesund sind, sondern die, denen es schlecht geht! Ich bin nicht in diese Welt gekommen, um die Gerechten dazu aufzurufen, sich Gott zuzuwenden, sondern die Menschen, die gegen Gottes Gebote verstoßen.
Roland Werner Das Buch – Lukas 5,31–32

Diesen Vers hatten wir schon 2020 – mit der abschließenden Frage „Als was sehe ich mich? Und will ich wirklich veränderungen an MIR vornehmen lassen? Oder habe ich schon die „Wahrheit“ gefunden und bin glücklich darin?“ – ja die Frage ist immer noch aktuell: Will ich mich von Gott verändern lassen?
Paralleltxt aus Matthäus 9,13 hatten wir auch schon

Sich nicht über Jesus, sondern über seine Jünger zu beschweren – was für eine passiv-aggressive Verhaltensweise der Pharisäer und Schriftgelehrten. Sie hatten die rechtliche Befugnis (und die Persönlichkeiten), Jesus zu züchtigen; stattdessen richteten sie ihre Herausforderung an diejenigen, die sie beleidigten.

Und ich stelle mir vor, dass diese bunt zusammengewürfelte Tischgesellschaft nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Alles war so neu: Sie hatten Jesus gerade erst kennengelernt, und obwohl sie dachten, er sei vielleicht der lang erwartete Messias, konnten sie sich nicht hundertprozentig sicher sein. Ganz zu schweigen davon, dass sie sich mit den von der Gesellschaft am meisten Verachteten herumtrieben – zu denen auch einige von ihnen gehörten. Die Frage der Pharisäer ging sicherlich allen am Tisch Sitzenden durch den Kopf.
Ich wette, sie beugten sich vor, um die Antwort von Jesus zu hören.

Er hatte in letzter Zeit viel Bekanntheit erlangt. Die Menschen reisten aus Galiläa, Judäa und Jerusalem an, um ihn predigen zu hören und zu sehen, wie er heilt. Zweifellos gingen die religiösen Führer davon aus, dass er beeindruckend sein würde – dass er so aussehen und sich so verhalten würde wie sie; wie jemand, der den Berichten, die sie erhielten, würdig war.
Im Gegenteil.

Stattdessen fanden sie einen normal aussehenden Mann vor, der mit normalen Menschen zusammen war und Dinge tat, die normale Menschen tun, wie zum Beispiel essen – wenn er nicht gerade Dämonen austrieb und Blinde sehend machte. In Lukas 5:29 heißt es, dass Jesus „mit ihnen am Tisch saß“. Er war entspannt und unterhielt sich mit ihnen. Er lernte sie (und sie ihn) kennen, als die Pharisäer uneingeladen im Haus des Matthäus auftauchten.
Ich frage mich, ob sie an der Tür geklingelt haben, bevor sie hereingeplatzt sind. Ich frage mich, ob sie in der Ecke standen und flüsterten wie Mittelschülerinnen. Ich frage mich, ob sie laut murrten, aber so taten, als könne Jesus sie nicht aus einem Meter Entfernung hören. Ich frage mich, ob sie mit konkreten Fragen kamen, aber den Kurs änderten, als sie Jesus mit dem Pöbel sahen. Ich frage mich, ob sich irgendjemand am Tisch durch ihre Frage beleidigt fühlte, oder ob sie zu sehr daran gewöhnt waren, gehasst und verurteilt zu werden, um sich darum zu kümmern. Ich frage mich, ob die Frage der Pharisäer die beleidigten Gäste noch mehr für Jesus einnahm.
Sicherlich hat er geantwortet.

Ich sehe Ihre passiv-aggressive, indirekte Frage und antworte mit einer indirekten Aussage meinerseits – ich rufe die Sünder zur Umkehr auf, nicht die Gerechten.

Hm. Während seine Antwort sie zum Schweigen brachte (was zweifellos für die Zuschauer lustig war), habe ich das Gefühl, dass die Pharisäer die Bedeutung von Römer 3:10-12 spürten: „Keiner ist gerecht, nein, nicht einer; keiner versteht, keiner sucht Gott. Alle haben sich abgewandt und sind wertlos geworden; niemand tut Gutes, auch nicht einer.“

Vielleicht wäre eine direktere Antwort gewesen: „Ich treffe mich mit Leuten, die wissen, dass sie mich brauchen. Ich treffe mich nicht mit Leuten, die zu selbstgerecht sind, um zu wissen, dass sie mich brauchen. Aber ihr braucht mich doch. Ihr alle braucht mich verzweifelt.“

Hendricks Jenkins – Der Auserwählte – Buch eins: 40 Tage mit Jesus

Neben seiner Lehrtätigkeit heilte der Herr auch (Lk 5,17). Die Offenbarung der Gedanken Gottes stand im Mittelpunkt und an erster Stelle seines Dienstes. Aber um die Wahrheit seiner Worte zu bestätigen und um die Not vieler Hilfsbedürftiger zu lindern, heilte Er viele Krankheiten und Gebrechen. Er war der große Arzt, der gekommen war, um verlorene Menschen innerlich und äußerlich zu heilen (Lk 4,23; 5,31; vgl. 2 Mose 15,26; Ps 103,3).
Auch heute noch ist Er derselbe. Mit jeder Not dürfen wir zu Ihm kommen. Er hält immer noch für alle unsere Nöte und Beschwerden die richtige Lösung bereit. Nicht immer nimmt der Herr die Not weg. Aber Er hat für jede Not einen Ausweg und in der Not will Er uns seinen tiefen Frieden schenken (1 Korinther 10,13; Phil 4,6-7).
Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken; ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße.

Im Glauben leben 2019

Jesus vergleicht die Gesunden mit den Gerechten und die Kranken mit den Sündern; die Gegner Jesu müssen selbst beurteilen, wer sie sind. Aufgrund ihres Mangels an Barmherzigkeit sind sie in der Tat „krank“ und Sünder (siehe V. 23-27; 3:1-5; 7:1-15; Anmerkung zu Matthäus 9:13).

Die ESV Studienbibel zu Markus

Ich bin nicht gekommen, um die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder. Das Angebot Jesu, Sünder zu retten, stellt eine Bedrohung für die Lebensweise der Pharisäer dar und ist doch das Herzstück des Evangeliums, das er verkündet hat. „Ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer“ ist ein Zitat aus Hos. 6:6 (siehe Anmerkung). Mit „Opfer“ war das Einhalten religiöser Rituale gemeint. Wichtiger war Gott die „Barmherzigkeit“ (die Septuaginta gibt Hesed wieder, was „unerschütterliche Liebe“ bedeutet), die die Pharisäer dazu gebracht hätte, sich um diese Sünder zu kümmern, wie Jesus es tat.

Die ESV Studienbibel zu Matthäus

Jesus antwortete, dass es seine Aufgabe sei, wie ein Arzt mit kranken Menschen zu arbeiten, nicht mit den Gesunden. Jesus war nicht dazu berufen, selbstgerechten Menschen zu dienen, sondern solchen, die ihr geistliches Bedürfnis nach Gottes Gnade und Heilung erkannten.

New Living Translation Study Bible

5:31 kein Bedürfnis nach einem Arzt: Jesus wollte damit nicht sagen, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten keine geistliche Heilung nötig hätten. Stattdessen sagte er, dass nur diejenigen, die ihre geistliche Not kennen, behandelt werden können. Als selbstgerechte Menschen wollten die Pharisäer keine Hilfe in Anspruch nehmen und brauchten in ihren eigenen Augen auch keinen Arzt.
5:32 Jesu Aufgabe war es, Sünder zur Umkehr zu rufen. Nach seiner Himmelfahrt beauftragte Jesus seine Jünger mit der gleichen Aufgabe (24:47; siehe auch 3:3, 8; 13:1-5; 15:7-10; 16:30; 17:3, 4; Apostelgeschichte 26:20). In diesem Abschnitt wird die Buße als ein Patient dargestellt, der erkennt, dass er krank ist und dass nur Jesus, der große Arzt, ihn behandeln kann. Die demütige Bitte um geistliche Heilung an Gott ist das Wesen der Buße.

Die Nelson Studienbibel

Und noch einmal die Frage: Will ich mich von Gott verändern lassen?

Wer sich gerade auf der Terrasse seines Hauses aufhält, der soll nicht erst im Haus sein Gepäck für die Flucht zusammensuchen.

Wenn ihr nun den Greuel der Verwüstung, von welchem durch Daniel, den Propheten, geredet ist, stehen sehet an heiligem Orte (wer es liest, der beachte (O. verstehe) es), daß alsdann die in Judäa sind, auf die Berge fliehen; wer auf dem Dache (O. Hause) ist, nicht hinabsteige, um die Sachen aus seinem Hause zu holen; und wer auf dem Felde ist, nicht zurückkehre, um sein Kleid zu holen.
Elberfelder 1871 – Matthäus 24,15–18

Wenn ihr aber das ‚Scheusal der Verwüstung‘, von dem der Prophet Daniel geredet hat (- Daniel 11,31 -), am heiligen Ort stehen seht – wer das liest, der merke auf! –, dann sollen die Einwohner Judäas in die Berge fliehen. Wer auf seiner Dachterrasse sitzt, soll keine Zeit damit verlieren, noch etwas aus dem Haus zu holen; und wer auf dem Feld ist, soll nicht mehr zurücklaufen, um seinen Umhang zu holen.
NeÜ bibel.heute Stand 2019 – Matthäus 24:15–18

Seht ihr nun den Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte stehn, wovon Daniel, der Prophet, geredet hat -Dan 8,13; 9,27; 11,31; 12,11- – wer das liest, beachte es wohl*! -, . Es ist hier nicht die Rede von einer Zerstörung, sondern von einer Entweihung der heiligen Stätte, d.h. des Tempels (2 Thess 2,3.4).++
dann sollen, die in Judäa sind, in die Berge fliehn*.
 Wer auf dem Dache ist, gehe nicht erst ins Haus hinunter, um noch seine Habe zu holen- von den platten Dächern der Häuser konnte man unmittelbar auf die Straße kommen.   a) Lk 17,31 – ) .++
und wer auf dem Felde ist -wo er nur im Unterkleide arbeitete.-, der kehre nicht in die Wohnung zurück, um sich noch sein Oberkleid zu holen.  ++
Ludwig Albrecht – Matthäus 24,15–18

Jeschua hat das Zeichen identifiziert, das diese Zeitperiode beginnen wird: Wenn ihr nun den Greuel der Verwüstung, von dem durch den Propheten Daniel geredet worden ist, an der heiligen Stätte stehen seht (Matthäus 24,15). Im Jahr 167 v. Chr. entweihte der griechische König Antiochus Epiphanes den Tempel in Jerusalem, indem er einen Altar für Zeus aufstellte. Er „brachte auch Dinge in den Tempel, die verboten waren, so dass der Altar mit abscheulichen, nach den Gesetzen verbotenen Opfern bedeckt war“ (II Makkabäer 6:4b-5), darunter ein Schwein. Dieses Ereignis ist als der Gräuel der Verwüstung bekannt geworden. Allerdings erwähnte Jeschua den Gräuel der Verwüstung etwa zweihundert Jahre nach diesem Ereignis und fügte hinzu, dass durch den Propheten Daniel davon gesprochen wurde. Offensichtlich erwartete er, dass die Apostel diese spezielle Prophezeiung kennen würden. Während Daniels Prophezeiung in Kapitel 8 von den Ereignissen spricht, die sich 167 v. Chr. durch Antiochus Epiphanes erfüllten, sagen die Kapitel 9 und 10 eindeutig ein Ereignis voraus, das während der Trübsal geschehen wird. Diese Prophezeiung besagt, dass der Gräuel der Verwüstung genau in der Mitte der Trübsal geschehen wird: Mitten in der Woche wird er das Opfer und das Speisopfer aufhören lassen; und auf dem Flügel der Gräuel wird einer kommen, der Verwüstung stiftet (Daniel 9:27b). Das bedeutet, dass die Mitte der Trübsal mit einem bestimmten Ereignis beginnen wird, das in zwei Phasen abläuft. Die erste Stufe wird eintreten, wenn der Antichrist im Tempel Gottes sitzt und sich als Gott ausgibt (2 Thessalonicher 2,4). Die zweite Stufe wird eintreten, wenn der falsche Prophet ein Bild des Antichristen macht und es im Allerheiligsten des jüdischen Tempels aufstellt (Matthäus 24:15; Offenbarung 13:11-15). Dieses Bild wird dort 1.290 Tage lang ununterbrochen stehen dürfen, also dreißig Tage über das Ende der Trübsal hinaus (Daniel 12:11). Die Apostel wussten also aus dem Buch Daniel, dass der Gräuel der Verwüstung den Bruch des Sieben-Jahres-Bundes zwischen Israel und dem Antichristen signalisieren wird, den Beginn der zweiten Hälfte der Trübsal, und dass von diesem Punkt bis zum zweiten Kommen genau 1.260 Tage vergehen werden. Es signalisiert auch den Beginn des letzten Krieges gegen die Juden, da Satan versuchen wird, sie zu zerstören, um das zweite Kommen zu verhindern.

Jeschua prophezeite dann die Flucht Israels aus dem Land. Der Greuel der Verwüstung wird den Juden signalisieren, dass es an der Zeit ist, das Land zu verlassen: dann sollen die, die in Jehuda sind, auf die Berge fliehen (Matthäus 24:16). Die Dringlichkeit wird hervorgehoben. Jeder, der sich aus irgendeinem Grund auf dem Hausdach befindet, darf seinen Besitz nicht aus den Kammern im Inneren einsammeln (Matthäus 24:17), sondern muss sich sofort auf den Weg aus dem Land machen. Wenn jemand, der auf dem Feld pflügt, von diesem Ereignis hört, darf er die wenigen kostbaren Augenblicke nicht damit verschwenden, in die Wohnräume des Kibbuz zurückzukehren, um auch nur einen Mantel mitzunehmen (Matthäus 24:18). Sie müssen das Feld verlassen und aus dem Land fliehen.

Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive

Gewaltige Angst ergriff nun die Empörer, und viele von ihnen flüchteten sich bereits aus der Stadt, als stände deren Eroberung im nächsten Augenblick bevor. Ebendeshalb aber fasste das Volk wieder frischen Mut: wie die Bösewichter sich davon machten, näherte es sich den Thoren, um sie zu öffnen und Cestius als Wohlthäter der Stadt aufzunehmen. Hätte dieser die Belagerung nur noch kurze Zeit fortgesetzt, so würde er die Stadt wohl rasch in seine Gewalt bekommen haben. Gott aber hatte, wie ich glaube, um der Frevler willen schon damals sich vom Heiligtum abgewandt und liess deshalb an jenem Tage den Krieg sein Ende nicht erreichen.
Cestius nämlich, der weder von der Verzweiflung der Belagerten noch von der Stimmung des Volkes Kenntnis zu haben schien, liess plötzlich seine Soldaten den Rückzug antreten, gab, obwohl kein Missgeschick ihn getroffen, alle Hoffnung auf und verliess unbegreiflicherweise die Stadt. Infolge seines ganz unerwarteten Abmarsches gewannen die Banditen ihre Kühnheit wieder, fielen über die Nachhut der Römer her und machten eine Menge Reiter und Fusssoldaten nieder. Cestius bezog nun für die erste Nacht das Lager auf dem Skopos; tags darauf aber marschierte er weiter und reizte dadurch die Feinde nur noch mehr, sodass sie abermals seiner Nachhut schwere Verluste beibrachten und zugleich auch von der Seite des Weges aus den Römern mit Geschossen zusetzten. Die letzten im Zuge hatten übrigens nicht den Mut, gegen ihre Verfolger Front zu machen, weil sie dieselben ausserordentlich zahlreich wähnten, und was den Angriff auf den Flanken betraf, so waren die Römer ihm thatsächlich nicht gewachsen, da sie selbst schwerbewaffnet waren und die Marschlinie zu zerreissen fürchteten, während die Juden leichtgerüstet und angriffslustig daherzogen. So mussten die Römer grosse Verluste erleiden, ohne ihrerseits dem Feinde irgendwie schaden zu können. Auf dem ganzen Wege geschlagen und in Verwirrung gebracht, wurden sie massenhaft niedergemetzelt; unter den Gefallenen befanden sich auch Priscus, der Anführer der sechsten Legion, der Tribun Longinus und der Befehlshaber einer Reiterschwadron, Aemilius Jucundus. Endlich erreichten sie, nachdem sie auch einen grossen Teil ihres Gepäckes verloren hatten, mit Mühe ihr früheres Lager bei Gabao. Unschlüssig bezüglich dessen, was er beginnen sollte, verweilte Cestius hier zwei Tage; als er aber am dritten Tage sehen musste, wie die Zahl seiner Feinde sich noch vermehrt hatte und alles ringsum von Juden wimmelte, ward es ihm klar, dass Zögern ihm nur zum Schaden gereiche und dass, je länger er verweile, desto mehr Feinde sich ansammeln würden.
Um daher die Flucht zu beschleunigen, gab er Befehl, alles zu vernichten, was das Heer aufhalten könnte. Man tötete nun die Maulesel und die übrigen Lasttiere mit Ausnahme derjenigen, welche Geschosse und Maschinen trugen; letztere nämlich konnte man einesteils nicht gut entbehren, andernteils befürchtete man auch, sie möchten den Juden in die Hände fallen und gegen die Römer Verwendung finden. Hierauf rückte das Heer weiter auf Bethoron zu. So lange nun der Marsch über offenes Feld ging, wurden die Römer von den Juden weniger behelligt; sowie sie aber einen engen, abschüssigen Hohlweg gedrängt passieren mussten, eilte ein Teil der Juden voraus, um ihnen den Ausgang zu sperren, während andere die den Schluss des Zuges bildenden Römer in die Schlucht hineintrieben und die Hauptmasse der jüdischen Streitmacht, die sich an den Abhängen zu beiden Seiten des Weges ausgedehnt hatte, das feindliche Heer mit einem Hagel von Geschossen überschüttete. Da gerieten schon die Fusssoldaten in Verlegenheit, wie sie sich wehren sollten; in noch grösserer Gefahr aber schwebten die Reiter: denn einmal gestatteten ihnen die feindlichen Geschosse nicht, den Abstieg in Reih und Glied zu machen, und dann waren auch die steilen Abhänge, auf denen die Juden sich verteilt hatten, für die Pferde unzugänglich, während auf der anderen Seite Felsspalten und Abgründe ihnen entgegengähnten, in die sie bei jedem Fehltritt hinabstürzen konnten. In dieser entsetzlichen Lage, die weder ein Entrinnen ermöglichte, noch den Gedanken an Widerstand aufkommen liess, hatten sie schliesslich nichts als lautes Jammergeheul und das Stöhnen der Verzweiflung, dem die Schlachtrufe der Juden, untermischt mit Freudengeschrei und Wutgebrüll, schauerlich entgegenhallten. Wenig fehlte, so hätten sie das ganze Heer des Cestius aufgerieben, wäre nicht die Nacht herein gebrochen, in der die Römer nach Bethoron flohen, während die Juden alle geeigneten Punkte ringsum besetzten, um den Abmarsch ihrer Feinde überwachen zu können.

Josephus – Geschichte des Jüdischen Krieges

Diese kurzen Hinweise mögen uns helfen, das Umfeld des jüdischen Stadtlebens besser zu verstehen. Wenn wir eine der Straßen einer Stadt in Galiläa oder Judäa auf und ab gehen, werden wir feststellen, dass die Häuser sich in Größe und Eleganz unterscheiden, vom kleinen Häuschen, das nur acht oder zehn Meter im Quadrat misst, bis hin zu den Häusern der Reichen, die manchmal zwei oder mehr Stockwerke hoch sind und mit Reihen von Säulen und architektonischen Verzierungen geschmückt sind. Stellen wir uns vor ein Haus der besseren Klasse, wenn auch nicht gerade das eines Patriziers, denn es ist aus Ziegeln gebaut, vielleicht aus unbearbeitetem oder sogar bearbeitetem Stein, aber nicht aus Marmor und auch nicht aus behauenem Stein; auch sind die Wände nicht mit so zarten Farben wie Zinnoberrot gestrichen, sondern einfach gekalkt oder vielleicht mit einer neutralen Farbe überzogen. Eine breite, manchmal kostspielige Treppe führt von außen direkt auf das flache Dach, das ein wenig nach unten geneigt ist, so dass das Regenwasser leicht durch Rohre in die darunter liegende Zisterne fließen kann. Das Dach ist mit Ziegeln, Steinen oder einer anderen harten Substanz gepflastert und von einer Balustrade umgeben, die nach jüdischem Gesetz mindestens zwei Ellen (drei Fuß) hoch und stark genug sein muss, um das Gewicht einer Person zu tragen. Polizeiverordnungen, die vom gleichen Geist der Vorsicht getragen waren, verboten offene Brunnen und Gruben, unzureichende Leitern, wackelige Treppen und sogar gefährliche Hunde in einem Haus. Von Dach zu Dach konnte es eine regelmäßige Verbindung geben, die von den Rabbinern „die Straße der Dächer“ genannt wurde (Baba Mez. 88 b). Auf diese Weise konnte eine Person von Dach zu Dach fliehen, bis sie beim letzten Haus die Treppe hinunterstieg, die nach außen führte, ohne eine Wohnung betreten zu haben. Auf diese „Straße der Dächer“ bezog sich unser Herr zweifellos in seiner Warnung an seine Jünger (Mt 24,17; Mk 13,15; Lk 17,31), die sich auf die letzte Belagerung Jerusalems beziehen sollte: „Und wer auf dem Dach ist, der steige nicht hinab in das Haus und gehe nicht hinein.“ Für den normalen Verkehr war das Dach der kühlste, luftigste und stillste Ort. Natürlich wurde es zuweilen für Zwecke der Hauswirtschaft genutzt. Aber dorthin zog sich ein Mann vorzugsweise zurück, um zu beten oder in Ruhe nachzudenken; hier beobachtete er, ob Freund oder Feind, das Aufziehen des Sturms oder – wie der Priester, der vor dem Morgenopfer auf der Zinne des Tempels stand – wie sich das rote und goldene Licht der Morgendämmerung am Rande des Horizonts ausbreitete. Vom Dach aus war es auch leicht, sich vor Feinden zu schützen oder gefährliche Kämpfe mit den Untergebenen auszutragen; und wenn überhaupt, dann war es „auf den Dächern“, wo Geheimnisse geflüstert oder andererseits am öffentlichsten „verkündet“ werden konnten (Matthäus 10,27; Lukas 12,3). Das Zimmer des Fremden wurde in der Regel auf dem Dach gebaut, damit der Gast ungestört vom Haushalt aus- und eingehen konnte; und hier wurden beim Laubhüttenfest zur Abkühlung und Bequemlichkeit oft die begrünten „Buden“ aufgestellt, in denen Israel zur Erinnerung an seine Pilgerfahrt wohnte. Ganz in der Nähe befand sich „das Obergemach“. Auf dem Dach versammelte sich die Familie zum Gespräch, sonst im Hof darunter – mit seinen Bäumen, die dankbaren Schatten spendeten, und der Musik seines plätschernden Brunnens, die beruhigend auf das Ohr fiel, während man in der überdachten Galerie stand, die rundherum verlief und sich zu den Wohnungen des Haushalts öffnete.

Wenn das Gästezimmer auf dem Dach, das man von außen erreichen konnte, ohne durch das Haus zu gehen, uns an Elisa und die Schunamiterin und an das letzte Passahfest erinnert, zu dem der Herr und seine Jünger gehen und das sie verlassen konnten, ohne mit jemandem im Haus in Berührung zu kommen, so erinnert die Galerie, die um den Hof unter dem Dach herumführte, an eine weitere höchst feierliche Szene. Wir erinnern uns daran, wie diejenigen, die den „Gichtbrüchigen“ trugen, als sie nicht in der Lage waren, „zu Jesus zu kommen, um ihn zu drücken“, „das Dach aufdeckten, wo er war“, und ihn „durch die Ziegel mit seiner Liege in die Mitte vor Jesus hinunterließen“ (Markus 2,4; Lukas 5,19). Aus vielen talmudischen Texten wissen wir, dass die Rabbiner bei der Erörterung religiöser Fragen mit Vorliebe auf den „Obersaal“ zurückgriffen. So mag es auch in diesem Fall gewesen sein; und da die Träger des Kranken nicht durch die Tür in den oberen Raum gelangen konnten, haben sie vielleicht die Decke vom Dach heruntergebrochen. Oder, wenn man es für wahrscheinlicher hält, dass sich die Menge der Anwesenden unten im Hof drängte, während Jesus auf der Empore stand, die um den Hof herumging und sich zu den verschiedenen Wohnungen hin öffnete, könnten sie das Dach über ihm heruntergebrochen haben und so ihre Last langsam zu seinen Füßen und in Sichtweite aller herunterlassen. Eine bedeutsame Parallele oder vielmehr ein Kontrast dazu findet sich in einer rabbinischen Geschichte (Moed K. 25 a), in der berichtet wird, wie sie, als die Bahre, auf der ein berühmter Lehrer lag, nicht durch die Tür hinausgelassen werden konnte, ihre Last hinauf trugen und vom Dach herabließen – nicht auf dem Weg zu einem neuen Leben, sondern zur Beerdigung. Ansonsten gab es auch eine Treppe, die vom Dach in den Hof und ins Haus führte. Wenn man sich einem Haus von der Straße aus näherte, wie es Besucher normalerweise taten, ging man entweder durch einen großen äußeren Hof oder man kam direkt in die Vorhalle oder den Vorbau. Hier öffnete sich die Tür in den Innenhof, der manchmal von mehreren Familien gemeinsam genutzt wurde. Ein Pförtner öffnete den Rufern, wenn sie ihren Namen nannten, so wie Rhoda dem Petrus in der ereignisreichen Nacht seiner wundersamen Befreiung aus dem Gefängnis (Apg 12,13.14). Auch unser Herr wendet diese bekannte Tatsache des häuslichen Lebens an, wenn er sagt (Offb 3,20): „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, so will ich zu ihm hineingehen und mit ihm essen und er mit mir.“ Durch diesen Innenhof und die Galerie gelangte man in die verschiedenen Räume – das Familienzimmer, das Empfangszimmer und die Schlafgemächer -, wobei die Damen die zurückgezogensten Räume bewohnten und die inneren Räume hauptsächlich im Winter genutzt wurden. Das Mobiliar entsprach im Wesentlichen dem heutigen, bestehend aus Tischen, Sofas, Stühlen, Kerzenleuchtern und Lampen, die je nach Rang und Reichtum der Familie unterschiedlich teuer waren. Zu den Luxusartikeln gehörten reiche Kissen für Kopf und Arme, Ornamente und manchmal sogar Bilder. Die Türen bewegten sich an Scharnieren, die mit Holzstiften befestigt waren, und waren mit hölzernen Riegeln verriegelt, die mit Scheckschlüsseln von außen herausgezogen werden konnten. Der Speisesaal war im Allgemeinen geräumig und wurde manchmal für Versammlungen genutzt.

Alfred Edersheim – Skizzen des jüdischen Gesellschaftslebens in den Tagen von Christus

Das Kardinalproblem bei diesen Versen ist: Worauf beziehen sie sich? Auf die palästinischen judenchristen zur Zeit der Tempelzerstörung? Oder auf die weltwelte Christenheit zur Zeit des Antichristen? Auf Ersteres deutet die Zitierung Daniels, die Erwähnung Judäas und die Erwähnung des Sabbats. Das Zweite legt die Fortsetzung in V. 21ff. nahe. Beachtet man, dass Jesus zwei Perspektiven, die Israel- und die Völker-Perspektive, miteinander verbindet, dann ist es gerechtfertigt, diese Verse auf beides zu beziehen. D. h., sie erfüllen sich zunächst bei der Tempelzerstörung, dann aber in einem geistlichen Sinn noch einmal zur Zeit des Antichristen.
Wir wenden uns der Israel-Perspektive zu. Die »Abscheulichkeit der Verwüstung… an heiliger Stätte« meint die Entweihung des Jerusalemer Tempels, die in Dan 9,27; 11,31; 12,11 angekündigt ist. Sie geschah schon einmal im Jahr 167 v. Chr., als der Judenverfolger Antiochus IV. Epiphanes von Syrien den Jerusalemer Tempel dem griechischen Götzen Zeus Olympios weihte und eine dünne Goldplatte auf den Brandopferaltar legte. Aber Jesus sieht eine zweite Entweihung voraus. Sie realisierte sich, als die Römer im Jahre 70 n. Chr. den Tempel in Brand steckten und zerstörten. Nach einem weiteren jüdischen Aufstand 132-135 n. Chr. ließ der römische Kaiser Hadrian sogar einen Jupitertempel auf dem Platz des jüdischen Tempels errichten. Oder sieht Jesus die Gräuel voraus, die die jüdischen Aufständischen selbst vor ihrer Niederlage im Tempelbereich verübten? Ausdrücklich bezieht er sich auf »Daniel, den Propheten«. Demnach war Daniel schon zur Zeit Jesu unter die Propheten eingereiht. Jesus urteilte anders als die modernen Kritiker, die »Daniel« ins 2. Jh. v. Chr. setzen bzw. seine Prophezeiungen erst nach den Ereignissen verfasst sein lassen. Für Jesus war Daniel ein echter »Prophet., der das Kommende voraussah. Die Wendung »Der Leser verstehe es recht!« lautet im Urtext eigentlich kürzer: »Der Leser verstehe es!« Die Aufforderung setzt voraus, dass Jesu Jünger lesen konnten und außerdem das Buch Daniel schriftlich vorliegen hatten. Wir erinnern uns daran, dass Jesus immer wieder zum Lesen der Heiligen Schrift aufrief (vgl. Mt 12,3.5; 19,4; 21,16.42; 22,31; Joh 5,39). Ferner erinnern wir uns an Dan 12,4.
Drei Weisungen gibt Jesus für die Zeit der Tempelzerstörung: »Diejenigen (natürlich von seinen Jüngern!) , die in Judia sind, sollen in die Bergefliehen.« In der Tat floh die Jerusalemer Gemeinde im Jahre 68 n. Chr., als die Römer vordrangen und die jüdischen Kämpfer durch Morde den Tempel entweihten, nach Pella im OstJordanland. Möglicherweise kam damals Johannes mit Maria, der Mutter Jesu, nach Ephesus. Jesus nennt hier nur »Judäa«, d. h. die Gegend um Jerusalem. In Galiläa war der Krieg harmloser. So ist Jesu Wort auch im Rückblick gerechtfertigt. Die Flucht »in die Berge« bedeutet zugleich die Flucht in das öde Kalksteingebirge, wo Höhlen Unterschlupf gewähren. Eine solche Flucht »in die Berge« unternahmen z. B. auch David (1 Sam 22,1ff.; 1 Sam 23,14ff.; 1 Sam 24,1ff.) oder die Makkabäer, als sie gegen die Syrer kämpften (1 Makk 2,28; 2.Makk 5,27). Vielleicht deutet Hes 7,16 an, dass man auch vor den Babyloniern »in die Berge« floh. Übrigens stellt Jesu Fluchtbefehl noch einmal klar, dass die Gemeinde im Krieg keine Partei ergreift und sich nicht in politische oder militärische Kämpfe einschaltet. Für sie ist der Ablauf der Ereignisse vielmehr ein göttliches Gericht (vgl. Spr 22,3). »Wer auf dem Dach ist, steige nicht hinab, um zu holen, was in seinem Hause ist«: Aufs »Dach« gelangte man mittels einer Leiter oder Treppe neben der Hauswand, so dass man nicht durchs »Haus« musste, wenn man hinauf- oder hinabstieg (vgl. Mk 2,4).
»Und wer auf dem Felde ist, kehre nicht zurück, um seinen Mantel zu holen«: Der »Mantel« durfte nach 2.Mose 22,25ff. über Nacht nicht gepfändet werden, denn er ist »seine einzige Decke für seinen Leib« (vgl. Mt 5,40 und die Erklärung dort). Der Mantel ist also die Minimalausrüstung für die Flucht. Nicht einmal die sollte mitgenommen werden – so sehr eilt es! Lot musste in ähnlicher Eile fliehen (1.Mose 19,17.26). Sieht Jesus also einen inneren Zusammenhang zwischen dem Untergang des damaligen Jerusalem und dem Untergang Sodoms und Gomorras (Lk 17,32 !) ? In diese Richtung deutet jedenfalls die Johannesoffenbarung (Off 11,8). So wie Gott mit den Kindern in Ninive besonderes Erbarmen hatte (Jona 4,11) , so gilt Jesu Erbarmen den Mütter. -»die werdendes oder ganz junges Leben bei sich haben, »den Schwangeren und Stillenden in jenen Tagen« (vgl. Ps 137,9; Lk 23,29; 1 Kor 7,26-28). Hier redet der Heiland der Welt, kein Großmachtsüchtiger. Schließlich weist Jesus auf das Gebet hin: »Betet aber, dass ihr nicht im Winter oder am Sabbat fliehen müsst«. »Im Winter« kann es in Jerusalem schneien, die Nächte im Bergland Judäas sind bitter kalt. »Am Sabbat« sind Verkehr und Hilfeleistungen behindert (vgl. Apg 1,12). Was ein Kriegsausbruch an einem Feiertag bedeutet, haben wir beim Jom-Kippur-Krieg 1973 gesehen (vgl. auch Makk 1,32ff.). Zwar sind es kleine Hilfen, wenn die Flucht nicht auf den Winter oder Sabbat fällt. Und doch ist es ein Stück Gnade, wenn Gott durch kleine Hilfen seine Gegenwart erfahrbar macht! Aus dem Gesagten ergibt sich allerdings, dass die Gemeinde nicht einfach den Nöten der Welt entnommen wird, sondern mitleiden muss.

Gerhard Maier – Edition C

„Kleidet euch mit der neuen Persönlichkeit“

Belüget einander nicht, da ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bilde dessen, der ihn erschaffen hat; wo nicht ist Grieche und Jude, Beschneidung und Vorhaut, Barbar, (S. die Anm zu Apg 28,2) Scythe, Sklave, Freier, sondern Christus alles und in allen.
Elberfelder 1871 – Kolosser 3,9–11

Belügt einander nicht mehr! Ihr habt doch den alten Menschen mit seinen Gewohnheiten ausgezogen und habt den neuen Menschen angezogen: den Menschen, der in der Weise erneuert ist, dass er nun Gott erkennt und weiß, was Gott will – der erneuert ist nach dem Bild dessen, der ihn am Anfang nach seinem Bild geschaffen hat!
Gute Nachricht Bibel 2018 – Kolosser 3:9–10

Belügt einander nicht mehr! Ihr habt doch das alte Gewand ausgezogen – den alten Menschen mit seinen Verhaltensweisen –  und habt das neue Gewand angezogen – den neuen, von Gott erschaffenen Menschen, der fortwährend erneuert wird, damit ihr ´Gott` immer besser kennen lernt und seinem Bild ähnlich werdet.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Kolosser 3,9–10

Es gibt ja Menschen, die denken, dass sie jeden Morgen die „neue Persönlichkeit“ anziehen müssen – und abends wohl die „neuen Kleider“ wieder ausziehen … 😉

Bei anderen gilt die Regel „Denken >> Reden >> Handeln“ – und um immer „gut zu sein“ wird das eigene Reden und das eigene Denken beobachtet – und ganz ganz doll versucht, „die neue Persönlichkeit anzuziehen“.

Da wir alle Sünder sind, müssen wir uns in Bezug auf unsere Einstellung und unseren Lebenswandel ändern, wenn wir die Persönlichkeit unseres Gottes widerspiegeln wollen. Wir müssen uns mit „der neuen Persönlichkeit“ kleiden (Kolosser 3:5-14). Durch Rat erkennen wir leichter, wo wir uns noch ändern müssen, und durch Schulung lernen wir, wie das möglich ist. Die Unterweisung, die wir brauchen, kommt hauptsächlich aus der Bibel selbst (2 Timotheus 3:16, 17).

Den allein wahren Gott anbeten

Ihr habt … ausgezogen … angezogen Der „Wechsel der Kleidung“ bei den Gläubigen steht für den Wechsel von ihrer gefallenen Identität in Adam (den alten Menschen) zu ihrer neuen Identität in Christus, den „neuen Menschen“ (Eph 2,15; 4,22–24).
3,10 den neuen, von Gott erschaffenen Menschen In Christus, den zweiten Adam (1.Kor 15,20–28.45–49), sind die Gläubigen verwandelt und erneuert worden nach dem Vorbild Christi. Jede der Eigenschaften, die Paulus in Vers 12 aufzählt, kann auf allgemeine Weise auf Gottes Wesen oder auf besondere Weise auf Christi Charakter zurückgeführt werden. Das zeigt auf, wie buchstäblich Paulus die Vorstellung nahm, dass die Gläubigen zum „Bild“ ihres Schöpfers werden.

Reformations-Studien-Bibel

„Bild seines Schöpfers“ ist nach dem Verfasser des Kol Christus; in ihm wird dem Menschen die (durch Adams Ungehorsam verloren gegangene) Gottebenbildlichkeit neu geschenkt.

Herder-Übersetzung mit Kommentar und Erläuterungen

denn ihr habt das alte Selbst abgelegt … und das neue Selbst angezogen. (Zu „Selbst“ als Wiedergabe von „Mensch“ [ESV-Fußnote] siehe Anmerkung zu Eph. 4:22.) Paulus greift hier auf, was er zuvor über die Beschneidung der Christen durch Christus gesagt hat, indem er „den Leib des Fleisches“ ablegte (siehe Kol. 2:11). Hier verwendet er die Metapher des „Ausziehens“ und „Anziehens“ der Kleidung. Die aoristische Zeitform der beiden Partizipien deutet darauf hin, dass es sich um ein Ereignis handelt, das bereits stattgefunden hat. Eine qualitative Veränderung der Identität hat im Leben der Gläubigen bereits stattgefunden. Jetzt müssen sie nur noch ihr Verhalten mit ihrer neuen Identität in Einklang bringen (siehe auch Röm. 6,6; Eph. 4,24). Erneuert werden (Präsens) zeigt, dass die Verwandlung der Christen ein fortlaufender Prozess ist.

Die ESV Studienbibel

deine alte sündige Natur … deine neue Natur: Paulus stellt die alte und die neue Identität gegenüber (siehe auch Röm 5,12-21; 6,6; Eph 4,22-24). Gläubige legen ihr altes Leben ab und ziehen das neue Leben Christi an. Sie erlauben ihm, Herr zu sein und die Art und Weise, wie sie leben, zu bestimmen.

Neue Lebendige Übersetzung Studienbibel

Die Analogien zwischen dem alten Menschen und unseren alten sündigen Verhaltensweisen und dem neuen Menschen und unserem neuen Leben in Jesus Christus sind eine Parallele zu Paulus‘ Ausführungen in Römer 6 über das Sterben für die Sünde und das Leben für Christus. Die beiden Worte alter Mensch und neuer Mensch beziehen sich nicht auf die fleischliche und geistliche Natur des Christen. Stattdessen bezeichnet Paulus unser früheres unerlöstes Leben als den alten Menschen und unser Leben als Gottes Kind als den neuen Menschen. Der neue Mensch trägt das Bild der neuen Schöpfung in Christus, während der alte Mensch das Bild unserer gefallenen Natur trägt. Der alte Mensch steht unter einem alten Herrn, Satan, während der neue Mensch einen neuen Herrn hat, den Geist Gottes, der in ihm lebt.

Die Nelson Studienbibel

lm Kolosserbrief überschneidet sich unsere Fülle mit den neuen Kämpfen, die auftreten, wenn wir Christen werden. In Kolosser 3,5-11 fügt Paulus hinzu: „5 Tötet daher eure Glieder, die auf Erden sind: Unzucht, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und die Habsucht, die Götzendienst ist; 6 um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams; 7 unter ihnen seid auch ihr einstgewandelt, als ihr in diesen Dingen lebtet. 8 jetzt aber legt auch ihr das alles ab — Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung, hässliche Redensarten aus eurem Mund. 9 Lügt einander nicht an, da ihr ja den alten Menschen ausgezogen habt mit seinen Handlungen 10 und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis, nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat; 11 wo nicht Grieche noch Jude ist, weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit, noch Barbar, Skythe, Knecht, Freier — sondern alles und in allen Christus“ (Ko! 3,5-11).

Nichts wird beschönigt bezüglich des Krieges, der im Leben als Christ wütet. Es wimmelt von Anfechtungen und Versuchungen. aber wir reagieren auf sie aus einem neuen Blickwinkel. J.C. Ryle erfasst das aktive Vertrauen auf Christus. das für unsere Heiligung nötig ist. Heiligkeit muss mit Christus beginnen. Zuerst müssen wir ihm gehören.
„Möchten Sie heilig sein? Möchten Sie eine neue Kreatur werden? Dann müssen Sie bei Christus beginnen. Sie werden einfach überhaupt nichts und keinerlei Fortschritte machen, bis Sie nicht Ihre Sünde und Schwachheit spüren und zu ihm fliehen. Er ist die Wurzel und der Anfang aller Heiligkeit, und um heilig zu sein. muss man im Glauben zu ihm kommen und mit ihm verbunden sein Die Menschen versuchen oft, zuallererst aus eigener Kraft heilig zu werden, und machen ein trauriges Geschäft daraus. Sie plagen sich und mühen sich und beginnen immer wieder von Neuem und verändern sich ständig, und doch geht es ihnen wie der Frau mit dem Blutfluss, bevor sie zu Christus kam, sie spüren keine Besserung, sondern dass es ‚noch schlimmer‘ mit ihnen geworden ist (siehe Mk 5,26). Sie laufen vergeblich und arbeiten vergeblich, und das ist kein Wunder, denn sie beginnen am falschen Ende. Sie bauen eine Mauer aus Sand; ihr Werk fällt so schnell zusammen. wie sie es aufbauen. Sie schöpfen Wasser aus einem undichten Gefäß; das Loch holt sie ein, nicht sie das Loch Trail! drückt es drastisch, aber richtig aus: ‚Weisheit außerhalb von Christus ist verfluchte Torheit; Gerechtigkeit außerhalb von Christus ist Schuld und Verdammnis; Heiligung außerhalb von Christus ist Schmutz und Sünde; Erlösung außerhalb von Christus ist Knechtschaft und Sklaverei.‘
Möchten Sie Heiligkeit erreichen? Spüren Sie heute ein echtes, herzliches Verlangen, heilig zu sein? Möchten Sie Teilhaber an der himmlischen Schöpfung sein? Dann gehen Sie zu Christus! Warten Sie auf nichts. Warten Sie auf niemanden. Zögern Sie nicht. Glauben Sie nicht, Sie könnten sich selbst dafür bereitmachen. Gehen Sie und sagen Sie es ihm mit den Worten dieses wunderschönen Liedes: ‚Nichts in meiner Hand ich bringen kann, ich schmieg nur an dein Kreuz mich an; nackt und bloß, —— o kleid mich doch! Hilflos. ach -— erbarm dich doch!‘ Wir werden keinen einzigen Stein in dem Werk unserer Heiligung legen. bis wir zu Christus gehen.“ (J.C. Ryle, Seid heilig! Der Schlüssel zum erfüllten Leben, 3L Verlag GmbH, Friedberg 2005, S. 99—100)

Timothey S. Lane – Alles anders – aber wie?

Die Parallelstelle in Epheser zu dieser Ermahnung » belüget einander nicht « gibt den Grund an, warum wir uns der Ehrlichkeit befleißigen sollten: » Denn wir sind Glieder voneinander « (Eph 4,25). Jemand hat dazu treffend gesagt: Verlogenheit verletzt die Brüderlichkeit. « Der Sinn der Ermahnung ist klar: Sie sollten sich jede Art Unwahrheit abgewöhnen. Wahrheit ist ein Instinkt der neuen Natur des Christen. Wer bezeugt, ein Nachfolger dessen zu sein, der die Wahrheit heißt (Joh 14,6), muß sich vor Betrug mit Mund oder Tat hüten. Unter- wie auch Übertreibungen müssen um jeden Preis vermieden werden. Lügen ist wohl eine Sünde der Zunge, aber man kann auch mit seinem Gebaren hinters Licht führen. Josephs Brüder beließen ihren Vater im Glauben, sein Sohn sei tot, indem sie ihm das blutdurchtränkte Gewand zeigten. » Da ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen « habt, ist nach Paulus der Grund, warum sie keineswegs die Gewohnheit zu lügen tolerieren durften. Daß die neue Gemeinschaft besteht und wir Glieder voneinander sind, ist die Grundlage der Ermahnung in Eph 4,25; hier aber wird gesagt, eine alte Beziehung sei abgebrochen worden: der » alte Mensch « ist ein für allemal abgelegt worden. Es kann kein Zweifel bestehen, daß für Paulus lügen wie alles übrige hier Gesagte Wesenszüge des alten Menschen sind und der alte Mensch mit seinen Wesenszügen verträgt sich nicht mit dem neuen Menschen.
    Das Verb » ablegen « , apekdyomai, beschäftigte uns schon in 2,15 und das dazugehörige Hauptwort in 2,11. Das Ablegen muß hier als gleich radikal angesehen werden wie dort (2,15). Man schwächt die Kraft des Ausdrucks ab, wenn man-wie es einige tun-sagt, der » alte Mensch « sei die » alte Natur « . Man kann nicht von einer radikalen, das Leben verändernden Erfahrung sprechen, wenn man das, was man » abgelegt « hat, in mancherlei Beziehung noch » an « sich hat. Es gibt drei Stellen, in denen der » alte Mensch « vorkommt, nämlich: Röm 6,6, Eph 4,22 und hier. Keiner dieser Abschnitte fordert uns auf, den alten Menschen zu kreuzigen oder abzulegen, nicht einmal Eph 4,22. JND gibt den Sinn dieser Stelle so an: » Da ihr den alten Menschen abgelegt habt « , was eine angemessene Berücksichtigung des Aorists bedeutet. Bei Paulus hat palaios immer einen negativen Sinn. In 1.Kor 5 spricht er vom » alten Sauerteig « ; in 2.Kor 3 vom » alten Bund « und vom » alten Menschen « in Röm 6,6; Eph 4,22 und hier. Das Wort » Mensch « , anthropos kommt 546 mal vor im NT und wird immer so übersetzt. Von daher gibt es keinen Anlaß, den » alten Menschen « als die » alte Natur « zu verstehen oder als sonst etwas Inwendiges. Dieser Punkt muß klar verstanden werden: Es geht beim » alten Menschen « um alles, was wir haben durch unsere Verbindung mit der adamitischen Menschheit. Das Kreuz hat alles gerichtet, was wir der Stellung und der Beziehung zu Adam nach sind, ein für allemal, so daß wir gemäß dem richterlichen Urteil Gottes nicht mehr in gesetzlicher Knechtschaft durch Schuld im juristischen Sinn sind. wir bekennen dies im Augenblick, da wir zum Glauben kommen und bezeugen es öffentlich in der Taufe, so daß die Handlung uns zugerechnet wird: » da ihr den alten Menschen abgelegt habt. «
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in der Wendung » und den neuen angezogen habt « ist endysamenoi das Aoristpartizip des Verb endyo (» sich bekleiden «). Der Herr verwendet es in Luk 24,29 für den Heiligen Geist, wo Er von der Beziehung zwischen dem Heiligen Geist und solchen, die Ihn aufnehmen, spricht. Das Wort kommt auch in der LXX mit ähnlicher Bedeutung vor (Ri 5, 34). Der Gläubige wird als jemand angesehen, der in der Taufe Christus angezogen hat (Gal 3,27). Es wird von ihm gesagt, er habe den neuen Menschen angezogen (Eph 4,24 und hier), und weiter unten wird er aufgefordert, Güte und Erbarmen anzuziehen. Paulus drückt in Röm 13 ,14 den gleichen Gedanken aus: » Zieht den Herrn Jesus Christus an « . Als der Gläubige ein Krieger Gottes wurde (2.Tim 2,4), wurde er in passende Rüstung eingekleidet, welche, da er sie einmal angezogen hat, immer getragen werden muß (Röm 13,12; 2.Kor 6,7; Eph 6,11; 1.Thess 5,8). Wenn der Herr kommt, um die Seinen aus der Welt zu holen, werden die Lebenden Unsterblichkeit und die Toten Unverweslichkeit anziehen (1.Kor 15,53.54; 2.Kor 5,3). Wir sind wie verlorene Söhne, die zum Vater in Buße zurückgekehrt sind, in die besten Gewänder eingekleidet worden.
    Der Text in Kolosser hat das Wort » Mensch « nicht, weshalb auch Elbf. lediglich sagt » und den neuen angezogen habt « . Aber » Mensch « ist natürlich gemeint und wird deshalb von verschiedenen Übersetzungen zu recht ergänzt. Ein Vergleich zwischen diesem Abschnitt und Eph 4 wird nützliche Ähnlichkeiten zeigen, aber auch Unterschiede, so die verschiedenen griechischen Wörter für » neu « . In Kolosser haben wir neos, neu in Bezug auf sich selbst. In Eph 4 ist das Wort kainos, neu in Bezug auf andere Dinge. Die Unterscheidung bewährt sich hier eigentlich nicht, denn die Bedeutung wird beide Male durch das Antonym palaios, » alt « , bestimmt. Zudem geht die in Epheser genannte Erneuerung der Erwähnung des neuen Menschen voraus, während hier die Erneuerung nachher genannt wird. Schaut man wieder in den Text, stellt man fest, daß das Wort für Erneuerung in Eph 4,23 die verbale Ableitung von neos ist, wo es vom Adjektiv kainos befolgt wird, während in unserem Abschnitt das Adjektiv neos von der verbalen Ableitung von kainos befolgt wird. wie wir auch die verschiedene Bedeutung zu definieren suchen, Paulus will ganz offensichtlich beide Male auf die gleiche Grundbedeutung hinaus.
    Den neuen Menschen angezogen zu haben, bedeutet, daß der Gläubige von allem getrennt worden ist, was er in Adam war, dem gemeinschaftlichen Haupt der alten Menschheit, und jetzt Teil hat an der neuen Menschheit, dessen Haupt der letzte Adam, Christus, ist.
    Er ist eine neue Schöpfung, wie Paulus in 2.Kor 5,17 sagt, das richtig ausgelegt die beste Erklärung unseres vorliegenden Abschnittes ist. In » der erneuert wird zur Erkenntnis « bezieht sich das Relativpronomen (ton) auf den vorhergenannten » neuen Menschen « , sodaß die hier genannte Erneuerung nicht im Gläubigen persönlich vor sich geht, sondern vielmehr vom Wirken Gottes spricht, der die gesamte neue Menschheitsordnung zu voller Erkenntnis führt. Das Endergebnis übersteigt bei weitem die alte Herrlichkeit im Garten Eden. So wunderbar dort alles war, besaß der Mensch dort nicht volle Erkenntnis. Als Adam sie gegen Gottes Gebot begehrte, fiel er und damit seine ganze Nachkommenschaft. Der letzte Adam vertritt eine neue Menschheit, welche zur vollen Erkenntnis des Vorsatzes Gottes geführt wird. Der Prozeß ist beständig, wie die Zeitform des Verbums nahelegt. Das Subjekt ist nicht der Gläubige, sondern der neue Mensch, und das Muster ist » das Bild dessen, der ihn erschaffen hat « . In Titus 3,5 spricht Paulus von der » Erneuerung durch den Heiligen Geist « , der anfänglichen Operation. Das beginnt mit der Bekehrung, der Wiedergeburt. Die Erneuerung ist geistlich. Das ergibt sich ganz deutlich aus dem Kontrast von 2.Kor 4,16 zwischen dem » äußeren Menschen « , dem leiblichen, und dem » inneren Menschen « , dem geistlichen. Das dort hinzugefügte » von Tag zu Tag « unterstreicht das Fortwährende des Prozesses. Die persönliche Erneuerung betrifft die Gesinnung (Röm 12,2), wie auch Paulus in Eph 4,23 bestätigt: » Indem ihr erneuert werdet in dem Geiste eurer Gesinnung « .
    » Nach dem Bilde dessen, der ihn erschaffen hat « ist eine Anspielung auf 1 Mose 1,26.27, welches freilich kaum der entscheidende Text zur korrekten Auslegung des Ausdrucks sein dürfte. Hätten wir den Ausdruck von 1,15 nicht, müßten wir freilich 1 Mose die Auslegung bestimmen lassen. Nun aber wirft 1,15 sein Licht auf diese Worte und es wird klar, daß die beständige Erneuerung des neuen Menschen gemäß der Gleichheit Christi ist, welcher das Bild des unsichtbaren Gottes ist. Durch einen Akt göttlicher Macht hat Gott eine neue Schöpfung ins Dasein gerufen, eine neue Menschheit. Er bewirkt auch dessen beständige Erneuerung gemäß dem Haupt, Christus. Paulus zeigt in Eph 4,7-16, daß das höchste und letzte gemeinschaftliche Ziel Christus ist.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

Das ist der »alte Mensch«, der Mensch, der in die Linie Adams hineingeboren und hineinverflochten ist, der sich »in seinen Werken«, seinen »Taten« ausdrückt, die eben diese Sündenverfallenheit widerspiegeln. »Ihr habt ihn ausgezogen«, wieder ist »ausziehen« und »endgültig wegtun« gemeint (vgl. zu Kol 2,11.15). Der Christ ist nicht mehr Teil der sündenverfallenen Menschheit von Adam her, sondern er lebt in der Neuschöpfung, unter dem Haupt Christus. Das ist seine Wirklichkeit. Zwar zeigt der Christ noch manche Sünde; der Vers vorher spricht die Kolosser ja nicht theoretisch an, sondern zeigt deutlich, was in der Gemeinde immer wieder vorkommt. Aber es ist nicht mehr das folgerichtige »Tun« des sündenverflochtenen Menschen. Es sind Angriffe, die der Satan erfolgreich vorträgt, Versuchungen, denen sie erliegen. Trotzdem gilt: »Ihr habt den alten Menschen ausgezogen.« So ist die neue Gemeinschaft in Wahrheit und Liebe möglich untereinander. Vom Haupt Christus her ist wahre Gemeinschaft, ein Umgang miteinander, der wahr ist. »Belügt einander nicht« meint mehr als einzelne Lügen. Das ist schon schlimm, denn jede Form der Unwahrhaftigkeit zerstört das Vertrauen und schädigt die Liebe. »Lüge« meint auch die Verstellung voreinander, wo ich dem andern etwas vorspiele, was ich gar nicht bin. Dass wir voreinander die »Lebenslüge« aufgeben, uns einander zeigen, wie wir sind, einander an Freuden und Leiden, an Dank und Versagen teilhaben lassen, das ist die christliche Wahrhaftigkeit; die Durchsichtigkeit füreinander. Denn wir haben durch Christi Kreuz den »alten Menschen«, den, der ganz in sich verschlossen war, abgelegt.

Kolosser 3,10 :
Christen haben den »neuen« Menschen »angezogen«, am gefülltesten verstanden: Sie haben Christus angezogen (vgl. Jes 52,1; 61,10; Lk 15,22: Röm 13,14; Gal 3,27; Eph 4,24; 6,11; Offb 3,18), sind eingegliedert, eingeleibt in Christus. Christus hat uns neu erschaffen; die Neuschöpfung ist an uns geschehen, das betont der Ausdruck »der ihn geschaffen hat«. Es ist ganz und gar Christi Tat, und wir können deshalb ganz und gar mittun und »anziehen«. Dieser »neue« Mensch wächst, »wird erneuert zur Erkenntnis«, schreitet in dieser Christusgemeinschaft fort von einer Erkenntnis zur andern. »Erkenntnis« ist dabei wieder viel umfassender als verstandesmäßiges Erfassen, so sehr das der Glaube auch beinhaltet; »Erkenntnis« meint biblisch das immer mehr Hineinwachsen in den Christus, seinem »Ebenbild« gleich zu werden (vgl. Kol 1,15). Der »neue« Mensch – »neu« trägt hier die Betonung des zeitlich Neuen – wächst und entfaltet sich in immer deutlicherer Christusähnlichkeit, bis er ihm »gleich sein wird« (1Joh 3,2; vgl. auch Mt 12,50; Joh 20,17; Apg 13,43; Phil 3,21; Kol 1,18; 1Petr 1,2): Dort liegt der tiefste Grund, warum wir »ablegen, ausziehen« können und dürfen: weil der Christus uns »erneuert«, weiterwachsen lässt und uns sein Wesen aufprägt.

Gerhard Maier – Edition C